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Solarthermie in Wärmenetzen: (Was) können wir von Dänemark lernen?

von Lukas Kranzl, Andreas Müller, Christian Halmdienst, Richard Heimrath, Franz Mauthner und Gerhard Totschnig

Abbildung 1: 3.860 m² Kollektorfläche im Endausbau 2010, Wasserwerk Graz-Andritz, Steiermark Im Endausbau die zweitgrößte Solaranlage Österreichs mit Direkteinspeisung ins Fernwärmenetz und Heizungsunterstützung. Speichervolumen 64,6 m³, Inbetriebnahme 2009. Quelle: S.O.L.I.D. Solarinstallation und Design GmbH

Während Solarthermie in Dänemarks Wärmenetzen boomt, fristet die Integration solarthermischer Anlagen in Österreichs Fernwärmesektor ein Nischendasein. Welche Perspektiven für die Integration von Solarthermie in Wärmenetzen in Österreich können sich mittel- bis langfristig ergeben? Das Projekt SolarGrids analysierte diese Fragestellung und liefert Tools und Antworten.

Fernwärme in Österreich

Von 2000-2012 stieg die durch Fernwärme bereitgestellte Energie in Österreich um 74 %, wobei der Zuwachs vor allem durch einen verstärkten Biomasseeinsatz in Heizwerken oder KWK-Anlagen begründet ist. Der Fernwärmeausstoß lag 2012 bei etwa 24 TWh. Damit leistet Fernwärme einen Anteil von mehr als 20 % am gesamten Raumwärme- und Warmwasserbedarf in Österreich. Thermische Solaranlagen mit hydraulischer Anbindung an Wärmenetze kommen in Österreich schon seit den 1980er Jahren zum Einsatz. Doch während in Dänemark die Integration von Solarthermie in Fernwärmenetze etabliert ist, bedienen Wärmenetz-integrierte Solaranlangen in Österreich auch heute noch einen aus technischer Sicht wenig standardisierten Nischenmarkt. Mit Ende 2013 befanden sich in Österreich 24 Wärmenetz-gekoppelte Solaranlagen mit einer installierten Kollektorfläche von mehr als 500 m² in Betrieb. Die kumulierte installierte Kollektorfläche dieser Anlagen betrug 37 000 m², das entspricht einer thermischen Spitzenleitung von 25,9 MWth. Die größte thermische Solaranlage mit einer Bruttokollektorfläche von rund 7.000 m² (4,9 MWp,th) speist in das Grazer Fernwärmenetz. Der jährliche solare Fernwärmeausstoß dieser 24 Anlagen beträgt rund 15 GWh oder 1‰ des gesamten österreichischen Fernwärmeausstoßes.

Projekt SolarGrids

Mit Hinblick auf Klimaschutzziele stellt sich die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen und in welchem Ausmaß Entwicklungspotenzial für die Integration von Solarthermie in Wärmenetze besteht. Konkret geht es um Optionen für die Integration von Solarthermie in Wärme- und Kältenetze in einem zukünftigen, transformierten, erneuerbaren, low-carbon Energiesystem. Das Projekt „SolarGrids - Solarenergie und Wärmenetze: Optionen und Barrieren in einer langfristigen, integrativen Sichtweise“ wurde von TU-Wien/Energy Economics Group, AEE INTEC, dem Institut für Wärmetechnik der TU Graz sowie der Firma Pink in den Jahren 2012-2014 bearbeitet und vom Klima- und Energiefonds im Zuge des Programms Neue Energien 2020 gefördert.

Hinsichtlich der geänderten Rahmenbedingungen eines low-carbon bzw. möglichst erneuerbaren Energiesystems standen dabei konkret zwei Aspekte im Vordergrund:
(a) Welche Rolle spielen sinkende Wärmedichten aufgrund steigender thermischer Gebäudequalitäten?
(b) Welche Auswirkungen ergeben sich durch einen geänderten Stromerzeugungsmix?

Zu Beginn des Projekts erfolgte eine umfassende Beschreibung und Typologisierung von österreichischen Fernwärmenetzen sowie eine detaillierte Analyse internationaler Fallstudien mit dem Fokus auf Dänemark, Deutschland und Österreich. Darauf aufbauend wurde für drei ausgewählte Wärmenetztypen (für ein urbanes Sub-Netz mit hoher linearer Wärmedichte, für ein kleinstädtisches Netz sowie für ein ländliches Netz) eine modellgestützte technische Analyse möglicher Optionen zur Solarthermie-Einspeisung mit den Simulationsumgebungen Simplex und TRNSYS durchgeführt. Des Weiteren wurden ein bottom-up-Modell zur Abbildung des österreichischen Gebäudebestandes und der Wärmenetze sowie ein Energiesystem-Optimierungsmodell angewendet um Effekte und Wechselwirkungen mit dem Wärmemarkt sowie der Stromversorgung in Szenarien bis 2050 zu untersuchen (siehe Abb. 2)

Abbildung 2: Entwicklung der Endenergienachfrage zur Deckung des Wärmebedarfs zur Raumwärme und Warmwasserbereitstellung in drei ausgewählten Szenarien bis 2050 und Auswertung des potenziellen Wärmebedarfes nach Wärmedichten und Wärmebedarfsreduktion.
Rechte Balken: Wien, mittlere Balken: 8 große Städte mit hohem Fernwärmeausbau, linke Balken: restliche 2349 Gemeinden in Österreich. Ergebnisse aus dem Modell Invert/EE-Lab (Darstellung: SolarGrids Endbericht)

Die Untersuchungen an dänischen, deutschen und österreichischen Fallstudien verdeutlichen, dass vorteilhafte technische, wirtschaftliche und energiepolitische Voraussetzungen für eine Integration solarthermischer Großanlagen in Nah- oder Fernwärmenetze derzeit vor allem in Dänemark erfüllt sind. Möglich ist der derzeit in Dänemark stattfindende Boom an Solarthermie in Wärmenetzen durch eine Vielzahl sich ergänzender Faktoren, u.a. Standardisierung und konsequente Preisreduktionen bei solaren Großanlagen, Ausnutzung von Skaleneffekten durch spezialisierte System-Komplettanbieter, Verfügbarkeit von (günstigen) Freiflächen für Bodenaufständerung der Kollektoren, effiziente Wärmenetze mit tiefen Versorgungstemperaturen, hohe Steuern auf fossile Energieträger (v.a. Erdgas) und vorteilhafte Betreibermodelle, überwiegend Verbrauchergenossen­schaften (siehe dazu auch den Artikel von Daniel Trier dieser Ausgabe von erneuerbare energie). Als ein Ergebnis kann festgehalten werden, dass das dänische Modell aufgrund der sehr speziellen Gegebenheiten nicht direkt auf andere Länder übertragbar ist. Es sind angepasste Lösungen erforderlich, weshalb sich in den erwähnten Ländern auch unterschiedliche Konzepte entwickelt haben. Für die in Österreich und Deutschland entwickelten Systeme liegen allerdings die Investitionskosten und damit die solaren Wärmegestehungskosten deutlich höher als in Dänemark.

Ein wesentlicher Vorteil der Integration von Solarthermie speziell in ländliche Wärmenetze ist eine deutliche Reduktion der Betriebsstunden der konventionellen Wärmeversorgungsanlagen. Darüber hinaus kann durch Integration von Solarthermie der Gesamtnutzungsgrad (gemäß Definition der Förderrichtlinien des Programms qm heizwerke) deutlich erhöht werden. Unter den gewählten Randbedingungen der drei untersuchten Wärmenetz-Typen (urbanes Subnetz, kleinstädtisches und ländliches Netz) ergeben sich für 10.000 m² Kollektorfläche und einem Kurzzeitspeicher von 2.000 m³ solare Deckungsgrade von 15 bis 28 % mit spezifischen Kollektorerträgen zwischen 280 und 410 kWh/m²a. Damit verbessert sich der Gesamtnutzungsgrad um bis zu 25 % (ländliches Netz). Durch Integration von Solarthermie konnte in allen drei Fällen der im Förderprogramm geforderte Gesamtnutzungsgrad von 75 % erreicht und sogar deutlich übertroffen werden. Eine große Zahl an weiteren Ergebnissen zu den drei untersuchten Netztypen ist in dem online verfügbaren SolarGrids-Excel-Tool (Abb. 3) grafisch dargestellt (www.eeg.tuwien.ac.at/solargrids).

Abbildung 3: Solarer Deckungsgrad (durchgezogene Kurven) und spezifischer Kollektorertrag (strichlierte Kurven) in Abhängigkeit von Speichergröße und Auslastung (A II) (urbanes Subnetz). (Darstellung: SolarGrids-Excel-Tool)

Wirtschaftlichkeit von Solarthermie-Einspeisung in Wärmenetze

Können eine gewisse Mindest-Grenzgröße der Solaranlage überschritten und damit Skaleneffekte genutzt werden, ergibt sich ein idealer Kosten-Nutzen Bereich für das jeweilige betrachtete Wärmenetz. Dabei lassen sich bei unterschiedlichen Kombinationen aus Kollektorfläche und Speichergröße für die drei konkret simulierten Netztypen im besten Fall Wärmegestehungskosten zwischen 50 und 75 €/MWh erreichen. Damit ist die Wirtschaftlichkeit in Österreich derzeit nur unter günstigen Umständen bzw. geförderten Rahmenbedingungen möglich. Faktoren, welche die Wirtschaftlichkeit aus einer mikroökonomischen Betrachtungsweise verbessern, sind einerseits die Größe der Kollektorfläche, die fehlende Möglichkeit der Grundlast-Bereitstellung mit geringen Grenzkosten (z.B. Müllverbrennung, Abwärme) an einem bestimmten Standort oder wenn - vor allem in kleineren Biomasse-Wärmenetzen - Solarthermie dazu beitragen kann die Betriebsstunden des Heizkessels zu reduzieren. Außerdem tragen Förderprogramme wie z.B. das österreichische Förderprogramm qm-heizwerke, das durch einen geforderten Mindest-Nutzungsgrad von 75 % die Einbindung von Solarthermieanlagen begünstigt, und Förderungen in Form von Investitionszuschüssen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit bei.

Aus der Sicht einer gesamt-energiesystemischen Optimierung ist Solarthermie in Wärmenetzen dann eine ökonomische Option, wenn (1) ambitionierte CO2-Reduktionsziele verfolgt werden, (2) im Vergleich zum derzeitigen Stand deutliche Kostenreduktionen erzielt werden können, (3) wenn in dem konkreten Wärmenetz keine Wärmebereitstellung als Band über das ganze Jahr mit geringen Grenzkosten zur Verfügung steht, und falls (4) Power-to-Heat auch zukünftig keinen relevanten Beitrag zur Fernwärme-Bereitstellung liefert. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Power-to-Heat langfristig betrachtet eine Konkurrenz zur Solarthermie-Einspeisung werden kann, wenn der Anteil volatil erzeugten erneuerbaren Stroms, insbesondere auch aus PV, zunimmt. (Abb. 4)

Abbildung 4: Simulierte Fernwärmeerzeugung in einem Szenario ohne Müllverbrennung und Power-to-Heat Optionen im Fernwärmenetz. Die farbige Solarthermie „Fläche“ täuscht etwas, da die fehlende Produktion in den Nachtstunden in der Grafik nicht erkennbar ist. Nur in einem für Solarthermie sehr optimistischen Szenario kann diese deutlich höhere (als in diesem Szenario dargestellte) Marktanteile ökonomisch effizient abdecken. (Darstellung: SolarGrids Endbericht)

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Zusammenfassend zeigt sich, dass Solarthermie in Wärmenetzen, sofern nicht dänische Rahmenbedingungen umgesetzt werden, derzeit nur in Nischen und Sonderfällen zu den ökonomisch attraktiven Technologien zählt. Allerdings kann Solarthermie in Wärmenetzen ein wesentlicher Bestandteil eines kostenminimalen Technologie-Mixes sein. Vor allem wenn die hohen Erwartungen, die an die erneuerbare Stromproduktion durch Windenergie und Photovoltaik gestellt werden, nicht eintreten oder nicht auf den Wärmebereich durchschlagen, oder wenn ambitionierte Klimaschutzziele aktiv verfolgt werden. Solarthermie in Wärmenetzen sollte Teil des erneuerbaren Energieportfolios bleiben und sogar verstärkt genutzt werden, da ein langfristiger Aufbau von Know-how sowie installierte Kapazitäten nötig sind, die nicht kurzfristig aufgebaut werden können.

Als Empfehlungen lassen sich folgende Punkte anführen: (a) Schaffung günstiger technischer Rahmenbedingungen und technologische Weiterentwicklungen, wie z.B. der Betrieb neuer und bestehender Wärmenetze auf niedrigen Temperaturniveaus, Entwicklung kostengünstiger bi-direktionaler Wärmeübergabestationen; (b) Schaffung günstiger rechtlicher und energiepolitischer Rahmenbedingungen wie z.B. die Einführung einer verpflichtenden Wärmeplanung auf kommunaler/regionaler Ebene, die Internalisierung externer Kosten von fossilen Energieträger nach dem Vorbild Dänemarks, verbindliche erneuerbare Quoten und/oder CO2-Emissionsziele in der (netzgebundenen) Wärmeversorgung, Anschlusspflicht an Nah- und Fernwärme (verbraucherseitig); (c) Ausschöpfen von Kostensenkungspotentialen, wie z.B. die Identifikation von multiplizierbaren Anwendungskonzepten, die Standardisierung von Systemkonzepten, Entwicklung von Komplettsystem- Anbietern (Turnkey-Lieferanten), Skaleneffekte bei „low-tech“ saisonalen Wärmespeichern (Abb. 5); und (d) angepasste Geschäfts- und Finanzierungsmodelle.

Abbildung 5: Erdbeckenspeicher des solaren Großanlagenfeldes in Dronninglund, DK (61.700m³ Erdbeckenspeicher 91x91 m), (Bildquelle: ARCON Solar A/S, DK, Arcon-Sunmark, Skørping Nord 3, DK-9520 Skørping, Denmark)

Autorenbeschreibung

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Dr. Lukas Kranzl, Dr. Andreas Müller und Dr. Gerhard Totschnig sind als Senior Scientists an der Technischen Universität Wien tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

DI Christian Halmdienst ist bei Pink GmbH tätig. (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

Dr. Richard Heimrath ist als Senior Project Scientist am Institut für Wärmetechnik der TU Graz tätig.
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DI Franz Mauthner ist Mitarbeiter des Bereiches Solarthermische Komponenten und Systeme bei AEE INTEC.

 

 

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