Zeitschrift EE

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2012-01

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: SolarAktivHäuser haben große Kollektorflächen, die der Wintersonne zugewandt sind wie im Solaroffice in Seebronn in Süddeutschland (Quelle: Econsult, Klaus Lambrecht)

SolarAktivHäuser, die zu über 50% solarthermisch beheizt werden, erfreuen sich bei den Bauherren eines deutlich steigenden Interesses. Dies ist sehr erfreulich, denn SolarAktivHäuser sind eine Schlüsseltechnologie bei der Umsetzung der europäischen Solarthermie-Vision. Die wissenschaftlichen Grundlagen zur Bewertung und Optimierung dieser Gebäude werden derzeit in dem deutschen Forschungsprojekt HeizSolar vertieft.

Bedeutung und Konzept von SolarAktivHäusern

Von Gerhard Stryi-Hipp *

Solarthermie-Vision für das Jahr 2030

Der Anteil der Erneuerbaren Energien soll in der EU bis zum Jahr 2020 auf 20% steigen und der Kohlendioxidausstoß bis zum Jahr 2050 um 80% sinken. Der Wärmesektor verursacht etwa 50% des Endenergiebedarfs in Europa, trotzdem konzentriert sich die Energiepolitik in den meisten EU-Mitgliedsstaaten bislang auf den Stromsektor.Als Reaktion darauf wurde die Europäische Solarthermie-Technologieplattform (ESTTP) gegründet mit dem Ziel, mehr Aufmerksamkeit für die technologischen Perspektiven der Solarthermie zu erreichen. Im Mai 2006 wurde als erstes Ergebnis der ESTTP die Solarthermie-Vision für das Jahr 2030 veröffentlicht, die vorsieht, bis zu 50% des Wärmebedarfs in Europa mit Solarwärme zu decken.Die Vision wird erreicht durch SolarAktivHäuser, die vollständig solarthermisch beheizt sind und zum Baustandard im Neubau werden sollen. Im Gebäudebestand soll die „solare Modernisierung“beispielsweise mit multifunktionalen Fassaden- und Dachelementen die kostengünstigste und effektivste Form der Modernisierung werden. Weitere wichtige solarthermische Anwendungsfelder sind die solare Nahwärme mit saisonalen Wärmespeichern, die solarthermische Kühlung, die solare Meerwasserentsalzung und die solare Prozesswärmebereitung bis zu 250°C.Dies zeigt, dass SolarAktivHäuser für die europäische Solarbranche unverzichtbar sind, wenn die Solarthermie im Rahmen einer erneuerbaren Energieversorgung einen nennenswerten Anteil einnehmen will.

SolarAktivHäuser

Als SolarAktivHäuser werden Gebäude bezeichnet, die zu über 50% solarthermisch beheizt werden. Bislang werden sie meist als sogenannte Sommerhäuser realisiert, deren Konzept vom Sonnenhaus-Institut e.V. im bayerischen Straubing entwickelt wurde. Über 1.000 Sonnenhäuser wurden in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits gebaut. Diese zeichnen sich durch einen Wärmeschutz aus, der typischerweise 30% unterhalb der gesetzlichen Vorgaben der deutschen Energieeinsparverordnung (EnEV) liegt. Mit einer Kollektorfläche von 35 m2 und einem Wärmespeicher mit6 m3Wasserinhalt lässt sich beispielsweise in einem Einfamilienhaus in Bayern mit 135 m2 Wohnfläche eine solarthermische Deckung von ca. 60% erreichen. Im Sonnenhaus wird Holz als zusätzlicher Energieträger eingesetzt, wodurch der gesamte Wärmebedarf regenerativ gedeckt wird und die Primärenergiebilanz sehr günstig ausfällt.
Solar beheizte Gebäude in Zentraleuropa sind keine neue Erfindung. Josef Jenni baute bereits im Jahr 1989 in Obernburg in der Schweiz ein rein solar beheiztes Einfamilienhaus und belegte die technische Machbarkeit. Aufgrund des noch nicht so weit entwickelten Wärmeschutzes und aus Sicherheitsgründen wurde die Kollektorfläche mit 84 m2 und der Wärmespeicher mit 118 m3 Wasserinhalt sehr großzügig ausgelegt. Dass es trotzdem nur wenig wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Gebäudetyp gibt, liegt vermutlich daran, dass erst durch den für alle Gebäude angehobenen Wärmeschutzstandard der Mehraufwand für das SolarAktivHaus für verbesserte Dämmung, Kollektorfläche und Speichervolumina akzeptabel wurde. Mit der Gebäudeenergierichtlinie der EU, die ab 2020 Niedrigstenergiegebäude(Nearly Zero Energy Buildings) im Neubau vorschreibt, verliert das SolarAktivHaus für viele Bauherren den exotischen Status.

Wissenschaftliche Herausforderung

Im SolarAktivHaus erlaubt der relativ große Wärmespeicher die Bevorratung eines Teils der im Sommer geernteten Solarwärme bis zum Winter, die große Solarkollektorfläche ist für den Winterbetrieb optimiert, um bei Sonnenschein einen möglichst hohen Heizbeitrag zu liefern. Eine wichtige wissenschaftliche Aufgabe ist es nun, das optimale Verhältnis zwischen Kollektorfläche, Speichervolumen und Wärmebedarf des Gebäudes unter Berücksichtigung der Kollektoreffizienz, der Kollektorausrichtung, der Wärmedämmung des Speichers und des Gebäudestandorts zu finden. Wichtig ist es dabei, die Funktionsweise genau zu analysieren. Das oben geschilderte Sonnenhaus weist einen jährlichen Heizwärmebedarf von etwa 9.000 kWh und einen Trinkwarmwasserbedarf von etwa 2.700 kWh auf, was zu einem solarthermischen Deckungsanteil von etwa 60% führt. Dass die saisonale Wärmespeicherung dabei eine geringe Rolle spielt, zeigt folgende Abschätzung: bei vollständiger Aufheizung auf 95°C und einer Entladung bis auf 25°C Heiztemperatur beträgt die nutzbare Wärmemenge im Speicher nur etwa 400 kWh. Viel wichtiger ist deshalb im SolarAktivHaus die solare Wärmeerzeugung in der Heizperiode, der Speicher hat eine Pufferfunktion für mehrere Wochen.

Vermessung von neun Sonnenhäusern

Das Konzept der SolarAktivHäuser wird derzeit vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg gemeinsam mit der Solarenergie und Wärmetechnik SWT in Stuttgart, der Technischen Universität in Ilmenau und dem Sonnenhaus-Institut in Straubing im Projekt HeizSolar untersucht und vom deutschen Bundesumweltministerium und Projektträger Jülich gefördert.Im Projekt werden neun Sonnenhäuser vermessen, um die real erzielten solarthermischen Deckungsanteile und deren Betriebsverhalten zu ermitteln. Ein Simulationsmodell zur Optimierung der Gebäude wird erstellt und ein Konzept zur vergleichenden Bewertung von Niedrigstenergiehäusern wird erarbeitet. Dies soll helfen, die Einführung des Heizens mit hohen solarthermischen Deckungsanteilen auf eine technisch solide Basis zu stellen und damit der europäischen Solarthermievision einen deutlichen Schritt näher zu kommen.

Tabelle 1: Typische Sonnenhäuser, die im Projekt HeizSolar vermessen werden

Gebäude 
Anlagentechnik
Nr.
Typ
Nutz-fl. [m²]
HT' [W/(m².K)]
Koll.-fl. [m²]
Speicher-vol. [m³]
fsol [%]
Zusatzheizung
Lüftung mit WRG
1
EFH
202
0,30
31
7,1
75
Kaminofen
nein
2
EFH
232
0,34
34
2
70
Pelletskessel
ja
3
EFH
250
n. b.
68
11
82
Kaminofen
n. b.
4
EFH
300
0,16
112
42,8
100
---
ja
5
EFH
403
0,27
48
9,3
50
Pelletskessel
nein
6
EFH
563
n. b.
36
4
n. b.
Hackschnitzelkes.
ja
7
MFH
549
0,28
62
15,1
60
Holzvergaser
ja
8
MFH
800
n. b.
127
47
n. b.
Pelletskessel
nein

 

Zeichenerklärung:
Koll.-fl.: installierte Kollektorfläche (Aperturvläche)
EFH Einfamilienhaus
MFH Mehrfamilienhaus
fsol erwarteter solarthermischer Deckungsanteil
HT' spezifischer Transmissionswärmeverlust
WRG Wärmerückgewinnung
n. b. nicht bekannt

Abbildung 2: Sonnenhaus mit Solarthermie und Photovoltaik-Anlage Quelle: Sonnenhaus-Institut e.V.

*) Dipl.-Phys. Gerhard Stryi-Hipp ist Leiter der Gruppe„Thermische Prozesse und Niedertemperatursysteme“ am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg, Deutschland, und Präsident der European Technology Platform on Renewable Heating and Cooling (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) [^]

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