Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

Kolpinghaus Salzburg: Erweiterung mit dem Ziel „Plusenergie“

von Robert Freund

Das Eco-Suite Hotel in Salzburg wurde am 18. März 2016 eröffnet. Zentrales Element des Energiesystems ist die Anlage zur Rückgewinnung der im Abwasser enthaltenen Wärme für Trinkwassererwärmung und Gebäudebeheizung. Wärme, die im Hotel nicht benötigt wird, wird in den Bestandsbau rückgespeist. Für die Weiterentwicklung des Gebäudekomplexes hin in Richtung Plusenergiequalität wurde ein Stufenplan ausgearbeitet.

Abbildung 1: Das Kolpinghaus der Kolpingsfamilie Salzburg-Zentral wurde erweitert. Am 18. März 2016 wurde der Betrieb im neu errichten Eco-Suite Hotel aufgenommen. Foto: Robert Freund

Das Kolpinghaus der Kolpingsfamilie Salzburg-Zentral wird als Jugendwohnheim für SchülerInnen, Lehrlinge und Studierende betrieben, 28 Zimmer werden als Teil eines ganzjährig geführten Hostels genutzt. Weil man das Jugendwohnheim im Bestandsgebäude mit den Erträgen aus dem Hotel wirtschaftlich stärken möchte – und als ergänzendes Angebot zum Seminarbetrieb – hat sich die Kolpingsfamilie Salzburg-Zentral für eine Erweiterung des Standorts um 44 Hotelzimmer entschieden. Hierfür wurden als zentrale Projektziele eine nachhaltige und energieeffiziente Konzipierung des Neubaus festgelegt.

Energiesystem Kolpinghaus Salzburg – Stand März 2016

Mit Fertigstellung des Erweiterungsbaus wurden die nachfolgend angeführten Maßnahmen umgesetzt:

  • Minimierung des Energiebedarfs an Strom und Wärme im Erweiterungsbau durch Ausführung der Gebäudehülle in Passivhaus-Standard, Einbau einer Komfortlüftungsanlage mit einem hohen Wärmerückgewinnungsgrad und Feuchterückgewinnung (Abbildung 2), Einsatz von energieeffizienten LED-Leuchtmitteln und energieeffizienter Haustechnik, Einsatz energiesparender Haushaltsgeräte und die Förderung von energiebewusstem NutzerInnen-Verhalten.
  • Durch die Installation von PV-Modulen auf der Dachfläche des Neubaus (mit einer Gesamtleistung von 29,5 kWp) wird Strom vor Ort bereitgestellt.
  • Die im Abwasser enthaltene Wärme wird zur Trinkwassererwärmung sowie zur Raumheizung genutzt. Eine punktuell allfällig erforderliche Nachheizung auf ein höheres Temperaturniveau kann über den bestehenden Gaskessel im Bestandsbau erfolgen.

Abbildung 2: Die Wärmerückgewinnung aus der Abluft erfolgt über einen drehzahlgeregelten Rotationswärmetauscher mit Feuchterückgewinnung (Molekularsiebrotor) im Winterbetrieb. Foto: Robert Freund

Zentrales Element des Energiesystems ist das Wärmerückgewinnungssystem der Fa. FEKA (CH-Bad Ragaz). Es nutzt die im häuslichen Abwasser (mit einer üblichen Temperatur von 20 bis 30 °C) enthaltene Abwärme. Aufgrund der konstruktiven Ausführung des Filter-/Tauscher-Systems ist auch die Nutzung von verschmutztem Abwasser unproblematisch. Daher ist es nicht erforderlich, die Abwasserleitungen im Gebäude doppelt zu führen, um Fäkal- vom Grauwasser (z. B. von Duschen) zu trennen. Analog einer Erdsonde zirkuliert ein Solemedium durch den Wärmetauscher und wird mittels Wärmepumpe auf das für die Nutzung benötigte Temperaturniveau gebracht. Die Wärmerückgewinnungsanlage nutzt auch die Abwässer aus dem Bestandsobjekt (inkl. Küche) als Energiequelle. Gem. Auslegungsplanung wird eine Wärmemenge von ca. 270 MWh pro Jahr bereitgestellt. Hiervon wird ein Drittel im Erweiterungsbau für Gebäudebeheizung und Trinkwassererwärmung eingesetzt, zwei Drittel werden in den Bestandsbau rückgespeist (Abbildung 3).

Abbildung 3: Die primäre Beladung des 22 000-Liter-Pufferspeichers erfolgt über die Wärmepumpe. Bei voll durchgeladenem Pufferspeicher erfolgt eine Rückspeisung in das Bestandsgebäude. Foto: Dietmar Stampfer

Die gesamte Beleuchtung im Erweiterungsbau wurde in LED-Technik ausgeführt. Besonderes Augenmerk wurde hierbei auf qualitativ hochwertige Leuchtmittel gelegt, um Beleuchtungsstärke, Lebensdauer und Wirtschaftlichkeit zu optimieren. Infolge der langen Lebensdauer wird der Instandhaltungsaufwand beträchtlich reduziert. Der Verzicht auf Energiesparlampen und Lichtleisten bewirkt darüber hinaus positive Effekte im Zusammenhang mit der Entsorgung der betreffenden Komponenten.

Energiekonzept – weitere Stufen Strom

Im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Gebäudeenergiesystems in Richtung Plusenergiequalität wurde ein Stufenplan ausgearbeitet. Auf Basis der Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen wurde die Bereitstellung von Strom mittels BHKW, das mit lokal verfügbaren Küchen-Reststoffen betrieben wird, ausgeschieden. Die Nutzung der Windkraft wurde wegen Bedenken im Zusammenhang mit gestalterischen Aspekten und Lärmemissionen nicht berücksichtigt.

Um den Anteil der vor Ort bzw. in unmittelbarer Nähe produzierten Strommenge am Stromverbrauch des Gebäudekomplexes zu erhöhen, sieht der Stufenplan die nachfolgend angeführten Maßnahmen vor:

Reduktion des Stromverbrauchs durch energiesparende Geräte und Beleuchtung

Bei Ersatzinvestitionen (im Bestandsteil) werden energiesparende Haushaltsgeräte und Leuchtmittel gewählt. Die vorhandenen Geräte und Leuchtmittel wurden im Rahmen einer Abschlussarbeit an der HTL Salzburg mit Alter und Energieverbrauchsklasse erfasst und weiters Vorschläge für Geräte bzw. Komponenten formuliert, die im Ersatzfall vorzugsweise zu wählen sind. Haben vergleichsweise wenig energieeffiziente Komponenten das Ende der zu erwartenden Nutzungsdauer bereits nahezu erreicht, macht gegebenenfalls ein vorzeitiger Austausch Sinn, z.B. der Ersatz von Leuchtstoffröhren durch LED-Leuchtmittel, evtl. auch im Rahmen eines Contracting-Projekts.

Prüfung des Einsatzes einer Stromboje flussabwärts

In diesem Zusammenhang sind die grundsätzliche Eignung des präferierten Standorts (in Zusammenarbeit mit einem Anbieter, wie z. B. Aqualibre oder Smart Hydro Power) sowie (wasser)rechtliche Fragestellungen und die Möglichkeit der Stromeinspeisung zu klären.

Erhöhung der PV-Leistung durch Nutzung der Fassade des Bestandsbaus

Bei der Modernisierung des Bestandsbaus wird geprüft, inwiefern es möglich ist, die gestalterischen Elemente des Bestandsbaus bei der Nutzung der Fassade zur Stromproduktion – insbesondere mittels Farbstoffsolarzellen – aufzugreifen.

Erhöhung der PV-Leistung im Zuge von Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen

Werden die auf dem Dach des Erweiterungsbaus montierten PV-Module nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer ersetzt, so ist aus heutiger Sicht zu erwarten, dass dann Module mit höherem Wirkungsgrad verfügbar sein werden. Es kann dann eine entsprechend höhere PV-Leistung vor Ort generiert werden.

Die ursprünglich vorgesehene Nutzung der Dachflächen des Bestandsbaus für die Strombereitstellung mittels Photovoltaik wurde aufgrund der – wegen der Dachkonstruktion erforderlichen – aufwändigen Unterkonstruktion für die Module zurückgestellt. Im Rahmen von (Sanierungs-)Arbeiten am Dach des Bestandsbaus bleibt dann die Möglichkeit der Belegung mit PV-Modulen zu prüfen. Laut ursprünglicher Planung wurde für diese Fläche eine PV-Leistung von ca. 80 kWpangesetzt.

Prüfung der ökonomischen Vorteilhaftigkeit von Stromspeicherung

Abhängig von der zukünftigen Entwicklung der Kosten für den Strombezug einerseits bzw. für Eigenproduktion und Energiespeicherung andererseits, kann es ökonomisch vorteilhaft sein, selbst produzierten (Überschuss-)Strom zu speichern und zeitversetzt zu nutzen. Heute werden in erster Linie batteriebasierte Stromspeichersysteme angeboten, andere Technologien – wie z.B. pneumatisch-hydraulische Systeme befinden sich mit Stand Anfang 2016 im Prototypenstadium. Die Möglichkeit der Speicherung von Strom in Form von Wärme („power-to-heat“) ist bereits mit Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus gegeben – mittels Betrieb von Wärmepumpe bzw. Elektroheizpumpe.

Energiekonzept – weitere Stufen Wärme

Im Zuge der Projektvorbereitung wurden relevante Aspekte im Zusammenhang mit Wärmebereitstellung und -abnahme untersucht. Da aus heutiger Sicht kein BHKW realisiert wird, steht ein Wärmeüberschuss (für die Nutzung außerhalb des Gebäudekomplexes) erst in einer späteren Umsetzungsstufe (infolge der Verbesserung des Bestandsbaus mindestens auf Niedrigstenergiehaus-Standard) zur Verfügung.

In diesem Zusammenhang sollten frühzeitig vor Umsetzung der energetischen Verbesserungsmaßnahmen am Bestandsbau Gespräche mit den betreffenden Ansprechpersonen der umliegenden Wohnsiedlungen im Hinblick auf eine Direktwärmelieferung aufgenommen werden. Grundsätzlich zu prüfen bleiben weiters die Möglichkeit einer Wärmespeicherung in Containern mit Latentwärmespeichermaterial bzw. eine Rückspeisung in das Fernwärmenetz.

Abhängig von den Ergebnissen sind gegebenenfalls entsprechende bauliche Maßnahmen zu treffen. Kann ein allfälliger Wärmeüberschuss nach energetischer Verbesserung des Bestandsbaus nicht außerhalb des Gebäudekomplexes genutzt werden, so wird die Betriebszeit der Wärmepumpe entsprechend reduziert und damit der Stromverbrauch verringert. Hieraus resultierende Stromüberschüsse können gespeichert, in das Netz eingespeist oder gegebenenfalls auch direkt vermarktet werden.

Aktueller Stand und Ausblick

Bild 4 zeigt eine mögliche Ausgestaltungsvariante des zukünftigen Energiesystems im Kolpinghaus Salzburg. Ergänzende Komponenten bzw. Elemente sind in grauer Schrift formatiert. Da sich der weitere Ausbau des Energiesystems voraussichtlich über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren erstrecken wird, ist damit zu rechnen, dass auch neue Technologien (zu einem vertretbaren Kosten-Nutzen-Verhältnis) verfügbar sein werden.

Abbildung 4: Mögliche Ausgestaltungsvariante des zukünftigen Energiesystems des Gebäudekomplexes Kolpinghaus Salzburg. Quelle: Robert Freund

Das begleitende Monitoring wurde bereits gestartet – in Bild 5 ist ein Screenshot der Anlagenvisualisierung vom 10. März 2016 dargestellt (Abbildung 5). Der Hotelbetrieb wurde am 18. März 2016 aufgenommen, ein Besichtigungsangebot für fachlich Interessierte ist in Vorbereitung.

Abbildung 5: Screen-Shot der Startseite der Anlagenvisualisierung vom 10.03.2016 (vor Aufnahme des Hotelbetriebs) Quelle: Dietmar Stampfer

Autorenbeschreibung:

Robert Freund arbeitet freiberuflich im Themenfeld Energiewende. Im Projekt Kolpinghaus Salzburg ist er zuständig für das Projektmanagement des Forschungsprojekts und verschiedene inhaltliche Teilaufgaben (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

Logos

Das Projekt wird gefördert aus Mitteln des Programms Haus der Zukunft Plus. Haus der Zukunft Plus ist ein Forschungs- und Technologieprogramm des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMVIT von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik ÖGUT abgewickelt.

Top of page