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Solargestütztes Maischen in der Brauerei Göss
Systemtechnik, Betriebserfahrungen und Monitoringergebnisse

Von Franz Mauthner, Matthäus Hubmann, Christoph Brunner und Andrea Stachel

Seit Juni 2013 versorgt eine solare Großanlage die steirische Brauerei Göss mit umweltfreundlicher Prozesswärme und reduziert die produktionsbedingten CO2-Emissionen beim Bierbrauen am Standort um rund 90 Tonnen CO2-Äquivalent jährlich.

Solargestütztes Maischen in der Brauerei Goess

Insgesamt wurden am Betriebsgelände 100 Großflächenkollektoren mit einer Gesamt-Bruttokollektorfläche von 1.500 m² sowie ein 200 m³ druckbehafteter Energiespeicher zur Versorgung des Maischeprozesses installiert (Abbildung 1).

Abbildung 1: 1.500m² Flachkollektorfeld (Brutto) am Betriebsgelände der Brauerei Göss (Quelle: AEE INTEC)

Zu Beginn des europäischen Projekts „Solarbrew“ stand die Herausforderung, Solarenergie in den ersten Prozessschritt der Bierherstellung, dem Maischen, zu integrieren. Deshalb wurde in der Brauerei Göss die prozessseitige Wärmeversorgung der Maischebottiche von Dampf auf Heißwasser umgestellt. Dadurch wurde es möglich, den gesamten Prozess weitestgehend klimaneutral mittels Biomasse-Fernwärme und Solarthermie zu versorgen und Erdgas für den Betrieb der Dampfkessel einzusparen.

Das Maischen ist ein Arbeitsverfahren beim Brauprozess, bei dem durch enzymatische, physikalische und chemische Vorgänge die für die nachfolgenden Prozessschritte relevanten Malzinhaltsstoffe Stärke, Eiweiße und Zellwandsubstanzen in Lösung gebracht werden. In der Brauerei Göss wird hierbei geschrotetes Malz mit heißem Wasser (Brauwasser) im sogenannten Maischebottich vermischt. Die so entstandene Maische wird anschließend unter stetigem Umrühren in drei aufeinander folgenden Aufheizschritten mit klar definierten Heizraten von 58°C auf 78°C erhitzt. Während dieses gesamten Vorganges löst sich die Stärke aus dem Malz im Wasser und Enzyme sorgen dafür, dass vergärbarer Malzzucker (Maltose) entsteht [1].

Abbildung 2: Energieversorgung der Maischebottiche in der Brauerei Göss nach Solar- bzw. Fernwärmeintegration

Die neue Heißwasserversorgung wird über eine Fernwärmeanbindung sichergestellt, wobei Abwärme aus dem Biomasse-ORC Prozess eines anliegenden holzverarbeitenden Betriebes zur Verfügung steht. Die hydraulische Einbindung der Solaranlage mit einer thermischen Spitzenleistung von knapp 1MWth erfolgt über einen Plattenwärmeübertrager am Einkopplungspunkt der Biomasse-Fernwärme in das System (HX-DH). Über diesen Wärmetauscher wird zu jeder Zeit die Versorgungstemperatur zu den Maischebottichen sichergestellt. Die bestehende erdgasbefeuerte Dampfheizung der Brauerei bleibt als zusätzliches Back-up erhalten (Abbildung 2).

Kollektorfeld und Solarkreis

Das Kollektorfeld besteht aus insgesamt 100 Stück selektiven Großflächen-Flachkollektoren mit jeweils 15 m² Bruttokollektorfläche (13,75 m² Aperturfläche). Das Kollektorfeld ist am Boden montiert, wobei jeweils 10 Kollektoren einen seriellen Strang bilden und wiederum 10 solche Stränge parallel zum Gesamtfeld verschaltet sind. Die Kollektorabsorber sind harfenförmig mit jeweils oben liegenden Anschlüssen, von denen aus die einzelnen Absorber über flexible Edelstahlrohre (1 ¼“) miteinander verbunden sind. Für die Standsicherheit der Kollektoren am Boden sorgen Betonfundamente, die entsprechend der möglichen Windlasten am Standort dimensioniert wurden. Die Kollektoren sind südlich ausgerichtet und über eine Stahl-Unterkonstruktion (Aufstellungswinkel: 38°) mit dem Betonfundament verbunden.

Für eine ausgeglichene Strömungsverteilung innerhalb des Kollektorfeldes sorgen einerseits angepasste (abnehmende) Rohrdurchmesser zwischen den einzelnen Strängen und andererseits ist jeder einzelne Strang vollständig absperrbar ausgeführt sowie rücklaufseitig mit einem zusätzlichen Strangregulierventil zur Feinjustierung der Durchflüsse ausgestattet.

Der gesamte Solarkreis teilt sich in einen Primär- und einen Sekundärkreislauf wobei primärseitig aus Frostschutzgründen ein Wasser/Glykol-Gemisch (40 Vol-%) als Wärmeträgermedium verwendet wird. Die hydraulische Trennung der beiden Kreise ist über einen Plattenwärmeübertrager realisiert.

Sowohl im Primär- als auch im Sekundärkreis sind Pumpen mit Frequenzumrichter installiert. Damit ist die Regelung des Massenstroms (20 – 100 %) auf eine konstante Solar-Vorlauftemperatur möglich. Über die Sekundärkreispumpe erfolgt die Beladung des Energiespeichers, wobei mittels Stellventilen thermische Energie entsprechend des Temperaturniveaus entweder im Speicher oben oder in der Speichermitte eingeschichtet wird (Abbildung 3).

Abbildung 3: Vereinfachtes Hydraulikschema Solarkreis Brauerei Göss

Die Ausdehnungsgefäße im Primärkreis sind nur für die Aufnahme der Flüssigkeitsdehnung infolge von Temperaturunterschieden im Regelbetrieb dimensioniert. Stagnation der thermischen Solaranlage wird durch einen aktiven Kühler im Solarkreis sowie (vorgelagert) durch die Möglichkeit einer Nachtkühlung über das Kollektorfeld vermieden.

Falls es doch zu einem Stillstand der Anlage kommt (z.B.: Stromausfall, technisches Gebrechen der Pumpe oder des Reglers, menschliches Versagen), öffnet ein Sicherheitsventil bei einem relativ geringem Druck von 4,6 barabs und das Kollektorfeld kann sich in einen atmosphärisch offenen Glykol-Tank entleeren. Eine Wiederbefüllung und Entlüftung des Systems muss dann manuell eingeleitet werden.

Monitoringergebnisse und Betriebserfahrungen des ersten Betriebsjahres

Das Betriebsverhalten der solaren Prozesswärmeanlage in Göss im Regelbetrieb (Sonnenschein und Wärmebedarf abnehmerseitig) war im ersten Betriebsjahr weitestgehend unproblematisch. Die spezifischen solaren Brutto-Wärmeerträge (gemessen am Solar-Primärkreis: E-Solar primär) waren mit 527 MWh bzw. 383 kWh/(m²Apertur·a) unter Berücksichtigung der mäßigen solaren Einstrahlung am Standort sowie der hohen mittleren Kollektorarbeitstemperaturen von durchschnittlich 87°C zufriedenstellend und im projektierten Bereich.

Die Jahressumme der Einstrahlung (G-Kollektorfeld) auf die geneigte Kollektoroberfläche betrug im Messjahr 1.209 kWh/(m²Apertur·a). Der Absolutwert der Einstrahlung lag im Messjahr bei 1.660 MWh. Der Solarkreis-Nutzungsgrad lag im Jahresschnitt bei 32% (E-Solar primär / G-Kollektorfeld). Die tatsächlich als Nutzenergie gelieferte solare Energiemenge (abzüglich Verteil- und Speicherverluste sowie Verluste durch Nachtkühlung: E-Maischen SOLAR) war mit 304 MWh bzw. 221 kWh/(m²Apertur·a) jedoch deutlich geringer. Der Nutzungsgrad des Gesamtsystems (E-Maischen SOLAR / G-Kollektorfeld) betrug im Messjahr 18% (Abbildung 4).

Abbildung 4: Energiebilanz des Solarkreises auf Monatsbasis für das Betriebsjahr 08/2013 bis 07/2014

Die hohen Verluste waren bedingt durch lange Stillstandszeiten des Solarsystems. Das Maischen erfolgte nur an vier (selten fünf) Tagen der Woche, weshalb an den Wochenenden häufig überschüssige Solarenergie in der Nacht aktiv gekühlt werden musste. Insgesamt 25% der Solarenergie im Speicher wurde mittels Nachtkühlung über das Kollektorfeld wieder an die Umgebung abgegeben. Weitere 18% der Verluste entfielen auf Wärmeverluste des Speichers sowie des Wärmeverteilsystems (solar- und prozessseitig). Der Grund für die hohen Verluste durch die Nachtkühlung war, dass im ersten Betriebsjahr in Göss die ursprünglich geplante Ausbaustufe mit einer weiteren Wärmesenke für das Wochenende nicht umgesetzt wurde. Die Nachtkühlung kam aus diesem Grund nicht wie geplant als Notkühlung an einigen Stunden pro Jahr zum Einsatz, sondern aufgrund der fehlenden Wärmesenke an zwei bis drei Tagen pro Woche.

Obwohl Nachtkühlung aus energetischer Sicht natürlich möglichst zu vermeiden ist, kann dennoch hervorgehoben werden, dass sich das Konzept als sehr wirksamer Schutz gegen Anlagenstagnation erwiesen hat. Mit dem System der Brauerei Göss ist es möglich, im Sommer bis zu 80 % der solaren Gewinne am Tag über Nachtkühlung (Nachtkühlung über 10 Stunden, klarer Himmel, kühle Nacht) wieder abzuführen (vgl. [2]).

Bezogen auf den gesamten thermischen Nutzenergiebedarf für den Maischeprozess im Messjahr von 1.614 MWh betrug der Solaranteil rund 19% oder 304 MWh. 12% (193 MWh) wurden von der Fernwärme geliefert und der Großteil (69% bzw. 1.118 MWh) wurde von der bestehenden Erdgas-Dampfheizung der Brauerei nachgeheizt (Abbildung 5).

Abbildung 5: Energiebilanz des Maischeprozesses auf Monatsbasis für das Betriebsjahr 08/2013 bis 07/2014

Gründe für das häufige Nachheizen mit Dampf liegen im Ansprechverhalten der Regelung für die parallele Dampfheizung begründet. Zudem tritt häufig der Fall ein, dass die gelieferte Fernwärme-Vorlauftemperatur für das Aufheizen der Maischebottiche im zweiten und dritten Aufheizschritt nicht mehr ausreichend ist. Am Standort wird in diesem Zusammenhang an einer Optimierung der Regelung für die Fernwärme- bzw. Dampfnachheizung gearbeitet sowie die Grenzen der Aufheizraten ausgelotet, damit die Biomasse-Fernwärme zukünftig verstärkt eingebunden werden kann.

Zusammenfassung und Ausblick

Mit der solaren Großanlage in der Brauerei Göss wurden im ersten Betriebsjahr (08/2013 bis 07/2014) rund 36.600 m³ Erdgas bzw. die korrespondierende Masse von 89 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart.

Mit der bereits erfolgten Umsetzung der (Niedertemperatur) Wochenend-Wärmesenke im August 2014 (Erwärmung von Kesselspeisewasser von 15 auf 80°C sowie Erwärmung von Prozess-Abwasser für einen nachgelagerten UASB Reaktor zur Biogas-Erzeugung von 25 auf 35°C) wurde der Betrieb der Solaranlage gegenüber dem Messjahr bereits optimiert. Einerseits arbeitet die thermische Solaranlage nun effizienter bei niedrigen Kollektorarbeitstemperaturen und andererseits wird eine Nachtkühlung bei konstantem Wärmebedarf nicht mehr oder nur noch in geringerem Ausmaß benötigt. Darüber hinaus wurde die Regelung der Nachtkühlung optimiert (angepasste Drehzahlregelung der Pumpen bei Nachtkühlung).

Eine weitere Verbesserung der Ökobilanz verspricht die laufende Optimierung der Regelung der Nachheizung der beiden Maischebottiche, wodurch zukünftig neben Solarenergie vor allem umweltfreundliche und günstige Biomasse-Fernwärme zunehmend die Dampfheizung ersetzen wird.

Zukünftig ist es angedacht, meteorologische Daten für solare Ertragsprognosen für ein bis zwei Tage im Voraus gemeinsam mit dem Energiespeicher-Ladezustand sowie der Produktionsauslastung in ein intelligentes (prädiktives) Regelungskonzept zu implementieren.

Danksagung

Das Projekt am Standort Göss ist Teil eines umfassenderen EU-FP7 Projektes „SolarBrew“, das unter der Leitung von AEE INTEC bearbeitet wird (Projektlaufzeit: 02/2012 bis 01/2015). Projektpartner sind HEINEKEN Supply Chain B.V., GEA Brewery Systems GmbH (Anlagenbau) und Sunmark A/S (Solarthermie). Das Projekt wird zudem vom österreichischen Klima- und Energiefonds ko-finanziert.

Logos

Literatur

  1. Kunze W. (2007)
    Technologie Brauer und Mälzer - 9. überarbeitete Auflage, 2007. ISBN-13: 978-3-921690-56-7
  2. Mauthner F., Hubmann M., Brunner C., (2014):
    Beschreibung und Analyse der Systemtechnik und des Anlagenbetriebes am Beispiel der solaren Prozesswärmeanlage in der Brauerei Göss. Proceedings in 24. Symposium Thermische Solarenergie in Bad Staffelstein, Deutschland, Mai 2014

Autorenbeschreibung

DI Franz Mauthner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs Solarthermische Komponenten und Systeme von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

DI Matthäus Hubmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme – IPE von AEE INTEC

DI Christoph Brunner ist Leiter des Bereichs Industrielle Prozess und Energiesysteme – IPE von AEE INTEC

Andrea Stachel ist Mitarbeiterin des Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme –IPE von AEE INTEC

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