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Solare Fernwärme in Dänemark – Entwicklungen und Trends

von Daniel Trier

Abbildung 1: Das 37.600 m² große Solarkollektorfeld in Dronninglund, Dänemark. Quelle: Dronninglund Fjernvarme

Das süddänische Energieversorgungsunternehmen Marstal Fjernvarme A.m.b.a gilt als Vorreiter bei der Realisierung integrativer Energieversorgungsnetzwerke mit saisonalen Wärmespeichern. Hier wurde bereits 1996 eine solare Großanlage errichtet und 2003 um einen 10.000 m³ Erdbeckenspeicher erweitert. Seit 2012 speisen insgesamt 33.365 m² thermische Solarkollektoren gekoppelt an zwei Erdbeckenspeicher mit 10.000 m³ bzw. 75.000 m³ sowie eine 1,5 MWth Kompressionswärmepumpe mit CO2 als Kältemittel in das Fernwärmenetz der Stadt. Andere kommunale und kleinstädtische Fernwärmeversorgungsunternehmen profitieren von den langjährigen Erfahrungen aus Marstal, was in Folge zur Planung und Umsetzung noch größerer Solarsysteme mit solaren Deckungsanteilen im Bereich von 45 – 55% als Auslegungsziel beigetragen hat (vgl. Dronninglund, Vojens, Abbildung 1). Daneben werden weiterhin, vor allem aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus, Fernwärmenetze basierend auf Erdgas-KWK-Anlagen um große Solarkollektorfelder erweitert sowie neue Anlagenkonfigurationen erfolgreich erprobt (vgl. Thisted, Taars, Abbildung 4).

In Summe resultiert aus diesen Entwicklungen ein in Dänemark überproportional wachsender Markt im Bereich solargestützter Fernwärmenetze (Abbildung 2).

Abbildung 2: Entwicklung großer solarer Fernwärmesysteme in Dänemark inkl. geplanter Anlagen. Quelle: PlanEnergi

Marktentwicklung in Dänemark

Dänemark ist das einzige Land weltweit mit einem kommerziellen Markt für solare Großanlagen. Mit Mai 2015 waren insgesamt 61 Anlagen mit einer installierten thermischen Spitzenleistung von 403 MWth (576,132 m²) in Betrieb und weitere 28 Anlagen mit 395 MWth (564,179 m²) befinden sich derzeit in Bau oder Planung. Ein Trend in Richtung steigender Anlagengrößen ist klar erkennbar: Die 61 Anlagen mit Mai 2015 haben eine durchschnittliche Anlagengröße von 9.445 m². Die 28 projektieren Anlagen für 2015 und 2016+ brechen mit durchschnittlich rund 40.000 m² zukünftig weiterhin alle Größenrekorde.

Diese Entwicklung ist umso erstaunlicher, da es in Dänemark keine direkten staatlichen Förderungen für solare Großanlagen gibt, wie sie beispielsweise in Deutschland oder Österreich unerlässlich sind - was also sind die Erfolgsfaktoren für diese beispiellose Marktdurchdringung in Dänemark?

„Gesunder“ Wettbewerb zwischen Systemanbietern für solare Großanlagen

Der Wettbewerb zweier dänischer Kollektorhersteller um den wachsenden Markt führte zu sinkenden Preisen. Heute werden Turn-key-Lösungen um etwa 200 €/m² angeboten, wobei dieser Preis für die größten Systeme exklusive Speicher gilt.

Niedriges Zinsniveau für die Investoren

Fernwärme-Betreibergesellschaften erhalten Darlehen mit langen Rückzahlzeiten und sehr niedrigen Zinsen. Diese Darlehen werden von den Gemeinden/Städten garantiert, das heißt die Gemeinde bürgt für die Fernwärmegesellschaft. Die Möglichkeit günstiger Finanzierungsformen mit langen Rückzahlzeiten wirkt sich positiv auf die Durchführbarkeit von Investitionen mit hohen Anfangskosten, wie sie bei solaren Wärmesystemen mit oder ohne Wärmespeicher auftreten, aus.

Non-Profit Betreibermodelle („Verbrauchergenossenschaften“)

Fernwärmebetreibergesellschaften sind oft im Besitz der Verbraucher. Das Ziel für die Betreibergesellschaft ist daher nicht Profit für Stakeholder, sondern die Bereitstellung von Wärme zu geringstmöglichen Gesamtkosten. Die Gesetzeslage in Dänemark erfordert es, dass die Wärmepreise die Produktionskosten widerspiegeln müssen, inklusive fixer Kosten wie Administration und Finanzierungskosten. Das bedeutet, dass die Investition langfristig sinnvoll sein muss.

Steuern auf fossile Energieträger und volatile Strommarktpreise aufgrund hoher Windenergieeinspeisungen in Dänemark

In Dänemark gibt es hohe Steuern auf Gas. In einigen kleinen, dezentralisierten, gasbetriebenen KWK-Anlagen laufen die Kessel bei niedrigen, mittleren und hohen Strompreisen. Typischerweise sind die Strompreise im Sommer niedriger als im Winter. Das bedeutet, dass ein solares Fernwärmenetz, das etwa 20 % des jährlichen Verbrauchs deckt, den teuren Kesselbetrieb substituieren kann.

„Handelbare“ Zertifikate aufgrund von Solarthermieeinspeisung in Wärmenetze

Alle Fernwärmegesellschaften müssen jedes Jahr bestimmte Wärmeeinsparungen erreichen. Solare Wärmeproduktion zählt vom ersten Jahr an als Wärmeeinsparung, und es ist möglich damit zu handeln. Dadurch generiert das solare Fernwärmesystem einen Wert, der entsprechend der solaren Wärmeproduktion eines Jahres etwa 50 €/MWh beträgt. Diese Möglichkeit besteht für Anlagen, die bis 2016 umgesetzt werden und auch wenn sie nicht fortgesetzt wird, kann voraussichtlich eine Wirkung auf die solare Fernwärmeerzeugung festgestellt werden.

Der oben erwähnte Wettbewerb zwischen den Kollektorherstellern hat kürzlich zu einem Zusammenschluss der beiden Unternehmen unter dem Namen Arcon-Sunmark geführt. Obwohl die Produktionskapazität von beiden Firmen beibehalten werden soll, scheint dies nicht genug zu sein. Die Firma hat beschlossen, die Kapazität der Produktionslinie in Skørping, Dänemark, auf das Doppelte zu erhöhen. Es scheint, dass Arcon-Sunmark viel Vertrauen in die zukünftige Entwicklung von Großanlagen im Bereich solarer Fernwärmenetze setzt.

Abbildung 3: Landkarte der großen solaren Fernwärmesysteme in Dänemark (Stand Mai 2015). Quelle: PlanEnergi

Neue Player am Markt

Kollektoren von Arcon und Sunmark sind fast die einzigen Marken, die sich in der dänischen SDH-Landkarte (SDH - solar district heating; solare Fernwärme) wiederfinden (Abbildung 3), aber andere Mitbewerber treten in den dänischen Markt ein: Ein bestehendes 9.700 m² Kollektorfeld in Løgumkloster wird beispielsweise um insgesamt 5.600 m² Kollektorfläche vom finnischen Hersteller Savosolar erweitert. In Thisted demonstriert das dänische Unternehmen Aalborg CSP den Einsatz von Parabolrinnenkollektoren für die Verwendung im Fernwärmenetz (Abbildung 4).

Abbildung 4: 830 m² konzentrierende Solarkollektoren für die Fernwärme in Thisted, Dänemark. Quelle: The Green Thread, green.thisted.dk

Ein weiteres System, das konzentrierende Kollektoren nutzt, wird in Taars, Dänemark, errichtet. Das System wird ein hybrides solares Fernwärmesystem sein, mit einem Mix aus etwa 6 000 m² Flachkollektoren und 4 000 m² konzentrierende Kollektoren. Die Flachkollektoren werden verwendet um das Wasser vorzuwärmen, bevor die konzentrierenden Kollektoren die Temperatur auf das erforderliche Niveau heben. Die niedrigere Temperatur der Flachkollektoren führt zu einer höheren Kollektoreffizienz. Es wird erwartet, dass der solare Anteil der Wärmeerzeugung etwa 31 % betragen wird. Auch ohne saisonalen Wärmespeicher kann dies ohne Überhitzung erreicht werden, da die konzentrierenden Kollektoren „ausgeschalten“ werden können indem man sie aus der Sonne kippt, wenn der Bedarf im Vergleich zum solaren Wärmeangebot zu gering und der Kurzzeitspeicher gefüllt ist.

Neue saisonale Erdbeckenwärmespeicher – größere Volumina mit größeren Solarkollektor-Feldern

Der Trend hin zu noch größeren thermischen Solaranlagen ist neben der Erdgas und Strompreissituation in Dänemark vor allem durch zwei Aspekte getrieben: Skaleneffekte führen zu einer weiteren Reduktion der Investitionskosten für solare Großanlagen und für solare Deckungsanteile >20% sind mitunter größere Kollektorflächen sowie zusätzliche Langzeitwärmespeicher erforderlich.

Typische solare Deckungsanteile dänischer Anlagen ohne saisonale Wärmespeicherung liegen im Bereich von 5 – 20 % (zur Abdeckung der Sommer-Grundlast). Höhere solare Deckungsanteile sind nur mittels Langzeitwärmespeicherung möglich, wobei sich insbesondere Erdbeckenwärmespeicher als aussichtreiche, funktionale und sehr kostengünstige Möglichkeit zu etablieren scheinen.

Mehrere Erdbeckenwärmespeicher werden derzeit errichtet oder geplant. Die Investition in einen großen saisonalen Wärmespeicher sollte nicht nur als Mittel betrachtet werden Wärme vom Sommer in den Winter zu transferieren. Die Verfügbarkeit eines saisonalen Wärmespeichers eröffnet zusammen mit unterschiedlichen Technologien der Energieerzeugung vielfältige Möglichkeiten der Optimierung des Systembetriebs und in weitere Folge der Senkung der Gesamtkosten. Ein Speicher macht die Nutzung eines großen Anteils verschiedener erneuerbarer Energietechnologien möglich, indem er als Puffer fungiert und Zeiten mit hoher Wärmeerzeugung von Zeiten mit hohem Wärmebedarf entkoppelt. Dadurch verbindet der Speicher die verschiedenen Systeme und verbessert den Betrieb des Gesamtenergiesystems inklusive der Verwendung von Solarkollektoren.

Einen Vorteil bietet der Einsatz von Wärmepumpen zusammen mit Erdbeckenwärmespeichern. Dadurch kann der untere Bereich des Speichers gekühlt werden und die tieferen Temperaturen, die dann für den Solarkollektor zur Verfügung stehen erhöhen die Kollektoreffizienz. In Dronninglund entzieht eine Absorptionswärmepumpe dem Erdbeckenspeicher Wärme, wenn diese zu gering ist, um das Fernwärmenetz zu versorgen. Die Hochtemperatur- Antriebswärme (160°C) für den Austreiber der Absorptionswärmepumpe wird über einen eigenen Hochdruckkreis von einem Pflanzenölkessel bereitgestellt. In Abbildung 5 ist der Erdbeckenwärmespeicher von Dronninglund abgebildet.

Auf ähnliche Weise kann auch eine elektrisch betriebene Wärmepumpe genutzt werden. Dies ist in Marstal (Leo Holm, „Die größte Solarthermieanlage Europas“, Zeitschrift „erneuerbare energie“ 2011-02, Gleisdorf 2011, p.7-9)der Fall und ein ähnlicher Ansatz wird in Gram verfolgt, wo ein 122 000 m² großer Erdbeckenwärmespeicher im Sommer 2015 fertiggestellt wird.

Das zuletzt errichtete und größte solare Fernwärmesystem wurde kürzlich mit einer Solarkollektorfläche von etwa 70 000 m² und einem Erdbeckenspeichervolumen von 203 000 m³ in Vojens in Betrieb genommen. Die solare Deckung an diesem Standort soll 45-50 % erreichen.

Ein wichtiger Faktor für Realisation und Planung neuer saisonaler Erdbeckenspeicher ist die Tatsache, dass ein neues Liner-Materialzur Abdichtung bzw. Abdeckung des Speichers auf den Markt gekommen ist, deren Hersteller 20 Jahre Haltbarkeit garantiert, solange die Temperatur nicht über 90°C steigt.

Abbildung 5: Saisonaler Erdbeckenwärmespeicher in Dronninglund mit dem Solarkollektorfeld im Hintergrund. Quelle: Dronninglund Fjernvarme

Weitere Ansätze zur Nutzung von Solarwärme und saisonalen Speichern

Obwohl die Entwicklung von sehr großen solaren Fernwärmesystemen und saisonalen Wärmespeichern eng zusammenhängt, kann der Einsatz auch getrennt erfolgen, wenn entsprechende Bedingungen vorliegen. Da beide Technologien nun bekannt sind, wird nach neuen Anwendungsfeldern gesucht. Ein Beispiel ist der Einsatz eines Erdbeckenwärmespeichers mit 100 000 m³, dessen Beladung mit Wärme aus der Fernkälteerzeugung in den Außenbezirken von Kopenhagen erfolgen soll. Gleichzeitig sucht der Energieversorger Kopenhagens nach Speichermöglichkeiten (Erdbeckenwärmespeicher oder druckbehaftete/drucklose Pufferspeicher), um den Betrieb der zentralen KWK-Anlage zu Zeiten geringer Strompreise zu vermeiden. Wärme aus derartigen Speichern könnte den teuren Spitzenlastbetrieb ersetzen. Ein Projekt mit dem Ziel Art, Größe, Ort und Umsetzbarkeit solcher Speicherkonzepte in Kopenhagen zu bestimmen, ist für 2016 geplant. Eine interessante Möglichkeit für die Nutzung von Speichern bietet die Errichtung einer neuen Biomasse-KWK-Anlage. Durch einen Speicher können die erforderliche Anlagenleistung reduziert und dadurch Investitionskosten für die KWK-Anlage eingespart werden.

Mittlerweile werden solare Fernwärmenetze mit mehr als 100 000 m² ohne die Errichtung von saisonalen Speichern geplant um Städte zu versorgen. Da der Wärmeverbrauch im Fall dieser Städte viel größer ist als bei einem typischen dänischen solaren Fernwärmesystem, wird die solare Deckung 20 % nicht überschreiten. Ein Langzeitwärmespeicher ist daher nicht erforderlich. Der Markt für saisonale Wärmespeicher als auch für solare Fernwärmenetze wächst in Dänemark weiter und es scheint, dass die Rekordmarke des weltgrößten solaren Fernwärmesystems in den kommenden Jahren noch überboten werden wird.

Weitere Informationen über solare Fernwärmesysteme finden sich unter folgendem Link:
http://solar-district-heating.eu/

Autorenbeschreibung

Daniel Trier, M.Sc. ist als Projektmanager bei der unabhängigen Beratungsfirma PlanEnergi (www.planenergi.eu) tätig und war bei vielen der in den letzten 20 Jahren in Dänemark umgesetzten solaren Fernwärmeprojekte beteiligt (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).

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