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Neue Technologien für mehr Sonnenenergie in der Industrie

Von Christoph Brunner und Bettina Muster

Der Einfluss  industrieller Prozesse auf die Möglichkeiten der Integration von solarer Prozesswärme ist ein bedeutender Aspekt für das Design eines solaren Prozesswärmesystems. Bei Integration auf Prozessebene ist dieser Effekt besonders wichtig, da hier die solare Wärmeversorgung direkt mit dem industriellen Prozess interagiert. Aber auch bei der Integration solarer Prozesswärme in der Versorgungsebene (z.B. in das Dampfsystem oder Heißwassersystem) muss die Beeinflussung der gesamten thermischen Energieversorgung durch die Prozesstechnologien beachtet werden.

Abbildung 1: 630 m² konzentrierende Kollektoren liefern Prozesswärme für eine Käserei in Tête de Moine, Schweiz. Quelle: NEP Solar AG

Technologische Herausforderungen

In einem laufenden Projekt der internationalen Energieagentur  werden  die Themen Prozessintegration und Prozessintensivierung in Kombination mit solarer Prozesswärme mit internationalen Experten bearbeitet (IEA SHC Task 49/IV, Subtask B). In industriellen Prozessen bestehen grundsätzlich technologische Herausforderungen zur Integration von solarthermischer Prozesswärme. Hohe Prozesstemperaturen, niedrige Wärmeübertragungskoeffizienten, die große Temperaturgradienten erfordern, große Aufheizgeschwindigkeiten oder schwankende Prozesslasten (z.B. Chargen-Prozesse mit hohen Spitzenlasten) bilden Einschränkungen für die Integration.

Prozesstemperatur – Wirkungsgrad eines Solarkollektors

Betrachtet man die Effizienzkurve von Solarkollektoren, so wissen wir, dass die Kollektoreffizienz umso höher ist, je niedriger die mittlere Arbeitstemperatur des Kollektors ist. Das bedeutet, dass die Kollektorarbeitstemperatur sowohl durch die geforderte Versorgungstemperatur  als auch durch die Rücklauftemperatur des Solarkollektors beeinflusst wird. Diese Temperaturen hängen offensichtlich mit den erforderlichen Temperaturen auf der Prozessseite zusammen. Hohe Prozesstemperaturen sind daher eine der hauptsächlichen Schwierigkeiten bei der Integration von solarer Prozesswärme. Doch nicht nur die Versorgungstemperatur des Kollektorkreises, die direkt durch die Prozesstemperatur beeinflusst wird, ist relevant für die Effizienz, sondern auch die erreichbare Rücklauftemperatur, die wiederum durch die Wärmeübertragungsmöglichkeiten zwischen Prozessseite und Solarkreis beeinflusst wird. Je weiter sich die Rücklauftemperatur des Solarkreises der Prozesstemperatur annähert, desto größer wird die Temperaturdifferenz zwischen solarem Vorlauf und Rücklauf. Dadurch sinkt die mittlere Kollektortemperatur und der Wirkungsgrad des Kollektors steigt. Besonders in Prozessen mit niedrigen Wärmeübertragungskoeffizienten (z.B. Rührkesseln, siehe unten) muss die Rücklauftemperatur allerdings steigen, um große Temperaturkoeffizienten zwischen Versorgungsseite und Prozessseite für eine effektive Wärmeübertragung zu erreichen.

Für solar unterstützte Energieversorgungskreise mit Heißwasser als Energieübertragungsmedium sind große Aufheizgeschwindigkeiten ebenfalls eine Herausforderung. Entweder  muss die Triebkraft steigen, das heißt die Temperaturdifferenz zwischen Versorgungs-  und Prozessseite zunehmen, wodurch der Kollektorwirkungsgrad sinkt oder Wärmeübertragungsflächen werden groß und der erforderliche Massenstrom, der auf der Versorgungsseite gepumpt werden muss, steigt. Beide der genannten Konsequenzen werden die Wettbewerbsfähigkeit von solarthermischen Prozesssystemdesigns nicht verbessern. Ein Beispiel für Prozesse, die wegen hoher Spitzenlasten oft große Aufheizgeschwindigkeiten benötigen sind Batch-Prozesse (z.B. beim Anfahren). Die Diskontinuität von Batch-Prozessen kann zusätzlich eine wesentliche Einschränkung für solarthermische Integration darstellen, wenn durch die unregelmäßigen Betriebszeiten die notwendige Speicherkapazität steigt.

Wie oben erwähnt sind diese Einschränkungen nur teilweise relevant, wenn eine Integration in die Versorgungsebene betrachtet wird: natürlich werden Prozesstemperaturen die Versorgungstemperaturen beeinflussen und die Rücklauftemperaturen werden ebenfalls durch den Prozess beeinflusst. Dies trifft allerdings eher für wasserbasierte Versorgungssysteme und weniger für Dampfsysteme zu. Hohe Energiespitzen und schwankende Lasten werden eine Herausforderung darstellen, wenn nicht das solare Prozesswärmesystem derart gestaltet wird, dass es nur die Grundlast des thermischen Energiebedarfs abdeckt, die zeitlich recht konstant sein kann.

Prozessintensivierung

In den letzten Jahren wurden einige innovative Prozesstechnologien zur Prozessintensivierung entwickelt, die die Prozesseffizienz, die Produktqualität und /oder den Energieverbrauch verbessern. In den traditionellen produzierenden Betrieben, wie z.B. der Lebensmittelindustrie, wurden viele dieser Technologien aus vielfältigen Gründen noch nicht umgesetzt. Zuerst ist die Anwendbarkeit ein zentrales Thema. Die Lösungen sind sehr unterschiedlich in Bezug auf Industriezweig und Umsetzungsumfang. Eine Verallgemeinerung ist nicht immer möglich aufgrund technischer Unterschiede oder unterschiedlicher technischer Prozessanforderungen. Zweitens stehen die Entwicklungen großen Herausforderungen in der großtechnischen Anwendung gegenüber und nur eine kleine Anzahl von Pilotanlagen und praktischer Erfahrung ist vorhanden. Die Investitionskosten und Angst vor negativen Auswirkungen auf die Produktqualität sind zusätzliche Faktoren, die die Integration neuer Technologien nicht fördern.

Wenn von Prozessintensivierung die Rede ist, dann ist das Ziel höhere Produktivität mit kleinerer Anlagenausrüstung zu erreichen. Diese Steigerung im Produktausstoß unter Beibehaltung des Rohmaterialverbrauchs und Verringerung von Nebenprodukten und gleichbleibendem oder verringertem Energieverbrauch wird in vielen Fällen durch eine Steigerung des Massen- und/oder Wärmedurchsatzes erreicht. Oft sind diese Phänomene miteinander verknüpft, da in Prozessen, in welchen Wärmeübertragung den limitierenden Faktor darstellt auch der Massentransfer vergrößert werden kann, sobald die Limitierung in der Wärmeübertragung überwunden wird. Auf der anderen Seite erlaubt der durch physikalische Änderung des Prozessdesigns  erhöhte Massentransfer andere Prozesstemperaturen und könnte dadurch die Möglichkeit der Integration unterschiedlicher Energiequellen verändern. Dies wäre z.B. bei  Änderung  von einem Prozess der mit  Dampf versorgt wird zu einem membranbasiertem Prozess der Fall. Offensichtlich beeinflussen alle die Wärmeübertragungsgeschwindigkeiten und/oder die Energieversorgung des Prozesses betreffenden Intensivierungsstrategien das Potenzial für solare Prozesswärme.

Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Integration einer neuen Energieversorgung ist die Kontinuität des Prozessenergiebedarfs. In vielen Fällen ist es der Wechsel von Chargenbetrieb auf kontinuierlichen Betrieb, der zu Verbesserungen in Bezug auf Massen- und Wärmeübertragung führen kann.

Wärmetauscherkonzepte

Die Erhöhung von Wärmeübertragungskoeffizienten in Wärmetauschern wurde bereits recht intensiv erforscht [1]. Die Leistung von Plattenwärmetauschern kann durch verschiedene Oberflächeneffekte verbessert werden (z.B. durch Furchen, Wellen und Rillen) vergrößerte Oberflächen (z.B. Lamellenwärmetauscher oder Inserts (z.B. Schäume)). Diese letzte Klasse von Wärmetauschern mit Inserts können auch gut als Reaktoren Anwendung finden, da die Einbauten nicht nur verbesserte Wärmeübertragung, sondern auch besseres Mischungsverhalten ermöglichen [1] (Abb.2).

Abbildung 2: Vergleich von unterschiedlichen Reaktortechnologien und typischen Parametern für den Wärmetransfer

Außer der  beschriebenen Intensivierung klassischer Wärmetauscherkonzepte gibt es auch verschiedene Reaktorkonzepte für intensivierte Wärmeübertragung. Diese Konzepte können in aktive und passive Verbesserungsstrategien klassifiziert werden [5]. Während die zuerst beschriebenen Strategien vorwiegend passiv sind (vergrößerte Oberflächen, Inserts etc.) beruhen neue Reaktorkonzepte für intensivierte Wärmeübertragung hauptsächlich auf aktiven Verbesserungsstrategien. Beispiele sind rotierende Reaktoren (z.B. spinning discs), Wirbelschichtreaktoren  oder oszillierende Reaktoren.

Abbildung 3: Durchflusscharakteristik und Zeitverteilung in einem gerührten Tank gegenüber einem Pfopfenstromreaktor (plug flow reactor) [6]

Zusammenfassung und Ausblick

Um die Anforderungen zur Integration von Solarwärme in industriellen Prozessen zu überwinden, sind die Entwicklung und Anwendung neuer Prozesssysteme in der produzierenden Industrie notwendig. Die Änderung der Technologie eines traditionellen Prozesses erfordert jedoch eine detaillierte Betrachtung des technologischen Einflusses auf die Produktqualität bzw. die stattfindenden chemischen und biologischen Prozesse. Die Herausforderung für  die zukünftige  technische Planung von Produktionsprozessen ist die Entwicklung neuer Anlagen, die die qualitativen Erfordernisse des Produktes bestmöglich erfüllen, gleichzeitig hohe Prozesswirkungsgrade und Durchsatzleistungen ermöglichen und parallel dazu den Einsatz erneuerbarer Energien berücksichtigen. In vielen Fällen wird dies Niedrigtemperaturwärmeversorgung wie z.B. Fernwärme, Solarthermie oder Abwärme bedeuten. Dabei ist es sehr wichtig, den Effekt von neuen Technologien auf die gesamte thermische Energiemanagementstrategie auf Produktionsseite zu berücksichtigen. Das Ziel ist nicht nur einen optimierten Prozess in Bezug auf seine treibenden Kräfte zu erreichen, sondern gleichzeitig ein nachhaltiges Prozesssystem mit hoher exergetischer Wirksamkeit zu entwickeln.

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Literatur

Z. Anxionnaz, M. Cabassud, C. Gourdon and P. Tochon, Heat exchanger/reactors (HEX reactors): Concepts, technologies: State-of-the-art, Chemical Engineering and Processing: Process Intensification 47, 2029-2050 (2008)

P. Trambouze, J.P. Euzen, Les réacteurs chimiques de la conception à la mise en oeuvre, Editions Technip, Paris, 2002.

G. G. Stephens and M. R. Mackley, Heat transfer performance for batch oscillatory flow mixing, Experimental Thermal andFluid Science 25, 583-594 (2002).

S. Ferrouillat, P. Tochon, D. D. Valle and H. Peerhossaini, Open loop thermal control of exothermal chemical reactions in multifunctional heat exchangers, International Journal of Heat and Mass Transfer 49, 2479-2490 (2006).

D. Reay, C. Ramshaw and A. Harvey, Process Intensification: Engineering for efficiency, sustainability and flexibility, Butterworth-Heinemann, 2013.

T. Van Gerven and A. Stankiewicz, Structure, Energy, Synergy, Times - The Fundamentals of Process Intensification, Ind. Eng. Chem. Res. 48, 2465–2474 (2009).

D. Reay, The role of process intensification in cutting greenhouse gas emissions, Applied Thermal Engineering 28, 2011-2019 (2008).

N. N. Nassar and A. K. Mehrotra, Design of a laboratory experiment on heat transfer in an agitated vessel, Education for Chemical Engineers 6, e83-e89 (2011).

Autorenbeschreibung

DI Christoph Brunner ist Leiter des Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

DI Bettina Muster ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Bereichs Industrielle Prozesse und Energiesysteme von AEE INTEC

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