Zeitschrift EE

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2011-01: Polymaterialien

Industrielle Prozesse

Abbildung 1: Die Fleischverarbeitung benötigt viel Energie für Kühlung und Reinigung Quelle: Schnitzer

Der Bereich der produzierenden Wirtschaft verbraucht in Österreich 29% der Endenergie. Trotz einer stetig steigenden Energieeffizienz stieg der absolute Verbrauch für diesen Bereich in Österreich in den letzten Jahren weiter an und damit auch die Abhängigkeit der Wirtschaft von Energieimporten. Die Umsetzung von Maßnahmen zur Energieeffizienz und eine Umstellung auf erneuerbare Energieträger im Produktionssektor sind daher sowohl zum Erreichen der Klimaschutzziele als auch für eine ungefährdete Entwicklung der Wirtschaft essentiell.

Energieeffizienz und erneuerbare Energien in der Industrie

Von Hans Schnitzer *

Maßnahmen zur Energieeffizienz

Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz können sowohl im Umwandlungssektor als auch bei den eigentlichen Energiedienstleistungen getroffen werden. Wichtig sind dabei eine systematische Vorgangsweise bei der Datenerhebung und das Einhalten der richtigen Reihenfolge beim Setzen von Maßnahmen, um Fehlinvestitionen zu vermeiden (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Zwiebelschalenansatz bei der betrieblichen Energieeffizienz (Grafik: Schnitzer)

Wichtigster Ansatz ist es, den Wärmeverbrauch der Energiedienstleistungen zu vermindern. Typische Energiedienstleistungen sind Trocknung, Eindampfung, Pasteurisierung, Sterilisation oder chemische Reaktionen. Die meisten dieser Prozesse laufen auf Temperaturniveaus unter 150°C ab und sind Verbraucher großer Mengen an Wärmeenergie. Hier bieten sich oftmals völlig neue Technologien an, bei denen ein Phasenwechsel vermieden wird oder eine Umstellung auf einen kontinuierlichen Betrieb erfolgt.
Nachdem der Bedarf an Rohstoffen, Betriebsmitteln und Energie des eigentlichen Kernprozesses vermindert wurde, kann man sich den vorgelagerten und nachfolgenden Prozessschritten widmen. Dies sind meist Reinigungs- und Trennprozesse. Nachdem durch die Optimierung des Kernprozesses der Bedarf an Betriebsmitteln bereits vermindert wurde, können sie bereits jetzt kleiner dimensioniert werden. Durch Maßnahmen zur Prozessintegration – hier hauptsächlich das Zusammenlegen von mehreren Funktionen in einen Apparat und die Umstellung von Chargenprozessen auf kontinuierliche – kann nicht nur Energie eingespart, sondern auch die Anzahl der Maschinen und Apparate verringert werden.
In der nächsten Stufe werden die Energieverteilungsnetze und die Möglichkeiten zur Wärmeintegration geprüft. Hierzu ist eine Darstellung der Energieflüsse in Sankeydiagrammen wertvoll (Abbildung 3). Sowohl bei Dampf- als auch bei Druckluftnetzen ist Dichtigkeit oberstes Gebot. Bei Dampfnetzen ist weiters auf die Kondensatrückführung zu achten und darauf, dass bei der Entspannung des Kondensates keine Verluste auftreten.

Abbildung 3: Darstellung der Energieflüsse eines Produktionsprozesses in einem Sankeydiagramm (Grafik Muster & Titz)

In den kleineren Sektoren treten hauptsächlich Energieanwendungen im niedrigen und mittleren Temperaturbereich auf, also Prozesse unter 150°C oder zumindest unter 400°C. Hier bietet es sich an, bei der Umwandlung der Brennstoffe in Wärmeenergie gekoppelt Strom herzustellen, das kann sowohl in den Kesselhäusern durch eine Wärme-Kraft-Kopplung (WKK) erfolgen, als auch direkt beim Wärmeverbraucher. WKK werden in Industriebetrieben i.A. nach dem Wärmeverbrauch gefahren (daher WKK und nicht KWK), da mit dem Stromnetz immer ein Verbund besteht und Strom jederzeit zugekauft oder geliefert werden kann. Oftmals ist es effizienter, die WKK direkt an den Wärmeverbraucher zu koppeln, z.B. an einen Trockner der direkt mit der Abwärme einer Gasturbine beheizt wird.

Möglichkeiten zum Einsatz erneuerbarer Energien

Erneuerbare Energieträger können besonders bei Energiedienstleistungen im unteren und mittleren Temperaturbereich eingesetzt werden. Die solare Prozesswärme gewinnt hierbei zunehmend Bedeutung, besonders wenn durch die Integration in das bestehende Heizungssystem keine eigenen Wärmespeicher notwendig sind.
Im mittleren Temperaturbereich kann Biomasse in allen Fällen Öl und Gas in Heißwasser- und Dampfkesseln ersetzen. Ein großes und meist unterschätztes Potenzial stellen Biogasanlagen dar, besonders wenn aus der Produktion biogene Abfälle zur Verfügung stehen, wie dies oftmals bei der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte der Fall ist. Biogas sollte wie alle anderen Brennstoffe in WKK-Anlagen eingesetzt werden.
Wichtig ist auch die Umstellung der Stromversorgung auf erneuerbare Quellen. Viele alte Betriebsstandorte liegen an Bächen oder Werkskanälen, die derzeit nicht zur Stromherstellung genutzt werden. Da Photovoltaik und Windstrom nur in Ausnahmefällen einen wesentlichen Beitrag zur Stromversorgung bringen werden, bleibt für viele Unternehmungen nur ein Wechsel zu einem Ökostromversorgers.
Da ein beachtlicher Teil des Energieeinsatzes in Klein- und Mittelbetrieben für die Raumwärme und Warmwasserbereitung verwendet wird, ist die Beachtung der Produktions- und Lagerhallen besonders wichtig. Diese sind oftmals alt oder billig errichtet, so dass eine energetische Sanierung und Umstellung auf erneuerbare Energie wesentliche Einsparungen bringt. Wegen der gegenüber Wohngebäuden niedrigeren Raumtemperaturen bieten sich teilsolare Heizungssysteme an.

Folgerungen

Für Klein- und Mittelbetriebe besteht die Möglichkeit zu einer vollständigen Umstellung auf erneuerbare Energien. Die Lösung wird meist eine Mischung aus Energieeffizienz, Ökostrom, Solarwärme und biogenen Brennstoffen sein. Die anfänglichen Mehrkosten können teilweise durch verminderte Betriebskosten kompensiert werden, führen aber sicher zu einer größeren Unabhängigkeit von Importen und einer verbesserten Marktposition.

*) Dr. Hans Schnitzer ist Professor am Institut für Prozess- und Partikeltechnik der Technischen Universität Graz. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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