Zeitschrift EE

 02 | 2024 Energieinnovationen in Quartieren

Die Zukunft der Gebäudeeffizienz in Europa

Sabine Kamill

Europa steht vor einer epochalen Herausforderung: dem Übergang zu einer nachhaltigen und emissionsfreien Zukunft. Im Zentrum dieser Bestrebung stehen Gebäude, die als einer der Hauptverursacher von Energieverbrauch und CO2-Emissionen beträchtliches Potenzial für Verbesserungen bieten. Die jüngsten Entwicklungen auf EU-Ebene, insbesondere die Änderung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, markieren einen entscheidenden Schritt in Richtung eines energieeffizienten und klimaneutralen Gebäudebestands bis 20501.

Foto: Europäische Kommission

Auf dem Weg zu Nullemissionsgebäuden

Ein zentraler Aspekt dieser Richtlinie ist die Ablösung des Niedrigstenergiegebäudes durch das Nullemissionsgebäude. Letzteres darf an seinem Standort keine CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen verursachen und sollte, sofern wirtschaftlich und technisch realisierbar, in der Lage sein, auf externe Signale zu reagieren, um seinen Energieverbrauch, seine Energieerzeugung oder -speicherung anzupassen.

In den nationalen Gebäuderenovierungsplänen werden Strategien und Maßnahmen entwickelt, um den Gebäudebestand in den Nullemissionsstandard zu transformieren. Diese Pläne sollen klare Ziele, Zeitpläne, Maßnahmen und Finanzierungsmöglichkeiten für die Gebäudesanierung festlegen. Darin enthalten sind Strategien für den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen im Bereich der Wärme- und Kälteversorgung bis 2040 sowie umfassende Pläne für die thermisch-energetische Renovierung von Gebäuden.

Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen für die Wärmebereitstellung in Gebäuden wird außerdem durch das Verbot staatlicher Förderungen und Anreize für die Installation eigenständiger Heizkessel, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, ab 2025 vorangetrieben.

Ein weiteres innovatives Element ist die Einführung eines optionalen gemeinsamen Systems der Union zur Bewertung der "Intelligenzfähigkeit" von Gebäuden. Dieses System zielt darauf ab, sicherzustellen, dass Gebäude in der Lage sind, sich an die Bedürfnisse ihrer Bewohner anzupassen und gleichzeitig ihre Energieeffizienz zu optimieren. Österreich spielt seit Beginn der EU-Verhandlungen eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung des Smart Readiness Indicators durch seine aktive Beteiligung an der nationalen Testphase und an Forschungsarbeiten zur Entwicklung verbesserter Methoden2.

Stufenweise Renovierung

Die Richtlinie legt einen klaren Fahrplan für die stufenweise Renovierung des Gebäudebestands fest, mit dem Ziel, den durchschnittlichen Energieverbrauch bis 2050 erheblich zu reduzieren.

Für Nichtwohngebäude bedeutet dies, dass bis 2030 16 Prozent des Bestands saniert werden sollen, gefolgt von weiteren 10 Prozent bis 2033. Die maximalen Schwellenwerte in Bezug auf Primär- bzw. Endenergieverbrauch der zu renovierenden Gebäude werden national definiert.

Im Wohngebäudesektor ist das Ziel, den Primärenergieverbrauch bis 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um 20-22 Prozent zu reduzieren. Etwa 43 Prozent des Wohngebäudebestands werden als Gebäude mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz eingestuft. Diese Gebäude sollen prioritär für Renovierungsmaßnahmen betrachtet werden, wobei ihr Primärenergieverbrauch um 55 Prozent reduziert werden soll3.

Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz für Nichtwohngebäude und Pfade für die schrittweise Renovierung des Wohngebäudebestands (Kranzl, L. 2024, 17.-18. April - Präsentationsfolien)

Solarenergieintegration

Um das Potenzial sauberer Energiequellen voll auszuschöpfen, wird die Integration von Solarenergie in Gebäuden durch klare Vorgaben und Fristen vorangetrieben, wobei in Artikel 15a der Erneuerbaren-Energie-Richtlinie das indikative Ziel verfolgt wird, den Anteil erneuerbarer Energien beim Heizen und Kühlen von Gebäuden bis 2030 in der EU auf mindestens 49 Prozent zu erhöhen. Die Entscheidung, ob Photovoltaik-Paneele oder thermische Solaranlagen installiert werden, obliegt dem Gebäudeeigentümer bzw. der Gebäudeeigentümerin.

Sofern technisch machbar und wirtschaftlich sinnvoll, sollen in Abhängigkeit von der Gesamtnutzfläche und Gebäudeart mit Übergangsfristen zwischen 31. Dezember 2026 und 31. Dezember 2030 sowohl neue als auch bestehende öffentliche Gebäude und Nicht-Wohngebäude sowie neue Wohngebäude und an Gebäude angrenzende überdachte Parkplätze mit Solarenergieanlagen ausgestattet werden.

Ein Fahrplan mit Zielen für den Einsatz von Solarenergie in Gebäuden wird im nationalen Gebäuderenovierungsplan festzuhalten sein.

Frequently Asked Questions:

Welche Maßnahmen werden ergriffen, um den Übergang zu nachhaltigen Gebäuden zu unterstützen?

Die Umsetzung der Renovierungsziele erfordert eine Ausweitung der Investitionen in die Gebäudesanierung. Für diese Zwecke wurden bereits jetzt die Fördermittel budgetär erheblich aufgestockt und die Förderkonditionen entscheidend verbessert. Zusätzlich werden weitere Anreize wie der "one stop shop"-Ansatz in der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden als entscheidend angesehen, umfassende Beratungen vor Ort und Tools für unterschiedliche Sanierungsvarianten anzubieten. Des Weiteren werden der Ausbau der technischen Unterstützung in Form von Schulungen für den Bausektor, die Förderung von Innovationsprojekten im Bereich nachhaltiges Bauen sowie Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierungskampagnen geplant.

Wie werden die sozialen Auswirkungen berücksichtigt?

Die Bereitstellung finanzieller und technischer Unterstützung, insbesondere für schutzbedürftige Haushalte und Menschen, die von Energiearmut betroffen sind, sowie die Überwachung der sozialen Auswirkungen und die Beseitigung nichtwirtschaftlicher Hindernisse sind wichtige Schritte, um sicherzustellen, dass der Übergang zu nachhaltigen Gebäuden inklusiv und gerecht ist.

Bis wann muss das Gesetz in nationales Recht umgesetzt werden?

Bis zum 28. Mai 2026 muss die Neufassung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden in nationales Recht umgesetzt werden. Diese Umsetzung erfolgt durch die Novellierung der Baugesetze der Bundesländer, sowie gegebenenfalls durch Bundesgesetze wie beispielsweise das Energieausweisvorlagengesetz oder das Gebäude- und Wohnungsregister-Gesetz. Zusätzlich dazu sind die OIB-Richtlinien und ÖNORMEN zu aktualisieren.

Europa steht vor einer wegweisenden Ära des nachhaltigen Bauens. Die Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden legt den Grundstein für eine Zukunft, in der Gebäude nicht nur energieeffizient, sondern auch intelligent, integrativ und emissionsfrei sind.

Literatur

  1. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32024L1275&q id=1715332081678
  2. https://www.bmk.gv.at/themen/energie/publikationen/analytische-begleitung-SRI-testphase.html
  3. In Österreich gibt es derzeit 2,1 Millionen Wohngebäude; 900 000 Wohngebäude werden als jene mit der schlechtesten Energieeffizienz (Energieeffizienzklasse G) klassifiziert

Autorin

Sabine Kamill, M.Sc., LL.M., vereint Fachkenntnisse als Architektin und Juristin und agiert derzeit als Referentin im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Ihre jüngste Tätigkeit im Kabinett des ehemaligen Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, konzentrierte sich auf die Umsetzung der Agenden des Europäischen Green Deals.

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