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SHIP Datenbank – Best-Practice-Beispiele für solare Prozesswärme

von Wolfgang Glatzl und Christoph Brunner

Solar Heat in Industrial Processes (SHIP) ist ein Bereich mit großem Potenzial und ebenso großen Herausforderungen. Die SHIP-Datenbank mit bisher 188 Einträgen wurde von AEE INTEC und PSE AG entwickelt um die Umsetzbarkeit von SHIP-Anlagen zu demonstrieren und einen Erfahrungsaustausch zu ermöglichen. Die Datenbank kann unter ship-plants.info abgerufen werden.

Abbildung 1: Parabolrinnenkollektoren bei dem Futtermittelhersteller Aviary Food Pellet el Paisa in Mexiko. Quelle: Inventive Power

Entwicklung der SHIP Datenbank

Die SHIP-Datenbank (Solar Heat in Industrial Processes) wurde im Rahmen eines Projektes der Internationalen Forschungkooperation (IEA SHC Task 49) entwickelt um die weltweiten Umsetzungen von SHIP-Anlagen, solarthermische Anlagen für Prozesswärme oder -kälte, zu dokumentieren. In der Zeitschrift erneuerbare energie Ausgabe 2014-4 wurde die SHIP-Datenbank bereits vorgestellt und ihr Aufbau erläutert. Seitdem wurde die Anzahl der gesammelten und publizierten Anlagen von 138 auf 188 gesteigert. Es handelt sich nicht notwendigerweise um neue, sondern größtenteils um noch nicht dokumentierte Anlagen. Seit der Einrichtung nutzten 274 Personen die Datenbank, wobei sich etwa die Hälfte der BenutzerInnen registrierte um zum Beispiel Anlagen hinzuzufügen. AEE INTEC überprüft die Plausibilität der Anlagendaten anhand von Kennwerten, allerdings hängt die Exaktheit der Daten von den Angaben der BenutzerInnen ab.

Analyse der gesamten Datenmenge

Die SHIP-Datenbank dient unter anderem dazu, Best-Practice-Beispiele aufzuzeigen und die Anwendbarkeit der Technologie in der Industrie zu demonstrieren. Mit einfachen Filtern kann man die Anlagen nach Land, Kollektortyp, Industriesektor, Jahr der Inbetriebnahme, Kollektorfeldgröße, Unit Operation (Grundoperation des Prozesses) sortieren und so genauere Aussagen treffen. Im Folgenden werden zwei konkrete Fragestellungen behandelt: Zum einen die Performance der Anlagen mit dem Kennwert „spezifischer Wärmeertrag in MWh/m² Bruttokollektorfläche“ und zum anderen die gewählten Integrationspunkte bei den Anlagen.

Spezifischer Wärmeertrag

Für insgesamt 49 der 188 Anlagen liegen jährliche Wärmeertragszahlen des solaren Kollektorfelds vor. In Abbildung 2 sind die Anlagen vier Kontinenten farblich zugeordnet. Die Position im Diagramm ist abhängig vom spezifischen Wärmeertrag und dem Breitengrad. Die Fläche der Kreise ist proportional zur Bruttokollektorfläche (BKF) der Anlagen (mit einer Ausnahme wie im Abbildungstext beschrieben). Deutlich erkennbar ist der höhere spezifische Wärmeertrag pro Bruttokollektorfläche in zunehmender Nähe zum Äquator. Die europäischen Anlagen haben zumeist Wärmeerträge zwischen 0,40 und 0,60 MWh/m² Bruttokollektorfläche. Dem gegenüber stehen deutlich attraktivere Regionen mit Anlagen mit wesentlich höheren spezifischen Wärmeerträgen. Anlagen in Asien liegen mit 0,60 bis 0,90 MWh/m² Bruttokollektorfläche relativ eng aneinander, genauso die Anlagen in Afrika mit 0,85 bis 1,05 MWh/m² Bruttokollektorfläche. Anlagen in Nord- und Südamerika haben hingegen eine weite Streuung. Einmal mehr sticht hier die weltweit größte Anlage der Codelco Mine in Chile hervor. Die Anwendung von solarer Prozesswärme ist hier nicht nur aufgrund ihrer guten geografischen Positionierung vorteilhaft, sondern auch aufgrund der geringen Prozesstemperaturen von maximal 50 °C. Beides sind Gründe für den vergleichsweise hohen spezifischen Wärmeertrag.

Abbildung 2: Spezifischer Wärmeertrag für 49 Anlagen von insgesamt 188 Einträgen in der SHIP-Datenbank. Die Kreisfläche ist proportional zur Bruttokollektorfläche der Anlagen (Ausnahme: Um eine ansprechende Darstellung zu ermöglichen, wurde die größte Anlage – Codelco Mine in Chile mit 39.300 m² Bruttokollektorfläche um den Faktor 5 verkleinert dargestellt). Quelle: Auswertung von ship-plants.info, AEE INTEC

Integrationspunkte

Im Artikel von Bettina Muster in dieser Ausgabe der Zeitschrift erneuerbare energie sind Planungsrichtlinien für die Integration von solarer Prozesswärme dargestellt. Mögliche Integrationspunkte in einem industriellen Betrieb liegen auf Versorgungsebene bzw. auf Prozessebene wie z.B. Aufheizen des Prozesses, Erhitzen des Prozessmediums oder Aufheizen des Prozesswärmespeichers. In der SHIP Datenbank können Integrationspunkte der jeweiligen Anlagen ausgewählt werden. Insgesamt wurde bei 105 von 188 Anlagen der Integrationspunkt angegeben. Basierend auf diesen Angaben kann man anhand von Abbildung 3 folgende Schlüsse ziehen: Die meisten SHIP-Anlagen speisen die solare Wärme direkt in den Prozess ein (33 Anlagen) oder wärmen das Prozessmedium (das Produkt selbst oder auch Trocknungsluft) vor (24 Anlagen). In Summe speisen 62% der Anlagen auf Prozessebene ein und nutzen damit den Vorteil, dass das Kollektorfeld geringere Temperaturen zur Verfügung stellen muss und damit einen höheren Wirkungsgrad erreicht. Auf der Versorgungsebene ist die Kesselspeisewasservorwärmung ein häufiger Einspeisepunkt (18 Anlagen). Ein Anheben des Rücklaufs, so wie es oft in Fernwärme-Einspeisungen umgesetzt wird, wurde nie ausgewählt. Dafür sind folgende Erklärungen möglich: Bei hohem Direktdampfanteil ist der Kondensat-Rücklauf gering und eine Integration nicht möglich. Andererseits werden aufgrund von stärkerem Bewusstsein für Energieeffizienz-Maßnahmen Kondensat-Rücklaufleitungen isoliert, wodurch hohe Temperaturen eine Integration von solarer Prozesswärme erschweren. Im Gegensatz dazu muss Kesselspeisewasser von ungefähr 12 °C auf 100 °C vorgewärmt werden und ist somit zumindest im ersten Teil ein attraktiverer Einspeisepunkt auf der Versorgungsebene. Bei den Anlagen mit direkter Integration in die Versorgungslinie (Vorlauf) handelt es sich zumeist um konzentrierende Systeme, die Dampf erzeugen.

Abbildung 3: Integrationspunkte von 105 SHIP Anlagen. A1-A3: Integrationspunkte auf Versorgungsebene. B1-B3: Integrationspunkte auf Prozessebene. Quelle: Auswertung von ship-plants.info, AEE INTEC

Best-Practice-Beispiele

Im Folgenden sollen die SHIP-Aktivitäten in drei Ländern näher beschrieben und auf die dortigen Besonderheiten eingegangen werden.

Mexiko

Mexiko ist zur Zeit eines der aktivsten Länder im Bereich solarer Prozesswärme. Die Gründe dafür sind die gute solare Einstrahlung, der starke Lebensmittelindustrie, die zumeist gute Integrationsmöglichkeiten für solare Prozesswärme bietet, und sich verbessernde energiepolitische Rahmenbedingungen. Das Start-Up „Inventive Power“ hat in den letzten Jahren insgesamt zehn Anlagen mit einer Gesamtbruttokollektorfläche von 1.777 m² errichtet. Die geografische Verteilung der Anlagen ist in Abbildung 4 (links) ersichtlich. Auffällig ist der starke Fokus auf die Lebensmittelindustrie, und dabei vor allem auf Molkereien (sieben von zehn Anlagen) und den dortigen Pasteurisierungs-Prozess. Die Anlagen haben eine Größe zwischen 40 und 430 m² Aperturfläche. Die spezifischen Investitionskosten der Anlagen über 100 m² liegen zwischen 370 und 670 €/m² Aperturfläche, wobei eine etwaige Förderung noch nicht abgezogen wurde. Bei der Hälfte der Anlagen wurde eine 50 % Investitionskosten-Förderung genutzt, die andere Hälfte konnte auch ohne Förderung umgesetzt werden.

Abbildung 4: Solare Prozesswärme-Anlagen in Mexiko (links), Indien (Mitte) und Südafrika (rechts). SHIP-Datenbank-Einträge dargestellt im Google Maps AddIn. Quelle: ship-plants.info, AEE INTEC

Indien

Indien ist aufgrund seiner geografischen Lage und wirtschaftlichen Situation ein Land mit hohem Potenzial für solare Prozesswärme, das auch vermehrt genutzt wird. Abbildung 4 (Mitte) zeigt die Verteilung der 31 registrierten Anlagen in Indien. Der Fokus auf den Westen ist auf die dort bessere solare Einstrahlung zurückzuführen. Beliebte Sektoren sind die Lebensmittel-, Textil- und Metallverarbeitungs-Industrie. Es gibt einige indische Anbieter von SHIP-Anlagen mit verschiedenen Konzepten und Kollektortechnologien. Neben den für Mitteleuropa klassischen Flachkollektoren werden auch Parabolrinnen und vor allem Parabolschüsseln eingesetzt, bei denen das Sonnenlicht konzentriert wird um Dampf zu erzeugen. Die Industrie profitiert von staatlichen Anreizen wie Investitionsförderungen und beschleunigter steuerlicher Abschreibung.

Südafrika

Südafrika hat in den letzten Jahren einen Aufschwung im Bereich der Solarthermie erlebt. Ein großer Treiber ist hier das überlastete Stromnetz und die mögliche Entlastung durch einen Paradigmenwechel von elektrischer Warmwasseraufbereitung hin zu solarthermischen Systemen. Neben kleinen Anlagen gab es auch vermehrt Aktivitäten im Bereich der solaren Prozesswärme. In den letzten Jahren wurden neun SHIP-Anlagen mit insgesamt 2.391 m² Bruttokollektorfläche errichtet. Davon wurden bei sieben Anlagen Flachkollektoren eingesetzt. Die geografische Verteilung der Anlagen ist in Abbildung 4 (rechts) dargestellt. Das Projekt SOLTRAIN hat in Südafrika wichtige Impulse gesetzt. In dieser Ausgabe der Zeitung erneuerbare energie werden Initiativen des Projektes vorgestellt.

Schlussfolgerungen und weitere Tätigkeiten

Bei Betrachtung der drei Schwerpunktländer fällt auf, dass jeweils eine Kollektortechnologie vorherrschend ist. Während in Südafrika sieben von neun Anlagen mit Flachkollektoren errichtet wurden, wurden in Mexiko ausschließlich Parabolrinnenkollektoren installiert. In Indien sind zwar nahezu alle Kollektortypen vertreten, vierzehn von 31 Anlagen sind jedoch Dish-Systeme, bei denen Parabolschüsseln die Sonnenenergie bündeln. Erkennbar ist auch der große Einfluss einzelner Solarfirmen, die ihre Produkte erfolgreich vermarkten. Dabei ist die Kollektortechnologie nicht der primäre Entscheidungsgrund. Ein detaillierter und objektiver Vergleich zwischen den einzelnen Technologien wäre für den Endkunden ohnehin schwer möglich. Umso wichtiger ist es daher sicherzustellen, dass die Anlagen tatsächlich den für den Standort möglichen Wärmeertrag leisten. Erkennbar ist auch der große Einfluss einzelner Solarfirmen, die ihre Produkte erfolgreich vermarkten. Dabei ist die Kollektortechnologie nicht der primäre Entscheidungsgrund. Ein detaillierter und objektiver Vergleich zwischen den einzelnen Technologien wäre für den Endkunden ohnehin schwer möglich. Umso wichtiger ist es daher sicherzustellen, dass die Anlagen tatsächlich den für den Standort möglichen Wärmeertrag leisten.

Autorenbeschreibung

DI Wolfgang Glatzl ist im Bereich Industrielle Prozesse und Energiesysteme - IPE bei AEE INTEC tätig. (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

DI Christoph Brunner ist Leiter des Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme - IPE bei AEE  INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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