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Optimierte zentrale Lüftungssysteme für den Wohnbau

Zur Steigerung des Wohnkomforts in Mehrfamilienhäusern (MFH) ist der Einsatz hochwertiger Lüftungssysteme ein wesentlicher Bestandteil. Kosten und Energieeffizienz der bisher installierten Anlagen zeigen aber noch deutliches Optimierungspotenzial. Dazu wurde im Projekt „low_vent.com“ während der letzten Jahre untersucht, wie zentrale Komfortlüftungen in mehrgeschossigen Wohngebäuden hinsichtlich Kosten und Stromeinsparungen optimiert werden können. Das heißt, wie sie mit vereinfachter Verteilung, Montage, Regelung und Bedienung, sowie mit einem hohen Potenzial zur Vorfertigung von Komponenten machbar wären. Vereinfachte „low tech“- bzw. optimierte innovative Lösungen im Sinne einer hohen NutzerInnenqualität und einer verbesserten Energieeffizienz wurden gefunden und Praxistests unterzogen.

Warum ist eine Wohnraumlüftung überhaupt notwendig?

Die Notwendigkeit einer mechanischen Lüftung ergibt sich vor allem aus drei Aspekten, die auch in der OIB-Richtlinie 2011 [1] bzw. in den Bauordnungen der Länder ihren Niederschlag finden:

  • Gesundes Raumklima
  • Schimmelfreie Gebäude
  • Energieeffizienz

Die Forderungen nach ausreichender Luftqualität und schimmelfreien Gebäuden sind in der OIB-Richtlinie 3 [2] verankert. Eine gesicherte Schimmelfreiheit ohne Einfluss des NutzerInnenverhaltens ist nur mit einer mechanischen Lüftung möglich. Auch die Einhaltung eines gesunden Raumklimas mit maximal 1.400 ppm CO2-Konzentration (max. IDA-Kategorie 3 [3]) lässt sich zumindest im Schlafzimmer in der Realität ohne mechanische Lüftung nicht einhalten. Der von der EU ab 2020 geforderte Gebäudestandard „Niedrigstenergiegebäude“ ist ohne Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung schwer realisierbar. Gesamtheitlich betrachtet führt an einer Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung (WRG) im MFH kein Weg vorbei.

Abbildung 1: Ein Lüftungsgerät - vorgefertigt und passgenau über dem Steigstrang am Dach gesetzt. Quelle: UIBK, Pichlerluft

Die Lüftung schon in der Wettbewerbsphase berücksichtigen

Die Integration der Lüftung muss schon in der Phase des Architektur-Wettbewerbs in einem integralen Planungsprozess berücksichtigt werden. Die Leitungswege und der Platzbedarf sollten schon mit der Planung der Grundrisse definiert werden um an Investitions- und später auch an Betriebskosten zu sparen.

Zur Hilfe wurden eine Liste von Kriterien sowie eine Info-Broschüre erstellt (online unter http://www.komfortlüftung.at/mehrfamilienhaus/info-planerbautraeger/architektenwettbewerb/). Die wesentlichen, die Lüftung betreffenden Entscheidungen, die schon in der Wettbewerbsphase getroffen werden müssen, wie z.B. die Position des Geräts und der Hauptleitungen, sind dort zusammengefasst und erklärt.

Optimierungspotenziale ausschöpfen

Wenn im Wohnbau bei der Lüftung von Kostenoptimierung gesprochen wird, sind meist nur die Investitionskosten gemeint. Unter Einbeziehung von Schimmelbeseitigungskosten, Wärmeenergieeinsparung und Förderungen ist eine Lüftung mit WRG über den Lebenszyklus jedoch auch ohne die Einrechnung von gesundheitlichen Aspekten eine lohnende Investition.

Eine zentrale Komfortlüftung sollte in Zukunft nicht mehr als EURO 3.500,- exkl. USt. pro Wohnung kosten. Im Projekt low_vent.com wurden Kostenoptimierungspotentiale systematisch untersucht. Die Ergebnisse sind über die Homepages der Projektpartner bzw. www.komfortlüftung.at im Bereich MFH über ein Visualisierungsmodell auch ohne das Studium eines langen Forschungsberichtes leicht zugänglich.

Die wesentlichen Bereiche mit Kostenoptimierungspotential bei Investition, Betrieb und Instandhaltung sind in Abbildung 2 angeführt. Der Bereich Entsorgung als letzter Teil der Lebenszykluskosten mit den Punkten Demontage, Ausbringung aus dem Gebäude und Recycling ist aus Übersichtlichkeitsgründen nicht dargestellt.

Abbildung 2: Optimierungspunkte zentraler Lüftungen im Mehrfamilienhaus. Quelle: TB Greml

Drei Wege führen zum Ziel

Um die Diskussion mit welchem technischen Ausstattungsgrad eine zentrale mechanische Lüftung im MFH am besten umgesetzt wird zu verkürzen, und um einheitlichere, kostengünstigere Systeme zu bekommen, wurden im Rahmen des Projektes low_vent.com drei Systeme vorgeschlagen:

Optimiertes Low-Tech System Zielkosten € 2.500,--/Whg. exkl. USt.
Optimiertes Standard System Zielkosten € 3.000,--/Whg. exkl. USt.
Optimiertes Komfort System Zielkosten € 3.500,--/Whg. exkl. USt.

Die drei Systemvarianten unterscheiden sich insbesondere in den drei Bereichen (siehe Übersicht in Abbildung 3):

  • Volumenstromregelung für die einzelne Wohnung,
  • Eingriffsmöglichkeit der NutzerInnen und
  • Regelung der Zentraleinheit.

Die Forderung der ÖNORM H 6038:2014 [4] auf Anpassung des Volumenstromes an die tatsächliche Belegung der Wohnung wird bei allen drei Systemen durch einstellbare Volumenstromregler, die zugänglich sein müssen, eingehalten. Die in derselben Norm geforderten zwei Betriebsstufen und die Möglichkeit der Abschaltung - Volumenstromregler schließt, Luftmenge ist bzw. muss aber nicht Null sein - bedarf beim Low-Tech System zumindest einer zugänglichen, händischen Regelklappe in der Wohnung, um das System formal ÖNORM-konform zu machen.

Eine spezielle Intensiv- bzw. Partystufe ist aus Kostengründen bei keinem der kostenoptimierten Systeme vorgesehen. Diese erfolgt über eine zusätzliche Fensterlüftung. Nur beim Komfort-System ist eine Intensivstufe indirekt inkludiert, da die CO2-Regelung den Volumenstrom z.B. bei einem Besuch u.ä. bis auf das eingestellte Maximum anhabt.

Befragungen von BewohnerInnen im Rahmen des Projektes low-vent.com haben gezeigt, dass sich die BewohnerInnen Regelungsmöglichkeiten des Lüftungssystems wünschen, diese aber nicht zu differenziert sein müssen. Wenn die Lüftungsanlage den Bedürfnissen der BewohnerInnen entsprechend gut voreingestellt ist, werden Regelungsmöglichkeiten auch kaum verwendet. Selbst dann ist es den BewohnerInnen aber oft ein Bedürfnis, zusätzlich zur mechanischen Lüftung die Fenster zu öffnen.

Abbildung 3: Überblick über die drei Lüftungssysteme im Mehrfamilienhaus (MFH) und deren Unterscheidungsmerkmale

Wo liegen die größten Energie-, Ressourcen- und Kostensparpotenziale?

Die größten Sparpotenziale liegen neben der schon angesprochenen integralen Planung in lüftungsfreundlichen Gebäudekonzepten und (Wohnungs-)Grundrissen, die für eine erweiterte Kaskadenlüftung geeignet sind (siehe Abbildung 4), einem Brandschutzkonzept, das ohne Brandschutzklappen nur mit Feuerschutzabschlüssen (FLI-VE) in Verbindung mit Kaltrauchsperren auskommt und der Dachaufstellung eines einzigen Lüftungsgerätes pro Gebäude.

Abbildung 4: Prinzip der erweiterten Kaskadenlüftung über einen optimalen Gebäudegrundriss. Quelle: UIBK, weitere Information unter http://phi-ibk.at/luftfuehrung/

Die erweiterte Kaskadenlüftung ermöglicht durch das Weglassen der Zuluft(ventile) im Wohnzimmer neben geringeren Investitionskosten vor allem auch geringe Gesamt-Volumenströme. Daraus resultieren ein geringerer Strombedarf und eine geringe Gefahr von trockener Raumluft.

Die frühzeitige Abstimmung von Brandschutz und Lüftungskonzept spart durch die Verringerung der Anzahl von Brandschutzkomponenten einerseits Investitionskosten und andererseits laufende hohe Inspektionskosten. Beim Brandschutzkonzept ist zu beachten, dass die Brandschutzeinheit „FLI-VE und Kaltrauchsperren“ zwar die derzeit kostengünstigste, nicht immer aber die energetisch günstigste Variante ist; die energetisch günstigste wäre derzeit der Einsatz von Brandschutzklappen mit freiem Querschnitt, die über ein Automationssystem und Stellmotor ausgelöst werden können. Ein System gänzlich ohne Brandschutzklappen ist nur bei einer Aufstellung des Lüftungsgerätes am Flachdach möglich, da nur in diesem Fall keine Brandschutzklappen zwischen Schacht und Gerät notwendig sind. Die Wohnungen werden dann mit FLI-VE und Kaltrauchsperren vom Versorgungsschacht getrennt.

Um bei der Situierung von Lüftungsgeräten am Dach keine Abschläge gemäß derzeit noch gültiger B 8110-6 [5] für die Wärmerückgewinnung (-10%) ansetzen zu müssen, ist die Ausführung als dachintegriertes Gerät ohne Luftleitungen im Freien notwendig (Beispiel siehe Abbildung 5).

Abbildung 5: Dachintegriertes Lüftungsgerät ohne Luftleitungen im Freien (Hinweis: Bei mehreren Schächten - Querverteilung unter der Dachdämmung!). Quelle: UIBK

Bei größeren Gebäuden mit mehreren Versorgungsschächten soll die Luftführung zwischen den Schächten unter der Dämmung des Daches erfolgen. Diese Luftverteilung ist im Normalfall immer günstiger als ein zweites Gerät oder eine gedämmte Luftführung im Freien.

Getestete Systeme

Ein bedarfsgeregelter, Volumenstrom-optimierter Anlagenbetrieb mit variabler Druckregelung und kommunizierenden Volumenstromreglern ist heute im Wohnbau noch eher die Ausnahme. Im Test einer sanierten Wohnanlage wurden damit Stromeinsparungen von ca. 35% gegenüber konventionell geregelten Systemen erreicht. Die Luftqualität war trotz ungünstigem Grundriss mit erweiterter Kaskadennutzung und an die Belegung und Tagesnutzung der Wohnungen angepasstem Volumenstrom sehr gut (siehe Abbildung 6 und 7).

Abbildung 6: Vergleich der indoor air quality nach EN 13779, CO2-geregelte Lüftungsgeräte mit erweiterter Kaskadennutzung. Quelle: AEE INTEC

Wem die Kosten für ein komfort- und effizienzoptimiertes System noch zu hoch sind, kann heute ein Low-Tech System umsetzen, welches jedoch die Voraussetzungen erfüllen sollte, bei der nächsten größeren Sanierung auf ein Komfort-System aufgerüstet zu werden.

Abbildung 7: Relative Luftfeuchtigkeit über CO2-Konzentration in den Wohnzimmern, Lüftungsgeräte mit CO2-Regelung, erweiterte Kaskadennutzung. Quelle: AEE INTEC

Projektpartner

Projektpartner im Projekt low_vent.com waren AEE INTEC, Universität Innsbruck, Energie Tirol, TB Andreas Greml und IFZ-Graz.

Dieses Projekt wurde aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „Neue Energien 2020“ durchgeführt.

Logos der Projektpartner

Literatur:

  1. Siehe Österreichisches Institut für Bautechnik (OIB): http://www.oib.or.at/oib-richtlinien/richtlinien/2011
  2. OIB-Richtlinie 3: Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, Oktober 2011
  3. ÖNORM EN 13779: Lüftung von Nichtwohngebäuden – Allgemeine Grundlagen und Anforderungen für Lüftungs- und Klimaanlagen und Raumkühlsysteme, 1. Jänner 2008
  4. ÖNORM H 6038: Lüftungstechnische Anlagen – Kontrollierte mechanische Be- und Entlüftung von Wohnungen mit Wärmerückgewinnung – Planung, Ausführung, Inbetriebnahme, Betrieb und Wartung, (1. Mai 2006, zurückgezogen) 15. Februar 2014
  5. ÖNORM B 8110-6: Wärmeschutz im Hochbau - Teil 6: Grundlagen und Nachweisverfahren - Heizwärmebedarf und Kühlbedarf, 1. Jänner 2010

Personenbeschreibung

DI Andreas Greml ist Geschäftsführer des gleichnamigen Technischen Büros und Obmann des Vereins „komfortlüftung.at” (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

DI Armin Knotzer ist Mitarbeiter von AEE INTEC, Bereich Nachhaltige Gebäude (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

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