Globaler Kohleausstieg: Nutzen überwiegt Kosten
Mit mehr als einem Drittel der weltweiten Emissionen ist die Kohleverbrennung nicht nur die wichtigste Einzelquelle von CO₂, sondern beeinträchtigt auch in erheblichem Maß die öffentliche Gesundheit und die biologische Vielfalt. Trotzdem ist der weltweite Ausstieg aus der Kohleverbrennung nach wie vor eines der dicksten politischen Bretter. Stichhaltige ökonomische Argumente, warum sich dieser Aufwand lohnt, liefern jetzt neue Computersimulationen eines internationalen Forscherteams: Erstens zeigen sie, dass die Welt nicht unter der 2-Grad-Grenze bleiben kann, wenn wir weiterhin Kohle verbrennen. Zweitens überwiegen die Vorteile eines Ausstiegs aus der Kohleverbrennung die Kosten dafür deutlich. Drittens greifen die positiven Effekte eines Ausstiegs zumeist unmittelbar und direkt vor Ort – was die Umsetzung politisch attraktiv macht.
„Wir stellen fest, dass die Menschheit auf der Grundlage der derzeitigen Klimaverpflichtungen aller Länder im Rahmen des Pariser Abkommens bisher nicht auf dem Weg ist, die globale Erwärmung unter zwei Grad zu halten“, sagt Sebastian Rauner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in Berlin. „Wenn jedoch alle Länder den Kohleausstieg einleiten würden, kämen wir dem Ziel weltweit um 50 Prozent näher. Für kohleintensive Volkswirtschaften wie China und Indien würde ein Ausstieg aus der Kohle die Lücke bis 2030 sogar um 80 bis 90 Prozent schließen.“
Die Forscher entwickelten eine Computersimulation, die die Auswirkungen des Kohleausstiegs besonders umfassend beleuchtet. Neu ist, dass erstmals auch die Schäden an Mensch und Umwelt, die die Kohleverbrennung verursacht, in Geld ausgedrückt und so mit den Kosten für den Klimaschutz vergleichbar werden.
Die Kosteneinsparungen durch verringerte Schäden an Gesundheit und Ökosystemen überkompensieren die direkten wirtschaftlichen Kosten eines Ausstiegs aus der Kohleverstromung deutlich. Im Jahr 2050 errechneten die Forscher eine Nettoersparnis von etwa 1,5 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung – das sind 370 Dollar für jeden Menschen auf der Erde. Dieser Effekt stellt sich schon mittelfristig ein. Insbesondere in Indien und China könnte der Großteil dieser Vorteile bereits 2030 spürbar werden.
China und Indien decken einen Großteil ihrer Energienachfrage mit Kohle, beide leiden unter massiver Luftverschmutzung, die durch die hohe Bevölkerungsdichte noch verstärkt wird. Auch das hohe Bevölkerungswachstum in Indien und die zunehmend gefährdete alternde Bevölkerung Chinas spielen hier hinein. Genau wegen dieser Faktoren würden die Menschen hier die positiven Auswirkungen eines Kohleausstiegs fast unmittelbar in ihrem täglichen Leben spüren, so die Forscher. „Das hat sehr bedeutende politische Auswirkungen: Für die Bürgerinnen und Bürger einer indischen oder chinesischen Millionenmetropole macht es einen großen Unterschied, welche Luft sie atmen, und für die Bauern, wie intakt die Ökosysteme sind. Diese Vorteile sind direkt und vor Ort spürbar“, sagt Sebastian Rauner. „Es gibt also einen doppelten Anreiz für die politischen Entscheidungsträger: Erstens ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Ausstieg aus der Kohleförderung die Unterstützung der Bevölkerung und schließlich Wahlen gewinnen kann. Zweitens: es lohnt sich für Staaten, aus der Kohle auszusteigen, auch wenn Nachbarländer das nicht tun..“