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Verbrauchen geht vor Speichern – Sonnenhäuser mit Bauteilaktivierung und kleinem Pufferspeicher

von Jan Steinweg, Jens Glembin, Nicolas-Kai Rudolph

Neben großen Kollektorfeldern weisen übliche Sonnenhäuser große und teure Pufferspeicher auf. Das ISFH und der Massivhaushersteller HELMA Eigenheimbau AG entwickeln ein neues Konzept, welches durch die Aktivierung vorhandener Massivbauteile im Gebäude gleich hohe solare Deckungsanteile erreicht, jedoch mit deutlich kleinerem Speicher auskommt und so Kosten einspart.

Abbildung 1: Experimentalgebäude mit neuartigem Sonnenhauskonzept kurz nach Inbetriebnahme des Gebäudes und der Anlagentechnik, Quelle: ISFH

Deutschlandweit hat die HELMA Eigenheimbau AG bereits 65 Sonnenhäuser errichtet. Das dabei üblicherweise realisierte Wärmeversorgungskonzept mit großen Kollektorflächen und großen Speichern (typisch für Einfamilienhäuser 5 m³ bis 10 m³) funktioniert und erfüllt laut aktueller Feldmessungen die energetischen Erwartungen [1]. Einer weiten Verbreitung stehen allerdings vor allem die vergleichsweise hohen Kosten des Konzepts, insbesondere für den Wärmespeicher entgegen. Dies betrifft nicht nur die direkten Kosten des Speichers selbst, sondern auch die indirekten Kosten durch das vom Speicher beanspruchte Gebäudevolumen. Im Folgenden wird dieses Konzept als Sonnenhaus 1 (SH 1) bezeichnet.

In einem am ISFH neu entwickelten Sonnenhaus- Konzept, Sonnenhaus 2 (SH 2), wird das Speichervolumen auf unter 1 m³ bis 1,5 m³ reduziert. Neben der Kosteneinsparung können so die sommerlichen Wärmeeinträge durch Verluste des Speichers im Vergleich zum SH 1 reduziert werden. Das mindert das Überhitzungsrisiko und verbessert die thermische Behaglichkeit. Um weiterhin einen hohen solaren Deckungsanteil zu erzielen, wird die thermische Masse des Gebäudes durch eine Aktivierung des Betonkerns von Boden- und Deckenplatten erschlossen. Diese wird direkt mit dem Sonnenkollektorkreis verbunden und ist so in der Lage, einen erheblichen Teil der Raumbeheizung auf geringem Temperaturniveau zu übernehmen. Detaillierte FEM- Simulationsstudien zur hydraulischen Auslegung der aktivierten Elemente, publiziert von Büttner et al., zeigen, dass bereits mit großen Rohrleitungsabständen von ca. 0,5 m eine Deckung der Gebäudegrundheizlast bis 0 °C Außentemperatur möglich ist [2]. Die resultierende geringe Rohrlänge ermöglicht den Verzicht auf eine weitere Unterverteilung und ist kostengünstig realisierbar. Die restliche Raumbeheizung erfolgt über konventionelle Heizkörper. Diese werden wie auch die Frischwasserstation für die Warmwasserbereitung vom Pufferspeicher versorgt, der neben der Solaranlage von einer Nachheizung erwärmt wird. Die Nachheizung ist hier eine Wärmepumpe, deren Wärmequelle ein Erdreichwärmetauscher ist, beispielsweise ein Erdwärmekollektor. Prinzipiell kann als Nachheizung auch ein Holzofen eingesetzt werden, wie dies gewöhnlich in Sonnenhäusern geschieht. Der Einsatz einer Wärmepumpe bietet Vorteile, z. B. wenn Überschüsse an regenerativ erzeugtem Strom im Netz vorhanden sind oder ein bilanzieller Energieverbrauchsausgleich mithilfe eigenen PV- Stroms erzielt werden soll. Zudem kann über einen zusätzlichen Wärmeübertrager die solare Wärme in den Erdreichkreis eingebunden werden. So ist es nicht nur möglich, das Erdreich solar zu regenerieren, sondern auch den Sonnenkollektor im Sommer gezielt zu kühlen, um die Stagnationsstunden zu reduzieren bzw. eine Stagnation komplett zu verhindern. Die zusätzlichen solaren Erträge im Erdreich ermöglichen eine knappe Dimensionierung des Erdwärmekollektors und können so die Systemkosten weiter reduzieren. Abbildung 2 zeigt das Energie­flussschema für das SH 2-Konzept.

Abbildung 2: Schematische Darstellung der Wärmeströme im SH 2, Quelle: ISFH

Simulationsgestützte Systemanalyse

Zum Vergleich der Leistungsfähigkeit beider Sonnenhauskonzepte werden Simulationsstudien in TRNSYS mit dem Standort Zürich durchgeführt. Beheizt wird ein Gebäude mit 184 m² Wohnfläche, einem Heizbedarf von 7100 kWh/a und einem Trinkwarmwasserbedarf von 2200 kWh/a. Dies erfolgt mit einem 32 m² großen Kollektorfeld, 45° südorientiert, einem 7,3 m³ (SH 1) bzw. 1,5 m³ (SH 2) großen Speicher, einer Wärmepumpe mit regenerierbarem Erdwärmekollektor und im SH 2 mit einer rein solarthermisch betriebenen Bauteilaktivierung.

Die monatlichen Solarerträge für SH 1 und SH 2 sind in Abbildung 3 grafisch gegenübergestellt. Dabei wird für SH 2 durch gestapelte Flächen nach Solarwärme, die in den Speicher (SP), die Bauteilaktivierung (BTA) und den Erdwärmekollektor (EWK) eingebracht wird, unterschieden. SH 1 bedient nur den Speicher als Senke der Solaranlage (orangefarbene Linie).

Abbildung 3: Monatliche Solarerträge von SH 1 und SH 2 aus den Systemsimulationen, für SH 2 Darstellung aufgeteilt nach den verfügbaren Senken Speicher (SP), Bauteilaktivierung (BTA) und Erdwärmekollektor (EWK), Quelle ISFH

Im neuen SH 2 Konzept ergibt sich während der Heizperiode (Oktober bis März) ein signifikanter Anteil des Solarertrags (55 % bis 85 %), der in die BTA eingebracht und direkt für die Gebäudebeheizung genutzt wird. Hohe Anteile treten vor allem in den Wintermonaten auf, weil die schwache Einstrahlung hier meist nicht ausreicht, um den Kollektor lohnend auf Speichertemperatur zu betreiben. Der Wärmeeintrag in die BTA kann die Einbußen infolge des kleineren Wärmespeichervolumens gegenüber SH 1 sogar überkompensieren. Der winterliche Mehrertrag liegt im Schnitt bei 30 %. Ermöglicht wird dieser Mehrertrag durch den häufigeren winterlichen Kollektorbetrieb auf geringer Betriebstemperatur der Bauteilaktivierung.

Des Weiteren zeigt Abbildung 3, dass das SH 2 Konzept im Sommer deutlich weniger Solarertrag generiert als das SH 1-Konzept. In dieser Zeit besteht kaum bzw. kein Raumheizbedarf, sodass die Bauteilaktivierung nur selten beladen werden kann. Das kleinere Speichervolumen im SH 2 kann dies nicht ausgleichen, wenngleich trotzdem beide Konzepte von April bis September solare Vollversorgung erreichen. Der sommerliche Mehrertrag von SH 1 resultiert in höheren Wärmeverlusten des großen Speichers. Dabei kann laut Glembin et al. trotz des großen Speichervolumens jedoch kein nennenswerter saisonaler Speichereffekt erkannt werden [3]. Wie in Steinweg et al. ausführlich beschrieben, führen diese zusätzlichen internen Wärmelasten im Gebäude dagegen zu Überhitzungen und damit zu einer Minderung des thermischen Komforts im Sommer [4]. Hier hat das neue Konzept den Vorteil, dass die ungeregelte sommerliche Wärmeabgabe durch das deutlich kleinere Speichervolumen vermindert wird. Die Verwendung der Bauteilaktivierung ermöglicht hingegen eine regelbare Raumwärmezufuhr und erhält so besser den thermischen Komfort in sommerlich warmen Wetterphasen.

Die graue gestapelte Fläche in Abbildung 3 zeigt den monatlichen Solarenergieeintrag in den Erdwärmekollektor (EWK). Dieser wird nur mit solarer Wärme beladen, wenn weder die BTA noch der Wärmespeicher beladen werden können. In Fällen geringer Kollektortemperatur wird der EWK solarthermisch regeneriert und ggf. als kalte Senke genutzt, um die Stagnation des Sonnenkollektors zu verzögern. Das Diagramm zeigt, dass nahezu der komplette Solarertrag in den Erdwärmekollektor in den Monaten März bis Oktober anfällt. Der Großteil der auf geringem Temperaturniveau anfallenden winterlichen Solarwärme kann effektiver direkt für die Heizungsunterstützung durch die Bauteilaktivierung genutzt werden. Das am Ende des Winters abgekühlte Erdreich kann schließlich im Frühjahr mit solaren Überschüssen schnell regeneriert werden, sodass die Wärmepumpe effektiver arbeiten kann und Vegetationsverzögerungen vermieden werden. Damit ist auch eine deutlich knappere Dimensionierung des EWK möglich.

In den Sommermonaten hilft der EWK die Stagnationszeiten des Kollektors gering zu halten und so Material zu schonen und Wartungsintervalle zu vergrößern. Im Vergleich zum SH 1 kann im SH 2 die Stagnationszeit des Kollektorfeldes um knapp 90 % auf nur sieben Stunden im Jahr gesenkt werden.

Der Vergleich der Jahresenergiebilanzen beider Konzepte wird in Tabelle 1 vorgenommen. Insgesamt ergibt sich für das SH 2 ein elektrischer Energieverbrauch für die Wärmepumpe und alle Nebenaggregate (Pumpen, Regler) von 1702 kWh/a. Auf die Wohnfläche bezogen resultiert daraus ein Hilfsstromverbrauch für Heizung von 9,25 kWh/m²a.

Tabelle 1: Simulationsergebnisse und Vergleich beider Konzepte für ein Jahr, Quelle: ISFH

Die Simulationen zeigen, dass der Ansatz, die Raumheizwärme solar vorrangig über thermische Gebäudemassen bereit zu stellen, anstatt die Wärme über einen Pufferspeicher zu nutzen, wie erwünscht funktioniert. Das Volumen des eingesetzten Wärmespeichers kann signifikant gesenkt werden, während weiterhin ähnlich hohe solare Deckungsanteile und Energieeinsparungen wie bei bisher typischen Sonnenhäusern erzielt werden. Neben den prognostizierten geringeren Systemkosten zeigen sich zudem weitere Synergien des vorliegenden Konzepts wie eine bessere Sicherung der thermischen Behaglichkeit und eine Reduktion der Kollektorstagnationszeiten.

Errichtung eines Experimentalgebäudes

Um die vielversprechenden Simulationsergebnisse auf Praxistauglichkeit zu überprüfen, wird seit Januar 2015 in Hannover ein Wohngebäude mit 270 m² Nutzfläche auf drei Geschossen betrieben, in dem das neue Sonnenhauskonzept umfangreich messtechnisch untersucht und geprüft wird (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Von links nach rechts unten: Bauteilaktivierungsleitungen im EG des Rohbaus, Installation des Kollektorfelds, Heizzentrale des Experimentalgebäudes bei Inbetriebnahme, Quelle: ISFH

Das bewohnte Gebäude besitzt eine Kollektorfläche von 32 m² und einen 1 m³ Pufferspeicher. Die 8 kW Wärmepumpe greift auf einen 170 m² großen oberflächennahen Erdwärmekollektor zurück. Das Experimentalgebäude ermöglicht es, die Simulationsrechnungen zu überprüfen, weitere Optimierungen vorzunehmen und die Funktion des Konzepts an einem Gebäude nachzuweisen. Darüber hinaus können aus dem Bau reale Umsetzungserfahrungen gewonnen werden. Außerdem wurden in der Planung erstmals konkret die sonnenhausspezifischen Kosten für das Konzept ermittelt. Nach derzeitigem Stand liegen diese bereits für den ersten Prototyp unter denen eines konventionellen Sonnenhauses, wobei weitere Einsparungen z. B. bei größeren Stückzahlen oder noch zu realisierenden konstruktiven Vereinfachungen möglich sind.

Referenzen

  1. Kobelt S., Bestenlehner D., Drück H. et al. (2013), Messtechnische Analyse von neun SolarAktivHäusern, Tagungsband 23. Symposium Thermische Solarenergie, Bad Staffelstein
  2. Büttner Ch., Steinweg J., Glembin J.et al. (2014), Bauteilaktivierung als Grundlastheizung in einem neuen Sonnenhauskonzept – Modellvergleich und Simulation, Proceedings oft he 5th German – Austrian IBPSA Conference Bausim 2014, Aachen
  3. Glembin J., Büttner Ch., Steinweg J. et al. (2014), New Control Strategy for Solar Thermal Systems with Several Heat Sinks, Proceedings of the Eurosun 2014 Conference, International Solar Energy Society
  4. Steinweg J., Glembin J., Büttner Ch. et al. (2014), Sonnenhäuser mit Bauteilaktivierung und kleinem Pufferspeicher - Systemperformance und Behaglichkeit, 11. Internationale Konferenz für solares Heizen und Kühlen – Gleisdorf Solar, 25.-27. Juni 2014, AEE INTEC, Gleisdorf, Österreich

Autorenbeschreibung

Dipl.-Ing. (FH) Jan Steinweg ist Wissenschaftler mit dem Themenschwerpunkt Forschung/Entwicklung im Bereich thermische Energiesystemtechnik und Wärmespeicherung in Ein- und Mehrfamilienhäusern am Institut für Solarenergieforschung (ISFH).

Dipl.-Ing. (FH) Jens Glembin ist Wissenschaftler am Institut für Solarenergieforschung (ISFH) mit dem Themenschwerpunkt Forschung/Entwicklung und dynamische Energiesystemsimulationen im Ein und Mehrfamilienhausbereich.

Dipl.-Ing. Nicolas-Kai Rudolph ist bei der HELMA Eigenheimbau AG als Projektingenieur für innovative Konzepte tätig und bearbeitet dort das Forschungsvorhaben.

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