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2008-04: Nachhaltige Gebäude

 

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Passivhaus Samer Mösl in Salzburg (Quelle: sps-architekten)

Das Mehrfamilienhaus Samer Mösl in Salzburg stellt 60 Wohneinheiten in Passivhausqualität bereit. Ein ausgeklügeltes Haustechnikkonzept mit einem zentralen Pufferspeicher, einer Pelletsheizung und einer großen thermischen Solaranlage sorgt für wohlige Wärme und geringe Energiekosten.

Mehr-Familien-Passivhaus

Von Simon Speigner*

Anfang 2003 lobte der Salzburger Wohnbauträger „Heimat Österreich“ einen österreichweit offenen, zweistufigen Wettbewerb für eine mehrgeschoßige Passivhauswohnanlage mit 60 Wohneinheiten in Holzbauweise im Salzburger Stadtteil Gnigl aus. Die Wettbewerbteams bestanden aus Generalplaner und Generalunternehmer, gemeinsam mussten sie ein Projekt mit Kostengarantie einreichen. Die Bauplatzfläche betrug rund 8000 m², die Wohnnutzfläche ca. 4500 m². Es waren 60 Wohneinheiten (Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen) geplant, wobei mehr als ein Drittel der Wohnungen rollstuhlgerecht sein sollte. Die maximalen Baukosten sollten € 1350,- /m² nicht überschreiten.

Entwurf und Planung

Das Siegerprojekt mit sps-architekten Arch. DI Simon Speigner als Generalplaner und Holzbau Meiberger als Generalunternehmer wurde 2005/2006 realisiert. Das Projekt gliedert sich in drei langgestreckte Riegel und öffnet sich durch ein Verschwenken der Baukörper zum angrenzenden Bachraum. So bleibt der Freiraum zum Alterbach durchlässig und auch die Siedlung im Anschluss kann an dessen Kleinklima partizipieren. Die Durchwegung beginnt vom Besucherparkplatz unmittelbar an der Zufahrtsstraße und führt durch die Siedlung bis zum Kinderspielplatz direkt am Grünland. Die Erschließung für den Individualverkehr beschränkt sich sinnvollerweise auf die Ostecke des Grundstücks, die neben der Tiefgaragenabfahrt auch einen großzügigen Fahrradabstellbereich aufnimmt.
Das Gelände durchzogen Furchen vom Bach zum Moor hin annähernd in Nordrichtung. Auf diese Furchen bezog sich der Entwurf mit den kluftartig-lichtdurchfluteten Vertikalerschließungszonen. Diese unbeheizten Stiegenhäuser bilden Durchwegungen, die sich quer zu den langen Baukörpern durch die ganze Anlage schlängeln. Zur Rhythmisierung und Auflockerung der Gebäude tragen auch die Balkonloggien in den „Klüften“ bei. Sie bieten mit rund 12 Quadratmetern attraktive, halb geschützte, halb exponierte Freibereiche für die winkelförmig konzipierten Wohnungen. Die Baukörper bilden sich durch Ineinanderstellen dieser dreigeschoßigen Wohnungs-Winkel unterschiedlicher Ausdehnung. Von den 60 Einheiten sind 24 Klein-, 21 Dreizimmer- und 15 Vierzimmerwohnungen. An die Küche im Zentrum der Wohnungen schließen beiderseits durch Schiebetüren getrennt Ess- bzw. Wohnbereich an, somit ist ein Durchwohnen des Baukörpers gegeben (jede Wohneinheit ist zu zwei Freibereichen orientiert).
Die Ausrichtung der Baukörper-Längsachsen in SW/NO-Richtung bietet jedem Raum Sonneneinstrahlung im Tageslauf, sodass bei allen Fenstern passiv solare Gewinne erzielbar sind. Im Gegensatz zu den beiden bekannten „Gesichtern“ eines Passivhauses – geschlossene Fassade im Norden, eine große Öffnung im Süden - wurden die beiden Fassaden gleichartig gestaltet.

Tabelle 1: Bauliche Kenndaten

Grundstücksfläche: 8.301 m²
Wohnnutzfläche: 4.511,44 m²
Nutzfläche: 6.523 m²
Wohnnutzfläche/Nutzfläche: 0,69
Bruttogeschoßfläche BGF 6.101 m²
Wohneinheiten: 60
davon:

24 x W2 á 59,78 m²
21 x W3 á 79,76 m²
15 x W4 á 93,45 m²
24 rollstuhlgerecht

PKW-Stellplätze: 78 (davon 60 in Tiefgarage)
Heizwärmebedarf:
11/8/5 kWh/(m2a)
Baukosten: € 1350 .- / m²

Passivhaus-Dichtezuschlag

Durch die hohen Dämmstärken in der Außenwand (ca. 45 cm Wandstärke) konnte eine Benachteiligung des Passivhauses durch den beachtlichen Nutzflächen-Verlust bei einer Bebauungsdichte von 0,7 nachgewiesen werden. Dies war der Anlass, dass seit 2005 in Salzburg bei Passivhausprojekten vor dem Hintergrund der hohen Wandstärken ein Dichte-Bonus von 5% der Geschoßflächenzahl zugeschlagen werden kann.

Ausführungs- und Detailplanung

Die Verwendung von Beton beschränkt sich auf Fundament - Platte auf Pfahlgründung - bzw. Keller sowie die Stiegengerippe: Auf einer eingespannten Ortbetonscheibe liegen die Podeste auf, dazwischen werden die vorgefertigten Stiegenläufe eingehängt. Sonst wurden die Bauten ausschließlich in Holzbauweise errichtet, selbst die brandbeständig auszubildenden Wände zwischen Wohnungen und Stiegenhäusern. Die Wandelemente (Außenwand, Wohnungstrennwand) bestehen aus vorgefertigten Holzriegelelementen der Firma Meiberger Holzbau, die Decken wurden aus Kreuzlagenholzplatten KLH gefertigt. Die vorgefertigten Wandelemente wurden bereits mit der im Werk montierten Fassade angeliefert. Diese besteht aus sägerauen Fichtenschalungen mit einer silbergrauen Lasur, die vom Ergrauen des Holzes in den kommenden Jahren abgelöst wird. Die Lasur überlagert den natürlichen Prozess mit seiner ungleichmäßigen Abwitterung und sichert für diesen Zeitraum einen homogenen Gesamteindruck.

Abbildung 2: Südwestansicht des Passivhauses Samer Mösl, Bauteil C (Quelle: sps-architekten)

Das Dichtigkeitskonzept wurde durchgehend an der Elementinnenseite mittels Dampfbremse umgesetzt. Der Nachweis erfolgte durch einen Blower-Door Test: Die Werte in den verschiedenen Wohnungen wurden auf Anhieb erreicht. Das Abbrandverhalten und die Brandbeständigkeit der Aufbauten mit Zellulosedämmung der Firma Isocell wurde anhand von Brandversuchen nachgewiesen.

Ökologie und Nachhaltigkeit

Der Anspruch an Nachhaltigkeit, Ökologie, Ressourcen schonendes Bauen und Energieeffizienz beschränkte sich nicht auf den Einsatz von Holz als nachwachsenden, CO2-neutralen Rohstoff. Geringe Bodenversiegelung zeichnet die Anlage mit Gründächern und Regenwassernutzung aus, die natürlich belüftete Tiefgarage erhielt Oberlichten. Mit Zellulose gedämmte, atmungsaktive Außenwände, geölte Holzböden, Holz-Alu-Passivhausfenster, Holzterrassen im Erdgeschoß, Holzroste auf den Balkonen tragen ebenfalls zum hohen Wohnkomfort bei. Es wurden im Gebäude wassersparende Armaturen und energiesparende Geräte eingebaut. Es gibt auch eine Energiebuchhaltung und die Möglichkeit einer Fernwartung über das Internet. Auf der Homepage www.sps-architekten.com gibt es einen link zum Haustechnikschema mit den aktuell gemessenen Daten.

Haustechnikkonzept

Das Haustechnikkonzept wurde vom TB Stampfer in Salzburg erstellt. Der flächenbezogene Heizenergiebedarf lt. Energieausweis Land Salzburg beträgt für die Gebäude zwischen 5 und 9 kWh/(m²a), der LEK-Wert (Linie europäischer Kriterien, ÖNORM B8110 und H 5055) liegt zwischen 14 und 15. Somit sind alle Häuser in der Klasse 10 der Salzburger Wohnbauförderung. Die berechnete spezifische Heizlast für die Gebäude liegt zwischen 10,73 und 11,33 W/m² BGF (Bruttogrundrissfläche).
Für den hygienischen Luftwechsel sorgen dezentrale Lüftungs-Kompaktgeräte der Firma Drexel und Weiß mit einem hocheffizienten Wärmetauscher in jeder Wohneinheit. Mit dem Lüftungsgerät kann der minimale Restenergiebedarf für die Beheizung der Wohnung abgedeckt werden.
Aus physiologischen Gründen ist in den Wohnräumen ein wassergeführter Heizkörper installiert. Die Warmwasserbereitung in den einzelnen Wohnungen erfolgt dezentral mittels Wohnungsstationen.

Thermische Solaranlage

Die zentrale Wärmeversorgung erfolgt vorrangig über eine Solaranlage mit einer Nutzfläche von ca. 200 m² (Abbildung 3). Mit dieser Solaranlage wird – bei entsprechendem Nutzerverhalten – ein jährlicher Energieeintrag von ca. 70.000 bis 80.000 kWh erreicht. Zur Abdeckung des Restenergiebedarfes ist ein Pelletskessel mit einer Leistung von 100 kW installiert. Die Wärmeverteilung erfolgt über ein Mikro-Nahwärmenetz, wobei die hydraulischen Anlageteile so dimensioniert sind, dass eine Rücklauftemperatur von max. 35 Grad Celsius in keinem Betriebspunkt der Anlage überschritten wird.

Abbildung 3: Eine thermische Solaranlage mit ca. 200 m² Kollektorfläche stellt Wärme für Heizung und Warmwasser bereit (Quelle: sps-architekten)

Der zentrale Pufferspeicher hat einen Gesamtinhalt von ca. 22.000 Liter und ist in das Gebäude integriert (Abbildung 4). Er ist als spezieller Schichtspeicher ausgeführt mit einem Durchmesser von 1,6 m und einer Gesamthöhe von 11 m. Beim solaren Wärmeeintrag in den Pufferspeicher wurde ein völlig neuer, innovativer Weg beschritten. Es wurde nicht wie allgemein üblich ein externer Plattenwärmetauscher verwendet, sondern ein spezieller interner 3-stufiger Glattrohrwärmetauscher mit einer Gesamt-Wärmetauscheroberfläche von ca. 70 m². Dadurch ist ein hocheffizienter solarer Wärmeeintrag bei geringstem Regelaufwand in jedem Betriebspunkt der Solaranlage gewährleistet.
Auf Grund der zu erwartenden geringen Energieverbrauchszahlen konnte auf eine herkömmliche gesetzlich vorgeschriebene Heizkostenabrechnung mittels Gutachten verzichtet werden.

Abbildung 4: Der 11 m hohe Pufferspeicher ist in das Gebäude integriert und als Schichtspeicher ausgeführt (Quelle: sps-architekten)

Erfahrung und Feedback

Sozialer Mietwohnbau in Holzbauweise mit innovativer Haustechnik führte bisher zu großteils positiven Rückmeldungen seitens der Bewohner. Es konnte eine sehr hohe Nutzerzufriedenheit auf Grund der angenehmen Wohnphysiologie bei multikultureller Bewohnerstruktur erreicht werden.
Die durchgeführten Schallmessungen nach Fertigstellung in den einzelnen Wohnungen ergaben überdurchschnittlich gute Werte. Dumpfe Gehgeräusche unter Normwerten werden aufgrund der leisen Wohnung als störend wahrgenommen.
Es gab für alle Bewohner vor Bezug der Wohnung eine individuelle Einweisung. Aus der bisherigen Nutzung zeigt sich ein extrem unterschiedliches Nutzerverhalten. In der ersten Hausversammlung konnten auch die ersten Reaktionen entgegengenommen werden. Eine individuelle Nachjustierung der Regelung wurde durchgeführt. Mit Ende des Jahres 2007 wurde ein spezifischer Solarertrag von 544 kWh/(m²a) erreicht.
Es gab für das Bauwerk PH Samer Mösl bisher folgende Auszeichnungen: 1. Rosenheimer Holzbaupreis (Fachjury und Publikumspreis), Grüner Zweig, Nominierung Energy Globe Award 2006; Österreichischer Staatspreis Consulting 2007, Nominierung zum österreichischen Baupreis, Salzburger Holzbaupreis

*) Architekt Dipl.-Ing. Simon Speigner ist freischaffender Architekt und Inhaber von sps-architekten zt GmbH, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, www.sps-architekten.com [^]

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