Zeitschrift EE

nt 01 | 2021 Neue Impulse für die Energieraumplanung

Die österreichische Wärmestrategie – eine große Herausforderung, gemeinsam machbar

Heidelinde Adensam. Foto: BMK

Der Bund und die österreichischen Bundesländer haben mit der gemeinsamen Wärmestrategie die Chance, den Gebäude- und Wärmebereich innerhalb der nächsten 10 Jahre in Richtung zukunftsorientierte Wärmewende zu steuern.

In Europa war es im vergangenen Jahr so warm wie nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen. Im Jänner 2021 versinkt Spanien im Schnee, in Wien verzeichnen wir von 22.1. auf 23.1. 10 °C Temperaturunterschied und in Deutschland verursacht das Sturmtief GORAN enorme Schäden an Natur und Infrastruktur. Wetterkapriolen wie diese machen es deutlich: auch wenn die Klimakrise aus den Medien nahezu verschwunden ist, ist die Erderwärmung präsenter denn je; und anders als bei der Coronaviruskrise fehlt die Impfung gegen die Klimakrise. Die gute Nachricht: die mit der Corona-Pandemie einhergehende Wirtschaftskrise erfordert massive Maßnahmen zum Wiederaufbau und wir haben jetzt die einzigartige Chance, nicht nur der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, sondern gleichzeitig die österreichischen Unternehmen, Gebäude und auch den Verkehrsbereich nachhaltig und damit zukunftsfit zu gestalten.

Unterstützt und motiviert werden wir dabei von der Europäischen Union. Das neue EU-Ziel, die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, erfordert eine Anpassung des rechtlichen Rahmens und ausreichend finanzielle Mittel für die damit verbundenen Investitionen. Nach der neuen EU-Wachstumsstrategie „European Green Deal“ sollen in den nächsten zehn Jahren über 300 Mrd. EURO jährlich zusätzlich in den Umbau des Energiesystems investiert werden. Der überwiegende Anteil soll über private Quellen aufgebracht werden, aber auch im neuen EU-Budget von rund 1,1 Billionen EURO sind 30 Prozent für Klimaschutz reserviert. Die Aufbau- und Resilienzfazilität der EU umfasst zusätzlich mehr als 670 Mrd. Euro und 37 Prozent davon gehen in klimabezogene Projekte. Der Rest soll zudem so eingesetzt werden, dass keine umwelt- und klimaschädlichen Effekte verursacht werden.

Der Wärmesektor wird eine wichtige Rolle auf dem Weg zur klimaneutralen Wirtschaft spielen. Der Verbrauch von Wärme (inkl. Wärme für industrielle Anwendungen) liegt in Österreich derzeit bei rund 50 Prozent des gesamten Endenergiebedarfs, wobei rund 44 Prozent des Wärmeverbrauchs direkt durch fossile Energieträger gedeckt werden. Auch für Fernwärme und Wärme aus Strom werden nach wie vor fossile Energieträger eingesetzt1. Für „zukunftsfitte“ Gebäude und Wärmeversorgung braucht es daher eine grundlegende Veränderung der Bausubstanz und eine Umstellung der Heiz-, Warmwasser und Kühltechnologien, die ohne die Nutzung fossiler Energie auskommt. Aber nicht nur Infrastruktur und Technik werden sich ändern, auch die Nutzung der Gebäude wird sich durch Digitalisierung und das Internet der Dinge wandeln.

Nutzenergieverteilung in Österreich im Jahr 2019. Quelle: DI Simon Gangl auf Basis der Daten der Nutzenergieanalyse der Statistik Austria

Österreichische Wärmestrategie

Um diese massiven Veränderungen bestmöglich zu begleiten, haben sich Bund und Bundesländer im November 2020 zur gemeinsamen Erarbeitung einer österreichischen Wärmestrategie mit dem Ziel der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung von Gebäuden bis 2040 bekannt2. Dieses gemeinsame Mandat ist deshalb so wichtig, weil die verfassungsrechtlichen Kompetenzen im Gebäude- und Wärmebereich in Österreich in erster Linie bei den Bundesländern liegen. Die Ziele dieser gemeinsamen Wärmestrategie sind die Umstellung der Wärmeversorgung von Gebäuden auf erneuerbare Energieträger wie zum Beispiel Biomassetechnologien, direkte Solarnutzungen, Geothermie und Umgebungswärme sowie Fernwärme auf Basis erneuerbarer Energieträger und eine entsprechende Reduktion des Energieverbrauchs bis 2040.

Konkrete Ziele der Wärmestrategie sind der stufenweise Ausstieg aus fossilen Energieträgern in der Raumwärme- und Warmwasserversorgung, wie dies im Regierungsprogramm vorgesehen ist. Das Aus für den Betrieb von Ölheizungen ist bis 2035 und für fossile Gasheizungen bis 2040 vorgesehen. Ab 2025 wird es im Neubau keine Gasanschlüsse mehr geben und das Gasnetz darf nicht mehr zur Raumwärmeversorgung ausgebaut werden, wobei Verdichtungen innerhalb bestehender Netze in begrenztem Ausmaß möglich sein werden. Fernwärme soll im urbanen Raum ausgebaut werden und die Fernwärmebereitstellung soll beispielsweise mittels Geothermie, Solarthermie, Abwärme, Wärmepumpen und Biomasse dekarbonisiert werden. Die Wärmestrategie wird nicht nur die Umstellung auf erneuerbare Energieträger umfassen, sondern auch Eckpunkte für eine weitere Reduktion des Energieverbrauchs im Gebäudebestand und Anforderungen an neu zu errichtende Gebäude festlegen. Auch in Richtung passive und effiziente Gebäudekühlung sollen Schritte gesetzt werden. So sollen Kühlsysteme mit geringem Energiebedarf wie Fernkälte favorisiert werden.

Maßnahmen und Instrumente werden neben den rechtlichen Vorgaben auch Förderungen, steuerliche Maßnahmen, Beratung und Information sowie (energie-)raumplanerische Instrumente auf Landesebene sein. Auf Bundesebene werden zur Unterstützung von thermischen Sanierungsmaßnahmen und den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Heizungssysteme für die Jahre 2021 und 2022 650 Mio. EURO zur Verfügung gestellt und noch einmal 100 Mio. EURO, um zielgerichtet einkommensschwache Haushalte zu unterstützen. Damit wird auch ein wirtschaftlich wichtiger Impuls gesetzt, der gerade in Zeiten der Corona-Krise regionale Wertschöpfung und Beschäftigung auslösen wird.

Zudem sollen bundesrechtliche Vorgaben den Ausstieg aus Ölheizungen und die Reduktion und den Einsatz von Gasheizungen regeln. Außerdem sollen Erleichterungen für thermische Sanierungen und die Nutzung erneuerbarer Energieträger in wohnungsrechtlichen Materien vom Bund vorgenommen werden.

Für die Erarbeitung einer derart komplexen Strategie braucht es einen transparenten Prozess und klar definierte Arbeits- und Entscheidungsstrukturen. Ein Koordinationsteam bestehend aus VertreterInnen der Bundes- und Landesverwaltung beauftragt Arbeitsgruppen mit der Ausarbeitung einzelner Maßnahmen und Instrumente. Ein politisches Steuerungsgremium trifft Entscheidungen und setzt sich aus den Landeshauptleuten, der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und dem Bundesminister für Finanzen zusammen. Gestartet wurde die Entwicklung der Wärmestrategie bereits 2019 im Zuge der Erstellung des Nationalen Energie- und Klimaplanes. Es wurde ein partizipativer Prozess mit breiter Stakeholdereinbindung eingeleitet und Ende 2019 ist mit dem einstimmig im Nationalrat beschlossenen Ölkesseleinbauverbotsgesetz im Neubau der erste rechtliche Umsetzungsschritt in Kraft getreten. 2021 sollen weitere rechtliche Instrumente zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern beschlossen werden und auch Förderprogramme von Bundesländern und Bund noch enger abgestimmt werden. Die weiteren Maßnahmen und Instrumente werden in Etappen vereinbart und umgesetzt.

Bund und Bundesländer haben mit dieser gemeinsamen Wärmestrategie die Chance, den Gebäude- und Wärmebereich innerhalb der nächsten 10 Jahre in Richtung einer zukunftsorientierten Wärmewende zu steuern. Denn damit dieser Transformationsprozess mit der notwendigen Planungssicherheit gelingen kann, muss er rechtzeitig starten und von Beginn an auf Klimaneutralität ausgerichtet sein. Gleichzeitig muss auf die Sorgen und Ängste vulnerabler Gruppen geachtet werden und es braucht sozial verträgliche Lösungen. Eine große Herausforderung, die den Schulterschluss von Bund, Bundesländern, ProfessionistIinnen und GebäudeeigentümerInnen und – nutzerInnen braucht!

Literatur

  1. Auswertung aus der Nutzenergiestatistik für das Jahr 2019 der Statistik Austria, Zugriff am 24.1.2021
  2. Siehe Beschluss der Landehauptleutekonferenz vom 6. November 2020

Autorin

Dr.in Heidelinde Adensam leitet die Abteilung „Energieeffizienz und Gebäude“ im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie und ist damit unter anderem mit der Koordination der Wärmestrategie und der Umsetzung der EU-Energieeffizienzrichtlinie befasst.

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