Zeitschrift EE

 02 | 2024 Energieinnovationen in Quartieren

act4.energy Innovationen für die Energiewende

Das Innovationslabor act4.energy ist eine Innovationsinitiative im Südburgenland, die experimentelle Umgebungen errichtet und betreibt und damit die Rahmenbedingungen für Innovationen schafft. Es ermöglicht und begleitet Forschungs- und Innovationsprojekte bei der Entwicklung und Erprobung von neuen Produkten, Lösungen und Dienstleistungen zur Verbesserung der Nutzung von Erneuerbaren Energien. Themenschwerpunkte sind dabei die PV-Strom-Eigenverbrauchsoptimierung, die Sektorenkopplung von Strom, Wärme und Verkehr sowie die Forcierung von E–Mobilität.

In der Innovationslaborregion, das sind 10 Gemeinden von Oberwart bis Stegersbach im Südburgenland, werden dezentrale, energiegemeinschaftliche Lösungen erprobt und realisiert, die Energiestabilität auf Basis erneuerbarer Energien schaffen und in ganz Österreich und auch europaweit adaptiert und dupliziert werden können. Dabei ist die Vision ein dezentrales, zu 100 Prozent erneuerbares Energiesystem, das Strom, Wärme/Kälte, Mobilität und Industrieprozesse umfasst. Teil dieser Vision ist auch die Errichtung von Energiegemeinschaften, die es jedem Bürger, jeder Bürgerin ermöglichen, Teil der Energiewende zu sein.

Das Kompetenzzentrum solar.one in Stegersbach ist der Standort des Innovationslabors act4. energy. Das Innovationslabor ist Mitglied einer von 19 Energiegemeinschaften im Burgenland. Foto: solar.one IMMO GmbH & Co KG

Forschungsprojekte zur Erprobung neuer Lösungen

Der Umbau unseres Energiesystems ist in einem Gesamtkontext zu denken: Strom, Wärme, Kälte, Mobilität, Industrieprozesse – das alles soll in Zukunft aus klimaneutralen, umweltschonenden, erneuerbaren Energieträgern gespeist werden und dabei über möglichst dezentrale, gegenüber zentralen Fehlerquellen weitgehend immune Verteilnetze versorgt und über vorwiegend digitale Geschäftsmodelle vermarktet werden.

Die wesentlichen Herausforderungen („act4.energy Challenges“), die im Innovationslabor act4.energy auf dem Weg zu einem auf erneuerbaren Energieträgern basierenden, regionalen Energiesystem bearbeitet werden sind dabei folgende:

  • Volatilität, das heißt Schwankungen in der Verfügbarkeit erneuerbarer Energieträger
  • Dezentralisierung von Versorgung und Verbrauch
  • Ganzheitlichkeit über Sektoren, Branchen und Länder hinweg
  • Benutzerfreundlichkeit für Konsument*innen, Erzeuger*innen und Dienstleister*innen
  • Wirtschaftlichkeit für Konsument*innen, Erzeuger*innen und Unternehmen
  • Zuverlässigkeit in Versorgung und Betrieb

Seit Beginn der Arbeit bei act4.energy wurden bereits 19 F&E – Projekte in sieben verschiedenen nationalen und europäischen Programmen durchgeführt, in denen wertvolle neue Erkenntnisse in den Bereichen Nutzung- und Aggregierung von Flexibilitäten, bei nachhaltigen Mobilitätslösungen, innovativen Batterie- und thermischen Speicherlösungen sowie Sektorkopplungsansätzen, entwickelt und demonstriert wurden.

Aber auch sozialwissenschaftliche Fragestellungen, wie Menschen für die Energiewende erreicht und motiviert werden können, und welche Kommunikationsstrategien und -tools dabei hilfreich sind, wurden in diesen Projekten bearbeitet und erprobt. Basierend auf diesen Erfahrungen konnte im Burgenland bereits zwei Jahre nach dem Start ein 100-prozentiges Roll-out von Energiegemeinschaften erreicht werden, sodass im Burgenland jeder Bürger, jede Bürgerin einer Energiegemeinschaft beitreten kann und damit eine Flächendeckung von 100 Prozent erreicht ist. Als Partner für das Roll-out der Energiegemeinschaften konnte die Raiffeisen-Landesbank Burgenland gewonnen werden, die neben der digitalen Plattform 7Energy im Rahmen der „Raiffeisen-Nachhaltigkeitsinitiative“ die niederschwellige Organisation der Energiegemeinschaften und Kundenbetreuung vor Ort übernimmt.

Hundert Prozent Abdeckung durch Erneuerbare Energiegemeinschaften im Burgenland. Quelle: team4.energy

Erfolgsfaktoren für Energiegemeinschaften

Im Burgenland sind 19 Energiegemeinschaften mit 3 500 Zählpunkten aktiv, die 1048 Stromproduzenten und 2445 Stromkunden umfassen. Die Mitgliedszahlen der Energiegemeinschaften liegen dabei zwischen 50 und 250 Mitgliedern. Der Strombedarf aller Mitglieder beträgt pro Monat etwa 1,3 Millionen kWh, die erzeugte Strommenge beträgt etwa 361 000 kWh.

In weiterer Folge wird nach dem Roll-out im Burgenland das Angebot auch auf die Steiermark, Kärnten, Oberösterreich und Niederösterreich ausgeweitet.

In einer zweiten Phase sollen die Daten der Energiegemeinschaften in Hinblick auf Energieverbrauchsund Erzeugungsprofile über die digitale Plattform analysiert werden, um maßgeschneiderte Empfehlungen für die Energiegemeinschaften abgeben zu können. Weiters soll auch E-Mobilität integriert werden.

Ein Erfolgsfaktor für die Organisation der Energiegemeinschaften im Burgenland ist die Verwendung einer digitalen Plattform für den niederschwelligen Zugang, die einfache Organisation und digitale Abrechnung über ein professionelles digitales Tool. Die digitale Plattform zielt dabei auf größere Energiegemeinschaften ab, um die Kosten für die Organisation gering zu halten. Die digitale Plattform 7Energy gewann 2022 den 1. Preis des von WKO & Austrian Blockchain Center ausgelobten Blockchain Award in der Kategorie „Non-Profit“.

Weiters sind Energiegemeinschaften mit ihrer gemeinschaftlichen Organisationsform als Verein oder Genossenschaft ein ideales Vehikel, um gemeinschaftliche Investitionen in Bezug auf den Ausbau von erneuerbaren Energieprojekten zu tätigen, die Einzelpersonen nicht tätigen könnten. Aufgrund ihrer Rechtsform sowie des Vereinsstatuts sind sie sofort handlungsfähig und tragen außerdem zur regionalen Wertschöpfung bei.

Erneuerbare Infrastruktur in der Innovationslaborregion

Die Energiewende ist im Wesentlichen ein Infrastrukturprojekt, daher ist eine der zentralen Aufgaben des Innovationslabors act4.energy, in der Region beispielhaft Erneuerbare-Energien-Infrastruktur zu errichten und zu betreiben. Dazu gehört die Installation von PV–Anlagen, Ladeinfrastruktur, aber auch Speichersystemen. Das Kompetenzzentrum solar.one, der Standort des Innovationslabors, ist ein Beispiel dafür. Hier wurden nicht nur modernste Systeme zur Nutzung von Erneuerbaren Energien verbaut – unter anderem fassadenintegrierte PV, eine Schnellladestation und eine moderne Baukernaktivierung – das Gebäude ist auch für Besucher*innen geöffnet, die sich vor Ort informieren und Energiewende so auch „begreifen“ können. Auch die Gemeinde Ollersdorf im Burgenland dient als Umsetzungsbeispiel. So wurden hier in den letzten rund 10 Jahren eine Reihe von Bürger*innenbeteilungsprojekten für die Errichtung von PV–Anlagen umgesetzt (eine PV-Gemeindeanlage, 4 Unternehmensanlagen und 12 Privatanlagen) und rund um das Gemeindeamt, das einen Batteriespeicher zur Blackout- Vorsorge hat, auch ein innovatives PV–Carport mit öffentlichen Ladepunkten errichtet.

Photovoltaik Bürger*innenbeteiligungsprojekt Sonnenkraftwerk Ollersdorf. Quelle: act4.energy

Sonnenkraftwerk Ollersdorf

Interessierte Bürgerinnen, Unternehmer, Organisationen oder Vereine stellen ihre Dachflächen für das Vorhaben zur Verfügung. Der PhotovoltaikEigenstromverbrauch bestimmt den Zeitpunkt, zu welchem die Photovoltaik-Anlage in das Eigentum (längstens 12,5 Jahre) des Dachflächen-Besitzers übergeht. Je mehr Photovoltaik-Strom genutzt wird, umso früher erfolgt der Besitz-Übergang. Das für das Beteiligungsmodell erforderliche Kapital wird durch die Interessent*innen aufgebracht. Die Rückführung des Kapitals der beteiligten Bürger*innen erfolgt einerseits über die Einsparung beim Strombezug aus dem Netz sowie durch die Überschussstrom-Vergütung. Das Modell wurde so konzipiert, dass der zukünftige Anlagen-Besitzer jederzeit einen Stromspeicher, Komponenten zur Warmwasserbereitung und E-Ladeinfrastruktur nachrüsten kann.

Forschung und Innovation sind jedoch nur ein Teil des Weges. Die Energiewende erfordert auch, dass wir alle unser Verhalten beim Verbrauch von Ressourcen überdenken und die Möglichkeiten, die jeder und jedem als Beitrag für den Klimaschutz zur Verfügung stehen auch zu nutzen. Das Innovationslabor bietet dabei allen die Möglichkeit, an verschiedenen Innovationsprojekten teilzunehmen und so auch auf diesem Weg, Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen, einen Beitrag zu einem nachhaltigen, ökologisch verantwortungsvollen Energiesystem zu leisten.

Danksagung

Das Innovationslabor act4.energy wird im Rahmen des Programms „Stadt der Zukunft“ gefördert. Stadt der Zukunft ist ein Forschungs – und Technologieprogramm des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und wird von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik ÖGUT abgewickelt.

Weiterführende Informationen

Innovationslabor act4.energy

team4.energy Energiegemeinschaften

7energy

Raiffeisen-Innovationsinitiative Burgenland

Autor

Dipl.-Ing. Michael Niederkofler ist Leiter des Innovationslabors act4energy. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Kommentar

"Bis 2040 will Österreich klimaneutral sein, was neben entschlossenem Handeln und innovativen Ansätzen auch das Mitwirken jeder und jedes einzelnen erfordert. Energiegemeinschaften schaffen neue Möglichkeiten für Bürger*innen aktiv an der Energiewende mitzuwirken, indem sie gemeinschaftlich Energie produzieren, verteilen und verbrauchen können. Dadurch wird Österreich nicht nur unabhängiger von fossilen Brennstoffen, auch die CO2-Emissionen werden reduziert und die regionale Wertschöpfung erlebt einen Aufschwung."

Bernd Vogl, Geschäftsführer Klima- und Energiefonds. Foto: Klima- und Energiefonds / Klaus Ranger

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