Zeitschrift EE

 02 | 2024 Energieinnovationen in Quartieren

Thermische Bauteilspeicher Internationale Kooperation unter Leitung Österreichs

Christoph Rohringer, Walter Becke, Thomas Friedrich, Matthias Kersken, Paul Lampersberger

Konventionelle thermische Bauteilaktivierung nutzt Bauteilmassen für die Beheizung und Kühlung von Innenräumen. Aufgrund ihrer thermischen Trägheit können diese aber auch als Energiespeicher fungieren, indem sie überhitzt/unterkühlt werden, ohne den Innenraumkomfort zu beeinträchtigen. Dieses Speicherpotenzial kann sowohl für lokale als auch für netzgebundene thermische und elektrische Energie genutzt werden und steigert dadurch die Flexibilität dieser Systeme. Die Nutzung der thermischen Bauteilaktivierung als Energiespeicher ist jedoch ein junges Feld mit prototypischen Leuchtturmprojekten ohne breite Marktdurchdringung.

Innovative Flachdecke mit Sandwichquerschnitt (getrennte obere und untere Platte mit Hohlraum) für die thermische Aktivierung Foto: Innogration GmbH

Unter der Leitung von Österreich, vertreten durch AEE INTEC, soll die thermische Bauteilaktivierung in ihrer Funktion als Energiespeicher zu einer standardisierten und ökonomisch attraktiven Lösung weiterentwickelt werden. In vier Subtasks werden Entwicklungen auf Technologieebene (z. B. Konstruktionstechniken, Materialien) von 30 Institutionen aus elf Ländern ebenso behandelt wie geeignete Systemintegrations- und Regelungsstrategien. Im österreichischen Konsortium sind AEE INTEC, BEST – Bioenergy and Sustainable Technologies GmbH, e7 energy innovation & engineering und die Fachhochschule Salzburg vertreten. Auf Systemniveau werden die jeweiligen Randbedingungen erneuerbarer Energietechnologien (Produktionspotenziale, Temperaturniveaus, Erzeugungsspitzen und Überschüsse) mit den Anforderungen des Gebäudesektors verknüpft. Technische und nicht-technische Aspekte der thermischen Bauteilaktivierung werden analysiert und verbessert, sowie Standardisierung als Grundlage für eine breitere Marktakzeptanz vorangetrieben.

Ein Beispiel für technologische Weiterentwicklung und neue Konstruktionstechniken ist die innovative Sandwich-Bauweise des Unternehmens Innogration GmbH aus Deutschland (Produkt CEILTEC®). Flachdecken lassen sich heutzutage mit aufgelösten Querschnitten herstellen, die bis zu 40 Prozent an Betonmasse einsparen. Diese Einsparung lässt sich erzielen, ohne Funktion und Erscheinungsbild der Flachdecke zu verändern. Aus statischer Sicht genügen dem tragenden Querschnitt zwei aufgelöste und dünne Schalen. Die obere Schale übernimmt die Druckbeanspruchung und in der unteren Schale wird die Bewehrung integriert. So steht bei Verwendung eines Sandwichquerschnitts nur die untere Schale für den Einbau von Rohrregistern zur Verfügung. Entsprechend kann nur diese Masse zur Speicherung von Energie genutzt werden. Allerdings ergeben sich für den Betrieb der Bauteilaktivierung mit diesem Querschnitt große Vorteile. So kann die thermische Leistung aufgrund der oberflächennahen Anordnung der Rohrleitungen deutlich gesteigert werden. Diese beträgt in der Regel bis zu 70 W/m2 für die Kühlung und ca. 50 W/m2 für das Heizen. Diese Werte reichen aus, um die Klimatisierung ohne weitere Energieverteilsysteme zufriedenstellend zu gewährleisten. Weitere Vorteile sind die rasche Reaktionsfähigkeit des Systems auf Temperaturänderungen im Raum, sowie die massive CO2-Einsparung durch weniger verbautes Betonmaterial.

Aber nicht nur auf Technologieebene sind Innovationen notwendig, um thermische Bauteilspeicher breitentauglich zu machen – auch die Interaktion mit übergeordneten Strom- und Wärmenetzen muss effizient realisiert werden. Die Abteilung Energieeffizienz und Raumklima des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP aus Deutschland zeigt im Forschungsprojekt Windheizung 2.0 eindrucksvoll, wie das gelingen kann. Im Gegensatz zu PV gibt es bei Windstrom eine gute saisonale Korrelation zwischen erneuerbarer Erzeugung und Wärmebedarf und einer Windstrom-Überproduktion während Starkwindereignissen. So gibt es in den Wintermonaten überschüssigen Windstrom, der mittels Wärmepumpe als thermische Energie zur Speicherung bereitsteht. Dies verhindert ein Curtailment (Beeinträchtigung, Minderung) des Windstroms, da Bauteilspeicher überall eingesetzt werden können und somit das Stromnetz entlasten können.

Windenergie (hier am Beispiel Deutschland) ist mitunter auch in den Wintermonaten - im Gegensatz zu PV - in großem Ausmaß vorhanden und kann somit zur Wärmeversorgung besser eingeplant werden. Quelle: Fraunhofer IBP

Durch den Einsatz von Power-to-Heat Lösungen können Erzeugungsspitzen effizient in träge, thermische Bauteile eingelagert werden und für die Raumheizung nutzbar gemacht werden. Das Fraunhofer IBP untersucht und testet im Projekt Lösungen sowohl für den Neubau als auch für die Sanierung. Neben Demonstratoren ist auch ein vom Fraunhofer IBP entwickeltes wissenschaftlich fundiertes Design Tool für die Bauteilaktivierung ein zentrales Projektergebnis, das direkt in den IEA ES Task 43 einfließt.

Um die thermische Bauteilaktivierung als Speichertechnologie zu fördern und ihre Markteinführung zu beschleunigen, wird im Rahmen des österreichischen Monitoringprojekts „BTTAB – Breitentest von energieeffizienten Demonstrationsgebäuden mit thermisch aktivierten Bauteilen“ die Leistungsfähigkeit dieser Technologie untersucht. Dabei wird einerseits das Speicher- und Energieflexibilitätspotential bewertet. Andererseits werden wichtige Erkenntnisse in Bezug auf den Nutzer*innenkomfort und die Nutzer*innenzufriedenheit, sowie ökonomische Aspekte in Planung, Errichtung und Betrieb und die Funktionalität der Prozessabläufe generiert. In Kooperation mit dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wurden 18 Demonstrationsgebäude ausgewählt, welche im Zuge eines einjährigen Monitorings intensiv hinsichtlich energetischer Bilanzierung, Erfassung von Temperaturprofilen sowie der Behaglichkeit und des Nutzer*innenkomforts betrachtet werden. Das Portfolio besticht dabei durch hohe Diversität, wie harmonisierte regionale Verteilung, unterschiedlichste Gebäudenutzungen und -größen, unterschiedliche Bauweisen und aktivierte Materialien (Beton, Ziegel, Holz), verschiedenste Arten der Integration erneuerbarer Energien sowie durch unterschiedliche Ausgangssituationen (Neubau, Bestandssanierung).

Anfang 2026 werden die Ergebnisse in einem öffentlich verfügbaren Bericht der IEA publiziert.

Weiterführende Informationen

Projektlink (nachhaltig wirtschaften)

Projektlink IEA ES Task 43

Autoren

Dipl.-Ing. Christoph Rohringer ist Leiter der Forschungsgruppe „Technologieentwicklung / Erneuerbare Energien“ bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Walter Becke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter des Bereichs „Technologieentwicklung / Erneuerbare Energien“. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. Thomas Friedrich ist Geschäftsführer der Innogration GmbH. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr.-Ing. Matthias Kersken ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Bauphysik. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dipl.-Ing. (FH) Paul Lampersberger ist Projektleiter bei e7 energy innovation engineering. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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