Abbildung komplexer lichttechnischer und thermischer Vorgänge in Gebäuden
David Geisler-Moroder, Oliver Ebert, Bert Junghans, Matthias Werner
Mit DALEC (Day- and Artificial Light with Energy Calculation) wurde ein Online-Konzeptanalysetool entwickelt, das trotz einfacher Handhabung und kurzen Berechnungszeiten die komplexen lichttechnischen und thermischen Vorgänge in Gebäuden abbildet. Heiz-, Kühl- und Kunstlichtbedarf werden anschaulich bewertet, visuelle und thermische Komfortkriterien werden analysiert. Auch das Nutzerverhalten – wie etwa bei der Aktivierung des Blendschutzes – wird berücksichtigt. Diese neuartige, gesamtheitliche Betrachtung unterstützt Architekten, Bauingenieure, Lichtplaner und Bauherrn bei der Planung nachhaltiger und energieeffizienter Gebäude in der frühen Entwurfsphase von Neubau und Sanierung.
Abbildung: DALEC ermöglicht eine schnelle Analyse der lichttechnischen, thermischen und energetischen Auswirkungen der Fassadengestaltung in der frühen Konzeptphase. Das Online-Tool wurde im Rahmen eines kooperativen Forschungsprojekts von Bartenbach, Zumtobel Lighting und der Universität Innsbruck entwickelt und ist unter www.dalec.net und www.zumtobel.com/dalec frei zugänglich.
Ausgangslage
Die Information über den zu erwartenden Energiebedarf eines Gebäudes ist aus ökonomischer Sicht von großer Relevanz – noch bevor der Bau startet. Der visuelle und thermische Komfort für die späteren Nutzer muss ebenfalls von Beginn an sichergestellt werden. Ansonsten wirken sich durch Unbehagen ausgelöste Interventionen wiederum direkt auf die Energiebilanz aus. Die transparente Fassade übernimmt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. Sie bestimmt gleichzeitig den solaren Eintrag in das Gebäude und die Tagesbelichtung der angrenzenden Räume. Ergänzend zur Tageslichtversorgung muss Kunstlicht zugeschaltet werden, wodurch zusätzlicher Strombedarf und damit interne Lasten erzeugt werden. Sowohl die solaren Einträge als auch die interne Last durch Kunstlicht beeinflussen direkt den Heiz- und Kühlbedarf im Gebäude. Die Abbildung der lichttechnischen und thermischen Vorgänge in einer Simulation ist jeweils einzeln betrachtet schon eine Herausforderung, die kombinierte Berechnung in einem einfachen Konzeptanalysetool für Fassaden- und Kunstlichtlösungen war bis dato in dieser Form nicht möglich
Funktionsweise
Im Wesentlichen setzt sich DALEC aus fünf Modulen zusammen. Die Abbildung zeigt schematisch die Zusammenhänge zwischen den Modulen.
Im Modul „Standort & Klima“ werden die notwendigen Inputdaten für die Simulation bereitgestellt. Der User kann Geometrie und thermische Eigenschaften des zu evaluierenden Raums festlegen und die Fassaden- und Kunstlichtspezifikation definieren. Dazu sind produktneutral typische Systeme hinterlegt. Aus einer Datenbank kann aus Testreferenzjahren für über 3000 Standorte weltweit gewählt und so das lokale Klima am Standort des Gebäudes berücksichtigt werden.
Das „Tageslichtmodul“ berechnet basierend auf den im Klimadatensatz hinterlegten, typischen Außenbedingungen den stündlichen Tageslichteintrag in den Raum über das gesamte Jahr. Dabei können auch komplexe Fassadensysteme über ihre BSDF berücksichtigt werden (die BSDF entspricht einer Übertragungsfunktion der Lichtverteilung vom Außenraum in den Innenraum). Um diese – üblicherweise sehr zeitaufwändigen – Berechnungen in kurzer Zeit durchführen zu können, wurden vorab Faktoren für typische Raumgeometrien simuliert und in einer Datenbank abgelegt.
Basierend auf dem Ergebnis der Tageslichtberechnung berechnet das „Kunstlichtmodul“ den notwendigen stündlichen Kunstlichtbedarf zur Erfüllung der lichttechnischen Vorgaben. Dabei können zwei Leuchtengruppen individuell angesteuert werden. Ähnlich wie das Tageslichtmodul arbeitet auch das Kunstlichtmodul mit vorberechneten und hinterlegten Faktoren, um kurze Simulationszeiten zu ermöglichen.
Die solaren Einträge durch das Fassadensystem, welche winkelabhängig berücksichtigt werden, die interne Last durch das Kunstlicht und die Randbedingungen aus Gebäudedesign und Klimadaten sind Input für das „Thermische Modul“. Hier wird das Gebäude als Widerstand-Kapazität-Modell abgebildet und mit dem Stundenverfahren aus der ISO 13790 werden die resultierenden Bedarfe für Heizung und Kühlung ermittelt.
Das Modul „Nutzer & Steuerung“ dient als Schaltzentrale und verknüpft die Ein- und Ausgaben der einzelnen Berechnungsmodule. Hier werden auch Steuerungsszenarien (z. B. Steuerung für Lamellensysteme oder Schalt-/Dimmzustände für Kunstlicht) und die Vorgaben an einzuhaltende Grenzwerte (z. B. Leuchtdichtebegrenzung zur Blendungsvermeidung oder Akzeptanzbereich für Innenraumtemperatur) definiert.
Als Ergebnis stellt DALEC summarische Jahreswerte für Tageslichtautonomie, Leuchtdichteüberschreitung, Überhitzungshäufigkeit sowie Monats- und Jahreswerte für die Energiebedarfe für Heizung, Kühlung und Beleuchtung dar. Zusätzlich werden alle berechneten Ergebnisse auch stündlich über das gesamte Jahr zur Verfügung gestellt. Die folgende Abbildung zeigt eine exemplarische Ausgabe des monatlichen Energiebedarfs sowie des Tageslichteintrags im Jahresverlauf.
Ausblick
Das Tool wird derzeit von den Kooperationspartnern Bartenbach, Zumtobel und Universität Innsbruck weiterentwickelt. Im nächsten Schritt werden zusätzliche Raumstrukturen sowie deren Kombination zu einem Gesamtgebäude ermöglicht. Außerdem wird die Bewertung des Gebäudekonzepts um zusätzliche lichttechnische und thermische Komfortgrößen erweitert. Bartenbach wird das Tool auch in IEA SHC Task 56 - Building Integrated Solar Envelope Systems einbringen.
Auszeichnung
DALEC wurde mit dem eAward 2017 in der Kategorie „Industrie und Gewerbe“ ausgezeichnet. Der eAward ist einer der größten IT-Wirtschaftspreise in Österreich und zeichnet wirtschaftliche, kundenfreundliche und innovative IT-Projekte aus.
Statement
„Tageslichtsteuerung ist im tertiären Sektor in Hinblick auf die Verschattung State of the Art: vorgefertigte Fassadenelemente sind für gewöhnlich mit integrierten Verschattungselementen ausgerüstet. Die weitere Nutzung dieser Elemente zur Lichtführung und Steigerung des visuellen Komforts ist andererseits noch immer ein offenes Thema. Der Entwurf und die Anwendung von Lösungen für zeitabhängig optimalen Schutz vor solarer Einstrahlung und Blendungen, Optimierung von Tageslichtnutzung und Raumheizung bzw. Kühlung sowie die Minimierung von künstlichem Licht werden durch Simulationstools, wie sie im Projekt DALEC entwickelt wurden, wesentlich unterstützt.“
-- Roberto Fedrizzi, Forschungsgruppenleiter Eurac Research, Bozen
Weiterführende Informationen
www.dalec.net
www.zumtobel.com/dalec
dx.doi.org/10.1080/19401493.2016.1259352
Personenbeschreibung Autoren
Dr. David Geisler-Moroder ist Leiter Kompetenzfeld Tageslicht und Projektleiter in der Abteilung Research & Development bei Bartenbach. Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Dipl.-Ing. (FH) MA Oliver Ebert ist Lighting Consultant Architecture im Atelier of Light bei Zumtobel
Dipl.-Ing. (TU) Bert Junghans ist Head of Lighting Solutions & Concepts im Atelier of Light bei Zumtobel
Dipl.-Ing. (FH) Matthias Werner ist wissenschaftlicher Projektmitarbeiter an der Universität Innsbruck, Institut für Konstruktion und Materialwissenschaften, Arbeitsbereich Energieeffizientes Bauen.