Zeitschrift EE

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2007-04: Atomenergie oder Erneuerbare?

Solarthermie

Quelle: TiSUN®

Abbildung 1: Die Solaranlage mit einer installierten Leistung von 150 kWth (215 m² Kollektorfläche) liefert Wärme für Reinigungsprozesse und die Hallentrocknung.

Ein Drittel des Wärmebedarfs in den EU-Ländern entfällt auf den Bereich Industrie und Gewerbe. Sieht man vom Hochtemperaturbebereich in der Metall- und Chemieindustrie ab, so wird deutlich, dass ein erheblicher Teil, der in industriellen Prozessen benötigten Wärme, im Temperaturniveau bis 100 °C liegt. Nahezu die Hälfte aller Prozesse findet ihr Auslangen mit Temperaturen bis 250 °C.

Solare Prozesswärme: Einsatzbereiche und Herausforderungen für die Solarindustrie

Von Werner Weiss*

Um den Sektor Industrie für solarthermische Anwendungen zu erschließen, wurden daher im Rahmen eines Projektes (Task 33/IV) der Internationalen Energieagentur (IEA), an dem sich 16 Institute und 11 Firmen aus acht Ländern beteiligen, Potenzialstudien erstellt, Prozesswärmekollektoren entwickelt, sowie systemtechnische Lösungen zur Integration von Solarwärme in industrielle Prozesse untersucht.

Abbildung 2: Wärmebedarf in der europäischen Industrie
Quelle: ECOHEATCOOL (IEE ALTENER Project), the European Heat Market, Work Package 1, Final Report published by Euroheat & Power

Stand der Anwendung
Weltweit wurden im Rahmen des Projektes 85 Anlagen mit einer installierten Leistung von 27 MWth (entspricht 38.500 m² Kollektorfläche) im Industrie- und Gewerbebereich dokumentiert. Die bisher realisierten Anlagen wurden vorwiegend in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, in der Textil- und Chemieindustrie sowie bei einfachen Waschprozessen wie z.B. Autowaschanlagen realisiert. Dies liegt vor allem an den Temperaturniveaus, die für die Prozesse dieser Branchen erforderlich sind. Die notwendigen Prozesstemperaturen liegen im Bereich von 30°C bis maximal 90°C /1/, weshalb bisher hauptsächlich Flachkollektoren eingesetzt wurden.
Neben der Prozesswärmebereitstellung wird Solarwärme auch zur Beheizung von Produktionshallen genutzt. Alleine in Österreich wurden in diesem Bereich in den vergangenen Jahren 10 Anlagen in Betrieb genommen. Fabrikhallen zeichnen sich im Gegensatz zu anderen Gebäudenutzungen wie dem Wohnungsbau und dem Bau von Bürogebäuden durch hohe Raumhöhen von 5 bis 10 Metern und relativ niedrige geforderte Raumtemperaturen von 15-18 °C aus. Die geringen Raumtemperaturen in Verbindung mit einfachen Systemkonzepten, die für Hallenheizung realisiert werden können, sind ideale Voraussetzungen für solarthermische Anlagen und eröffnen ein großes Potenzial für die Solarenergienutzung im Gewerbe- und Industriebereich.
Wie die Ergebnisse einer Studie /2/ zeigen, die von der AEE INTEC durchgeführt wurde, können Industriehallen unter mitteleuropäischen Klimabedingungen bei entsprechender Bauausführung bis zu 100% solar beheizt werden.

Abbildung 3: 90 m² (63 kWth) Sonnenkollektoren in der Südfassade des Bürogebäudes beheizen die Produktionshalle der Firma VMZ in Ludesch

Wie oben dargestellt, besteht neben der Beheizung von Produktionshallen vor allem für den Einsatz von Solarwärme in Produktionsprozessen bis zu einem Temperaturniveau von 250°C ein erhebliches Potenzial. Das technisch umsetzbare Potenzial für solare Prozesswärme in der EU liegt bei ca. 100 GWth, entsprechend einer zu installierenden Kollektorfläche von 140 Mio. m². Die bis zum Jahr 2006 in Europa gesamt installierte Kollektorfläche, die fast ausschließlich im Wohnbau errichtet wurde, beträgt 19 Mio. m².

Tabelle 1: Potenzial für Solare Prozesswärme bis 250°C in Europa
Quelle: Vannoni, C. et al.: SHIP Potential Studies Report

 
Endenergieverbrauch Industrie 2002

Quelle Eurostat

Wärmebedarf Industrie 2002

 

Quelle Eurostat

Anteil des Wärmebedarfs an Endenergie
Potenzial f. Solare Prozesswärme
(inkl. Mitteltemp. Anwendungen bis 250°C)
Anteil der Solarwärme am Wärmebedarf der Industrie
Potenzial für Solare Prozesswärme
Potenzial für Solare Prozesswärme
[PJ/Jahr]
[PJ/Jahr]
[%]
[PJ/Jahr]
[%]
[Mio. m²]
[GW]
Österreich

297

220
74,1
5,4
2,4
4,3
3
Spanien
1.175
841
71,5
17
2,0
10
7
Portugal
243
184
75,6
4
2,2
2,5
1,7
Italien
1.652
1.136
68,8
32
2,8
15,4
10,8
Holland
573
425
74,2
1,5 - 1,95
0,3 - 0,5
0,8 - 1
0,7
Deutschland
2.416
1.575
65,2
50
3,2
35
24,5
EU 15
11.372
7.880
69,3
199
2,5
110 - 138
77 - 97
EU25
12.964
9.145
70,5
230
2,5
128 - 160
90 - 112

Entwicklung von Prozesswärmekollektoren

Entscheidend für die Erschließung des industriellen Mitteltemperaturbereichs ist die Entwicklung von Prozesswärmekollektoren, welche Heißwasser oder Dampf bis zu einem Temperaturniveau von 250°C mit guten Wirkungsgarden bereitstellen können. Im Rahmen des Task 33/IV wurden mehrere Prozesswärmekollektoren dokumentiert und entwickelt. Die Bandbreite der Neuentwicklungen reicht von verbesserten Flachkollektoren mit Mehrfachverglasung und Antireflex-Beschichtung, über stationäre CPC-Kollektoren, kleine Parabolrinnenkollektoren bis hin zu Fresnel-Kollektoren oder den von der Universität der Balearen entwickelten CCStaR Kollektor. Der Entwicklungsstand reicht von ersten Prototypen bis zur Serienfertigung. Die Tabelle 2 gibt einen Überblick über die im Task 33/IV untersuchten Prozesswärmekollektoren. Detaillierte Informationen zu den einzelnen Kollektorenticklungen werden derzeit in einer umfangreichen Broschüre zusammengefasst, die ab März 2008 bei der AEE INTEC erhältlich sein wird.

Tabelle 2: Überblick über die im Task 33 untersuchten Prozesswärmekollektoren

  Kollektortyp
Arbeitstemperatur
[ºC]
Wärmeträgermedium
Kontakt
Task 33/IV
Verbesserte Flachkollektoren
2AR Flachkollektor
Doppelt verglaster Flachkollektor mit antireflektiv beschichtetem Glas
80 – 150
Wasser-Glykol
Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme
Heidenhofstrasse 2
79110 Freiburg
Deutschland
SCHÜCO
Doppelt verglaster Flachkollektor mit AR Beschichtung
80 – 150
Wasser-Glykol
Schüco International KG
Karolinenestr. 1-15
33615 Bielefeld
Deutschland
CPC-Kollektoren
AoSol
Stationärer CPC Kollektor
80 - 110
Wasser-Glykol
DER/INETI, Edificio H,
Estrada do Paço do Lumiar, 22, 1649-038 Lisboa
Portugal
Solarfocus
Stationärer CPC Kollektor
80 - 120
Wasser-Glykol
SOLARFOCUS GmbH
4451 St.Ulrich / Steyr
Österreich
ZEA
Evakuierter CPC Kollektor
120 - 180
Wasser-Glykol
ZAE Bayern
Walther-Meißner-Str. 6,
85748 Garching
Deutschland
Kleine Parabolrinnen-Kollektoren
PARASOL
Parabolrinnenkollektor
100 – 200
Wasser oder Dampf
AEE INTEC
Feldgasse 19
8200 Gleisdorf
Österreich
SOLITEM PTC
1800
100 – 200
Wasser
DLR
Institut für Technische Thermodynamik
51170 Köln
Deutschland
NEP SOLAR
Polymer Carrier PTC
150 – 250
Wasser
New Energy Partners Pty Ltd
Level 2 Suite 1a
802 Pacific Highway
Gordon
NSW 2072 Australien
PTC 1000
Modularer Parabolrinnenkollektor
80 – 300
Wasser
Solar-Institut Jülich
Heinrich-Mußmann-Str. 5
52428 Jülich
Deutschland
CHAPS
Kombinierter Wärme- und Strom PTC
80 - 150
Wasser
Australian National University
Centre for Sustainable Energy Systems Department of Engineering, Canberra ACT 0200 Australien
Fresnelkollektor
PSE
Linear konzentrierender Fresnel Prozesswärme- Kollektor
100 – 400
Wasser, Dampf oder Thermoöl
PSE
Solar Info Center
79072 Freiburg
Deutschland
CCStaR - Konzentrierender Kollektor mit stationärem Reflektor
CCStaR
80 - 140
Wasser
Universitat de les Illes Balears
Palma de Mallorca
Spanien

Pilotanlagen

Da Solaranlagen für die Bereitstellung industrieller Prozesswärme zumeist in bestehende Produktionsanlagen integriert werden müssen, stellt dies eine neue Herausforderung an die Systemtechnik dar. Um dieser Herausforderung zu begegnen, wurden rund 20 systemtechnische Konzepte entwickelt, die den unterschiedlichen Anforderungen der Wärmeträger (Luft, Wasser-Glykol, Druckwasser oder Dampf), der Temperaturniveaus und der zu versorgenden Prozesse entsprechen. Diese Konzepte werden nun in Demonstrationsanlagen umgesetzt und erprobt.
In der Folge werden einige der in Österreich realisierten Anlagen kurz vorgestellt.

MOGUNTIA-Werke Gewürzindustrie

Waschprozesse kommen vor allem in der Lebensmittel- und Textilindustrie sowie im Transportsektor vor. Für die meisten dieser Reinigungsprozesse liegen die geforderten Temperaturen zwischen 40 und 90°C, daher bieten sie optimale Einsatzbereiche für Flach- und Vakuumröhrenkollektoren. Das Systemkonzept kann ähnlich wie bei großen Anlagen zur Warmwasserbereitung im Wohnbereich ausgeführt werden. In den meisten Fällen wird das Wasser nach dem Reinigungsprozess nicht direkt wieder verwendet. Eine Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser sollte je nach Temperaturniveau, das noch zur Verfügung steht, dennoch in Erwägung gezogen werden.
Eine derartige Anlage wurde im neuen Produktionskomplex der MOGUNTIA Unternehmensgruppe in Kirchbichl (Tirol) von der Tiroler Firma TiSun realisiert. In diesem Unternehmen werden Wurstgewürze, technologische Compounds, Feinkostwürzungen, Haushaltsgewürze und funktionelle Spezialprodukte für Fleischwaren- und die Lebensmittelindustrie hergestellt. Seit Sommer 2007 werden rund 45% des in den Produktionsprozessen benötigten Warmwasser- und Wärmebedarfs mit einer thermischen Solaranlage gedeckt. Die Anlage mit einer installierten Leistung von 150 kWth (entspr. 215 m² Kollektorfläche, siehe auch Abbildung 1) speist die Solarwärme in vier Speicher mit einem Gesamtvolumen von 10 m³ ein. 8000 Liter Heißwasser, die täglich benötigt werden, werden in folgenden Prozessen genutzt:

  • Reinigung von Edelstahl-Gewürzcontainern
  • Reinigung von Knetmaschinen
  • Herstellung von Flüssiggewürzen und Pasten
  • Hallentrocknung in Kombination mit Entfeuchtung im Sommer und in der Übergangszeit

Abbildung 4: Das Moguntia Werk in Kirchbichl in Tirol produziert seit Sommer 2007 Gewürzmittel für die Lebensmittelindustrie mit Solarenergie

Solarenergie für die Getränkeindustrie

Auch in der Getränkeindustrie besteht ein enormes Potenzial für den Einsatz von thermischer Solarenergie. Die Einsatzbereiche reichen von der Versorgung von Flaschenwaschmaschinen bis hin zur Wärmebereitstellung für Brauprozesse in Brauereien oder das Pasteurisieren von Fruchtsäften.
Eines der realisierten Beispiele ist die Solaranlage der Firma „Gangl Fruchtsäfte“, welche mit einer Kollektorfläche von 60 m² (42 kWth) über einen speziell für diesen Zweck entwickelten Wärmetauscher eine Pasteurisieranlage mit Wärme versorgt. Weiters wird das solar erwärmte Wasser zur Behälterreinigung und die Reinigung der angelieferten Früchte genutzt. Das verbleibende Niedertemperaturniveau von 17 - 28°C wird zur Temperierung von Essig- und Mostfässern eingesetzt.
Wie die Messdaten über ein Betriebsjahr zeigen, liegt der Ertrag bei 605 kWh/kWth bzw. bei 423 kWh/m² Kollektorfläche.

Abbildung 5: Messergebnisse des ersten Betriebsjahres der Solaranlage Gangl

Solare Brauerei

Seit Juni 2006 wird in der Brauerei Neuwirth im steirischen Brodersdorf bei Gleisdorf solar gebrautes Bier ausgeschenkt.
In Kooperation mit dem Braumeister wurden von der AEE INTEC ein Anlagenkonzept und ein Sudkessel entwickelt, der es erlaubt, die Maische mittels solar bereit gestellter Wärme direkt zu beheizen. Jährlich werden in dieser Pilotanlage nun 40.000 Liter solar gebrautes Bier produziert.
Die Demonstrationsanlage besteht im Wesentlichen aus Sonnenkollektoren mit einer Leistung von 14 kWth (20 m²), einem Wärmespeicher (1 m³) und einem 400 Liter fassenden Sudkessel (siehe Abbildungen 6 und7). Da für den Brauprozess Temperaturen bis zu 95°C erforderlich sind, wurden Sonnenkollektoren mit Doppelverglasung und Antireflexbeschichtung eingesetzt, bei dem der Scheibenzwischenraum zudem mit Edelgas gefüllt ist. Dieser Kollektor wurde speziell für Anwendungen im Mitteltemperaturbereich von der deutschen Firma Schüco entwickelt (Tabelle 2).

Abbildung 6: Die Sonnenkollektoren versorgen den Sudkessel der Brauerei mit Wärme

Abbildung 7: Schema der Brauanlage

Neben den bisher in Österreich errichteten Anlagen zur Fruchtsaftpasteurisierung, zur Holztrocknung und zur Bereitstellung von Heißwasser für Autowaschanlagen, demonstriert diese Anlage eine der vielfältigen Möglichkeiten, Solarenergie auch in gewerblichen und industriellen Prozessen einzusetzen.
Die Beteiligung der Experten der AEE INTEC an der Task33/IV wird durch das Österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gefördert.

Referenzen:

  • [1] Weiss, W., Solarwärme für industrielle Prozesse, erneuerbare energie 2005-3, Gleisdorf, 2005
  • [2] Jähnig, D., Weiss. W.: Design Guidelines – Solar Space Heating of Factory Buildings using Underfloor Heating Systems, IEA SHC, 2007

*) Dipl.-Päd. Ing. Werner Weiss ist Geschäftsführer der AEE INTEC und Operating Agent des IEA SHC Task 33/IV, http://www.aee-intec.at, http://www.iea-ship.org &nbsp[^]

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