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Planung von Gebäuden mit solarthermischer Bauteilaktivierung

von Thomas Bednar, Simon Handler und Sabine Wolny

Mit den steigenden Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden steigt das allgemeine Interesse an intelligenten und kostengünstigen Lösungen zur Nutzung und/oder Speicherung von Umweltenergien. Im nachfolgenden Artikel werden das Potenzial der solarthermischen Bauteilaktivierung und deren systemische Randbedingungen aufgezeigt.

Entwicklung eines Rechenkerns zur dynamischen Simulation von Gebäuden mit Bauteilaktivierung

Abbildung 1: Bauteilaktivierter Zement-Simulationsraum am Gelände der Bauakademie Salzburg (Quelle: Bauakademie Salzburg, Innovation- und Forschungsstelle BAU, 2012)

Bei solarthermischen Anwendungen hängt die erreichbare Energieeinsparung neben der Kollektorfläche, der Anlagenhydraulik und -regelung sowie der Wärmeabgabesysteme insbesondere von der zur Verfügung stehenden Wärmespeicherkapazität ab. Um hohe Deckungsgrade zu erzielen, werden daher meist großvolumige Energiespeicher auf Wasserbasis eingesetzt. Neben dem Wärmespeichermedium Wasser stellen die massiven Bauteile der tragenden Gebäudestruktur ein geeignetes und kostengünstiges Speichermedium für solarthermische Wärme dar. Um die Speichermasse des Gebäudes zur Verbesserung der Energieeffizienz nutzen zu können, ist ein optimiertes Zusammenspiel von der Solarthermieanlage über die Regelung bis zum Gebäude selbst erforderlich. Die Berücksichtigung der Dynamik zwischen Bautechnik und Gebäudetechnik stellt eine der wesentlichen Herausforderungen im Zuge der Planung derartiger Gebäude dar [1].

Aus diesem Grund wurde in den vergangenen Jahren am Forschungsbereich für Bauphysik und Schallschutz der TU Wien im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte ein Rechenkern entwickelt, der es u.a. erlaubt das dynamische Verhalten von solarthermisch aktivierten Gebäuden zu untersuchen. Ein wesentlicher Teil der Entwicklungsarbeit wurde in die Validierung des thermisch gekoppelten Anlagen- und Gebäudesimulationsmodells gesteckt. Hierfür wurden am Gelände der Bauakademie in Salzburg drei solarthermisch aktivierte Simulationsräume errichtet und eine umfangreiche Messanlage installiert. Die erhaltenen Messdaten wurden dann mit den Ergebnissen des entwickelten Simulationsmodells verglichen. Abbildung 2 zeigt einen Ausschnitt der zum Zweck der Validierung des Berechnungsmodells durchgeführten Untersuchungen. Der entwickelte Rechenkern konnte anhand der Messungen in den Simulationsräumen erfolgreich validiert werden.

Abbildung 2: Vergleich zwischen gemessenem und simuliertem Verlauf der operativen Temperatur für einen Ziegel-Simulationsraum im Juni 2014, Quelle: TU Wien [2]

Solarthermische Bauteilaktivierung - Anwendung des Rechenkerns

Mit dem entwickelten und validierten Simulationstool wurde aufbauend auf vorhergehenden Forschungsarbeiten (u.a. Dissertation Heimrath, TU Graz [3]) im Rahmen einer am Forschungsbereich für Bauphysik und Schallschutz bearbeiteten Dissertation das Konzept der solarthermischen Bauteilaktivierung anhand eines Referenzgebäudes optimiert. Ausgehend von einer üblichen Solarthermieanlage mit externem Wärmetauscher wurde anhand von Simulationen ein optimiertes Anlagenschema entwickelt. Dieses beinhaltet zwei geschaltete Bypässe zur Umgehung des Pufferspeichers, um eine möglichst direkte Einspeisung solarthermischer Energie in die aktivierten Bauteile zu ermöglichen. Der Vorteil dieser Ausführung liegt einerseits in der Aufrechterhaltung der Schichtung im Speicher und andererseits wird ein Betrieb der Kollektoren auf einem sehr niedrigen Temperaturniveau und somit sehr hohen Wirkungsgraden ermöglicht. Abbildung 3 zeigt das entwickelte Anlagenschema mit den Bypässen zur Umgehung des Puffers.

Abbildung 3: Schematische Darstellung des untersuchten Gebäudekonzepts mit solarthermischer Bauteilaktivierung, Quelle: Handler [1]

Regelungsstrategie für solarthermische Bauteilaktivierung

Wie bei den meisten thermischen Speichern kann die aktive Speicherung von Energie innerhalb des Gebäudes nur durch einen Temperaturhub realisiert werden. Dieser logische Zusammenhang wurde in einer speziell für die solarthermische Bauteilaktivierung entwickelten Strategie zur Regelung der Raumtemperatur umgesetzt. Dabei werden zwei unterschiedliche Solltemperaturniveaus definiert. Im Anlagenzustand 1 (keine Solarenergie verfügbar) wird das Temperaturniveau verhältnismäßig niedrig angesetzt (z.B. 21 °C). Die Einhaltung der gewählten Temperatur wird in diesem Zustand durch gezielte Energieentnahme aus dem Pufferspeicher sichergestellt. Sobald solarthermische Energie zur Verfügung steht wird der Anlagenzustand 2 aktiv. Hier liegt die Solltemperatur höher als im Anlagenzustand 1. Es wird nun solange Solarenergie in die Bauteile eingespeichert, bis die neue Solltemperatur (z.B. 24 °C) erreicht wird. Durch den Temperaturhub wird Energie innerhalb des Gebäudes gespeichert, welche nun zur Abdeckung der Transmissions- und Lüftungsverluste zur Verfügung steht. Im optimalen Fall reicht die gespeicherte Energiemenge aus, um die Temperatur im Gebäude über der Solltemperatur im Anlagenzustand 1 zu halten bis das nächste Mal Sonnenenergie in die Bauteile eingespeichert werden kann. Anderenfalls wird wieder Energie aus dem Pufferspeicher entnommen um die minimale Temperatur im Gebäude sicherzustellen. Abbildung 4 zeigt schematisch die Funktionsweise der auf die Anforderungen der solarthermischen Bauteilaktivierung angepassten Regelstrategie.

Abbildung 4: Schematische Darstellung einer auf die solarthermische Bauteilaktivierung angepassten Regelstrategie, Quelle: Handler [1]

Durch die Bypässe zur Umgehung des Puffers und die angepasste Regelstrategie lässt sich der solare Deckungsgrad des untersuchten Referenz-Einfamilienhauses um bis zu 15% steigern. Die größte Wirkung zeigen die getroffenen Maßnahmen bei Anlagenkonfigurationen mit geringem Pufferspeichervolumen und großen Kollektorflächen. Der berechnete solare Deckungsgrad für das Referenzgebäude mit einer Kollektorfläche von 36 m² und verschiedenen Pufferspeichervolumina ist in Abbildung 5 grün (A-Variante) dargestellt. Es wurde weiter analysiert, welche Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz eines solchen Gebäudes bestehen und welche Randbedingungen den größten Einfluss auf die erreichbare Energieeinsparung haben. Im Rahmen der Untersuchungen stellte sich die Qualität der thermischen Gebäudehülle als wesentlichster Faktor zur Beeinflussung des solaren Deckungsgrads dar.

Abbildung 5: Darstellung verschiedener Möglichkeiten zur Steigerung des solaren Deckungsgrads bzw. Senkung des Nachheizbedarfs ausgehend von einer Gebäudevariante mit einem ges. Transmissionsleitwert von 143 W/K in Ziegel-Stahlbeton-Mischbauweise mit Bauteilaktivierung (min. Solltemperatur 22 °C) am Standort Wien, Quelle: Handler [1]

Ausblick

Die Ermittlung der Energieeffizienz spielt im Zuge der Planung von Gebäuden zunehmend eine zentrale Rolle. Technologien zur Nutzbarmachung von Sonnenenergie nehmen in diesem Zusammenhang eine besondere Stellung ein, da diese Energiequelle nicht konstant zur Verfügung steht, sondern starken zeitlichen Schwankungen unterzogen ist. Diese Dynamik ist im Zuge der Energieausweisberechnung nach dem Monatsbilanzverfahren nicht abbildbar. Die Erkenntnisse aus der Entwicklung und Anwendung des Rechenkerns werden derzeit im Rahmen des Projekts „SolCalc“ [4] eingesetzt, um einen normierbaren Rechenalgorithmus für die Planung und die Energieausweiserstellung für Gebäude mit hohem solarem Deckungsgrad zur Verfügung stellen zu können. Das Projekt läuft seit Oktober 2013 und endet im Oktober 2016 und wird vom BMVIT über den FFG, den Bundesländern und von Industriepartnern gefördert und mitfinanziert. Das Projekt hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, dasNutzerverhalten zur Bestimmung des Energiebedarfs für Raumheizung und Warmwasser abzubilden, ein Qualitätslabeling für Solaranlagen und einen Rechenalgorithmus für die Simulation von Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern zu erstellen. Dieser wird mit Hilfe von Web Services ansprechbar sein und anhand realer Gebäudedaten validiert werden. Schließlich soll dadurch ein Normvorschlag mit einer detaillierten Simulation von Wohngebäuden mit einem solaren Deckungsbeitrag bis zu 100% eingebracht werden.

Danksagung

Die Entwicklung und Validierung des Rechenkerns wurde im Rahmen der von der FFG, der VÖZ und der Bauakademie Salzburg geförderten Projekte „Thermische Bauteilaktivierung - Entwicklung eines Rechenkerns (TBA-CALC)“ [5], „Solares Heizen und Klimatisieren über Bauteilaktivierung“ [6] sowie „Thermische Behaglichkeit mit Ziegel und Beton“ [2] durchgeführt. Das derzeit laufende Projekt „SolCalc“ [4], welches die Entwicklung eines normierbaren Rechenalgorithmus zur detaillierten Abbildung solarthermischer Anlagen im Energieausweis zum Ziel hat, wird in Zusammenarbeit mit AEE Niederösterreich, Asgard Solarkollektoren GmbH, Austria Solar, Bramac Dachsysteme International GmbH, GREENoneTEC Solarindustrie GmbH, Initiative Sonnenhaus Österreich, Initiative Ziegel Österreich, ökoFEN, Pink GmbH, Siko Solar GmbH, Solarfocus GmbH, Sonnenkraft, Technische Alternative Elektronische Steuerungsgerätegesellschaft m.b.H., Viessmann Ges.m.b.H., Wienerberger Ziegelindustrie und Vertretern aller Bundesländer betreffend Energieberatung und Energieausweis sowie der TU Wien Institut für Energietechnik und Thermodynamik und Institut für Hochbau und Technologie Forschungsbereich Bauphysik und Schallschutz bearbeitet.

Literatur

  1. Simon Handler: Steigerung der Effizienz von kleinvolumigen Wohnbauten durch solarthermische Aktivierung von Betondecken. Dissertation an der Technischen Universität Wien, 2013.
  2. Thomas Bednar, Simon Handler, Sabine Wolny: Thermische Behaglichkeit mit Ziegel und Beton (Forschungsprojekt im Auftrag der BAUAkademie Lehrbauhof Salzburg). Wien, 2015
  3. Heimrath Richard: Simulation, Optimierung und Vergleich solarthermischer Anlagen zur Raumwärmeversorgung für Mehrfamilienhäuser. Dissertation an der Technischen Universität Graz, 2004
  4. Thomas Bednar, Karl Ponweiser, Dominik Bothe, Matthias Gladt, Maximilian Neusser, Sabine Wolny, Simon Handler, Barbara Alexander-Bittner: SolCalc – Entwicklung eines normierbaren Rechenalgorithmus für die Energieverbrauchsabschätzung und die Energieausweiserstellung von Wohngebäuden mit einem solaren Deckungsgrad bis 100% unter Berücksichtigung optimaler Einbindung von Biomasse und Wärmepumpen (Zwischenbericht). Wien, 2014
  5. Friembichler Felix, Bednar Thomas, Handler Simon, Gladt Matthias, Neusser Maximilian, Hofer Richard, Schöberl Helmut: Thermische Bauteilaktivierung – Entwicklung eines Rechenkerns. Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie Wien, 2013.
  6. Thomas Bednar, Simon Handler, Sabine Wolny: Solares Heizen und Klimatisieren über Bauteilaktivierung (Forschungsprojekt im Auftrag der ARGE Bauteilaktivierung). Wien, 2015

Autorenbeschreibung

Ao. Univ. Prof. Dipl-Ing. Dr. techn. Thomas Bednar ist Leiter des Forschungsbereichs für Bauphysik und Schallschutz der TU Wien, Institut für Hochbau und Technologie
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Dipl.-Ing. Dipl.-Ing. Dr. techn. Simon Handler ist in Forschung & Beratung im Bereich Energietechnik und Bauphysik bei der hbo-service GmbH tätig.
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Dipl.-Ing. Sabine Wolny ist als Projektassistentin an der TU Wien, Institut für Hochbau und Technologie, im Forschungsbereich für Bauphysik und Schallschutz tätig.
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