Zeitschrift EE

 nt 04 | 2022 Innovationen in der Kreislaufwirtschaft

Österreichisches Leitprojekt: Mechanisches Recycling von Abfall-Kunststoffen

In Österreich fallen jährlich etwa 900.000 t Kunststoffabfälle an, wobei etwa 80 Prozent als gemischte Abfälle vorliegen (schwarze Tonne, Industrie-/Gewerbeabfall, Sperrmüll) und lediglich etwa 20 Prozent einer getrennten Kunststoffabfallsammlung (gelber Sack, gelbe Tonne, Bezirksabfallsammelzentren) zugeführt werden[1]. So werden derzeit auch nur 26 Prozent der Abfälle aus Kunststoffverpackungen werkstofflich wiederverwertet[2].

Plastikabfall aus Leichtverpackungssammlung vor der Sortierung in einer Sortieranlage. Foto: JKU Linz

Umsetzungsquoten in Recyclingprozessschritten von 80 bis 85 Prozent notwendig

Die Erreichung künftiger Zielvorgaben der EU und von Österreich für mechanische Recyclingquoten von Kunststoffabfällen und die Geringhaltung der als EU-Plastikabfallabgabe für nicht rezyklierte Verpackungskunststoffabfälle anfallenden Zahlungen setzen deutliche Verbesserungen in allen Teilprozessschritten des mechanischen Kunststoffrecyclings voraus. Um beispielsweise die EU-Zielvorgabe einer mechanischen Recyclingquote für Verpackungskunststoffabfälle von zumindest 55 Prozent bis Ende 2030 zu erreichen, sind für Österreich die Umsetzungsquoten in den drei wesentlichen Prozessschritten, (a) geordnete Sammlung, (b) Sortierung und Aufbereitung und (c) Konvertierung & Verwertung, von derzeit je ca. 58 Prozent für die Prozessschritte (a) und (b) und ca. 78 Prozent für den Prozessschritt (c), auf jeweils 80 bis 85 Prozent (!) für jeden dieser Prozessschritte anzuheben[2].

Österreichisches Leitprojekt „circPLAST-mr“

Das hier beschriebene Leitprojekt mit dem Akronym circPLAST-mr [Langtitel: Mechanisches Recycling von Kunststoffen: Von Abfall-Kunststoffen zu hochwertigen, spezifikationsgerechten Rezyklaten; Akronym abgeleitet aus der englischen Bezeichnung “Circular Plastics Economy – Mechanical Recycling“] betrifft ein kooperatives Großforschungsvorhaben der Kategorie „Industrielle Forschung“, das im Rahmen der 1. Ausschreibung der FTI-Initiative Kreislaufwirtschaft des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) gefördert wird. Übergeordnete Zielsetzungen dieser Leitprojektausschreibung waren, einen Beitrag zu signifikant erhöhten Mengen von mechanisch recyceltem Kunststoff in Österreich zu leisten sowie eine Stärkung des Sektors durch Erstellen modellhafter Lösungen und nationale und internationale Sichtbarkeit für österreichische Technologien zu bewirken[3]. Das Leitprojekt circPLAST-mr wurde mit April 2022 gestartet, es hat eine Laufzeit von 4 Jahren und ein Projektvolumen von etwa 6,2 Mio. Euro. Federführend koordiniert und geleitet wird das Vorhaben vom Institute of Polymeric Materials and Testing der Johannes Kepler Universität Linz (JKU-IPMT), beteiligt sind 11 wissenschaftliche Partner*innen und 14 Unternehmenspartner*innen (Tabelle 1).

Tabelle 1: Wissenschaftliche Partner*innen und Unternehmenspartner*innen des Leitprojekts „Mechanisches Recycling von Kunststoffen: Von Abfall-Kunststoffen zu hochwertigen, spezifikationsgerechten Rezyklaten (circPLAST-mr)“. Quelle: JKU Linz

Zielsetzung und Forschungsprogramm des Leitprojekts

Die übergeordnete Zielsetzung von circPLAST-mr besteht darin, einen wesentlichen Beitrag zur systematischen, wissenschaftsbasierten Wissensgenerierung und zum weiteren Kompetenzaufbau in Österreich im Hinblick auf die Erreichung künftig deutlich erhöhter mechanischer Recyclingquoten zu leisten. Ausgehend vom Stand der Technik und sich daraus ableitender Schlussfolgerungen und Problemstellungen sollen diese Quoten mit bestmöglicher Materialqualität für spezifizier- und zertifizierbare und damit „marktfähige“ Kunststoff-Rezyklate und daraus hergestellter Endprodukte erreicht werden. So wird auch die Wettbewerbsfähigkeit aller beteiligten Unternehmen gesteigert, um an den künftigen Entwicklungen für Produkte aus Rezyklat-Kunststoffen und deren wachsenden Märkten zu partizipieren.

Die Erreichung hochwertiger Kunststoff-Rezyklate mit spezifisch eingestellten Eigenschaftsprofilen und Funktionalitäten („spezifikationsgerechte“ Rezyklate) erfordert einen umfassend-systematischen Ansatz mit Integration der gesamten Prozesskette von der Abfall-Sammlung über die Abfall-Aufbereitung bis hin zur Materialkonversion durch den Extrusionsprozess allenfalls inkl. Compoundierung zur Materialmodifizierung im Sinne eines „Upcyclings“ (Abbildung 1). Eine besondere Herausforderung stellt die Wiederverwertung von Kunststoffen in kunststoffhaltigen Mischabfällen wie Restmüll und Sperrmüll dar, die in Österreich etwa 80 Prozent der Kunststoffabfälle ausmachen [4].

Abbildung 1: Schematische Darstellung des Forschungsgegenstandes von circPLAST-mr und der übergeordneten Zielsetzungen entlang des Wertschöpfungskreislaufs, inkl. wesentlicher Prozessschritte und ausgewählter Kunststoffklassen. (wPE, wPP, wPET, wPS – Abfallfraktionen (waste) der Kunststoffe PE, PP, PET und PS; rPE, rPP, rPET, rPS – rezyklierte Kunststoffe)

Unter Berücksichtigung der oben erwähnten EUZielvorgaben liegt der Fokus der Forschungstätigkeit von circPLAST-mr auf dem mechanischen Recycling der großvolumigen Kunststoffklassen Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyethylenterephthalat (PET) und Polystyrol (PS). Diese machen zusammen etwa 60 Prozent des Produktionsvolumens der Kunststoffe in Europa aus [5]. Sie werden aufgrund der doch deutlich unterschiedlichen Produkteigenschaften und -merkmale zudem weiter unterteilt in die Produkt- und Halbzeugkategorien Folienprodukte, Tiefziehprodukte, Spritzgießprodukte und Extrusionsblasformprodukte.

Die sich daraus ergebende Struktur des Forschungsprogramms mit sieben Arbeitspaketen AP1 bis AP7 zeigt Abbildung 2. circPLAST-mr umfasst somit den gesamten Wertschöpfungskreislauf des mechanischen Recyclings von Kunststoffen, wobei die zentralen Prozessschritte durch essentielle Querschnittskompetenzen ergänzt und zusätzlich verknüpft werden. Alle Arbeitspakete werden zudem von einer der wissenschaftlichen Partnerinstitutionen geleitet.

Abbildung 2: Struktur des Forschungsprogramms circPLAST-mr mit sieben interagierenden Arbeitspaketen (AP) und mit Darstellung der Stoffströme und wesentlichen Prozessschritte des mechanischen Recyclings von Kunststoffen. Quelle: JKU Linz

Signifikanter Wissens- und Kompetenzaufbau im Recyclingprozesskreislauf von Kunststoffen

Aufbauend auf bestehenden Kompetenzen der beteiligten wissenschaftlichen Partner*innen und Unternehmenspartner*innen soll durch umfassend interaktive Integration und Beteiligung der Partner*innen am Forschungsprogramm ein weiterer signifikanter Wissens- und Kompetenzaufbau mit Blick auf den gesamten Recyclingprozesskreislauf bewirkt werden, der für die Erreichung der oben angesprochenen, sehr anspruchsvollen politischen Zielquoten unabdingbar ist. Diese Wissensgenerierung bezieht sich einerseits auf notwendige prozess- und werkstofftechnische Aspekte und Maßnahmen, anderseits aber auch auf logistische Anforderungen an das Abfall- und Stoffstrommanagement. Daraus leiten sich vier konkrete Hauptziele samt zu erwartenden Ergebnissen für circPLAST-mr ab:

  1. Aufspüren und Erforschen weiterer, bisher nicht genutzter Potenziale für das mechanische Recycling von Kunststoffen,
  2. Festlegung, Implementierung und Testung zentraler Verfahrensschritte im Labor/Pilot-Maßstab,
  3. Nachweis für die öko-effiziente „Marktfähigkeit“ erhöhter Rezyklat-Kunststoffmengen durch Produktbeispiele mit verbesserten Qualitäts- und Leistungsmerkmalen, und
  4. Nachweis der Skalierbarkeit der Labor/Pilot-Prozesse auf den Produktionsmaßstab (Fallbeispiele).

Technische und ökonomisch-ökologische Optimierung und Umsetzung

Die integrative, aufeinander abgestimmte Betrachtung aller Prozessschritte des mechanischen Rezyklierens von Kunststoffen macht zusammen mit der Struktur und dem Design des Forschungsprogramms, festgelegt durch die ausgewählten Stoffstrom-, Werkstoff- und Produktklassen sowie die in den einzelnen Arbeitspakten zu erforschenden Prozessschritte und der damit einhergehenden Auswirkungen auf werkstoffliche Qualitätsmerkmale der Rezyklate, den übergeordneten Rahmen für den „konzeptiven“ Innovationsgehalt des Leitprojektes aus. Wichtige Innovationsbestandteile ergeben sich zudem durch den Einsatz digitaler Technologien sowie moderner, intelligenter Sensortechniken. Dies soll sowohl die technische als auch ökonomisch-ökologische Optimierung aller Prozessschritte entlang des gesamten Wertschöpfungspfades des mechanischen Recyclings von Abfall-Kunststoffen aus sowohl getrennter Sammlung als auch aus Mischabfällen ermöglichen. In der Stoffstromaufbereitung wird besonders Augenmerk gelegt auf Energieeffizienz, den potenziellen Einsatz erneuerbarer Energietechnologien und die Kreislaufführung von Wasser samt allfälliger Zusätze (Chemikalien). Die kommerzielle Umsetzung der Forschungsergebnisse in die künftige industrielle Praxis ist nicht zuletzt durch die obigen Hauptziele der öko-effizienten Marktfähigkeit der Rezyklate und der Skalierbarkeit von Pilot-Prozessen auf den Produktionsmaßstab sichergestellt.

Autoren

Em. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont. Reinhold W. Lang, Institute of Polymeric Materials and Testing der Johannes Kepler Universität Linz, Österreich, Projektleitung von circPLAST-mr. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Assoz.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. mont. Jörg Fischer, Institute of Polymeric Materials and Testing der Johannes Kepler Universität Linz, Österreich, Projektleitung von circPLAST-mr. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Kommentar

"Für die Schließung des Kunststoffkreislaufes braucht es partnerschaftliche Kooperationen sowie innovative Recyclingprozesse. Das einzigartige Partnerkonsortium im Projekt „circPLAST-mr“ deckt die gesamte Kunststoffwertschöpfungskette ab. Die im Labor gewonnenen Erkenntnisse werden zudem in den Industriemaßstab für eine praxisnahe Forschung übertragen. Dies wird uns als Maschinenbauer in den Bereichen Zerkleinerungs-, Wasch-, Trenn- und Trocknungstechnik zukünftig helfen, uns optimal abgestimmt in den Gesamtrecyclingprozess zu integrieren und bessere Lösungen für ein hochqualitatives, nachhaltiges und kosteneffizientes Kunststoffrecycling bereitzustellen."

Selina Möllnitz, Product Manager, Lindner-Recyclingtech GmbH. Foto: privat

Weiterführende Informationen

Projektlink: https://www.jku.at/linz-institute-of-technology/das-lit/mechanisches-recycling-von-kunststoffen-circplast-mr/

[1] Stoifl B, Bernhardt A, Karigl B, Lampert C, Neubauer M, Thaler P; Kunststoffabfälle in Österreich Aufkommen & Behandlung. Materialien zum Bundes-Abfallwirtschaftsplan 2017; Wien, Österreich (2017)

[2] Altstoff Recycling Austria AG; Rohstoff Kunststoff. Ressourcen und Kreislaufwirtschaft neu denken und machen., Wien, Österreich (2019)

[3] Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG); FTI-Initiative Kreislaufwirtschaft – Österreich auf dem Weg zur kreislauforientierten Gesellschaft; Wien, Österreich (März 2021)

[4] Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) Die Bestandsaufnahme der Abfallwirtschaft in Österreich. Statusbericht 2021, Wien, Österreich (2021)

[5] PlasticsEurope; Plastics - the Facts 2020. An analysis of European plastics production, demand and waste data; Brussels, Belgium (2021)

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