Zeitschrift EE

 erneuerbare energie: 2.2021

Brücke oder Die Abkürzung

Ort: Eine Brücke über die Urslau (Bach in Saalfelden)

Mein Schulweg führte über das Haus meiner Freundin Gabi. Ich holte sie täglich ab, um mit ihr die kleine Brücke über die Urslau zu überqueren. Die kleine Brücke zur Volksschule war ein Fußgängerübergang, schmal mit breiten Spalten zwischen den groben Holzdielen. Ich sprach nicht gern darüber, aber beim Überqueren hatte ich das wiederkehrend bange Gefühl, einmal unversehens durchzurutschen und ins Wasser des rasch fließenden Gebirgsbachs zu stürzen.

Allein: Das Kind war viel zu groß für die schmalen Durchlässe. Diese Logik hatte noch nicht Einzug gehalten in meine magische Kinderwelt!

Daran denke ich heute, wenn ich von der Atomkraft als Brückentechnologie hin zur Umgestaltung auf erneuerbare Energieträger höre. Die Technologie ist viel zu groß, um so eine kleine Brückenfunktion zu erfüllen. Die Auswirkungen sind viel zu gewaltig, um weiterhin so was Unverdächtiges wie eine Brücke in ein neues energetisches Zeitalter zu bilden. Es wird mit dem magischen Denken spekuliert, das die Menschheit erfasst, wenn sie einer unangenehmen Wahrheit nicht und nicht ins Auge sehen will: Die Zeit des Nehmens von der Erde ist vorbei. Wir sind beim Geben angelangt.

Heidemarie Rest-Hinterseer

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