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Passivhausqualität in der Sanierung - Nachhaltigkeit zum Vorzeigen

von Dietmar Koch

Alles begann mit dem „Energieatlas“ und der Zielsetzung, bei der Sanierung des ehemaligen Bezirkspensionistenheimes in Gleisdorf ein ganzheitlich nachhaltiges Revitalisierungswohnprojekt mit 53 Wohneinheiten im Herzen von Gleisdorf zu schaffen – mit höchster Energieeffizienz, Umstellung auf erneuerbare Energien und Energiegewinnung vor Ort, Ressourcenschonung und Recycling, aktiver Regenwassernutzung, Bauökologie und Barrierefreiheit, sanfter Mobilität und Car-Sharing.

Abbildung 1: Revitalisierung des ehemaligen Bezirkspensionistenheims Gleisdorf
Sanierung in Passivhausqualität, 90kWp-PV-Dach, 100%-Umstellung auf erneuerbare Energie in der Wärmeversorgung, Regenwassernutzung, Mobilitäts- und Carsharing-Konzept, ökologische Baustoffe und Bausstoffrecycling sowie weitere Planungsdetails führten zu klimaaktiv-Gold-Auszeichnung.
Bild: bevideo GmbH Wien

Unterstützt wurden diese Ambitionen, hochqualitatives und doch leistbares, gefördertes und zentrales Wohnen in Gleisdorf in zentraler Lage umzusetzen durch die Teilnahme als Demoprojekt am Smart Cities Projekt „Weiz –Gleisdorf i-energy 2.0“ des Klima- und Energiefonds und durch die Förderung des Landes Steiermark im Rahmen der umfassenden Sanierung.

Entwurf

Aus dem Energieatlas, einem Solarenergiekatasterplan (vorbildlich in der Solarstadt Gleisdorf dank Dir. Walter Schiefer – Feistritzwerke GmbH) leuchtet die große Dachfläche des Bestandsgebäudes grell als solare Erntefläche heraus – eine Chance, die man nützen sollte: Der alte, flache Dachstuhl wurde erneuert, dabei wurden die Dachflächen optimal angehoben, sodass diese für die Sonnenstrahlennutzung optimiert sind. Damit ist auch der Dachraum für einen Dachausbau geschaffen worden, welcher die Gebäudekompaktheit hebt und den Energiebedarf automatisch anteilig senkt. Weiters finden im neuen Spitzboden die Zentrallüftungsgeräte Platz, zumal das Bestandobjekt nicht gänzlich unterkellert ist.

Abbildung 2: Zentrallüftungsgeräte im neuen Spitzboden
Quelle: Baumeister Leitner Planung & Bauaufsicht GmbH

Gebäudequalität

Die Immobilie wurde in Passivhausqualität saniert. Dies bedeutet eine Heizenergieeinsparung von 85% pro m² Wohnnutzfläche. Der gesamte Energiebedarf inkl. Warmwasser und Strom wurde um 75% pro m² Wohnnutzfläche reduziert.

Hocheffiziente Dämmung und kontrollierte Wohnraumlüftung, der Einsatz von VIP(Vakuum-Isolations-Paneel)-Dämmung, ein Dachstuhl aus nahezu wärmebrückenfreien Furnierschichtholz(TJI)-Träger-Sparren, 3-Scheiben-verglaste Fenster und Türen, erhöhte Luftdichtheit und Wärmebrückenfreiheit als Qualitätskriterien für die Sanierung sowie teilweise diffusionsoffene Innendämmungen im Altbau ermöglichen diese Effizienzsteigerungen. Aufgrund der zahlreichen Bestandswärmebrücken durch die Sichtbetonbauteile wurde auf die Wärmebrückenfreiheit in der Sanierung besonderes Augenmerk gelegt.

Erneuerbare Energien

Der bislang sehr hohe Energiebedarf (Heizung, Warmwasser, Strom) wurde zu 100% mit fossiler Energie (Öl, Gas, Strom) erzeugt. Der nun um 75% reduzierte Energiebedarf (inkl. Haushaltsstrom für 53 Wohneinheiten) wird zur Gänze mit Biomasse-Fernwärme und ökologischem PV-Strom vor Ort abgedeckt, sehr effizient und mit regionaler Wertschöpfung.

Die Ganzdach-PV-Anlage (≈90kWp) wurde seitens der Feistritzwerke GmbH errichtet und macht die Entwurfsüberlegungen gut und attraktiv nach außen sichtbar (Abbildung 1).

Heizung und Warmwasser unter Verwendung von Wettervorhersage

Neben der Niedertemperatur-Heizwärme wird auch das Warmwasser mit wandintegrierten Fernwärmeboilern je Wohnung (140 l) mittels Biomasse-Fernwärme der Stadtwerke Gleisdorf bereitgestellt. Allgemeine Gänge und Stiegenhäuser in der gedämmten Gebäudehülle werden nicht aktiv beheizt, was automatisch und beabsichtigt zu einem etwas geringeren Temperaturniveau in diesen Bereichen und zu Energieeinsparungen führt. Gleichzeitig wurde die dadurch zusätzlich in den angrenzenden Wohnungen notwendige Heizleistung mitberücksichtigt. Die Warmwasserboilerbeladung erfolgt in zwei kurzen Ladezyklen je Tag, sodass Leitungsverluste aufgrund der hier höheren Vorlauftemperaturen möglichst reduziert werden können.

Die präventive wettergesteuerte Heizungssteuerung greift auf lokale Wettervorhersagen zu und steuert damit die Heizung. Dies macht gerade bei einem eher trägen Niedertemperatur-Fußbodenheizsystem, wie hier ausgeführt, Sinn. Bei angekündigtem Schönwetter regelt die Heizung schon vorzeitig ab. Dies ermöglicht eine präzisere und punktgenauere Wärmeentfaltung und damit eine erhöhte Behaglichkeit und geringere Energieaufwendungen.

Lüftung und Luftdichtheit der Gebäudehülle

Im Haupttrakt des Gebäudebestandes wird über jedem der drei Hauptstiegenhäuser eine Zentrallüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (Fa. Bösch) im Spitzboden betrieben. Die beiden historischen Altbestandshäuser aus dem Jahre 1883 werden mit Einzel-Lüftungsanlagen je Wohneinheit ausgestattet.

Entgegen der ursprünglichen Anforderung, jede dritte Wohnung auf Luftdichtheit zu prüfen, wurde die Luftdichtheit in Gebäudeblöcken getestet mit dem Vorteil, dass so die gesamte Gebäudehüllenfläche geprüft wurde und dass wesentliche Aufwendungen für die Beseitigung von internen Leckagen entfallen konnten.

Mobilität & E-Mobility Carsharing

Die ursprünglich sehr hoch geforderte Parkplatzanzahl konnte im Zuge des Bauvorhabens für Sanierungsprojekte im Zentrum von Gleisdorf generell reduziert werden (1 PKW/Wohneinheit). Dies ermöglichte letztlich auch, unter anderem mittels einer neuen Tiefgarage für 31 PKW, alle Abstellflächen auf dem beengten Grundstück unterzubringen.

Somit machte es aber auch Sinn, zusätzlich ein E-Mobility – Carsharing auf dem Grundstück zu initiieren, womit diese für viele Menschen noch neue Mobilitätsform zugänglich gemacht werden kann. Die Energie Steiermark AG ist hier der Partner und hat eine Hochleistungsladeinfrastruktur mit zwei Lademöglichkeiten auf dem Grundstück errichtet (Abb.3).

Abbildung 3: Eine der von der Energie Steiermark AG errichteten Lademöglichkeiten auf dem Grundstück sowie die von Feistritzwerke GmbH errichtete Ganzdach-PV-Anlage mit ≈90 kWp. Quelle: Baumeister Leitner Planung & Bauaufsicht GmbH

Regenwassernutzung aktiv

Eine 10.000 l Zisterne optimiert zusätzlich das geforderte Retentionsvolumen des Niederschlagswassers. Da bei einer Regenwassernutzung ausschließlich für Gartenwässer meist kaum Wasser aus der Zisterne aktiv gebraucht wird und die einmal gefüllte Zisterne dann betreffend Retention funktionslos wäre, wurden auch die WC-Spülungen von fünf Wohneinheiten zusätzlich angeschlossen. Somit wird laufend Wasser aus der Zisterne verwendet. Dabei werden die genützten Wassermengen gemessen und ausgewertet, um die Kapazitäten der Zisterne zu evaluieren.

Bauökologie und Wiederverwendung von Materialien

Schon in der Ausschreibung wurden ökologisch ausgezeichnete Dämmstoffe (Zellulose, Glasschaumschotter; Holzweichfaserplatten, HCBD (Hexabromcyclohexan)-freies EPS (expandiertes Polystyrol), Ressourcen- schonende und energieeffiziente Dachkonstruktion mit TJI-Stegträgern anstelle herkömmlicher Sparren) und VIP-Paneele berücksichtigt und entsprechend ausgeführt. Verstärkt wurde auch auf die Wiederverwendung bestehender Dämmstoffe, Geländer, Pflasterungen, etc. geachtet.

Barrierefreiheit und Kosten

Die Wohnungen und die gesamte Wohnanlage sind weitestgehend barrierefrei erreichbar, bodenebene Duschen und barrierefreie Balkonausgänge sind standardisiert ausgeführt. Durch die Reduktion der KFZ - Abstellflächenanforderungen können die Mietwohnungen wesentlich günstiger angeboten werden. Die geringe Heizwärme sowie der Warmwasserbedarf müssen leider wohnungsweise gemessen werden, da eine Verrechnung der Heizkosten über die Nutzflächen seitens der Abteilung 15 des Landes Steiermark nicht ermöglicht wurde. Die eingesparten Heizkosten werden daher durch die erforderlichen Heizungszählkosten weitgehend wieder kompensiert.

Energieauge, Infoscreens und intelligente Müllentsorgung

Das Gebäude ist mit einer Glasfaserkabelinfrastruktur ausgestattet. In jeder Wohnung wird ein Energieauge installiert, das den Mietern mittels beigestelltem Tablet die digitale Kontrolle des eigenen Energieverbrauchs (Heizwärme, Warmwasser, Wasser, Strom der Einzelgeräte) ermöglicht, zusätzlich gibt es die Möglichkeit von Einsparungsvorschlägen. Außerdem kann durch das Energieauge auch das Auslesen und Auswerten der Einzelverbräuche, Gesamtverbräuche von Strom, Warmwasser und Heizung getrennt, sowie die Erfassung der Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit in den Wohnungen erfolgen. Das Tablet ist gleichzeitig eine online-Kommunikationsplattform für die Hausverwaltung zur Übermittlung aktueller Informationen. Weiters wird die Verfügbarkeit des E-Mobility-Carsharing-Mobiles einschließlich Batterieladestand etc. direkt ablesbar, es kann z.B. auch direkt über das Tablet reserviert bzw. gebucht werden. Auch Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel oder der aktuelle Müllentsorgungskalender sind nützliche Informationen auf dem Tablet.

Abbildung 4: Schema der E-Geräteauswertung.
Quelle: Feistritzwerke GmbH

Wesentliche Informationen das Gebäude und die Mieter betreffend werden in den Stiegenhäusern auch mittels Großflächen-Infoscreens angezeigt. Hier werden Mitteilungen der Hausverwaltung (mit Sitz in Graz) rasch und einfach vor Ort ersichtlich gemacht.

Intelligente Müllentsorgung mit Information zur Mülltrennung wird aktiv per Ansage und passiv per Infoplakat praktiziert.

Fazit

Eine wesentliche Erweiterung der Nachhaltigkeitsbetrachtungen bei diesem Projekt war die sehr aktive Einbeziehung des Mobilitätssegmentes – sowohl, was die geforderte Parkplatzschaffung betrifft, als auch die Ventilierung von Mobilitäts-Sharing-Prozessen. Eine weitere sehr positive Erfahrung waren die Partnerschaftsprojekte in Bezug auf PV und Energieauge mit der „Feistritzwerke GmbH“ sowie E-Mobility mit der „Energie Steiermark AG“. Im Projekt wurden die Leistungen mit diesen Partnern optimal zusammengeführt, was letztlich für die hohe und ganzheitliche Projektqualität ausschlaggebend war.

Das Projekt wurde mit 955 von 1000 Punkten mit dem Klima aktiv Gold Zertifikat ausgezeichnet. Damit führt es die Liste der „Klima aktiv“ - geprüften Geschossbauvorhaben in der Steiermark sowohl in Sanierung als auch im Neubau bis auf weiteres an.

Für die Leistungen in Bezug auf nachhaltige Gebäude und Energieeffizienz wurde die „Bmstr. Leitner Planung & Bauaufsicht GmbH“ mit dem Energy Globe Styria Award 2015 ausgezeichnet.

Weitere Informationen

http://www.baumeister-leitner.at/Rathausgasse-38-Gleisdorf.182.0.html

http://bevideo.at/preview/smart_city_weiz_gleisdorf.html

Personenbeschreibung

Arch. DI Dietmar Koch ist bei Bmstr. Leitner Planung & Bauaufsicht GmbH in Projektentwicklung & Projektleitung tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

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