Gutes Abschneiden von vorgefertigten Fassaden in der Sanierung von Schulen
Anna Maria Fulterer und Karl Höfler
In ganz Europa erfordern neue Erkenntnisse in der Bau- und Gebäudetechnik und zeitgemäße Bildungsstandards Anpassungen in unseren Schulgebäuden. Viele dieser Gebäude wurden in den 1960er bis hin zu den 1980er Jahren errichtet und haben einen großen Modernisierungsbedarf in Hinblick auf soziale, ökologische, energetische und ökonomische Aspekte. In dem vom Zukunftsfonds Steiermark geförderten Projekt „RESPIRE- Retrofitting School buildings - Planning with Stakeholder Engagement“ wurden von den Instituten FH Joanneum (Projektleader), Joanneum Research und AEE INTEC unter Partizipation der NutzerInnen am Beispiel eines prototypischen Schulgebäudes ein Sanierungskonzept erstellt sowie Werkzeuge entwickelt, die Schulerhaltern und PlanerInnen als Entscheidungsgrundlage für Sanierungsvorhaben dienen können. Neben der erforderlichen Umstrukturierung der Innenräume waren insbesondere unterschiedliche und optimierte Fassadenlösungen von Bedeutung.
Bautechnische Untersuchungen am „Prototyp“
Als prototypisches Schulgebäude wurde in einem Auswahlprozess die Volksschule "Am Jägergrund" in Graz ausgewählt, welche 1975, wie viele ähnliche Schulgebäude, in Stahlbetonskelettbauweise errichtet wurde. Im konkreten Fall wurden im Bestand an den Nord-Süd Fassaden Betonsandwichplatten als Fassadenbekleidung verwendet, während an den Ost-West Fassaden durchlaufende Fensterbänder und im Brüstungsbereich Leichtbau-Elemente mit dazwischenliegendem Dämmmaterial vorhanden sind. Durch bauphysikalische IST-Zustandsmessungen wurde erheblicher Sanierungsbedarf hinsichtlich des sommerlichen Raumklimas, des Schallschutzes und der Akustik, sowie der Belichtung festgestellt.
Die bautechnischen Untersuchungen waren Grundlage für die Erarbeitung einer Checkliste, die aufbauend auf der Struktur der Bauprodukten-Verordnung und in Anlehnung an die OIB (Österreichisches Institut für Bautechnik)- Richtlinien 1-6 und die ÖISS (Österreichisches Institut für Schul- und Sportstättenbau)-Richtlinien erarbeitet wurde. Mit dieser Checkliste wurden für das Prototyp-Schulgebäude mehrere Sanierungsvarianten ausgearbeitet. Zusätzlich wurde ein „Scoring“(Bewertungs)-Werkzeug entwickelt, um die am besten geeignete Sanierungsvariante auszuwählen, wobei die Auswirkungen auf Kosten, Ökologie, Bauablauf und Soziales gewichtet bewertet wurden.
Anforderungen in der Fassadensanierung
Für Schulgebäude gelten spezifische Anforderungen, welche in den einschlägigen Regelwerken, Normen und in der ÖISS Richtlinie festgelegt sind. Der Fassade kommen dabei wichtige Aufgaben zu, wie sommerlicher und winterlicher Wärmeschutz, Schallschutz und Belichtung, sowie allgemein der Schutz der Innenräume vor negativen Einflüssen durch das Außenklima.
Folgende Auswahlkriterien wurden betrachtet und bewertet:
- In die Fassade integrierte Lüftungsgeräte für eine optimale Innenraumluftqualität, falls eine Fensterlüftung nicht gewünscht bzw. möglich und der Platzbedarf für ein zentrales Lüftungssystem nicht vorhanden ist
- Weitgehend wärmebrückenfreie Detailentwicklung vermeidet Kondensation in den Bauteilen.
- Effektive, automatisierte Sonnenschutzeinrichtung schützt vor Überwärmung in den Klassenzimmern.
- Durch Lichtlenkung im Fensterbereich kann die Tageslichtverteilung in den Klassenräumen optimiert werden.
- Um den Bedarf an künstlicher Beleuchtung zu reduzieren, soll auf die Trennung zwischen Sonnen- und Blendschutz geachtet werden.
- Wärmeschutzverglasung reduziert Wärmeverluste durch die Fenster.
Darüber hinaus kann die Fassade direkt zur Energieerzeugung vor Ort beitragen sowie die ökologischen Aspekte einer Sanierung beeinflussen:
- Mit Hilfe von PV-Modulen und solarthermischen Anlagen in der Fassade kann vor Ort Energie erzeugt werden. Die Fassadenflächen werden dadurch mehrfach genutzt. Die sichtbare Erzeugung von erneuerbarer Energie an einer Schule trägt dazu bei, der Energiefrage in einer Gesellschaft einen wichtigen Stellenwert zu geben.
- Einsatz von ökologischen, schadstofffreien Baumaterialien sowie die Recyclingfähigkeit und Trennbarkeit von Baustoffen sorgen für eine Verbesserung der Lebenszyklusbilanz.
- Vorfertigung und modulare Bauweise für Fassadensanierungen tragen durch die Möglichkeit einer sortenreinen Trennung nach der Nutzungszeit ebenfalls zur Ökologie bei.
Abbildung: Deckenknoten bei den drei Varianten. Quelle: FH JOANNEUM
Entwicklung Sanierungs- und Modernisierungskonzept
Für den betrachteten Schulgebäudetyp wurden drei Fassadenvarianten näher betrachtet und diskutiert.
- Variante 1: Wärmedämmverbundsystem (WDVS) in Modulbauweise
- Variante 2: konventionelle vorgehängte hinterlüftete Fassade
- Variante 3: vorgefertigte modulare hinterlüftete Fassade
Variante 1: Wärmedämmverbundsystem in Modulbauweise (V01)
Der Brüstungsbereich wird mit Ziegeln ausgefacht. An der bestehenden Fassade werden Metallschienen aus Aluminium montiert, in die vorgefertigte Fassadenmodule mit einem Dämmkern aus expandiertem Polystyrol (EPS) eingehängt werden. Vorteile im Vergleich zum herkömmlichen WDVS sind die Vorfertigung der Module und die Demontierbarkeit für Reparatur und Recycling.
Variante 2: Vorgehängte hinterlüftete Fassade (V02)
Im Brüstungsbereich wird ein neuer Betonfertigteil als Rohbaukonstruktion montiert. Darauf, sowie auf den bereits existierenden Betonfertigteilen im Sturzbereich, wird die vorgehängte hinterlüftete Fassade montiert. Die Unterkonstruktion wird als Standard-Aluminium-Konstruktion mit Wandwinkelstützen und Tragprofilen ausgeführt. Darauf wird eine Fassadenplatte aus Faserzement befestigt. Als Wärmedämmmaterial ist Steinwolle vorgesehen. Vorgehängte hinterlüftete Fassaden gelten als bauphysikalisch zuverlässige Konstruktionen mit besonders gutem Kondensations- und Schlagregenschutz. Zusätzlich weisen harte Fassadenbekleidungen eine deutlich längere Nutzungszeit auf bzw. sind leichter reparaturfähig. Die Fassadenplatten werden in vielen Farben und auch als glatte oder strukturierte Oberfläche angeboten.
Variante 3: Vorgehängte hinterlüftete Fassade - Vorfertigung (V03)
Die Tragkonstruktion der Module besteht hauptsächlich aus Holz, diese werden im Werk vorgefertigt und vor Ort am Gebäude montiert. In die Module können aktive Komponenten wie PV-Module oder Solarthermie-Kollektoren integriert werden, ebenso wie Haustechnikkomponenten, z. B. Lüftungselemente, Warmwasser- und Heizungsrohre.
Zunächst muss der Zustand der vorhandenen Tragkonstruktion und ihre Tragfähigkeit sehr genau beurteilt werden. Schulgebäude aus Fertigteilen haben meist eine regelmäßige Fassadentypologie. Somit ist eine wirtschaftliche thermische Sanierung mit großflächigen Modulen sehr gut möglich.
(siehe auch wiederkehrende architektonische Elemente im Titelbild).
Vorfertigung bedarf einer längeren Planungsphase, jedoch ist eine sehr rasche Umsetzung Vorort möglich und für eine hohe Wirtschaftlichkeit gewünscht. Vorweg muss das Gebäude mit Lasertechnik digital in 3D vermessen werden. Somit werden die Unebenheiten und Toleranzen des Bestandes erfasst und dienen als Grundlage für die weitere Werkplanung. Nach der digitalen Vermessung erfolgt die Fertigung der Fassadenmodule im Holzbauunternehmen. Diese bestehen aus einer Holzriegelkonstruktion mit Dämmstoffausfachung und einer hinterlüfteten Fassadenbekleidung. Grundsätzlich können bei vorgefertigten hinterlüfteten Fassaden viele verschiedene Arten von Fassadenplatten und Dämmmaterialien gewählt werden. Die Art der Dämmung und Fassadenbekleidung wirken sich jedoch auf Kosten und Ökologie aus. Fensterkonstruktionen und Sonnenschutzeinrichtungen etc. sind bei vorgefertigten Fassadenmodulen bereits integriert.
Der große Vorteil bei thermischen Schulsanierungen mit vorgefertigten Modulen ist die Bauzeit. Um den Schulbetrieb möglichst wenig zu stören, muss sich in der Regel der Umbau auf die Ferienzeit beschränken.
Bewertung der Fassaden-Sanierungskonzepte
Mit dem im Projekt entwickelten Scoring-Werkzeug wurden die drei Sanierungsvarianten für die Fassade bewertet, und es zeigte sich, dass Variante 3 die zuvor definierten Anforderungen auch unter Berücksichtigung der Kosten am besten erfüllt. Die im Werk vorgefertigte hinterlüftete Holzfassade punktet deutlich mit der Bewertung für den raschen Bauablauf, den niedrigen Lebenszykluskosten, sowie durch ökologische Aspekte. Nachteile zeigen sich in den Kosten für die Herstellung, welche jedoch bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise ausgeglichen werden.
Fazit und Ausblick
In dieser Forschung zu nachhaltigen Schulsanierungen wurde mittels Checklisten für Bestandserhebungen, Bewertungskriterien für Sanierungsvarianten und Kostenvergleichen ein wertvoller Beitrag für Eigentümerinnen und Nutzerinnen geschaffen, welcher eine Hilfestellung für zukünftige optimale Sanierungen und Modernisierungen bietet.
Weiterführende Links
http://www.vs-jaegergrund.at/Projekt/15%2016/RESPIRE/RESPIRE.htm
http://www.aee-intec.at/index.php?seitenId=11&publikationenId=316
https://www.oib.or.at/de/oib-richtlinien
https://www.oib.or.at/sites/default/files/bpv.pdf (Bauproduktenverordnung)
Autorenbeschreibung
Dipl.-Ing. Dr. Anna Maria Fulterer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dipl.-Ing. Dr. Karl Höfler ist Leiter des Bereichs Bauen und Sanieren bei AEE INTEC. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!