Frischluft für die Nutzer durch Fensterlüftungselemente?
Karl Höfler
Die Mehrzahl der Wohnungen und Häuser wird immer noch mittels klassischer Fensterlüftung gelüftet, doch die Luftqualität in den Innenräumen gerät zunehmend in den Fokus der Fachleute. Gesellschaftliche Entwicklungen wie vermehrte Singlehaushalte und Berufstätigkeit aller Bewohner sind zum Teil dafür verantwortlich, dass zu wenig oder falsch gelüftet wird. Der hygienisch notwendige Frischluftbedarf zur Abführung der Schad- und Geruchsstoffe beträgt ca. 30 m³/h pro Person (CO2-Grenzwert 0,1 %, Pettenkoferzahl). Zusätzliche Belastungen durch offene Verbrennungsstätten (Kachelofen) und Emissionen von Geräten wie Computern, Druckern, Hausgeräten und Einrichtungsgegenständen sind ebenfalls zu beachten.
Die heutige energetisch optimierte Bauweise hat zwar die thermische Behaglichkeit wesentlich verbessert und die Heizkosten gesenkt, aber die Dichtigkeit der Gebäudehülle bedingt auch die Gefahr von „schlechter Luft“ durch gar nicht oder zu wenig lüften.
Reduzierung des Luftaustauschs durch neue Fenster
Durch den Einbau von "neuen" Fenstern wird der unkontrollierte Luftaustausch (Infiltration) stark reduziert. Durch die Reduzierung der Luftwechselrate von ca. 1,20 1/h auf ca. 0,20 1/h erhöht sich die relative Luftfeuchtigkeit von ca. 25 % auf 85 %, d. h. um das ca. 3-fache. Dies bedingt, dass ein auf diese neue Situation nach der Sanierung abgestimmtes Lüftungskonzept erforderlich wird. Es müssen die (Fenster)Lüftungsgewohnheiten der BewohnerInnen geändert und/oder die Installation einer mechanischen Be- und Entlüftungsanlage in Betracht gezogen werden.
Keine Änderung der Gewohnheiten nach einer Sanierung oder kein Lüftungskonzept kann in weiterer Folge zu einer niedrigen Raumluftqualität und auch zu Bauschäden führen.
Durch richtiges Lüften – kann ein behagliches Wohnklima geschaffen werden und dies bedeutet:
- Hohe bzw. exzellente Luftqualität,
- Vermeidung von Schimmelpilzbildung und Bauschäden,
- gesundes Wohnklima
- Reduktion der Heizkosten sowie
- Steigerung der Konzentration und Arbeitsleistung
Es stellt sich nun die Frage, ob diese aufgezeigten Kriterien auch vollständig oder zumindest teilweise durch manuelle oder automatische Fensterlüftungen erfüllt werden können.
Nutzerunabhängige Lüftung
Prinzipiell stehen für Wohnraumlüftungen mehrere Systeme zur Verfügung, wobei zwischen freier Lüftung und ventilatorgestützter Lüftung unterschieden wird.
Ohne Zweifel ist eine Weiterentwicklung der „freien Lüftung“ notwendig, um einen Mindestluftwechsel für den Feuchteschutz und eine zufriedenstellenden Raumluftqualität umzusetzen, denn dies können die „klassischen“ manuellen Öffnungsfunktionen (Dreh, Drehkipp etc.) nicht leisten.
Eine technische Weiterentwicklung der Fensterlüftung ist durch motorische oder technische Öffnungsmechaniken, neue Beschlagfunktionen oder dezentrale, ins Fenster integrierte Fensterlüftungselemente (sogenannte „Fensterlüfter“) möglich. Fensterlüfter eignen sich zwar auch für die Nachrüstung, werden aber im Wesentlichen beim Austausch der Fenster im Rahmen einer thermischen Gebäudesanierung eingesetzt.
In Verbindung mit einer zentralen ventilatorgetriebenen Abluftanlage dienen Fensterlüfter auch als notwendige Außenluftdurchlässe. Die Erzeugung eines Unterdruckes im Innenraum ist Voraussetzung für das Funktionieren der Fensterlüfter.
Folgende Arten von Fensterlüftern sind derzeit im Einsatz:
- Luftdurchlässe bzw. Überströmöffnungen
- Fensterbanklüfter, Aufsatzelemente,
- Fensterfalzlüfter,
- beschlagsgeregelte Lüfter,
- ventilatorbetriebene Lüftungsgeräte, mit oder ohne Wärmerückgewinnung.
Für die Planung und Auslegung von Fensterlüftern sind die Kenntnis und die zuverlässige Ermittlung der lüftungstechnischen Eigenschaften von zentraler Bedeutung.
Vergleich Lüftungskonzepte für den Wohnbau
Zur Steigerung des Wohnkomforts in Wohngebäuden ist der Einsatz hochwertiger Lüftungssysteme ein wesentlicher Bestandteil. Kosten und Energieeffizienz der bisher installierten Lüftungsanlagen zeigen aber oft noch deutliches Optimierungspotenzial. Dazu wurde in einem Forschungsprojekt während der letzten Jahre untersucht, wie zentrale Komfortlüftungen in mehrgeschossigen Wohngebäuden hinsichtlich Kosten und Stromeinsparungen optimiert werden können [3]. Das heißt, wie sie mit vereinfachter Luftverteilung, Montage, Regelung und Bedienung sowie mit einem hohen Potenzial zur Vorfertigung von Komponenten machbar wären.
Trotz dieser Optimierungen wird derzeit auch am Einsatz von "Low-tech-Lösungen", wie Fensterlüftungskonzepte mit Abluftanlagen, vor allem im mehrgeschossigen sozialen Wohnbau gearbeitet. Für Büro- und Geschäftsbauten werden weiterhin vorrangig mechanische Be- und Entlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung eingesetzt werden.
In einem weiteren Forschungsprojekt wurden zwei Lüftungssysteme für den Geschosswohnbau gegenübergestellt und gezeigt, unter welchen Bedingungen sie die Anforderungen „einfach, leistbar, energie- und ressourceneffizient für die Sanierung bzw. den Neubau von Wohngebäuden“ erfüllen können.
Folgende Lüftungssysteme wurden durch ein umfangreiches Monitoring und Befragungen miteinander verglichen:
- Belüftung durch Fenstereinbauten und –komponenten („Fensterlüfter“), ergänzt durch eine mechanische Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung
- Zentrale mechanische Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung (Stufenschaltung und CO2-Steuerung)
Das durchgeführte Monitoring zeigte, dass bezüglich der Raumtemperauren im Sommer und Winter keine wesentlichen Unterschiede erkennbar sind. Lediglich bei hohen Außentemperaturen waren geringfügig höhere Temperaturen im Rauminneren bei den Fensterlüftern erkennbar.
Ein Vergleich des Stromverbrauches zeigt deutliche Vorteile für die Abluftanlage. Die CO2-geregelte mechanische Zu- und Abluftanlage verbraucht mehr als doppelt so viel Strom wie die Abluftanlage und die über eine Stufenschaltung gesteuerte mechanische Zu- und Abluftanlage verbraucht im gleichen Zeitraum doppelt soviel Strom im Vergleich zur CO2-geregelten Anlage und fünfmal mehr als eine Abluftanlage.
Der Energieverbrauch der unterschiedlichen Lüftungssysteme bezieht sich im vorliegenden Fall auf den Lüftungsstromverbrauch während des Betriebes.
Der Vergleich der CO2-Konzentrationen zeigt zwar tendenziell geringere CO2-Konzentrationen in den Wohnungen mit Be- und Entlüftung, jedoch sind auch die Werte in den Wohnungen mit Fensterlüfter durchwegs positiv zu bewerten. Signifikante Unterschiede zwischen den beiden Lüftungssystemen konnten bei den durchgeführten Untersuchungen nicht festgestellt werden. Nachteilig wirkt sich die Tatsache aus, dass eine Filterung der Außenluft (Feinstaub, Pollen etc.) durch die Fensterlüftung derzeit jedoch kaum möglich ist.
In einem wirtschaftlichen Vergleich der Lüftungssysteme wurden die Stromkosten der mechanischen Zu- und Abluftanlage und der mechanischen Abluftanlage und Wärmepumpe betrachtet. Die Auswertung der Betriebskosten ergab, dass der Betrieb der Fensterlüfter mit mechanischer Abluftanlage eine Kostenersparnis von ca. 50 % ergibt.
Die Gegenüberstellung der mechanischen Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung mit einer Fensterlüftung und Abluftanlage ergibt Vorteile bei den Investitions- und Betriebskosten, bei geringen Einbußen der Behaglichkeit und CO2-Belastung im Raum.
Ausblick
Es wird für die Zukunft erwartet, dass trotz der derzeitigen Skepsis in Bezug auf mechanische Lüftungsanlagen in Wohnbauten deren Verwendung weiter ansteigen wird. Gründe dafür liegen nicht nur in der Dichtheit der Fenster nach einer Modernisierung und den daraus resultierenden Problemen mit Feuchtigkeit in Innenräumen, sondern auch in gesteigerten Komfortansprüchen der WohnungsbesitzerInnen und -mieterInnen. Wegen der gesetzlich geforderten Reduzierung des baulichen Energieverbrauchs bedingt dies oft eine effiziente Lüftung mit Wärmerückgewinnung, sodass der nutzerunabhängigen Lüftung in der Zukunft ein erhöhter Stellenwert zukommen wird.
Dabei werden nicht nur zentrale Be- und Entlüftungen zum Einsatz kommen, sondern kleine dezentrale Geräte, welche nur einige Räume mit Frischluft versorgen. Ebenso werden zukünftig vermehrt Fenster mit gesteuerten Zuluftmöglichkeiten oder Wandöffnungen in Verbindung mit einer zentralen Abluftanlage und Wärmepumpe eingesetzt werden. Es zeigte sich, dass die Einbußen bezüglich Luftqualität oder Behaglichkeit sehr gering sind, die Kosten für Investition und Betrieb jedoch bedeutend niedriger.
Weiterführende Informationen
Berechnung des Primärenergiebedarfs einer Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung im Vergleich zu einer bedarfsgeführten (feuchtegeführten) Abluftanlage; Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP-Bericht RKB-12-2008
e80^3-Gebäude - Sanierungskonzepte zum Plus-Energiehaus mit vorgefertigten aktiven Dach- und Fassadenelementen, integrierter Haustechnik und Netzintegration, K. Höfler, D. Venus, W. Wagner, M. Spörk-Dür, A. Passer, BMVIT 2015
Schlussbericht: Reales Lüftungsverhalten in Wohnungen mit unterschiedlichen Lüftungssystemen, Stadt Zürich - Amt für Hochbauten, 06/2012
Personenbeschreibung des Autors
Dipl.-Ing. Dr. Karl Höfler ist Leiter des Bereichs Bauen und Sanieren bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!