Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

Solare Prozesswärme weltweit im Aufwärtstrend

Von Christoph Brunner und Wolfgang Glatzl

Im Rahmen des eines Projektes der Internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 49) werden die Forschungsergebnisse von Instituten und Firmen gebündelt, die sich mit der Integration von solarer Prozesswärme in der Industrie beschäftigen. Ein Baustein ist die Sammlung von Erfahrungen aus bisherigen Umsetzungen. AEE INTEC hat in Zusammenarbeit mit PSE AG eine Online-Datenbank erstellt, die bestehende Anlagen dokumentiert.

Hintergrund, Motivation und Entstehung der Datenbank

Abbildung 1: Weltweit dokumentierte SHIP-Anlagen (Solar Heat in Industrial Processes) in der interaktiven Landkarte der SHIP-Datenbank. Quelle: ship-plants.info, AEE INTEC

Solare Prozesswärme (Solar Heat in Industrial Processes – SHIP) kann einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der europäischen Klimaziele liefern. Das Potenzial ist in vielen Industriesektoren sehr hoch, wie Abbildung 2 zeigt.

Abbildung 2: Nutzwärmebedarf verschiedener Industriesektoren der EU-27 aufgeteilt auf drei Temperaturniveaus. Quelle: nach Pardo et al (2012)

Ausgehend von dem oben dargestellten Nutzwärmebedarf der verschiedenen Industriesektoren wurden einige Studien durchgeführt, um das technische Potenzial von solarer Prozesswärme abzuschätzen (Tabelle 1). In diesen Studien wurde unter anderem untersucht, ob Wärmerückgewinnungspotenziale in den Betrieben ausgenutzt werden können, wie sich die Nutzbarkeit von Dachflächen gestaltet oder ob Teile des Nutzwärmebedarfs aus produktionstechnischen Gründen mit elektrischer Energie versorgt werden müssen. Zudem wurde berücksichtigt, dass nur ein Teil des Nutzwärmebedarfs aus solarthermischen Quellen gedeckt werden kann (solarer Deckungsgrad).

Tabelle 1: Studien zum Potenzial solarer Prozesswärme in verschiedenen Gebieten

In den genannten Studien ergibt sich ein potenzieller Anteil der Solarthermie am gesamten Nutzwärmebedarf der Industrie von 3 bis 4,5 %. Von den dafür in der EU-25 notwendigen 155 Mio. m² Kollektorfläche wurden bisher lediglich ca. 32.000 m² installiert. Diese wurden in einer Datenbank erfasst (SHIP-Datenbank).

Die Internationale Energieagentur (IEA) strebt in ihrer Technologie-Roadmap einen solaren Anteil von 20% an der Niedrigtemperatur-Wärme in der Industrie bis 2050 an. Das entspricht einer weltweit installierten Leistung von 3200 GWth, einer Kollektorfläche von ungefähr 4,5 Mrd. m² (Apertur) und einer Energiemenge von 7,2 EJ [4].

Auf dem Weg zur Umsetzung dieses gewaltigen Potenzials sind noch einige Schwierigkeiten zu überwinden. Oft genannte Hürden für solare Prozesswärme sind aufwendige Planungen für die Prozessintegration, fehlendes Wissen zur Prozessintegration oder die Flächenverfügbarkeit.

Fabriksdächer und deren statische Beschaffenheit machen oft teure Anpassungen notwendig, um Solarflächen auf den Dächern installieren zu können. Wenn die Fabrikdächer nicht geeignet sind, müssen ausreichend Freiflächen zur Verfügung stehen. Die Solarthermie hat außerdem eine „Fuel Saver“ Funktion, das heißt die bestehende Infrastruktur kann nicht zu 100% ersetzt werden. Weitere Hürden sind fehlende Kenntnis über die Einsetzbarkeit von Prozesskollektoren für mittlere Temperaturniveaus und die kapitalintensive Investitionen bzw. fehlende Finanzierungsmodelle.

Integration von Solarthermie in industrielle Prozesse

Um die Umsetzungsmöglichkeiten für Solarthermie in der Industrie zu stärken, wurde ein Projekt der Internationalen Energieagentur initiiert (IEA SHC Task 49/IV), das von AEE INTEC geleitet wird. Ziel des Tasks ist die sukzessive Verbesserung der Anwendbarkeit von solarer Prozesswärme durch die Bündelung der internationalen Forschungsaktivitäten auf diesem Gebiet. Ein Baustein davon ist die Sammlung von Erfahrungen aus bisher realisierten Anlagen.

Zu diesem Zweck wurde von AEE INTEC eine Umfrage innerhalb der Task-Mitglieder und darüber hinaus gestartet. Ein Fragebogen wurde erstellt, der neben den Hauptparametern wie Brutto- und Apertur-Kollektorfläche, Installationsjahr und Speichergröße auch Erfahrungen bei der Inbetriebnahme, Prozessintegrations-Varianten und ökonomische Daten abfragt.

Bisher wurden 166 Anlagen erfasst, wobei die Daten einiger Anlagen gewisse Minimalkriterien nicht erfüllten, sodass die Daten von 138 Anlagen veröffentlicht wurden. Problemfelder bei der statistischen Erfassung der Daten ergaben sich für folgende Punkte:

  • Eine Abgrenzung von solarer Prozesswärme gegenüber ausschließlicher solarer Kühlung oder solarer Hallenheizung war teilweise nicht eindeutig, da bei manchen Anlagen solare Wärme für verschiedene Zwecke verwendet wird.
  • Die Angaben zur Brutto- und Apertur-Kollektorfläche waren nicht immer eindeutig.
  • Die Feststellung des Integrationspunktes war nicht immer möglich.

Die Angabe von Investitionskosten und Förderraten waren oft unvollständig.

Die SHIP-Datenbank

Die Ergebnisse der Umfrage wurden in einer Online-Datenbank (ship-plants.info) integriert. User können sich registrieren, um neue Anlagen online einzutragen oder Änderungen bzw. Ergänzungen bei bestehenden Anlagen vorzuschlagen. AEE INTEC überprüft die Plausibilität der Daten und gibt sie dann zur Veröffentlichung frei.

Projekteintrag

Die Projekte beinhalten Daten in 6 Kategorien:

  • Allgemeine Daten („General“)
  • Solaranlage („Solar“)
  • Prozessintegration („Process“)
  • Wirtschaftliche Daten („Eco“)
  • Gewonnene Erkenntnisse („Lessons learned“)
  • Quellen („Source“)

Abbildung 3 zeigt den Eintrag zur SHIP-Anlage der Brauerei Göss. Die Daten der Solaranlage sind sichtbar. Weiters können Bilder hochgeladen werden und bei Eingabe einer Adresse wird das Projekt auf einer interaktiven Landkarte markiert.

Abbildung 3: Projekteintrag in der SHIP-Datenbank. In der Abbildung ist die Kategorie „Solar“ der Solaranlage der Brauerei Göss zu sehen. Quelle: ship-plants.info, AEE INTEC

Filterfunktion & Interaktive Landkarte

Gemeinsam mit den Task-Mitgliedern wurden sinnvolle Filterfunktionen definiert, die ein Auffinden von einzelnen Projekten oder von mehreren Anlagen mit ähnlichen Eigenschaften ermöglicht. Abbildung 4 zeigt auf der linken Seite alle Filterfunktionen, wobei hier alle österreichischen Projekte herausgefiltert wurden.

Die interaktive Landkarte ist ein GoogleMaps™-Baustein. Bei niedriger Zoom-Stufe werden Projekte gruppiert, bei höherer Zoom-Stufe werden die einzelnen Punkte sichtbar. Bei einem Klick auf die Punkte kann auf die einzelnen Projekte zugegriffen werden.

Abbildung 4: Interaktive Landkarte in der SHIP-Datenbank mit angewandtem Filter (Country: „Austria“). Die roten Punkte mit spitzem Ende zeigen einzelne Projekte an. Die roten Punkte mit einer Zahl zeigen an, dass es in diesem Gebiet mehrere Projekte gibt. Bei einer höheren Zoom-Stufe werden die einzelnen Projekte sichtbar. Quelle: ship-plants.info, AEE INTEC 

Automatische Auswertungen („Reports“)

Für die erfassten Projekte wurden verschiedene automatische Auswertungen vorgesehen. Zurzeit ist die Analyse der Kollektorflächen und der Investitionskosten als Aufzählung in Balkendiagrammen oder gruppiert in Säulen nach Jahren möglich. Über die Diagramme kann auf die Projekte zugegriffen werden. Filterfunktionen wirken sich auf die Diagramme aus, sodass diese dynamisch erstellt werden können. Die Daten können auch als xml-Datei exportiert werden, um für weitere Analysen zur Verfügung zu stehen.

Auswertung

Im Folgenden sollen einige Trends präsentiert werden, die sich durch die Analyse der Datensätze ergaben.

Abbildung 5 zeigt, dass seit dem Jahr 2000 die Anzahl und die jährlich installierte (Brutto-) Fläche von SHIP-Anlagen stetig gestiegen sind. Nach einem zwischenzeitlichen Hoch im Jahr 2008 mit 8 installierten Anlagen und fast 25.000 m² Kollektorfläche (Brutto) gab es einen Einbruch. Daraufhin konnte in den Jahren 2011 und 2012 jeweils wieder knapp über 15.000 m² Anlagen dem Bereich Prozesswärme zugeordnet werden. 2012 war dabei mit fünfzehn Anlagen das bisher beste Jahr, was die Anzahl der installierten Anlagen über 100 m² betrifft.

Darauf folgte im Jahr 2013 ein Rekordjahr im Hinblick auf die installierte Kollektorfläche. Den Großteil der installierten 47.000 m² (Brutto) machte dabei eine Anlage in Chile (Kupfermine Codelco Gabriela Mistral) aus, die mit 39.300 m² das größte solarthermische Kollektorfeld überhaupt ist.

Aus diesen Daten kann man einen positiven Trend für solare Prozesswärme herauslesen. Allerdings muss der enorme Effekt der Anlage in Chile in dieser Statistik berücksichtigt werden. Ob und wie sich der positive Trend in den kommenden Jahren fortsetzen wird, soll mit Hilfe der SHIP Datenbank dokumentiert werden.

Abbildung 5: Anzahl (blaue Linie) und Gesamtfläche (rote Balken) der installierten SHIP-Anlagen >100 m² ab dem Jahr 2000. Insgesamt 72 Anlagen mit einer Kollektorfläche von 118.803 m²(Brutto-?). Quelle: ship-plants.info, AEE INTEC

Während die durchschnittliche Anlagengröße von Anlagen über 100 m² (Brutto) im Zeitraum von 2000 bis 2007 noch 585 m² betragen hat, ist sie seitdem auf 2.118 m² gestiegen.

Abbildung 6 erlaubt einen genauerer Blick auf die Anzahl und Größe der installierten Kollektorflächen. Ein Viertel der Anlagen hat eine Kollektorgröße von kleiner 100 m². Dies sind zumeist gewerbliche Anwendungen und machen in Summe nur 2% der gesamten installierten Kollektorfläche aus.

Mehr als die Hälfte der Anlagen hat eine Kollektorfläche zwischen 100 und 1.000 m² Bruttokollektorfläche. Dass diese Gruppe dennoch nur ein Viertel der gesamten installierten Brutto-Kollektorfläche ausmacht, liegt vor allem an den Anlagen über 1.000 m². In Summe gibt es neunzehn solcher Anlagen, während zwei über 10.000 m² aufweisen können.

Dadurch wird unterstrichen, dass die steigende durchschnittliche Anlagengröße von hoher Bedeutung ist um die technischen Potenziale von solarer Prozesswärme (Tabelle 1) auszuschöpfen.

Abbildung 6: Anzahl und Fläche der Anlagen in 4 Kategorien. Gesamt 138 Anlagen mit 136.182 m² Brutto-Kollektorfläche. Quelle: ship-plants.info, AEE INTEC

Zusammenfassung

Solare Prozesswärme hat ein großes theoretisches und technisches Potenzial, welches bisher aufgrund von verschiedenen, oben genannten Umsetzungsbarrieren nur äußerst begrenzt ausgeschöpft wurde.

Um zuverlässige, effiziente und kostengünstige SHIP-Anlagen zu installieren, bedarf es der Lösung folgender Kernpunkte durch weitere Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf diesen Gebieten:
Branchenspezifisches Fachwissen zur Prozessintegration in vielversprechenden Industriesektoren ist grundlegend notwendig. Ganzheitliche Betrachtungen von Energieversorgungssystemen und Prozessen in Erfolg versprechenden Branchen müssen angestellt werden. Dabei müssen auch die Effekte von technologischen Innovationen und Wärmerückgewinnungsmaßnahmen berücksichtigt werden. In einer ganzheitlichen Betrachtungsweise kann durch Prozesstemperatur-Senkungen oder gemeinsames Speichermanagement von Wärmerückgewinnung und Solarthermie-Integration das Potenzial von Solarer Prozesswärme in Summe erhöht werden.

SHIP-Anlagen müssen als schlüsselfertige Lösungen angeboten werden können. Durch die Entwicklung von Planungs- und Monitoringtools zur effizienten Implementierung und für den Betrieb von SHIP-Anlagen sollen Planungs- und dadurch auch die Systemkosten gesenkt und die Ausfallssicherheit erhöht werden.

Die Auswertung der SHIP-Datenbank hat gezeigt, dass es einigen Anbietern gelungen ist, die Umsetzungsbarrieren zu überwinden und professionelle Anlagen in Betrieb zu nehmen. Die SHIP-Datenbank soll Erfahrungen aus diesen Umsetzungen zur Verfügung stellen um eine weitere Verbreitung und Professionalisierung der Integration von Solarthermie in industriellen Prozessen voranzutreiben.

Autorenbeschreibung

DI Wolfgang Glatzl ist Mitarbeiter des Bereichs IPE von AEE INTEC
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

DI Christoph Brunner ist Leiter des Bereichs IPE von AEE INTEC
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Literatur

  1. T. Müller, W. Weiß, H. Schnitzer, C. Brunner, U. Begander, O. Themel, 2004. Produzieren mit Sonnenenergie. Potenzialstudie zur thermischen Solarenergienutzung in österreichischen Gewerbe- und Industriebetrieben, Gleisdorf.
  2. C. Lauterbach, B. Schmitt, U. Jordan, K. Vajen, 2011. Solare Prozesswärme in Deutschland – Potential und Markterschließung. 21. Symposium Thermische Solarenergie, Bad Staffelstein.
  3. C. Vannoni, R. Battisti, S. Drigo, 2008. Potential for Solar Heat in Industrial Processes. IEA SHC Task 33, Rome, Italy.
  4. IEA, 2012. IEA Technology Roadmap – Solar Heating & Cooling, OECD/IEA, Paris.

 

Top of page