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2006-01: Bauen und Sanieren

Thema

Österreich hat sich im Rahmen des Kyoto-Klimaschutzzieles zu einer Reduktion des CO2-Verbrauchs um 13% gegenüber 1990 verpflichtet. Neben den Bereichen Industrie, Verkehr und Energieerzeugung zählt der Bereich Raumwärme mit einem Anteil von 17% zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen .

Wirtschaftliche Bedeutung thermischer Sanierungsinvestitionen in Österreich

Von Margarete Czerny und Michael Weingärtler*

Ein überwiegender Teil der Treibhausgase im Bereich Raumwärme entfällt auf Gebäude für Wohnzwecke. Die Wohnungswirtschaft kann daher einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Zieles leisten.
Entgegen der Kyoto-Zielsetzung wuchs in den letzten Jahren vor allem der Anteil an CO2- Treibhausgasen in Österreich. Laut Kyoto Fortschrittsberichts 2004 des Umweltbundesamtes stiegen die Treibhausgasemissionen um 5,9% gegenüber dem Vorjahr und lagen damit im Jahr 2003 um 16,6% über dem Wert des Basisjahres. Im Vergleich mit den 23 EU-Mitgliedstaaten (Zypern und Malta sind keine Kyoto-Vertragsstaaten) steht Österreich in der Kyoto-Bilanz mit einer Abweichung von minus 29,6 % im Jahr 2003 an letzter Stelle. Das CO2-Reduktionsziel von minus 13% in den Jahren 2008 bis 2012 gegenüber 1992 (Basisjahr) wird somit nur mit ambitionierten Projekten zu erreichen sein.

EU-Gebäuderichtlinie

Neben der Kyoto-Zielsetzung, zu der sich Österreich verpflichtet hat, besteht ein wei-terer Handlungsbedarf aufgrund der europäischen Richtlinie über die Gesamtener-gieeffizienz von Gebäuden (Europäisches Parlament, 2002), besser bekannt unter der Bezeichnung "EU-Gebäuderichtlinie". Ziel dieser Richtlinie ist, die Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden in der Europäischen Gemeinschaft unter Berücksichtigung der jeweiligen äußeren klimatischen und lokalen Bedingungen so-wie der Anforderungen an das Innenraumklima und der Kostenwirksamkeit zu unter-stützen. Zu den Hauptzielen der Gebäuderichtlinie zählen neben der Treibhausgasreduktion vor allem die Gewährleistung der Versorgungssicherheit an Energie in der Europäischen Union. Es wird davon ausgegangen, dass durch die Umsetzung des Energieausweises mittelfristig den Energieverbrauch um 20% gesenkt werden kann. Auf der Ebene der Immobilienmärkte soll der Energieausweis vor allem mehr Markttransparenz hinsichtlich des Energieverbrauchs bringen. Durch den Energieausweis soll auch ein stärkeres Umweltbewusstsein erreicht werden.
Die nationale Umsetzung der Gebäuderichtlinie war bis 4.Jänner 2006 vorgesehen. Aufgrund der noch nicht verabschiedeten nationalen Gesetzesgrundlage in Österreich - derzeit existiert nur ein Gesetzesentwurf (Energieausweis-Vorlage-Gesetz) - konnte der Energieausweis österreichweit noch nicht erstellt bzw. angewendet werden. Um Verlängerung der Umsetzungsfrist bis 2009 wurde angesucht.
Die ökologische Gebäudesanierung trägt einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung des Kyoto-Zieles bei. Der Energieeinspareffekt ist in der Sanierung rund drei Mal so hoch wie im Neubau. Wird beispielsweise ein Wohnungsneubau durch ökologische Bauweise in Österreich errichtet, so kann der Energieverbrauch von etwa 60 kWh/m²a auf 20 kWh/m²a reduziert werden. Diese entspricht einer Reduktion des Energieverbrauchs auf ein Drittel gegenüber eines konventionellen Neubaus (erzielte Einsparung: 40 kWh/m²a).
Im Althausbestand kann durch die thermische und energieeffiziente Sanierung ebenfalls der Energieverbrauch auf durchschnittlich ein Drittel reduziert werden. Hier verringert sich der Energieverbrauch von etwa 200 kWh/m²a auf 70 kWh/m²a. Dadurch kann eine Einsparung von 130 kWh/m²a erzielt werden, die somit drei Mal so hoch im Vergleich zum Neubau (Einsparung: 40 kWh/m²a) ist.
Zu den Kosten und gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen thermischer Sanierungsinvestitionen liegen in Österreich zahlreiche Studien vor. Eine genauere Prüfung der Ergebnisse zeigt, dass die Bandbreite der spezifischen Kosten der thermischen Sanierung aufgrund unterschiedlicher Prämissen sehr groß ist.

Abbildung 1: Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen in Österreich

Abbildung 2: Durchschnittliche Energieeinsparung geförderter, thermischer Eigenheimsanierungen in Niederösterreich 1990-2004 in kWh/m² pro Jahr

Abbildung 3: Prozentuelle Verbesserung der Energiekennzahl nach der Sanierung im Mehrgeschoßbau in Niederösterreich im Jahr 2004

Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) hat die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von thermischen Sanierungsinvestitionen bereits im Jahr 2002 für Österreich mithilfe eines Energiemodells quantifiziert. Es zeigte sich, dass zur Erreichung des Klima-zieles eine Steigerung der thermischen Sanierungsrate auf 2% des mittleren Gebäudebe-standes (aus Bauperiode 1945/1980) notwendig ist. Dies bedingt zusätzliche Investitionen von 525 Mio. € pro Jahr. Wie bereits eingangs erwähnt, hat sich Österreich in den letzten Jahren vom Kyoto-Ziel allerdings entfernt. Es ist daher dringend angesagt, verstärkt Initiativen besonders in der ökologischen Gebäudesanierung zu setzen, um sich dem Kyoto-Ziel wieder zu nähern.

Beschäftigungseffekte

Ökologische Bauinvestitionen haben auch positive gesamtwirtschaftliche Beschäftigungseffekte. Diese wurden in mehreren Studien untersucht. Es zeigte sich, dass vor allem im Bauwesen die Beschäftigung von der ökologischen Bauweise positiv beeinflusst wird. Daneben profitieren aber auch besonders die Stein- und keramische Industrie, das Kredit- und Realitätenwesen, die unternehmensbezogenen Dienstleistungen und die Holzindustrie. Eine gesonderte Analyse für das Bundesland Niederösterreich ergab, dass durch Investitionen in der Höhe von 100 Mio. € rund 1.200 direkte und indirekte Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesichert werden. Österreichweit zeigt sich, dass durch thermische Sanierungsinvestitionen die höchsten Beschäftigungswirkungen in den Bauinstallationsberufen und im Bereich "Dämmung" erzielt werden können.
Aus konjunktureller Sicht können durch eine gezielte ökologische Sanierungsoffensive kurzfristig dem Beschäftigungsabbau entgegengewirkt und gesamtwirtschaftlich positive Effekte erzielt werden. Langfristig kann dadurch zusätzlich ein Beitrag zur Erreichung der Kyoto-Klimaschutz-Ziele geleistet werden.
Ökologische Bauinvestitionen stellen weiters neue Anforderungen an flexible, energiesparende, kosten- und flächensparende Bauweisen von hoher Qualität. Dies erfordert aber auch in den Unternehmen verbesserte Organisationsformen, Kooperationen und Netzwerkbildung. Auch werden die Entwicklung marktgängiger Fertigprodukte und eine Erweiterung des Leistungsspektrums immer dringlicher. In der Bauwirtschaft gewinnen technische und organisatorische Innovationen für die Wettbewerbsfähigkeit zunehmend an Bedeutung.
Das Bildungsangebot hat als Basis für die Steigerung von Forschung und Entwicklung großes Gewicht. Mit öffentlichen Mitteln geförderte Angebote werden von der Bauwirtschaft gut ange-nommen, während die Bereitschaft der Unternehmen zur Investition in nicht geförderte Weiterbildungsmaßnahmen gering ist. Die Anreize für eine laufende Weiterbildung der Mitarbeiter sollten demnach erhöht werden.

Einbindung der Beteiligten

Damit die ökologische Gebäudesanierung wirtschaftlich und auch ökologisch die gewünschten Erfolge erzielen kann, ist die Einbindung des Wohnungsnutzers bei der Erstellung des Sanierungskonzeptes, sowie generell die Bewusstseinsbildung für das Thema Energiesparen in der Bevölkerung sehr wichtig. Initiativen mit großer Breitenwirkung wie beispielsweise "klima:aktiv" des Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) oder auf Forschungsebene die Programmlinie "Haus der Zukunft" sind daher von besonderer Bedeutung. Die Bewusstseinsbildung ist letztendlich nicht nur für die Akzeptanz von ökologischen Bauten am Markt wichtig, sondern auch mitentscheidend am ökologischen Erfolg der Projekte.

Abbildung 4: Neubau EBS SolarCity, Linz (Quelle: EBSLinz), gefördert aus Mitteln der Programmlinie Haus der Zukunft - www.HAUSderZukunft.at

Weiters muss die Kosteneinsparung durch die ökologische Gebäudesanierung für den Konsumenten klar ersichtlich sein. Die gezielte Verwendung der Wohnbauförderung kann die dafür notwendigen Impulse setzen. Eine WIFO-Studie weist in diesem Zusammenhang auch auf die positiven Auswirkungen der ökologisch ausgerichteten Wohnbauförderung hin. So führten beispielsweise die ökologischen Reformen der Wohnbauförderung in Niederösterreich zu einem Rückgang des Energieverbrauchs der geförderten sanierten Wohneinheiten von durchschnittlich 246 kWh/m²a auf 99 kWh/m²a nach der Sanierung in den letzten Jahren. Bezogen auf ein Eigenheim mit einer Nutzfläche von 140 m² bedeutet dies eine Energieeinsparung von 20.580 kWh pro Jahr. Dies entspricht einem Rohöl-Äquivalent von 1.770 kg (oder knapp 2.000 l) sowie einer Kostenersparnis von 1.360 € pro Jahr bei einem Heizölpreis von 0,69 € pro Liter.
Die energieeffiziente Gebäudesanierung gewinnt somit in Zukunft nicht nur aus ökologischen Gründen sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht immer mehr an Bedeutung.

*) Dr. Margarete Czerny leitet das Referat für Bau und Wohnungspolitik am Österreichsichen Insititut für Wirtschaftsforschung WIFO, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Michael Weingärtler ist Mitarbeiter am WIFO [^]

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