Zeitschrift EE

Zurück zu den Beiträgen

Solarwärme für sozialen Wohnbau und industrielle Prozesswärme entlasten das Stromnetz im südlichen Afrika

Von Werner Weiss

Im Gegensatz zu Europa haben die Länder im südlichen Afrika ein massives Elektrizitätsversorgungsproblem. Da die Reservekapazitäten der Kraftwerke zumeist völlig ausgeschöpft sind, sind regelmäßige Stromabschaltungen im gesamten SADC1-Raum seit Jahren an der Tagesordnung.

Im Gegensatz zu Europa haben die Länder im südlichen Afrika ein massives Elektrizitätsversorgungsproblem. Da die Reservekapazitäten der Kraftwerke zumeist völlig ausgeschöpft sind, sind regelmäßige Stromabschaltungen im gesamten SADC-Raum (SADC ist die “Southern African Development Community” und umfasst 15 Mitgliedsstaaten) seit Jahren an der Tagesordnung.

Ein nicht unerheblicher Teil des elektrischen Stroms wird derzeit im Haushaltssektor, in Hotels und Restaurants, Spitälern und sozialen Einrichtungen, aber auch in Gewerbe- und Industriebetrieben in Niedertemperaturwärme umgewandelt.

Unter diesen Rahmenbedingungen, gepaart mit einer hohen Sonneneinstrahlung, ergibt sich ein enormes Potenzial für thermische Solaranlagen.

Mängel im Stromsektor hemmen das Wirtschaftswachstum

Nach Angaben der Weltbank haben derzeit 25 Länder in afrikanischen Ländern südlich der Sahara massive Stromversorgungsprobleme. Die Mängel im Stromsektor hemmen langfristig das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit. Die Kosten für die permanenten Lastabschaltungen werden mit durchschnittlich 2,1% des Bruttonationalprodukts beziffert (Fact Sheet: The World Bank and Energy in Africa, http://web.worldbank.org)

Die Schlüsselprobleme im afrikanischen Stromsektor

  • Geringer Elektrifizierungsgrad und unzureichende Kraftwerksleistung - Lediglich 24% der Menschen südlich der Sahara haben Zugang zu Elektrizität. Nimmt man Südafrika aus, so beträgt die gesamte installierte Kraftwerkskapazität südlich der Sahara lediglich 28 GW. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 betrug die installierte Kraftwerksleistung in Österreich 24 GW.
  • Geringe Zuverlässigkeit – Afrikanische Unternehmen verzeichnen im Durchschnitt pro Jahr 56 Tage mit Stromausfällen. Die Folge daraus sind lt. Weltbank Verluste von 6 % der Verkaufserlöse. In Bereichen, wo keine Diesel – Back-up Generatoren eingesetzt werden, steigen die Verluste bedingt durch die Stromausfälle auf rund 20 %.
  • Hohe Kosten – Die Stromtarife in den Ländern südlich der Sahara liegen im Durchschnitt bei US$ 0,13 pro Kilowattstunde. Bedingt durch die geringe Zuverlässigkeit der Stromversorgung betreiben sehr viele Unternehmen, Hotels aber auch der öffentliche Sektor Dieselgeneratoren. Die sich aus diesem Betrieb ergebenden Stromkosten sind zwei bis dreimal so hoch.

In Südafrika lag die durchschnittliche Reservekapazität im Jahr 2015 bei -15%; entsprechend häufig waren die Stromabschaltungen (Wood Mackenzie, NERSA and Eskom). Um die Versorgungsprobleme etwas abzuschwächen, hat sich der Druck, Energieeffizienzmaßnahmen zu ergreifen, massiv erhöht.

Die Rolle der Wärme in Afrika

Wie weltweit üblich, konzentrieren sich auf politischer Ebene Energie-, aber auch Effizienzdiskussionen nahezu ausschließlich auf den Stromsektor. Damit wird übersehen, dass rund die Hälfte des weltweiten Endenergiebedarfs auf Wärme und Kälte (vorwiegend Klimatisierung) entfallen. Lediglich 20 % des Endenergiebedarfs entfallen auf Strom. Bei genauerer Betrachtung wird vor allem in den Ländern südlich der Sahara ein nicht unerheblicher Teil des Stroms für die Bereitstellung von Niedertemperaturwärme genutzt. Dies bedeutet eine Verschwendung von ohnedies rarer hochwertiger Energie.

Abbildung 1: Weltweiter Endenergieverbrauch, 2011 (322 EJ). Quelle: Paolo Frankl, IEA, Paris

Von AEE INTEC im Rahmen des Projekts SOLTRAIN in Namibia und Südafrika durchgeführte Messungen zeigen, dass im Haushaltssektor 40 – 50% des Stroms zur Warmwasserbereitung genutzt werden, sobald ein Netzanschluss besteht. D.h. mit einem breiten Umstieg auf thermische Solaranlagen zur Warmwasserbereitung könnte der Elektrizitätssektor massiv entlastet werden und darüber hinaus auch zur Reduktion der CO2-Emissionen beitragen, da der überwiegende Teil des Kraftwerksparks mit Kohle betrieben wird.

Abbildung 2: Nutzung von Wärme in verschiedenen Regionen und Sektoren weltweit. Quelle: IEA Energy Technology Perspectives 2012

Eskom, der staatlich kontrollierte Stromversorger in Südafrika, führt in seinem "Integrated Demand Side Management Program“ thermische Solaranlagen, neben anderen Technologien wie Wärmepumpen oder die Umstellung auf energieeffiziente Beleuchtung, als die wirksamste Technologie zur Reduktion des Strombedarfs an.

Solarthermiepotenziale nutzen

Um dieses Solarthermiepotenzial zu nutzen, arbeitet AEE INTEC im Rahmen des Projekts SOLTRAIN seit sechs Jahren mit Universitäten, Forschungseinrichtungen sowie mit Berufsschulen, der lokalen Solarindustrie und staatlichen Institutionen aus fünf Ländern des südlichen Afrika zusammen.

Zwischen 2009 und 2015 wurden 2150 Personen in mehr als 80 Kursen ausgebildet und das in den Kursen Gelernte wurde in 187 Demonstrationsprojekten angewendet. Die errichteten Anlagen spannen den Bogen von kleinen Thermosyphonsystemen mit 2 m² Kollektorfläche über mittelgroße Anlagen von 20 – 50 m² Kollektorfläche für Hotels, Spitäler und soziale Einrichtungen bis hin zu Anlagen für die Versorgung von gewerblichen und industriellen Prozessen mit bis zu 250 m² Kollektorfläche.

Der jährliche Solarertrag aller errichteten Anlagen beträgt 1,47 Millionen kWh. Dies entspricht einer Stromeinsparung von 1,62 Millionen kWh und der Vermeidung von 513 Tonnen CO2.

Tabelle 1: Jährlicher Solarertrag und entsprechende Stromeinsparungen sowie vermiedene CO2-Emissionen, die durch die Demonstrationsanlagen erreicht werden.

Das Projekt SOLTRAIN versteht sich als Ausbildungs- und Unterstützungsprojekt für nationale Aktivitäten und Programme in Lesotho, Mosambik, Namibia, Südafrika und Simbabwe und soll breite Markteinführungsprogramme forcieren und Märkte für neue Anwendungen öffnen. Beispielhaft werden im Folgenden zwei erfolgreiche Einsatzbereiche der Demonstrationsanlagen dargestellt.

Namibia - Solaranlagen reduzieren den Strombedarf von privaten Haushalten

Die elektrische Warmwasserbereitung ist in Namibia für 40 - 50% des Stromverbrauchs der Haushalte mit Netzanschluss verantwortlich, daher können thermische Solaranlagen wesentlichl zur Reduktion des Spitzenstrombedarfs beitragen.

Nampower, der nationale Stromversorger in Namibia, hat es sich daher zum Ziel gesetzt, 20.000 elektrische Warmwasserspeicher durch thermische Solaranlagen zu ersetzen. Um den Umstieg zu unterstützen, wird jede Solaranlage von Nampower mit einem Betrag von N$ 3.500 (EUR 250,-) gefördert.

Parallel zu diesem Beschluss von Nampower hat die namibische Regierung ein sehr ambitioniertes Wohnbauprogramm beschlossen. Bis zum Jahr 2030 sollen von der staatlichen „Namibian Housing Enterprise“ 185.000 neue leistbare Häuser gebaut werden. Diese 10.200 neuen Häuser pro Jahr sollten jedoch in der ursprünglichen Planung mit elektrischen Boilern ausgestattet werden und hätten damit den Ersatz von den 20.000 Elektrospeichern in zwei Jahren wieder kompensiert.

Dies war der Ansatz von SOLTRAIN mit der „Namibian Housing Enterprise“ ein Pilotprojekt zu starten. Um die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit von thermischen Solaranlagen unter Beweis zu stellen, wurden 62 Solaranlagen im Stadtteil Otjomuise der Hauptstadt Windhoek erreichtet. Einige der Anlagen wurden mit Messtechnik ausgestattet, sodass solare Erträge sowie der Haushaltsstromverbrauch gemessen werden können. Um Vergleichswerte mit Häusern ohne Solaranlage zu haben, werden in Referenzgebäuden die Stromverbräuche für die elektrische Warmwasserbereitung und den Haushaltsstrombedarf gemessen.

50 Prozent der Kosten der Solaranlagen sowie die messtechnische Begleitung werden über das SOLTRAIN Projekt finanziert, der Rest der Kosten wurde von der Wohnbaugesellschaft und den Hauseigentümern übernommen. Die Ausbildung der Installateure sowie die Qualitätskontrolle erfolgten in Kooperation von AEE INTEC und den Partnern vom Namibian Energy Institute.

Die 62 Pilotanlagen sind seit Jänner 2016 in Betrieb und werden ein Jahr lang messtechnisch begleitet. Die Ergebnisse sollen in weiterer Folge als Basis für die Ausstattung aller 185.000 Häuser mit thermischen Solaranlagen dienen.

Abbildung 3: Die Demonstrationsanlagen werden messtechnisch begleitet, um die Leistungsfähigkeit und die Stromeinsparung nachzuweisen.

Abbildung 4: Eine der 62 Solaranlagen, die im Rahmen des Demonstrationsvorhabens in Kooperation mit der Namibian Housing Enterprise errichtet wurden.Quelle: AEE INTEC

Gewerbliche- und industrielle Prozesswärme

Thermische Solaranlagen für industrielle und gewerbliche Anwendungen haben noch keine große Verbreitung in Südafrika, obwohl ein beachtlicher Wärmebedarf vor allem in der Getränke- und Lebensmittelindustrie besteht. In diesen Branchen ist das für die Prozesse und die Reinigungsverfahren notwendige Temperaturniveau unter 100°C und damit ideal für solarthermische Wärmebereitstellung.

Um auch in diesem Sektor die Leistungsfähigkeit von thermischen Solaranlagen unter Beweis zu stellen, unterstützt das Projekt SOLTRAIN die Errichtung von Demonstrationsanlagen mit der Durchführung von gezielten Design- und Planungsworkshops mit den beteiligten Unternehmen sowie durch die Planungsbegleitung, Qualitätskontrolle und die finanzielle Unterstützung bei der Errichtung der Anlagen. Damit soll umfassendes systemtechnisches Know-how aufgebaut werden.

Eine dieser industriellen Prozesswärmeanlage wurde mit Unterstützung von AEE INTEC in Kooperation mit der Universität Stellenbosch und der südafrikanischen Firma E3 Energy für die "Cape Brewing Company“ (CBC) errichtet.

CBC ist eine Brauerei in Suider-Paarl, nördlich von Kapstadt, die im Jahr 2012 den Braubetrieb aufgenommen hat. Sie produziert mit ihren 30 Beschäftigten jährlich 30.000 Hektoliter Bier. Allein im Jahr 2014 haben 45.000 Besucher die Brauerei und das angeschlossene Restaurant besucht.

Die im Rahmen des SOLTRAIN Projektes errichtete Solaranlage hat eine Kollektorfläche von 120 m², entsprechend einer thermischen Leistung von 84 kWth. Die mit der Anlage bereitgestellte Solarwärme dient zur Erwärmung des Brauwassers in einem 10.000 Liter fassenden Edelstahltank. Darüber hinaus wird das Warmwasser auch für Reinigungsprozesse genutzt. Der im Planungsprozess über Simulationen ermittelte jährliche Solarertrag wurde mit rund 106 MWh prognostiziert. Die messtechnische Erfassung der Erträge im kommenden Jahr wird nachweisen, wie gut Simulation und realer Betrieb der Anlage übereinstimmen.

Abbildung 5: 120 m² Flachkollektoren am Dach der Cape Brewing Company in in Suider-Paarl und das hydraulische Systemkonzept Quelle: E3 Energy

Eine weitere Solaranlage im Sektor Lebensmittelindustrie wurde beim Schlachthof „Chalmar Beef“ in Bapsfontain in der Nähe von Johannesburg errichtet, bei dem bis zu 400 Rinder pro Tag geschlachtet werden. Die Solaranlage mit 112 m² Kollektorfläche unterscheidet sich von der Anlage bei CBC dadurch, dass sie als Drain-back System mit zwei 5.000 Liter fassenden drucklosen Kunststoffspeichern betrieben wird.

Das solar erwärmte Wasser wird in diesem Fall nicht im Schlachthausbetrieb selbst, sondern für die Duschen der MitarbeiterInnen verwendet. Für diese Anlage wurde der jährliche Solarertrag über Simulationen mit 104 MWh ermittelt.

Abbildung 6: Eine Teil-Kollektorfläche am Dach von Chalmar Beef und das hydraulische Systemkonzept der Drain-Back-Anlage Quelle: Wally Weber, Blackdotenergy

Weitere Informationen zum Projekt und zu allen errichten Demonstrationsanlagen: www.soltrain.co.za

Das Projekt SOLTRAIN wird finanziert durch:Logos der Förderer

Autorenbeschreibung

Werner Weiss ist Geschäftsführer von AEE INTEC und Leiter des Projekts SOLTRAIN.

Top of page