Zeitschrift EE

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Energiewirtschaftliche Fragestellungen der Solarthermie

von Sebastian Herkel

Abbildung 1: Solargestütztes Nahwärmenetz Graz-Berlinerring. Quelle S.O.L.I.D. Solarinstallation und Design GmbH

Welche Rolle die Solarthermie in einer sich schnell verändernden energiewirtschaftlichen Situation spielt und wie diese planerisch umgesetzt werden kann, untersuchen Experten im Rahmen der eines Projektes der Internationalen Energieagentur (IEA SHC Task 52) „Energy Economy and Solar Heat in Urban Environments“. Eine wichtige Grundlage ist dabei die technische und ökonomische Analyse bestehender Anlagenkonzepte mit und ohne Einbindung in Wärmenetze.

Die energiewirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre mit ihrem schnellen Ausbau der erneuerbaren und überwiegend fluktuierenden Stromversorgung bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Wärmeversorgung mit erneuerbaren Energien. Gleichzeitig erleben wir derzeitig eine Stagnation und teilweise Rückgang der neu installierten Leistung bei kleinen solarthermischen Anlagen und in Dänemark ein überproportionales Wachstum von großen, mit Wärmenetzen gekoppelten solarthermischen Anlagen (siehe Artikel von Daniel Trier in dieser Ausgabe). Mögliche energiewirtschaftliche Ursachen hierfür zu analysieren und die Rolle der Solarthermie in einem zukünftigen Energiesystem zu identifizieren hat sich eine Arbeitsgruppe des Solar Heating and Cooling Program der Internationalen Energieagentur zum Ziel gesetzt. Die unter dem Titel „Task 52 - Energy Economy and Solar Heat in Urban Environments“ arbeitende Gruppe aus fünf europäischen Ländern analysiert hierzu bestehende Anlagen hinsichtlich ihrer ökonomischen Grundlagen, entwickelt energiewirtschaftliche Szenarien und identifiziert Planungsmethoden, die die sich verändernden energiewirtschaftlichen Randbedingungen bei der konkreten Planung im städtischen Umfeld berücksichtigen. Die Struktur des Projektes ist in Abbildung 2 zu sehen.

Abbildung 2: Struktur IEA Task 52 mit den Arbeitsgruppen zu energiewirtschaftlichen Fragestellungen, zu Planung und zu Technologien (Quelle IEA Task 52)

Systematisierung

Für eine Systematisierung von solarthermischen Anlagen in einem städtischen Umfeld sind zunächst folgende Kriterien wichtig, die als Unterscheidungsmerkmale dienen: Zum einen der Aufstellort der Kollektoren, zum anderen die dafür notwendigen Speicher. Kollektoren können als Anlagen verbunden mit dem Gebäude aufgestellt werden oder als Freiflächenanlagen. Aufgrund der in verdichteten urbanen Räumen und damit verbundenen Flächenknappheit ist eine Aufstellung in Verbindung mit der Gebäudehülle häufig geboten, auch wenn die Kosten für die Montage eines frei aufgestellten Feldes deutlich geringer sind. Speicher können ebenfalls zentral oder dezentral in Gebäuden installiert werden. Sobald eine der beiden wesentlichen Komponenten Speicher oder Kollektoren oder beide zentral eingebunden werden, wird eine wärmenetzgebundene Versorgung zu einem wichtigen Bestandteil. Abbildung 3 zeigt die vier wesentlichen Systemkonfigurationen.

Abbildung 3: Klassifikation von solarthermischen Systemen für die energiewirtschaftliche Analyse (Quelle: S. Herkel, Fraunhofer ISE und F. Mauthner, AEE INTEC)

Ein weiteres Kriterium ist die Art des ergänzenden Wärmeversorgungssystems, das im Wesentlichen ein Heizkessel (auf Basis fossiler oder biogener Brennstoffe), eine Anlage zur Kraft-Wärmekopplung (KWK) oder eine Wärmepumpe sein kann, häufig auch eine Kombination aus diesen. Heizkessel haben keine Kopplung zum Stromsystem, KWK-Anlagen können die Residuallast durch eine positive Last beeinflussen, Wärmepumpen durch eine negative Last – alle drei Systeme haben somit unterschiedliche energiewirtschaftliche Funktionen in einem Stromsystem mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien.

Kosten

Die Kosten für das Solarsystem sind eine wesentliche Grundlage für weitere energiewirtschaftliche Betrachtungen. Eine Analyse der Kosten auf Basis von 44 Anlagen in Ein- und Mehrfamilienhäusern sowie 29 größeren Anlagen mit Wärmenetzen zeigen klare Abhängigkeiten der Kosten sowohl von der Größe der Anlage, der relativen Größe des Speichers und des Aufstellortes. Trotz der großen Spreizung insbesondere bei kleineren Anlagen lässt sich eine Kostenfunktion auf Basis dieser Daten recht gut ableiten. Die Wärmegestehungspreise (Levelized Cost of Heat) betragen zwischen 142 €/MWh (Anlagen für Einfamilienhäuser) und 42 €/MWh für große Anlagen in Dänemark ohne saisonalen Speicher (Abbildung 4).

Abbildung 4: Analyse der Kosten für die Errichtung von solarthermischen Anlagen vor Steuern. Es werden die Kategorien Brauchwasseranlagen für Einfamilienhäuser (DHW-SFH), Solarkombi-Anlagen für kleine und große Wohngebäude (CS-SFH, CS-MFH), wärmenetzgekoppelte Anlagen ohne und mit saisonalen Speichern (SDH-AT, SDH-DK und BH-DE) betrachtet. (Quelle: F. Mauthner, AEE INTEC).

Energiewirtschaft

Mit techno-ökonomischen Energiesystemmodellen lässt sich das gesamte Energiesystem eines Landes abbilden und durch Optimierung kostenoptimale Energiesysteme identifizieren. Solche Modelle umfassen zum einen die vier wesentlichen Sektoren einer nationalen Energiebilanz, Haushalte (HH), Gewerbe Dienstleistung Handel (GHD), Industrie (IND) und Verkehr (VK), zum anderen bilden sie den jährlichen Verlauf der Energiebilanz auf Stundenbasis ab. Sie optimieren die Betriebsführung der Energieerzeugungsanlagen und je nach Modell auch die Struktur der eingesetzten Anlagen, z.B. die Größe der Leistung der installierten Solarthermieanlagen.

In einer ersten Analyse für ein Referenzsystem „Deutschland 2050 – 82% CO2-Reduktion“ zeigt sich, dass sich in einem kostenoptimalen System Solarthermie dann in nennenswertem Umfang darstellen lässt, wenn sich die Kosten für die installierte Kollektoranlage auf 300 EUR/m² reduzieren lassen (Abbildung 5). Bei geringerer Reduktion von CO2, z.B. 75% ist der Umfang der installierten Solarthermie in einem kostenoptimalen System deutlich niedriger und wird vor allem davon bestimmt, in welchem Umfang noch Gaskessel zur Beheizung verwendet werden.

Wettbewerbstechnologie ist hier die Bereitstellung von Wärme mittels Wärmepumpen.
Szenarien mit einer Reduktion von >83% CO2 führen zu einer starken Verknappung der Nutzung von fossilen Energieträgern und so zu einer Steigerung des Beitrages der Solarthermie.

Abbildung 5: Installierte Leistung von solarthermischen Anlagen in einem kostenoptimalen Energiesystem in Deutschland. Abhängig von den Kosten für das solarthermische System (getrennt nach zentralen (wärmenetzgebundenen) und dezentralen Systemen, ohne Kosten für Speicher und Netze) sinken die Anteile. Die Rechnungen wurden mit dem Energiesystemmodell ReMod-D durchgeführt (Quelle: A. Palzer, Fraunhofer ISE)

Planung

Unterschiedliche Werkzeuge bei der Planung von neuen städtischen Energieversorgungskonzepten erlauben es, die Wechselwirkung zwischen Wärme und Strom auf der einen Seite und unterschiedliche Akteure auf der anderen Seite zu adressieren und in den Prozess einzubinden. Während bei der Installation einer solaren Brauchwasseranlage neben dem ausgebildeten Installateurs-Handwerk selten weitere Personen involviert sind, sind bei der Planung und Umsetzung eines städtischen Gesamtenergiekonzeptes kommunale Akteure, Energieplaner, Energieversorger, Installateurs-Handwerk und die Wohnungswirtschaft beteiligt. Je nach Akteur haben hier unterschiedliche Ausgaben und Ergebnisse von Planungswerkzeugen eine wichtige Bedeutung. Während für kommunale Entscheider die Umsetzung z.B. kommunaler Klimaschutzziele im Vordergrund steht, ist die Analyse der Wirtschaftlichkeit z. B. eines Wärmenetzes im Fokus des Interesses eines Energieversorgers und Investors.

Durch die zunehmende Integration von Strom- und Wärmeversorgung wird bei der Planung von Quartieren nicht nur die Dimensionierung und Auslegung der Versorgungsanlagen notwendig, sondern auch vorab die Evaluierung der Betriebsführung der Anlagen, die zunehmend auch durch Angebot und Nachfrage an den Energiemärkten bestimmt wird. Abbildung 6 zeigt beispielhaft eine Kette von Werkzeugen zur Entwicklung von integrierten Quartierskonzepten.

Abbildung 6: Darstellung der Unterschiedlichen Planungsebenen bei der Quartieres-Energieplanung (Quelle: G. Ruiz, CREM)

Solare Wärmeversorgung Freiburg Gutleutmatten

In Freiburg (D) wird aktuell im Rahmen der innerstädtischen Entwicklung das Gebiet „Gutleutmatten“ mit ca. 500 Wohneinheiten, einer Wohnfläche von ca. 40.000 m² und einem Wärmebedarf für Heizung und Trinkwarmwasser von ca. 2200 MWh/a neu bebaut, die Fertigstellung ist für das Jahr 2017/2018 geplant. Im Rahmen der Bebauung wird die dezentrale Einbindung von solarthermischen Anlagen in ein auf einem Blockheizkraftwerk (BHKW) basierendem Wärmeversorgungskonzept umgesetzt. Der Betrieb des BHKW wird hinsichtlich bestmöglicher Interaktion mit dem Stromnetz, der Betrieb des Nahwärmenetzes hinsichtlich einer Minimierung der Verteilverluste optimiert. Wesentliches Element des Konzeptes ist die dezentrale Einbindung von Solarthermie mit dem Ziel, das Nahwärmenetz im Sommer über längere Zeiträume stillzulegen – das BHKW wird somit nur dann betrieben, wenn der Strom im Energiemarkt gut absetzbar ist.

In Gutleutmatten sind 34 separate Kollektoranlagen in Verbindung mit dezentralen Speichern und Wärmeerzeugung aus einem zentralen BHKW geplant. Durch den Betrieb des BHKW, der Kollektoren und des Nahwärmenetzes in einer Hand kann der zentrale Erzeuger mit den dezentralen Erzeugern und Speichern optimal abgestimmt werden. Eine Kollektorfläche von ca. 2.000 m² zusammen mit einem Gesamtvolumen der verteilten Speicher von bis zu 200 m³ ermöglicht einen solaren Deckungsanteil von ca. 30 % (entsprechend einem Ertrag von ca. 740 MWh/a). Der verbleibende Bedarf von ca. 1460 MWh/a wird durch das mit Bioerdgas betriebene BHKW gedeckt (Abbildung 7).

Abbildung 7: Solare Nahwärmeversorgung Freiburg Gutleutmatten (Quelle: Stadt Freiburg/ badenova/ Fraunhofer ISE)

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Autorenbeschreibung

DI Sebastian Herkel ist am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE als Leiter der Abteilung Solares Bauen tätig (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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