Zeitschrift EE

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Chancen und Herausforderungen

Die Österreichische Wasserstoffstrategie

Klimaneutraler Wasserstoff gilt als Schlüsselelement für die Dekarbonisierung von sogenannten „hard-to-abate“-Sektoren der energieintensiven Industrie oder speziellen, schwer zu elektrifizierenden Bereichen der Mobilität. Durch das Schließen dieser Dekarbonisierungslücken können Treibhausgasemissionen erheblich reduziert werden. Somit spielt der Energieträger Wasserstoff eine wichtige Rolle bei der Erreichung des Ziels der Klimaneutralität 2040. Des Weiteren liefert Wasserstoff vielversprechende Diversifizierungsmöglichkeiten im Sinne der Herstellung und Importquellen. Eigenschaften, die vor dem Hintergrund einer zunehmend an Konturen verlierenden Energiekulisse allzu gerne bemüht werden. Zwischen Hype und Heilversprechen blühen vielerlei Projektionsmöglichkeiten. Es lässt sich russisches Erdgas ersetzen, unsere Unabhängigkeit stärken und das Klima schützen. Allerdings stößt das theoretische Einsatzpotenzial hier auf eine äußerst begrenzte Verfügbarkeit. Der vollständige Ersatz von Erdgas in gleichem Ausmaß und in den gleichen Anwendungsbereichen – und über bestehende Infrastruktur – ist nicht realistisch, weil schlichtweg nicht vorhanden. Dennoch ist festzustellen, dass der vielzitierte „Hochlauf“ der Wasserstoffwirtschaft sowie der globale Wettbewerb an Dynamik gewinnt und Wasserstoff eine bedeutende Rolle im zukünftigen Energiesystem einnehmen wird.

Foto: Besch

Regierungen und der private Sektor auf der ganzen Welt erkennen zunehmend die Bedeutung von grünem Wasserstoff und entwickeln Strategien, um seinen Einsatz und seine Integration in ihre jeweiligen Systeme zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund hat die österreichische Bundesregierung im Juni 2022 eine Wasserstoffstrategie verabschiedet. Ausgearbeitet wurde die Strategie unter Federführung des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW).

Leitlinien und Ziele der Strategie

Mit der Wasserstoffstrategie wurden zentrale Leitlinien für den Aufbau einer fokussierten österreichischen Wasserstoffwirtschaft festgelegt, diese orientiert sich an fünf Prinzipien:

  • Klimaneutralität 2040
  • Klimaneutraler Wasserstoff
  • Fokussierung auf prioritäre Verbrauchssektoren
  • Effizienz und Kosteneffektivität
  • Kosteneffiziente Wasserstoffinfrastruktur

Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit soll Wasserstoff bestmöglich genutzt werden, also in jenen Bereichen, die einen hohen Bedarf an thermischer Energie aufweisen oder Anwendungen, bei denen die Möglichkeiten der Elektrifizierung begrenzt sind. Im Sinne der Leitprinizipien ergibt sich daraus die folgende Anwendungshierarchie:

Abbildung. Quelle: angelehnt an Agora Energiewende 2021, eigene Darstellung BMK 2022

Die Abbildung zeigt den gezielten Einsatz des raren Energieträgers: allem voran soll dieser in der Industrie zum Einsatz kommen – sei es stofflich genutzt in der chemischen Industrie, als Reaktionsmittel in der Stahlindustrie oder in Hochtemperaturprozessen als thermische Energie. Auch in der Luft- und Schifffahrt, wo es eine sehr hohe Energiedichte braucht, wird Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen. Außerdem unterstreicht die Abbildung die Bedeutung für das Energiesystem an sich, als Speicher und zur Stabilisierung des Systems durch entsprechend dienliche Steuerung der Erzeugung.

Aufbauend auf der Priorisierung formuliert die Strategie folgende Zielsetzungen:

  • Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff: Weitestgehende Substitution von fossilem mit klimaneutralem Wasserstoff in der Industrie bis 2030

    Bis 2030 sollen 80 Prozent des Wasserstoffbedarfs der energieintensiven Industrie durch klimaneutralen Wasserstoff ersetzt werden. In diesen Bereichen wird Wasserstoff sowohl energetisch als auch nicht-energetisch (als Grundstoff) genutzt und bis dato aus Erdgas gewonnen.

  • Kapazitätsaufbau: Aufbau von 1 GW Elektrolysekapazität bis 2030

    Bis 2030 sollen Anlagen mit einer Elektrolysekapazität von insgesamt einem Gigawatt bereitstehen, das entspricht der Produktion von 4 TWh Wasserstoff. Zum Vergleich: die deutsche Wasserstoffstrategie setzt sich ein Ziel von 5 GW Elektrolysekapazität und EU-weit sollen es 40 GW bis 2030 sein.

  • Marktentwicklung: Schaffung eines Unterstützungsrahmens für die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff

    Aktuell ist erneuerbarer Wasserstoff nicht konkurrenzfähig. Um dies zu ändern, werden Investitionsförderungen für Elektrolyseanlagen sowie Begünstigungen bei der Netztarifierung, den Ökostromförderumlagen und bei den Anschlusskosten im Rahmen des Erneuerbare-Ausbau-Gesetzes (EAG) implementiert.

  • Aufbau eines zu 100 Prozent erneuerbaren Energiesystems: Etablierung der Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse als integraler Bestandteil des Energiesystems

    Die Wasserstoffwirtschaft wird einen Beitrag zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit leisten. Durch Betrachtung der Elektrolyseanlagen als integralen Bestandteil des Energiesystems sollen diese durch einen netzdienlichen Betrieb einen ausgleichenden Beitrag im Stromsystem leisten. Außerdem kann eine Rückführung des Wasserstoffs in das Stromsystem langfristig eine Option zur saisonalen Verlagerung der erneuerbaren Energieproduktion darstellen.

  • Infrastrukturentwicklung: Technische und regulatorische Adaptierung für Wasserstoff im Gasnetz und in Endanwendungen

    Leitungen, durch die heute noch Erdgas fließt, sollen künftig zu reinen Wasserstoffleitungen werden. Um industrielle Cluster und Großverbraucher zu beliefern, wird es teilweise neue, dezidierte Wasserstoffleitungen benötigen.

  • Internationale Kooperation und Wasserstoffpartnerschaften: Aufbau von internationalen Partnerschaften im Bereich klimaneutralen Wasserstoffs

    Der Bedarf wird die heimischen Produktionspotenziale jedenfalls übersteigen und Importe notwendig machen. Um Importmöglichkeiten zu schaffen und gleichzeitig heimischen Unternehmen Perspektiven für Handelspartnerschaften zu ermöglichen, werden internationale Partnerschaften aufgebaut und Österreich bestmöglich in den entstehenden internationalen Wasserstoffmarkt eingebunden.

  • Forschung und Entwicklung: Stärkung des Forschungs- und Wirtschaftsstandorts Österreich durch Wasserstofftechnologien

    Die Exportpotenziale für Erzeugungs-, Speicherund Transporttechnologien in diesem Bereich sind enorm. Durch Investitionen in Forschung und Entwicklung sollen sich österreichische Akteure in den entstehenden Wertschöpfungsketten bestmöglich integrieren. Genau darauf zielen die „Important Projects of Common European Interest“ ab, die das BMK im Bereich Wasserstoff mit 125 Millionen Euro unterstützt.

Umsetzungsstand und Ausblick

Zur Umsetzung der Wasserstoffstrategie wurde eine nationale Wasserstoffplattform eingerichtet, diese soll einen laufenden Dialog zu den Stakeholdern sicherstellen und begleitet von einem Beirat auch Empfehlungen für die zuständigen Ministerien erarbeiten. In einem öffentlichen Jahresbericht informiert die Plattform über Fortschritte und Maß- nahmen zur Umsetzung. Darüber hinaus wird das BMK dem Parlament ab 2023 alle zwei Jahre einen Evaluierungsbericht vorlegen.

Autor

Dipl.-Ing. Arno Gattinger ist in der Abteilung für Energie- und Umwelttechnologien (III/3) des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) für den Bereich Wasserstoff zuständig. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

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