Zeitschrift EE

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2010-04

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Sanierungsarbeiten, Dieselweg in Graz Quelle: AEE INTEC

Das Projekt „SQUARE - Qualitätssicherungsmaßnahmen zur Verbesserung
des Wohnraumklimas und der Energieeffizienz bei der Sanierung von großvolumigen Wohngebäuden“ hat ein systematisches, flexibles Qualitätsmanagement für Sanierungsprozesse entwickelt. Dessen Einführung wurde in vier Pilotprojekten untersucht, die durch thermisch-energetische Maßnahmen Vorzeigecharakter für das jeweilige Land besitzen..

SQUARE – Qualitätssicherung in der Wohngebäudesanierung

Von Armin Knotzer *

Ausgangslage

Europaweit besteht für einen Großteil der Mehrfamilienhäuser akuter Sanierungsbedarf. In Österreich wie auch anderen Ländern der EU stehen diesem Bedarf wenig ambitionierte politische Ziele, zu wenige Fördermittel und nach wie vor gesetzliche Barrieren bei der Gebäudesanierung gegenüber. Wir haben zahnlose Energiekennwerte und keine Ziele, welche Quantität in der Sanierung in den nächsten Jahren erreicht werden soll.
Dabei bieten Sanierungen die einmalige Gelegenheit in Maßnahmen zu investieren, die beides - eine Steigerung der Energieeffizienz und der Wohnqualität auf längere Zeit - bringen. Aspekte wie die gute Verwertbarkeit hochwertig sanierter Wohnungen und Gebäude vor allem im (inner)städtischen Bereich, energieeffiziente Gebäudetechnik mit wenig Betriebskosten und positive Mundpropaganda der BewohnerInnen wegen der hohen Wohnqualität steigern den Immobilienwert und die Wettbewerbssituation der EigentümerInnen, rechtfertigen damit den größeren Aufwand und sollten Anlass für die Qualitätssicherung sein.

Ziele

Qualitas (lat.) bedeutet eigentlich „Beschaffenheit, Merkmal, Eigenschaft, Zustand“, das heißt Qualitätssicherung im ursprünglichsten Sinn will wünschenswerte Eigenschaften eines Gutes oder einer Dienstleistung sichern oder bewahren helfen. In allen relevanten Normen zur Qualitätssicherung wie der EN 16001 (Energiemanagementsysteme; siehe Übersicht in Abbildung 2) kommt allerdings auch dem Aspekt der „Verbesserung“ einer Eigenschaft oder des Prozesses eine wichtige Rolle zu.

Abbildung 2: Derzeit verfügbare Qualitätsmanagementsysteme mit den zwei in Österreich gebräuchlichen Gebäudebewertungssystemen klima:aktiv und TQB Quelle : AEE INTEC

Hochwertige Sanierungen mit energetischen Reduktionszielen von 80% und mehr lassen sich effizienter erreichen, wenn alle Ressourcen systematisch eingesetzt und Vorgänge strukturiert werden. Gerade bei großen Sanierungsprojekten bietet der Prozessablauf eines Qualitätssicherungssystems die Möglichkeit, das vorhandene Potenzial für Verbesserungen optimal auszuschöpfen.
Das Projekt SQUARE entwickelte ein an die Bedürfnisse und Bedingungen des jeweiligen Landes angepasstes Qualitätssicherungssystem und erprobte dieses im Rahmen von vier Pilotprojekten. Wichtig war dabei die Verbreitung von Information über das Qualitätssicherungssystem, Praxiserfahrungen und Ergebnisse der Pilotprojekte, Bewusstseinsbildung betreffend verbessertes Wohnraumklima und die Präsentation von Lösungen und Maßnahmen der effizienten Energienutzung im Wohnbausektor.

Abbildung 3: Teil der Qualitätssicherung: Blower Door Test im Pilot-Projekt Brogården Quelle:SP

Sanierungsprozess mit Qualitätssicherung

Wesentlich ist die Entscheidung einer Organisation oder eines Unternehmens wie einer Wohnungsgenossenschaft, Qualitätssicherung, die Steigerung der Energieeffizienz und die Verbesserung der Wohnraumqualität ihrer Wohnungen als übergeordnetes Ziel zu allererst in die Unternehmenspolitik und dann in die strategische Ausrichtung für den Sanierungsprozess aufzunehmen.
Der Prozessablauf einer Sanierung umfasst folgende Schritte, die durch das Projektteam durchzuführen sind:
Im Vorfeld stehen eine umfassende Bestandsaufnahme und eine erste Energieanalyse, sowie MieterInnenbefragungen, in deren Anschluss und darauf Bezug nehmend detaillierte Anforderungen und Ziele wie zu erreichende Energiekennwerte für die Sanierung definiert werden. Im Vergleich der IST- zur SOLL-Situation fällt dann die Entscheidung für Einzel- oder umfassende Sanierungsmaßnahmen.
Diese werden im nächsten Schritt in die Planung und das Design „übersetzt“, ein Projektzeitplan erstellt und die Kontrollmaßnahmen während der Bau- und vor allem Betriebsphase festgelegt. Die übliche Umsetzungs- und Bauphase wird ergänzt durch laufende Überprüfungen, Messungen und Dokumentationen sowie geregeltem Informationsaustausch.
Großer Bedeutung kommt einerseits der formellen Bauabnahme bzw. der Bauübergabe zu, als wesentliches Hilfsmittel zur Sicherstellung, dass die Anforderungen an das Wohnraumklima und die Ziele der Energieeffizienz erfüllt worden sind. Sie inkludiert die „Einschulung“ aller NutzerInnen in das Gebäude nach der Sanierung. Andererseits betont das Qualitätssicherungssystem von SQUARE die Wichtigkeit eines funktionierenden Gebäudebetriebs weit über das Ende der baulichen Maßnahmen hinaus. Das Monitoring, die Energiebuchhaltung, festgelegte Überprüfungs- und Wartungsintervalle, laufende Betriebsoptimierungen, regelmäßige Schulungen für das Bedienungspersonal und MieterInnenbefragungen zumindest alle 5 Jahre sollten in einem qualitätsgesicherten Gebäude selbstverständlich sein.

Ergebnisse

Ambitionierte und hochwertige Sanierungen von großen Wohngebäuden wie die der Pilot Projekte von SQUARE führen zu Energiebedarfsreduktionen von bis zu 80 oder 90%. Den Maßnahmen, die den Betrieb des Gebäudes - das langfristige „Funktionieren“ - beeinflussen, kommt eine besondere Bedeutung in der Qualitätssicherung zu. Zehn Maßnahmen dazu wurden näher untersucht und zusammengefasst (Abbildung 4 und 5 geben einen Überblick).

Abbildung 4: ”Grundlegende“ und „aktive“ Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden Quelle: AEE INTEC

Abbildung 5: Die wichtigsten Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs bei Sanierungen in drei europäischen Klimaten im Überblick Quelle: AEE INTEC

Die Pilotprojekte sind bezogen auf Alter, Größe und die Möglichkeit der Breitenwirkung repräsentativ für den Gebäudebestand des jeweiligen Landes (siehe Abbildung 4). Die Sanierungsmethoden haben allesamt Potenzial, vervielfältigt zu werden und führen die Ziele weit unter die gesetzlichen Vorschriften. Die SQUARE Projektpartner haben bei der Anpassung und Einführung des QS-Systems spezifische Schwerpunkte gesetzt. Diese sollen im Weiteren kurz vorgestellt werden.
Besonderheiten im Pilot-Projekt Graz Dieselweg waren die gute Einbindung der MieterInnen in den Sanierungsprozess, die gewissenhafte Überprüfung und Justierung der Gebäudetechnik während und nach den Bauarbeiten und das gute Beschwerdemanagement nach der Sanierung.
Das schwedische Projekt Brogården legte den Schwerpunkt auf die Integration der Maßnahmen in die bestehende Architektur und auf Befragungen der MieterInnen sowie Messungen. In Barcelona setzte POMAA auf die Steigerung des Immobilienwertes und verkaufte tatsächlich überdurchschnittlich schnell die Wohnungen trotz darniederliegendem Markt. Im finnischen Pilotprojekt, einem Studierendenheim in Oulu, wurden die hohen Kosten einer innovativen Sanierung näher untersucht und erwiesen sich auch als Bremsklotz bei der Umsetzung.

Abbildung 6: Teil der Qualitätssicherung: Regelmäßige Kontrollgänge auch während der Bauarbeiten beim spanischen Pilot-Projekt in Barcelona Quelle: TTA Trama Tecno Ambiental S.L

Erkenntnisse im Projektverlauf:

  • Wahl der passenden technischen Lösung vor allem für das Haustechniksystem und Überzeugen der FördergeberInnen und NutzerInnen erweist sich oft als schwierig.
  • Neue Technologien stellen einen hohen Wert dar, verlängern aber beispielsweise die Inbetriebnahme. Ihr Einsatz muss gut geplant sein.
  • Finanzierung und Vorteile der MieterInnen sind in einer sehr frühen Phase zu definieren und ehrlich zu kommunizieren.
  • Die Unternehmenspolitik muss so angelegt sein, dass sie auch in schwierigen Phasen hält und zu dem Projekt gestanden wird.
  • Die Projektvorbereitung wird leicht unterschätzt, vor allem der Erkenntniswert von Befragungen und Begehungen aller Gebäudebereiche.
  • Die rechtzeitige und lückenlose Auswahl der nötigen TechnikerInnen und Sachverständigen für Spezialaspekte im Projekt ist wichtig.
  • Übergeordnete Ziele für Sanierungen eines Unternehmens wie z.B. Erreichung des Passivhausstandards werden am besten unabhängig von aktuellen Objekten formuliert und beschlossen.
  • Die Stärkung der Kommunikation unter den Gewerken, regelmäßige technische Inspektionen durch Dritte und eine erfahrene Bauaufsicht fördern die qualitative Ausführung.
  • Die Klärung der datenschutzrechtlichen Bedingungen zum Sammeln von Daten beim Monitoring sowie Klarheit, wer sich mit installierter Messtechnik vor Ort auskennt, schafft erst die Grundlage für Verbesserungen in der Gebäudetechnik.
  • MieterInnenbefragungen inkl. Reaktion darauf und regelmäßige Information derselben drücken sich in höherer Zufriedenheit aus.
  • Ein Eröffnungsfest für die MieterInnen wie am Dieselweg für alle am Sanierungsprozess Beteiligten bietet die einmalige Möglichkeit, Informationen wie Bedienungsanleitungen für die neue Haustechnik an die MieterInnen zu bringen oder Kontaktpersonen vor Ort vorzustellen.
  • Generell ist der Qualitätssicherungsprozess natürlich nur so gut wie die EigentümerInnen dahinter stehen.

Zusammenfassung

Das Projekt SQUARE hat den Standard der Sanierung auf noch ambitioniertere Ziele gehoben und dabei das Gelingen vorzeigbar sanierter Gebäude, wie das Demonstrationsprojekt „Dieselweg“, unterstützt. Der Erfolg liegt dabei in neuen Sanierungstechnologien und an der Form und Gestalt der Gebäude.
QS-Anwendungen werden oft als arbeitsaufwendig angesehen. Doch die Vorteile der Einführung eines QS-Systems wie erfolgreichere Integration neuer Gebäudetechnologien, kürzere Bauzeit und erhöhte MieterInnenzufriedenheit sind bei den realisierten Projekten deutlich sichtbar. Der Wert des Gebäudes steigt dadurch markant an.
Die Qualitätssicherung soll und wird einer der KönigInnenwege zur nachhaltigen Sanierung werden.

Bei der Sanierung die Nase vorne haben!
Fünf gute Gründe…

...die für ein Qualitätssicherungssystem sprechen, das die Verbesserung des Wohnraumklimas und der Energieeffizienz mit sich bringt:
1. Wirtschaftliches Einsparungspotenzial und nachhaltiger Klimaschutz
2. Optimierungsmöglichkeiten der Organisationsstrukturen und -Abläufe
3. Optimierung der Kommunikationsstrukturen
4. Ausnutzung von Verbesserungspotenzial
5. Gesteigerte Zufriedenheit bei BewohnerInnen und MieterInnen

SQUARE-Factbox

Budget:

862.722 Euro
Finanziert von:
 
50% IEE - Intelligent Energy Europe
  40% BMVIT
  10% BMWJF
Projektdauer:
November 2007 bis April 2010
Projektpartner-Organisationen:
  • SP Technical Research Institute of Sweden (SP), S/Borås, Koordination
  • Trama Technoambiental S.L (TTA), ES/Barcelona
  • AEE – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC), AT/Gleisdorf
  • Helsinki University of Technology (TKK), F/Espoo
  • Trecodome (Trecodome), N/Roosendaal
  • Energy Agency of Plovdiv (EAP), BG/Plovdiv
  • AB Alingshåshem (Alingshåshem), S/Alingsås
  • Poma Arquitectura S.L. (POMAA), ES/Barcelona

Dieses Projekt wurde im Rahmen des Programms „IEE – Intelligent Energy Europe“ durchgeführt und von der Europäischen Kommission, dem BMVIT und dem BMWFJ finanziert.

*) DI Armin Knotzer ist Mitarbeiter von AEE INTEC, Bereich Nachhaltige Gebäude. E-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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