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Solare Wärmenetze – Erfahrungen aus der Marktbereitung in Deutschland mit dem Schwerpunkt Baden-Württemberg

von Oliver Miedaner und Thomas Pauschinger

Vor dem Hintergrund des Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzepts (IEKK) der Landesregierung Baden-Württemberg werden im Rahmen des Vorhabens SolnetBW die Möglichkeiten und Erfordernisse einer vermehrten Nutzung solarer Wärmenetze in Baden-Württemberg untersucht. Hierzu werden die bestehenden rechtlichen, politischen sowie technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen analysiert und darauf aufbauend Empfehlungen zur Verbesserung der genannten Rahmenbedingungen ausgearbeitet und konkrete Verbesserungsmaßnahmen entwickelt.

Abbildung 1: Solarthermische Großanlage in Crailsheim, Baden-Württemberg (Quelle: Stadtwerke Crailsheim GmbH)

Das Vorhaben SolnetBW

Der Umbau der Energieversorgung mit dem Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien deutlich zu erhöhen und sie in wenigen Jahrzehnten zur tragenden Säule des Energiesystems zu machen, erfolgt bislang mit einem starken Fokus auf die Stromversorgung, während der Wärmesektor in vielen Belangen zurückbleibt. Dies wird der hohen Bedeutung der Wärmeversorgung für die Energieversorgung und den Klimaschutz in keiner Weise gerecht, da mehr als die Hälfte des Endenergiebedarfs in Deutschland in Form von Wärme benötigt wird. Vor diesem Hintergrund räumt das Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept der Landesregierung Baden-Württemberg (IEKK) der Solarthermie und speziell den solaren Wärmenetzen einen hohen Stellenwert ein. Konkret wird diese Thematik durch das Vorhaben SolnetBW aufgegriffen, indem mittels einer gezielten Marktbereitung eine erhöhte Ausbaudynamik bei solaren Wärmenetzen in Baden-Württemberg erreicht werden soll. Kommunale Entscheidungsträger und Marktakteure sollen direkt adressiert und in die Aktivitäten eingebunden werden. Die Einbeziehung bürgerschaftlichen Engagements ist erforderlich, um den Umstrukturierungsprozess auf eine gesellschaftlich breite Basis zu stellen. Neben der erhöhten Akzeptanz von Infrastrukturinvestitionen kann über geeignete Modelle der Bürgerbeteiligung auch privates Kapital zur Umsetzung mobilisiert werden.

Integriertes Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK)

Das IEKK benennt die wesentlichen Strategien und Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele des Landes Baden-Württemberg. Neben den gesetzlichen Klimaschutzzielen verfolgt es weitere Ziele, wie die sichere Versorgung, Kostensicherheit, regionale Wertschöpfung sowie Bürger-Engagement.

Im Bereich der Wärmenetze werden die folgenden technischen und organisatorischen Punkte genannt: Entwicklung einer Strategie für lokale Wärmenetze, Wärmeplanung, Weiterentwicklung von Solarthermie und Geothermie als Erzeugeroption, Nutzung von industrieller Abwärme etc.

Berücksichtigung der unterschiedlichen Anlagentypen

Solare Nah- und Fernwärmesysteme im Leistungsbereich bis 50 MWth werden heute vor allem in den Ländern Dänemark, Schweden, Österreich und Deutschland betrieben. Bedingt durch nationale Forschungsprogramme wurden in Deutschland bisher vorrangig solare Nahwärmesysteme zur Versorgung von Neubaugebieten realisiert. Vier von elf Pilotanlagen mit saisonalem Wärmespeicher entstanden seit Ende der 1990er-Jahre, dank Förderung mit Bundes- und Landesmitteln, in Baden-Württemberg.

Auf internationaler Ebene wurden jedoch insgesamt recht unterschiedliche Typen und Varianten solarer Nah- und Fernwärmesysteme realisiert. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale sind dabei:

  • die Art der Einbindung der thermischen Solaranlage (z.B. eine zentrale Einbindung am Heizwerk oder eine dezentrale Einbindung an einem beliebigen Ort im Fernwärmenetz) (siehe Abbildung 2)
  • die Größe des Wärmenetzes, in welches die Solarthermieanlage eingebunden ist. Die Bandbreite reicht hier von Nahwärmesystemen zur Versorgung von Neubaugebieten und Quartieren über Systeme zur Versorgung von Energiedörfern bis hin zur Einbindung in große städtische Fernwärmesysteme.

Abbildung 2: Zentrale bzw. dezentrale Einbindung in Nah- und Fernwärmenetze (Quelle: Solites)

Die Vielfalt dieser Anlagentypen ist bei der Technologiebewertung und bei der Entwicklung von Maßnahmen zu berücksichtigen, da sich die spezifischen Randbedingungen und auch die beteiligten Akteure deutlich unterscheiden. Im Rahmen von SolnetBW wurden hierzu sieben verschiedene Typen von Solarthermieanlagen in Fernwärmesystemen definiert, die sich bezüglich der Art und Größe der Solarthermieanlage, der Größe des Fernwärmesystems und somit auch hinsichtlich organisatorischer Aspekte unterscheiden:

  • Typ 1: Solare Wärmenetze zur Quartiersversorgung
  • Typ 2: Solare Wärmenetze mit Langzeitwärmespeicher und hohen solaren Deckungsanteilen für Wohngebiete und Quartiere
  • Typ 3: Dezentral eingebundene Solaranlagen in Quartieren
  • Typ 4: Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte
  • Typ 5: Solare Fernwärmesysteme mit gekoppelter Strom- und Wärmeerzeugung 
  • „Smart District Heating“
  • Typ 6: Dezentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen
  • Typ 7: Zentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen

Fokus auf Anlagentypen mit hohem Umsetzungspotenzial

Bei der weiterführenden Marktbearbeitung liegt der Fokus auf Anlagentypen, die sowohl eine gute Wirtschaftlichkeit als auch ein hohes Umsetzungspotenzial aufweisen. Die untersuchten Typen weisen hierbei auch ein unterschiedliches wirtschaftliches Potenzial auf. In günstigen Fällen werden Wärmegestehungskosten ohne Förderung bis minimal 50 €/MWh sowie mit öffentlicher Förderung bis minimal 30 €/MWh ermittelt, womit die Solarthermie in zahlreichen Anwendungen eine wirtschaftlich konkurrenzfähige Erzeugungsoption ist. Vorrangig sind dies:

  • großflächige Freilandanlagen mit einer thermischen Leistung über 1 MW und solaren Deckungsanteilen von 10 – 20 % in neu entstehenden, kleineren Wärmenetzen, wie sie in den letzten Jahren vielfach in sogenannten ‚Energiedörfern‘ realisiert wurden.
  • großflächige Solarthermieanlagen mit einer thermischen Leistung über 1 MW und solaren Deckungsanteilen bis 15 % in Bestandsnetzen (auch in größeren städtischen Fernwärmenetzen). Die Umsetzbarkeit hängt hier im Wesentlichen von einer stimmigen Integration des Wärmeerzeugers Solarthermie in das Gesamtsystem ab, die zu einer Steigerung der Gesamteffizienz führt.

Entsprechend der zuvor definierten Typen verfügen der Anlagentyp 4 ‚Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte‘ (siehe Abbildung 3) und der Anlagentyp 6 bzw. 7 ‚Dezentral bzw. zentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen‘ (siehe Bild 4) über ein gutes Umsetzungspotenzial. Darüber hinaus bestehen günstige Umsetzungsmöglichkeiten im Bereich von Quartiers- und Siedlungskonzepten sowie bei Projekten der Wohnungswirtschaft. Anlagen mit Großspeichern werden mittelfristig bei Mehrfachnutzung des Wärmespeichers (KWK-Optimierung und Power-to-Heat-Anwendungen) interessant.

Abbildung 3: Solare Wärmenetze für Dörfer und kleinere Städte – Beispiel Bioenergiedorf Büsingen, Deutschland (Quelle: Solites)

Abbildung 4: Dezentral in städtische Fernwärmesysteme eingebundene solarthermische Großanlagen – Beispiele Wels, Österreich (linkes Bild, Quelle: Ritter XL Solar GmbH) und Graz, Österreich (rechtes Bild, Quelle: S.O.L.I.D.)

Hemmnisse, Vorteile und Handlungsansätze

Hemmende Faktoren sind nachwievor oft fehlende Kenntnisse bzw. mangelndes Vertrauen in Bezug auf die solare Wärmeerzeugung seitens der Wärmeversorger sowie die Verfügbarkeit geeigneter Flächen. Technische Hemmnisse für eine Realisierung bestehen nur in wenigen Fällen.

Vorteile entstehen bei der Integration der Solarthermie in Nah- und Fernwärmesysteme insbesondere durch die langfristige Planungssicherheit bezüglich der Wärmegestehungskosten, die Nutzung erneuerbarer und emissionsfreier Wärme, das damit verbundene positive Image und die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung sowie durch den einfachen technischen Betrieb solcher Anlagen.

Auf Basis der oben beschriebenen Ergebnisse werden die Entwicklung und Umsetzung folgender Handlungsansätze und Aktionen empfohlen, die unmittelbar auf die Markteinführung solarer Nah- und Fernwärme und die Umsetzung konkreter Projekte in Baden-Württemberg zielen:

  • Projektanbahnung neuer Wärmenetze mit einem Anteil solarthermischer Erzeugung
  • Projektanbahnung für die Integration von Solarthermie in bestehende Wärmenetze
  • Informations- und Beratungsaktivitäten
  • Stärkung der Bürgerbeteiligung
  • Entwicklung von Geschäftsmodellen für solare Wärmelieferung
  • Verbesserung des Rechts- und Förderrahmens für solare Nah- und Fernwärme

Aktivitäten in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg werden einige der oben genannten Handlungsansätze und Aktionen bereits gezielt umgesetzt. Neben verschiedenen Akteuren ist auch die Landesregierung sehr engagiert. So reiste im Januar 2015 Umweltminister Franz Untersteller mit einer Delegation aus Wirtschafts-, Wissenschafts- und Verbandsvertretern aus Baden-Württemberg nach Dänemark, um sich über gemeinsame Ziele beim Klimaschutz und die Ausrichtung der Energiepolitik auszutauschen.

Auch gibt es in Baden-Württemberg auf Landesebene spezifische Förderprogramme, die ergänzend zur Bundesförderung bei der Umsetzung von zukunftsfähigen Wärmenetzen in Anspruch genommen werden können. Neben dem derzeit verfügbaren Programm ‚Klimaschutz mit System‘ für Maßnahmen des kommunalen Klimaschutzes, wird momentan das Förderprogramm für energieeffiziente Wärmenetze überarbeitet. Dieses soll dann die Errichtung oder Erweiterung von Wärmenetzen inklusive der Hausübergabestationen sowie der Anlagen zur Wärmeerzeugung aus regenerativen Energien fördern. Dabei ist angedacht, dass die Basis-Zuschussförderung durch verschiedene Boni erhöht werden kann, wie z.B. für höhere Anteile von Solarthermie an der Wärmeerzeugung oder die Absenkung der Netzrücklauftemperatur. So können zur Förderung aus dem Marktanreizprogramm (MAP) des Bundes, im Einzelfall bis zu 400.000 Euro Landesförderung hinzukommen. Darüber hinaus sind auch verschiedene nichtinvestive Maßnahmen in Planung, die insbesondere die Anbahnung und Vorbereitung von Projekten unterstützen sollen. Dies ist ein weiteres positives Signal für die vielen, bereits jetzt schon aktiven Akteure im Land.

Als effizient hat sich auch die Verzahnung von SolnetBW mit bestehenden lokalen Initiativen, wie z.B. der EnergieRegion Südschwarzwald erwiesen. Diese Initiative unterstützt Akteure vor Ort bei der Entwicklung ihrer Projekte. Es werden Fachforen und Workshops angeboten sowie eine Anschub-Förderung für nichtinvestive Maßnahmen in der Konzeptions- und Planungsphase. Die Möglichkeiten der Solarthermie können auf diese Weise ideal kommuniziert werden. Weitere aktive Regionen in Baden-Württemberg sind die Bioenergie-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber sowie die Bioenergie-Region-Bodensee.

Ausblick

Grundsätzlich zeigen die Erfahrungen in Baden-Württemberg, dass die Entwicklung und Umsetzung übergeordneter Ansätze, die einen zukunftsorientierten Ausbau und die Optimierung der leitungsgebundenen Wärmeversorgung anstreben, erforderlich sind, um mittelbar auch die grundlegenden Entwicklungschancen für die solare Nah- und Fernwärme zu verbessern. Dem Umweltministerium fällt hierbei eine Schlüsselrolle bei der Koordination, Rahmensetzung und Förderung zu. Die gelungene Umsetzung in Baden-Württemberg führt derzeit zu einem zunehmenden Interesse an solaren Nah- und Fernwärmesystemen und vermehrten Marktaktivitäten der Akteure.

Die im Artikel genannten Hemmnisse und Handlungsempfehlungen wurden in der Studie ‚Solare Wärmenetze für Baden-Württemberg – Grundlagen | Potenziale | Strategien‘ detailliert ausgearbeitet. Die Studie ist auf der Website des Vorhabens www.solnetbw.de als Download verfügbar.

SolnetBW – Solare Wärmenetze Baden-Württemberg

Das Verbundvorhaben SolnetBW wird im Rahmen des Förderprogramms BWPLUS durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg gefördert.

Partner:

  • Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme
  • AGFW | Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH
  • Hamburg Institut Research gemeinnützige GmbH (HIR)
  • Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER)
  • Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg GmbH (KEA)

Laufzeit:

Nov. 2013 – April 2016

Website:

www.solnetbw.de

Autorenbeschreibung

Dipl.-Ing. Oliver Miedaner ist als Projektingenieur tätig bei Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).
Dipl.-Ing. Thomas Pauschinger ist Mitglied der Geschäftsleitung bei Solites – Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme.

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