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Wasser für die Malediven

von Dominik Weiss

Die Malediven, ein Paradies auf Erden. Zumindest für gut betuchte Besucher oder die Besitzer der Resorts auf den Touristeninseln mag das zutreffen, für die durchschnittliche Bevölkerung eher weniger. Zwar sind auch die von Einheimischen bewohnten Inseln wunderschön, das Leben dort ist aber hart. Das Einkommen pro Familie liegt bei durchschnittlich etwa 10 US-$ pro Tag. Das Trinkwasser muss importiert werden und es gibt ein massives Müllproblem.

Abbildung 1: Generatorhaus auf der Insel Gulhi (Malediven). Quelle: Aquiva Foundation

Dicht an dicht stehen Wohn-, Verwaltungs-, Versorgungs- und Gästehäuser auf der kleinen Insel Gulhi. Auf einer Fläche von 600 x 300 Metern leben 1200 Einheimische der Malediven. Es gibt einen Hafen, eine Schule, eine Werft, eine „Müllverbrennung“, ein Generatorhaus und seit 22 Monaten eine Meerwasserentsalzung. Die Meerwasserentsalzungsanlage wurde von der Aquiva Foundation finanziert, um zum einen die Bevölkerung nachhaltig mit preiswertem und sicherem Trinkwasser zu versorgen, zum anderen um das Müllproblem durch Einwegflaschen zu mindern (Abbildung 2).

Abbildung 2: Umweltverschmutzung und „Müllverbrennung“ auf Gulhi. [Quelle: Aquiva Foundation]

Erzeugung von Trinkwasser

Die Dieselgeneratoren im Generatorhaus produzieren den elektrischen Strom und mit der neuen Anlage, in welcher Vakuum-Multi-Effekt-Membrandestillations (VMEMD)-Module von memsys zum Einsatz kommen, neuerdings auch Wasser. Der von memsys entwickelte VMEMD-Prozess nutzt die Abwärme der Motoren, welche sonst ungenutzt in die Umgebung verpuffen würde, zur hocheffizienten Erzeugung von Trinkwasser (Abbildung 3).

Abbildung 3: Vakuum-Multi-Effekt-Membrandestillations-Anlage "MDS500" von memsys B.V. (ehemals Aquaver B.V.) zur Meerwasserentsalzung auf Gulhi (Malediven). [Quelle: Aquiva Foundation]

Bei einer gewöhnlichen Destillation werden 627 kWh thermische Energie für einen Kubikmeter Wasser bei 100°C benötigt. Der neu entwickelte VMEMD-Prozess benötigt durch mehrfache Nutzung der eingebrachten Wärme nur etwa 150 kWh/m³ bei einer Temperatur zwischen 70°C und 95°C. In diesem Fall sind sechs Effekte im Einsatz. In den Effekten findet die Kondensation des ankommenden Dampfes, die Wärmeleitung über die Folie und in das Feed sowie die Verdampfung durch die hydrophobe Membran hindurch statt. Der austretende Dampf hat eine niedrigere Temperatur und einen dementsprechend niedrigeren Druck. Der Destillatausstoß des Moduls entspricht den kumulierten Kondensaten der einzelnen Effekte. Dazu kommt ein elektrischer Energiebedarf für interne Pumpen und Regelung von unter 2 kWh/m³ Destillat. Der Prozess lässt sich gut an vorgegebene Rahmenbedingungen anpassen: Erhöht man die Anzahl der Effekte wird zwar mehr Membranfläche benötigt um dieselbe Destillatausbeute zu erhalten, da die treibende Temperaturdifferenz über den einzelnen Effekt abnimmt, allerdings lässt sich dadurch der spezifische thermische Energiebedarf noch weiter senken oder anders herum mehr Trinkwasser aus der vorhandenen Abwärme gewinnen.

Aufbau eines Membrandestillationsmoduls

Ein memsys-Modul besteht aus mehreren Blöcken mit unterschiedlichen Funktionen: Die ersten Blöcke dienen in der Regel der Dampferzeugung, können bei direkter Dampfeinspeisung aber ebenso entfallen. Die mittleren Blöcke bilden die Effekte und die letzten Blöcke den Kondensator. Ein Block besteht aus zwei Deckplatten – wobei eine mit Dichtungen versehen ist – und einer ungeraden Anzahl Rahmen dazwischen. Die Rahmen unterscheiden sich in Geometrie und Funktion. In den Blöcken für einen Effekt sind Folienrahmen – in welchen die Kondensation stattfindet – und Membranrahmen, in welchen die Teilverdampfung des Feeds stattfindet, verbaut. Die verwendete Membran ist hydrophob, es kann nur Dampf aber kein flüssiges Wasser passieren. Die verschiedenen Rahmen sind in abwechselnder Reihenfolge zu Stapeln und mit den Deckplatten zu Blöcken verschweißt. Zwischen den Folien- und Membranrahmen bleibt ein dünner Spalt durch welchen das Feed geleitet wird. Das Feed nimmt auf der einen Seite die Kondensationsenthalpie von den Folien auf und gibt diese auf der anderen Seite in Form einer Teilverdampfung durch die Membran wieder ab. Die Rahmen sind so gestaltet, dass der Dampf durch den Dampfkanal auf der einen Seite in die Folienrahmen eintreten und auf der anderen Seite aus den Membranrahmen austreten kann. Der Block ist die kleinste und leicht von Hand austauschbare Einheit. Die einzelnen Blöcke werden nur so fest vorgespannt, bis die Dichtungen luftdicht sind. Der angelegte Unterdruck zieht die Blöcke dann vollständig zusammen.

Der Prozess

Auf Gulhi wird die Abwärme der Motoren über Wärmetauscher auf das Feed, in diesem Fall Meerwasser, übertragen. Es entsteht Dampf, welcher zunächst durch Membranrahmen gefiltert wird um Restwasser abzuscheiden, dann gelangt der Dampf in die Folienrahmen des ersten Effekts um dort an den vom kälteren Feed gekühlten Folien unter Abgabe der latenten Wärme zu kondensieren. Das Feed (das Meerwasser) gelangt in den Spalt zwischen den einzelnen Rahmen, also zwischen einen Folien- und einen Membranrahmen. Das Kondensat wird zusammen mit nicht-kondensierbaren Gasen von Effekt zu Effekt weitergeleitet und kann so seine sensible Wärme von Temperaturstufe zu Temperaturstufe in einer Flashverdampfung abgeben. Dieser Vorgang gilt gleichermaßen für das Feed, welches allerdings hauptsächlich vom Enthalpiestrom der Kondensation in den Folienrahmen durch die Membranen des jeweiligen Effekts verdampft wird. Im Kondensator kondensiert der Dampf des letzten Effekts und das kumulierte Destillat wird abgezogen und in einen atmosphärischen Speicherbehälter befördert. Die Kondensationswärme aus dem Kondensator wird mit Meerwasser als Kühlwasser abgeführt. Die Vakuumpumpe zieht Luft und desorbierte Gase aus dem Feed ab. Das Meerwasserkonzentrat wird wie das Destillat in einen atmosphärischen Behälter gepumpt. Die Membran dient in diesem Prozess zur Definition der Feedspaltgeometrie und verhindert das Mitreißen von Salzwassertropfen durch die hohen Dampfströmungsgeschwindigkeiten und damit eine Verunreinigung des Destillats. Abbildung 4 zeigt Aufbau und Durchströmungsbeispiel von zwei Effekten einer VMEMD-Anlage. Abbildung 5 zeigt die Schaltung des Prozesses.

Abbildung 4: Aufbau und Durchströmungsbeispiel von zwei Effekten einer Vakuum-Multi-Effekt-Membrandestillations-Anlage. [Quelle: memsys GmbH]

Abbildung 5: Anlagenschaltung für den Vacuum-Multi-Effect-Membrane-Distillation-Prozess. [Quelle: memsys GmbH]

Anwendungsfälle des Vacuum-Multi-Effect-Membrane-Distillation-Prozesses

Herkömmliche Verdampfer oder Destillationsanlagen bestehen in der Regel aus sehr hochwertigem Edelstahl. Trotzdem ist die Lebensdauer beim Beschicken insbesondere mit säure- oder stark salzhaltigen Wässern sehr begrenzt. Die Komponenten einer VMEMD-Anlage bestehen hingegen zum überwiegenden Teil aus Polypropylen und sind damit korrosionsfrei und gegen eine sehr große Bandbreite an Chemikalien beständig. Aufgrund der sehr hohen Destillatqualität ist das Produkt nicht nur für Trinkwasser geeignet, sondern auch für die Medizintechnik sowie für Kesselspeisewasser in Kraftwerken. Bei industriellen Abwässern kann sich durch den Einsatz der memsys-Technologie ein doppelter Nutzen ergeben. Im Abwasser enthaltene Wertstoffe können aufkonzentriert und in einem zweiten Schritt zurückgewonnen werden, das Destillat kann meist ohne weitere Behandlungsschritte in den Produktionsprozess zurückgeführt werden. Dadurch verringert sich der Frischwasser- und Rohstoffbedarf.

Transmembrandestillation im industriellen Maßstab

Memsys hat als weltweit einziges Unternehmen eine industrielle Fertigungsstraße für VMEMD-Module entwickelt und gebaut. Dort werden Rahmen aus Polypropylen gespritzt, mit PP-Folien bzw. mit hydrophoben PTFE-Membranen besiegelt und schließlich mit Deckplatten zu Blöcken verschweißt. Die aktuelle Produktionskapazität liegt bei 100.000 m² Membranfläche pro Jahr und lässt sich im Falle steigender Nachfrage multiplizieren. Die geschweißten Blöcke werden mit Dichtungen zu Modulen zusammengebaut. Der Modulaufbau kann somit individuell auf jede Anwendung angepasst werden. Auch im Teillastbereich, also mit niedrigeren Heiztemperaturen oder höheren Kühltemperaturen, lässt sich ein VMEMD-Modul problemlos und ohne thermische Effizienzeinbußen betreiben. Es muss lediglich eine Wärmequelle und eine Wärmesenke zur Verfügung stehen und das Feed darf keine Öle oder Tenside enthalten, da diese die hydrophobe Eigenschaft der Membran zerstören.

Im Vergleich zu bestehenden Entsalzungstechnologien, z.B. der Umkehrosmose, ist der VMEMD-Prozess überaus robust. Die Module können, selbst nach monatelangem Stillstand, jederzeit wieder in Betrieb gehen und sofort wieder eine herausragende Destillatqualität liefern. Außerdem können wesentlich höhere Konzentrationen erreicht werden, da die Siedepunkterhöhung stark salzhaltiger Wässer einen wesentlich kleineren Einfluss auf die Funktion des Moduls hat als die Erhöhung des osmotischen Drucks bei der Umkehrosmose.

Es ist erfreulich zu sehen, wie die Anwesenheit von sicherem, qualitativ hochwertigem Trinkwasser die Entwicklung der Insel Gulhi unterstützt hat. In den letzten Jahren haben sich mehrere erfolgreiche Gästehäuser entwickelt, Restaurants und Geschäfte wurden geöffnet und die Verbrennung von Einweg-Plastikflaschen hat sich, durch den Einsatz von Mehrwegflaschen in der Abfüllstation, deutlich reduziert. Den Einwohnern steht jetzt erschwingliches Wasser bester Qualität zur Verfügung. Diese Anlage auf der Insel Gulhi ist ein Beispiel für eine nachhaltige Lösung von Wasserproblemen auf vielen weiteren Inseln oder Küstenorten.

Autorenbeschreibung

Dipl.-Ing. (FH) Dominik Weiss ist als Entwicklungsingenieur bei memsys GmbH tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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