Zeitschrift EE

 02 | 2024 Energieinnovationen in Quartieren

Mustersanierung und Wärmenetztauglichkeit der Südtiroler-Siedlung in Bludenz

Richard Büchele

Foto: https://pid.volare.vorarlberg.at/o:116498/classic

Im Projekt SüdSan1 werden für zwei Gebäude der Südtiroler-Siedlung in Bludenz (Österreich) aus einer Vielzahl möglicher Sanierungsvarianten jene Varianten bestimmt, die zu den niedrigsten Gesamtkosten für die Rückzahlung der Sanierungskosten, Wartungs- und Instandhaltungskosten sowie Energiekosten führen. Aus den gewählten Lösungen werden wichtige Schlüsse für die weiteren Sanierungen und mögliche Wärmeversorgungsoptionen in der Siedlung gezogen. Eines der beiden Gebäude wird dabei mit einem klassischen Wärmedämmverbundsystem ausgestattet und das zweite Gebäude mit der CEPA-Energiefassade, einer innovativen Kombination aus außenliegender Wandheizung und Wärmedämmung, welche im Projekt detailliert simuliert wurde, und den Vorteil bietet, mit nur minimalen Eingriffen in die Wohnungen realisiert werden zu können2. Die Ergebnisse der beiden Mustergebäude wurden dann auf die Gesamtsiedlung umgelegt und untersucht, inwiefern die Gesamtsiedlung nach Ausführung verschiedener Sanierungsvarianten und Verdichtungsstufen für eine siedlungsweite Wärmeversorgung mittels Wärmenetz im Vergleich zu einer dezentralen Versorgung geeignet ist. Die gesamte Südtiroler-Siedlung umfasst 397 Wohneinheiten und vereinzelte Nicht-Wohn-Nutzungen mit insgesamt ca. 25 000 m² Nutzfläche (ca. 29 000 m² BGF) in kleinen bis mittelgroßen Mehrfamilienhäusern.

Abbildung 1: CEPA-Energiefassade als Sanierungslösung für die Südtiroler Siedlung in Bludenz (Dämmstoff Knauf Insulation). Foto: Towern3000 / Thomas Buchsteiner

Untersuchung der Wärmenetztauglichkeit

In einem ersten Schritt wurde aus den möglichen Sanierungsvarianten die Bandbreite wichtiger Parameter abgeschätzt, die die Wärmenetztauglichkeit des Siedlungsgebietes beeinflussen. Diese Parameter sind in erster Linie der spezifische Wärmebedarf je Gebäude sowie die Bebauungsdichte.

Da diese Parameter innerhalb der Siedlung variieren, wurde die Gesamtsiedlung in drei Teilbereiche aufgeteilt, in denen unterschiedliche energetische Niveaus und Verdichtungen entsprechend der Eingriffstiefe bei der Sanierung erreicht werden können.

Diese sind in Abbildung 2 dargestellt: Erhaltenswerte Gebäude – weniger Eingriffe (roter Bereich), teilweise erhaltenswerte Gebäude – etwas mehr Eingriffe (gelber Bereich), nicht erhaltenswerte Gebäude – möglicher Abriss und Neubau (blauer Bereich).

Abbildung 2: Einteilung der Südtiroler-Siedlung in unterschiedliche Bereiche zur Variation von spezifischem Wärmebedarf und Bebauungsdichte. Erhaltenswerte Gebäude – weniger Eingriffe (roter Bereich), teilweise erhaltenswerte Gebäude – etwas mehr Eingriffe (gelber Bereich), nicht erhaltenswerte Gebäude – möglicher Abriss und Neubau (blauer Bereich). Quelle Grundkarte: Land Vorarlberg – data.vorarlberg.gv.at

Aus der Analyse der beiden Mustergebäude und aus Erfahrungswerten aus Vorprojekten kann bei einer energetisch sehr guten Sanierung mit etwas mehr Eingriffen ein spezifischer Wärmebedarf in Form gelieferter Wärmeenergie von 65 kWh/m² Nutzfläche und Jahr und ein spezifischer Leistungsbedarf von 25 W/m² erzielt werden. Ausgehend von diesen Werten wurden für die Gebäude je nach Bereich entsprechende Kennzahlen angenommen, wie in Tabelle 1 dargestellt, und zusätzlich je eine Variante analysiert, in der eine energetisch etwas weniger ambitionierte aber immer noch gute Qualität der Hülle umgesetzt wird.

Tabelle 1: Spezifische Wärmebedarfs- und Leistungsbedarfs-Kennwerte der Gebäude je Bereich und Sanierungsqualität

Bezüglich der Bebauungsdichte wird davon ausgegangen, dass in den erhaltenswerten Gebäuden keine Verdichtung stattfindet. In den teilweise erhaltenswerten Gebäuden kann durch Anhebung des Kniestocks und einen dadurch möglichen Ausbau des Dachgeschosses ca. 10 Prozent zusätzlicher Wohnraum je Gebäude geschaffen werden. Für die Neubau-Gebäude wurde einerseits ebenfalls eine Verdichtung mit 10 Prozent zusätzlicher Wohnfläche und andererseits eine Verdichtung mit 50 Prozent zusätzlicher Wohnfläche untersucht.

Für die Gesamtsiedlung ergibt sich somit eine Bandbreite der zukünftigen Nutzfläche zwischen 27 000 m² und 29 500 m² und ein Wärmebedarf zwischen 1,8 GWh und 2,4 GWh mit thermischen Summenlasten zwischen 680 kW und 900 kW. Mit dieser Bandbreite für die unterschiedlichen Sanierungstiefen und Bebauungsdichten wurden verschiedene Szenarien einer siedlungsweiten Versorgung mittels Wärmenetz und unterschiedlichen Wärmeerzeugern untersucht. Dabei erfolgte einerseits eine Optimierung der Trassenführung mit Auslegung und Dimensionierung der Netzinfrastruktur und andererseits eine Investitions- und Einsatzplanung verschiedener Wärmeerzeuger mittels Thermos Tool3.

Input-Daten für die Netzberechnung

Für die Auslegung des Netzes und Optimierung der Trassenverläufe wurden als mögliche Haupt-Trassen die Straßenverläufe der Hauptstraßen aus Openstreetmap4 verwendet. Für den Anschluss der einzelnen Gebäude wurde dann jeweils die kürzeste Verbindung vom Gebäude zum möglichen Haupt-Trassennetz herangezogen. Dabei wird angenommen, dass für alle Leitungen unter den Straßen Wiederherstellungskosten für die Oberfläche (Asphaltieren) und damit erhöhte Kosten für die Leitungsverlegung entstehen, welche zwischen 600 €/Trm (DN20) und 950 €/Trm (DN80) liegen. Für die Anschlussleitungen zu den Gebäuden wird angenommen, dass diese immer unter nicht versiegelten Flächen erfolgen kann, und somit geringere Kosten von 300 €/Trm (nur DN20) anfallen. Als anzustrebende maximale Auslegetemperaturen wurden 70 °C im Vorlauf und 40 °C im Rücklauf gewählt, da durch die notwendige thermische Sanierung der Gesamtsiedlung eine Auslegung als Niedertemperatur-Wärmenetz möglich ist, und mit diesen Temperaturen weiterhin Brauchwarmwasser direkt beim Kunden bereitgestellt werden kann.

Input-Daten Erzeugung

Für die Wärmeerzeugung wurden bis dato ausschließlich Varianten für die eigenständige Versorgung der Siedlung mittels Kombinationen aus Biomasse-Heizwerk, Biomasse-KWK, Groß-Wärmepumpe sowie Tagesspeicher betrachtet. Als beispielhafte Versorgungszentrale wurde ein möglichst zentraler Punkt gewählt (siehe Abbildung 3 – oranger Punkt). Diese Varianten dienen als Referenz und stellen nicht unbedingt die anzustrebende Versorgungsvariante dar, sondern es wird empfohlen, die Siedlung durch ein übergeordnetes Netz zu versorgen. Als Bandbreite für die Kosten- und Technologiedaten für die Wärmeerzeuger wurden Werte aus dem Technologiekatalog der dänischen Energieagentur5 gewählt.

Ergebnisse

Abbildung 3 zeigt das Ergebnis der Optimierung des Trassenverlaufs und Leitungsdimensionierung im gesamten Siedlungsgebiet mit den drei Teilbereichen sowie den fiktiven Standort einer möglichen Wärmezentrale.

Abbildung 3: Südtiroler Siedlung in Bludenz mit dem mit Thermos-Tool dimensionierten Wärmenetz als Ergebnis der Wärmenetzplanung (orange Linien) sowie einer fiktiven Wärmezentrale (oranger Punkt). Quelle Grundkarte: Land Vorarlberg – data.vorarlberg.gv.at

Die Analysen zeigen, dass das gesamte Siedlungsgebiet mit einer Leitungslänge von ca. 1900 m (ca. 1100 m Verteilleitungen DN80-DN20, sowie ca. 800 m DN20 Hausanschlussleitungen) mit einem Niedertemperatur-Wärmenetz (70 °C Vorlauf / 40 °C Rücklauf) bei relativ geringen Wärmeverlusten von ca. 8-13 Prozent versorgt werden könnte. Auch bei sehr ambitionierter Sanierungstiefe ist damit eine Trassenbelegung von ca. 1000 kWh/Trm erzielbar. Aus der Netzauslegung ergeben sich mit den zu erwartenden Investitionen je nach Wärmedichte und Szenario spezifische Wärmeverteilkosten (Investition und Betrieb des Netzes mit Hausanschlüssen über 40 Jahre pro verteilter MWh) zwischen 35 und 45 EUR/MWh womit das Gebiet grundsätzlich für eine netzgebundene Wärmeversorgung geeignet ist.

Mit den bisher untersuchten Varianten der Wärmeerzeugung innerhalb der Siedlung (Kombinationen aus Biomasse-Heizwerk, Biomasse-KWK, Wärmepumpe, Tagesspeicher) können je nach Rahmenbedingung (Investitions- und Betriebskosten der Technologien, Hackschnitzelpreis, Strombezugs- und Einspeisetarife) Wärmegestehungskosten von 50 bis 85 EUR/MWh erzielt werden. Aufgrund der Unsicherheiten in den Energie- und Strompreisen ergibt sich hier eine größere Bandbreite. Die Wärmegestehungskosten liegen damit aber jedenfalls in derselben Größenordnung wie eine Versorgung mittels dezentraler Wärmepumpen und unter den derzeitigen unsicheren Rahmenbedingungen spielen vermutlich nicht-monetäre Vorteile eines Wärmenetzes die entscheidende Rolle bei der Wahl der zukünftigen Wärmeversorgung.

Dazu zählen der verringerte Platzbedarf der Übergabestationen in den Kellern, das Wegfallen der Außeneinheiten der Wärmepumpen, der geringere Wartungsaufwand gegenüber einer Vielzahl dezentraler Einheiten, sowie mögliche Kostenreduktion und Synergieeffekte gemeinsamer Grabungs- und Umbauarbeiten, die bei der Umgestaltung der Siedlung ohnehin durchgeführt werden müssen und bei einer vorausschauenden kommunalen Wärmeplanung ihre volle Wirksamkeit entfalten können.

Literatur

  1. https://www.energieinstitut.at/forschung-und-projekte/suedsan-beispielhafte-sanierung-von-2-gebaeuden-der-suedtirolersiedlung-bludenz
  2. CEPA® Energiefassade https://towern3000.at/cepa/ mit Dämmstoff von Knauf Insulation https://www.knaufinsulation.at/
  3. https://www.thermos-project.eu/home/
  4. https://www.openstreetmap.org
  5. https://ens.dk/en/our-services/projections-and-models

Weiterführende Informationen

Energieinstitut Vorarlberg Projekt SüdSan

nachhaltig wirtschaften Projekt SüdSan

Im Projekt SüdSan wurde die CEPA-Systemlösung zur seriellen Sanierung weiterentwickelt

Autor

Dipl.-Ing. Dr. Richard Büchele ist Projektleiter räumliche Energieplanung am Energieinstitut Vorarlberg Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Top of page