Zeitschrift EE

 02 | 2024 Energieinnovationen in Quartieren

Der digitale ENERGIEatlas für die räumliche Energieplanung

Cécile Kerebel, Stefan Geier, Christian Sakulin, Ingrid Schardinger, Christina Standl, Franz Mauthner

Seit Projektstart im Jahr 2018 widmet sich die GEL S/E/P-Projektserie [1] der Schaffung von Grundlagen für eine effektive räumliche Energieplanung. Mit Fokus auf den Bundesländern Salzburg, Steiermark und Wien strebt das Projekt die Entwicklung eines maßgeschneiderten digitalen ENERGIEatlas mit hochauflösenden räumlichen Informationen und Berichtsfunktionen an. Durch die Zusammenarbeit mit Behörden und Entscheidungsträger*innen werden zudem rechtliche Rahmenbedingungen adressiert. Der ENERGIEatlas enthält detaillierte Daten zu Gebäuden, erneuerbaren Energiepotenzialen und netzbasierten Infrastrukturen, was die räumliche Analyse und Planung kommunaler Energiesysteme ermöglicht und erleichtert [2, 3, 4]. In der ersten Projektphase wurde im Projekt das Spatial Energy Planning (SEP)-System für den Wärmebereich etabliert. In der nun kurz vor Abschluss stehenden zweiten Projektphase wurde das System um die Sektoren Strom und Mobilität erweitert, um eine sektorübergreifende Informationsplattform zu schaffen. Insgesamt stellt die GEL S/E/P-Initiative einen bedeutenden Schritt hin zu einem schlankeren und effizienteren Ansatz zur räumlichen Energieplanung auf verschiedenen hoheitlichen Ebenen dar und trägt zum übergeordneten Ziel einer erfolgreichen Wärme- und Energiewende in Österreich bei [5, 6].

Quelle: iSPACE Räumliche Energieplanung

Ein Geoinformationssystem-basiertes Planungsinstrument

Die Verfügbarkeit von räumlichen Daten (Geodaten) ist für die räumliche Energieplanung essenziell. Der ENERGIEatlas baut auf einem neuentwickelten Gebäudemodell auf, welches das Gebäude als kleinste räumliche Einheit darstellt und mit planungsrelevanten Informationen wie beispielsweise zur Gebäudegeometrie, der Nutzung, zur vorliegenden Raumwärmeversorgung und den assoziierten Energiebedarfen und Treibhausgasemissionen für Strom und zur Wärmebereitstellung verknüpft. Daneben werden leitungsgebundene Energieinfrastrukturen, lokale erneuerbare Energiepotenziale sowie Darstellungsdienste für klimafreundliche Mobilität bereitgestellt. Vielfältige Bottom-up-Datengrundlagen werden dafür identifiziert, unter anderem digitale Katastralmappen der Bundesländer, das adressbezogene Gebäude- und Wohnungsregister (AGWR), die ZEUS-Energieausweisdatenbank und Flächenwidmungspläne. In Modellierungen werden die Datengrundlagen mittels geoinformatischer und energietechnischer Methoden miteinander kombiniert, um Planungsund Entscheidungsgrundlagen (GIS-Kartenlayer, statistische Auswertungen, Berichte) zu folgenden Aspekten zu schaffen (siehe Abbildung):

  • Infrastrukturdaten
  • Energiebedarfe
  • Energiepotenziale
  • Gebietsausweisungen (Zonierungen)

Datenschichten des GEL S/E/P ENERGIEatlas für Räumliche Energieplanung Quelle: GEL S/E/P Projektkonsortium 2018-2024

Umsetzung in den Bundesländern Salzburg und Steiermark

Im Bundesland Salzburg sind im ENERGIEatlas aktuell ca. 750 Ergebnisse je Gebäude bzw. Grundstück im ENERGIEatlas-Prototyp geführt. Neben dem Wärmesektor stehen auch Informationen zum Strom- und Mobilitätssektor zur Verfügung. Eine Vielzahl an Informationen zu Gebäuden, Wärmebedarf, Potenzialen erneuerbarer Energie und zur Infrastruktur wurde bereits im SAGIS, dem Salzburger Geographischen Informationssystem, implementiert. Neben der räumlichen Darstellung der Ergebnisse werden die Informationen auch flexibel aggregiert genutzt, z. B. für Gemeindeanalysen, Klima- und Energieregionen oder auch für Monitoring und Strategieentwicklungen auf Bundeslandebene. Aktualisierungsroutinen sorgen für die nötige Einbindung aktueller Datengrundlagen und unterstützen die Ergebnisqualität.

Seit dem Jahr 2021 wird allen Salzburger Gemeinden die „Bestandsanalyse Energie“ vom Land Salzburg zur Verfügung gestellt. In diesem ca. 40 Seiten starken Bericht werden Energiebedarfe, Energieinfrastrukturen und erneuerbare Potentiale im Gemeindegebiet in Form von Karten und Grafiken aus dem Wärmeatlas dargestellt - ergänzt durch erklärende Textteile. Dieses Dokument dient den Salzburger Gemeinden einerseits als Grundlage für die Bearbeitung des Themas „Energie“ in der örtlichen Raumplanung (seit 2018 verpflichtend), gleichzeitig kann die „Bestandsanalyse Energie“ auch für weiterführende Planungen wie z. B. Energieleitbilder, Klimaneutralitätsstrategien etc. wesentliche Beiträge liefern.

In der Steiermark wurde der ENERGIEatlas Steiermark – speziell für den Wärmebereich – erfolgreich in das Landes-GIS-System integriert. Der ENERGIEatlas dient insbesondere als Werkzeug für Gemeinden, um sogenannte Sachbereichskonzepte Energie zu erstellen, die mit der Novellierung des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes im Jahr 2022 verpflichtender Bestandteil der örtlichen Entwicklungsplanung sind und von den Gemeinden bis zum Sommer 2025 vorgelegt werden müssen. Die vorhandenen räumlichen Daten bilden darüber hinaus die Grundlage für vielfältige weiterführende Anwendungsfälle in der kommunalen Wärme- und Energieplanung. Der Bogen spannt sich hier von der Erstellung von Klimaneutralitätsfahrplänen bis hin zur Grobplanung von Quartiersenergiekonzepten und Wärmenetzen sowie dem Energie- und Treibhausgas-Monitoring. Aufgrund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen ist die Datennutzung aktuell allerdings nur im Rahmen von Forschungsprojekten und in der örtlichen Raumplanung möglich. Das GIS-System kann den Zugriff gemäß den gesetzlichen Vorschriften über den Portalverbund regeln, sodass jede Gemeinde nur auf die Ergebnisse für ihr eigenes Gebiet zugreifen kann. Jede Gemeinde muss die Berechnungen für den Wärmeatlas separat anfordern sowie eine Datennutzungsvereinbarung zeichnen. So wurde der Prototyp des ENERGIEatlas in der Steiermark bereits auf insgesamt 60 von 286 Gemeinden ausgeweitet. Für eine möglichst niederschwellige Daten- und Informationsbereitstellung erhalten die Gemeinden neben dem Zugriff auf den ENERGIEatlas Steiermark im GIS auch einen automatisierten Energiebericht mit einer Zusammenstellung der wesentlichen Energie- und Infrastrukturdaten sowie einen Monitoringbericht zur Kontrolle von Umsetzungszielen.

Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen

Der Aufbau eines digitalen Energieatlas für die Energieraumplanung erfordert eine integrierte Herangehensweise, die Daten aus verschiedensten Quellen vereint und diese sowohl in bestehende als auch neu entwickelte Methoden integriert [1,2,3,4,6]. Daraus lassen sich Entscheidungsgrundlagen für verschiedene Planungsebenen und -horizonte schaffen. Dieser Prozess ist durch die Relevanz einer Vielzahl von Rechtsmaterien gekennzeichnet, die von Baurecht und Raumordnung über Natur- und Umweltschutz bis hin zu Gewerberecht und Energierecht reichen.

Um den zuständigen Stellen die Erfüllung ihrer Aufgaben in Planung, Kommunikation und Abstimmung zu ermöglichen, müssen die erforderlichen Daten von den entsprechenden Dateneigentümern geliefert werden. Es wird angestrebt, den Datenfluss zukünftig nicht mehr als Einbahnstraße zu gestalten, sondern allen Beteiligten aktuelle und unterstützende Planungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen. Infrastrukturbetreiber sollen durch den gegenseitigen Austausch von Daten von einem verbesserten Maß an Planungs- und Rechtssicherheit profitieren. Um dies zu ermöglichen, müssen bestehende rechtliche Rahmenbedingungen überprüft und gegebenenfalls angepasst oder neue Regelungen geschaffen werden, die den Datenaustausch in einem integrierten Planungsprozess erleichtern.

In den beteiligten Bundesländern wurden bereits bedeutende Fortschritte erzielt, um das Verständnis für die Vorteile und Möglichkeiten einer gemeinsamen Herangehensweise an die Planung der Energiewende zu vertiefen. Zudem wurden auch rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen, die eine Grundlage für den Austausch von Daten bieten.

Es ist von entscheidender Bedeutung, das gemeinsame öffentliche Interesse am Klimaschutz und die individuellen Datenschutzanforderungen sorgfältig abzuwägen. Denn es braucht einen Ansatz, der die Verfügbarkeit von Daten für die dringend benötigten Planungen gewährleistet, während gleichzeitig die Interessen und der Schutz der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt werden.

Fazit und Ausblick

Der ENERGIEatlas bietet der öffentlichen Verwaltung in den teilnehmenden Gebietskörperschaften Informationsgrundlagen an, die vielfältige Anwendungen ermöglichen, unter anderen im Bereich Kommunikation, Analyse und Planung (z. B. Baugenehmigung, Bebauungsplanung, Kommunale Wärmeplanung, Mobilitäts- und Verkehrsplanung, Regionalentwicklung, Landesentwicklung), Entscheidungshilfe und Berichtspflichten sowie Monitoring. Weiternutzungen für Bürger*innen sind schon in Entwicklung, insbesondere im Bundesland Salzburg mit Webapplikationen zum Themen Heizungswechsel und Solarenergie.

Weiterführende Informationen

Projektwebseite: SEP | Spatial Energy Planning Räumliche Energieplanung

Literatur

[1] GEL S/E/P Homepage, https://www.waermeplanung.at/ , last accessed 2024/04/25.

[2] Götzlich, L., et al. 2022: Bottom-Up Heat demand model, ISEC 2022, Graz (4-2022)

[3] Götzlich, L., et al. 2021: Gebäudemodell für die räumliche Energieplanung, AGIT – Journal für Angewandte Geoinformatik 2021, doi:10.14627/537707011, Salzburg (7-2021)

[4] Schardinger, I., et al. 2019: Räumlich hoch aufgelöste Modellierung von potenziellen Fernwärmegebieten, IEWT 2019, Wien (2-2019)

[5] Rehbogen, A., et al. 2021: Energie und Klimaschutz in hoheitlichen Planungsprozessen berücksichtigen - Bedarf, Anwendungsfälle und Lösungsansätze aus der Praxis. In R. Giffinger, M. Berger, K. Weninger, & S. Zech (Eds.), Energieraumplanung - ein zentraler Faktor zum Gelingen der Energiewende (pp. 5–17). https://doi.org/10.34726/807

[6] Mauthner F.. Stoeger A. 2024: ESTABLISHING SPATIAL ENERGY PLANNING FOR AUSTRIA'S ENERGY TRANSITION, ISEC 2024, Graz (04-2024)

Autor*innen

Dr. Cécile Kerebel ist Projektleiterin des Forschungsprojekts G/E/L SEP II am SIR Salzburger Institut für Raumordnung & Wohnen GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Christian Sakulin leitet den Bereich “Projekte und Innovationen“ bei der Energie Agentur Steiermark. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Stefan Geier ist Universitätsassistent am Institut für Raumplanung, Umweltplanung und Bodenordnung an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Mag. Dr. Ingrid Schardinger ist Co-Projektleiterin bei Research Studio iSPACE. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Christina Standl, MSc. arbeitet am SIR Salzburger Institut für Raumordnung & Wohnen GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Franz Mauthner, MSc. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter im Bereich „Städte und Netze“ bei AEE INTEC (Themenleitung Wärme / Kälte / Bestandstransformation). Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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