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Wege zur CO2-freien Lebensmittelindustrie
Umstellung auf erneuerbare Energieversorgung in Brauereien

Die Lebensmittelindustrie ist ein über Jahrhunderte gewachsener Industriezweig, in welchem Hygiene und Präzision der Arbeitsschritte für das Erreichen der geforderten Produktqualität an höchster Stelle stehen. In Europa liegt die Zahl der Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie bei 275.000 und ist mit 4,25 Mio. Beschäftigten der führende Arbeitgeber unter den produzierenden Industriesektoren (15%) [1]. In Österreich gibt es 222 Unternehmen in der Lebensmittelindustrie mit 26.414 Beschäftigten, die einen Umsatz von 7,792 Mrd. € erwirtschaften [2].

Im Folgenden soll näher auf die Brauindustrie und die Bierherstellung eingegangen werden und hier im Besonderen auf das Sudhaus, wo große Mengen an thermischer Energie zum Maischen und Kochen benötigt werden.

Abbildung 1: Maischgefäß im Sudhaus. Quelle: AEE INTEC

Maischen und Kochen im Brauprozess

Das Maischen ist ein Arbeitsverfahren beim Brauprozess, bei dem durch enzymatische, physikalische und chemische Vorgänge die für die nachfolgenden Prozessschritte relevanten Malzinhaltsstoffe Stärke, Eiweiße und Zellwandsubstanzen in Lösung gebracht werden. Hierbei wird das geschrotete Malz in einem Maischgefäß mit etwa 45 - 61°C heißem Wasser vermischt – man spricht vom Einmaischen. Die so entstandene Maische wird unter stetigem Umrühren auf Temperatur gehalten (Eiweißrast zum Abbau des Eiweißes). Dabei löst sich die Stärke aus dem Malz im Wasser auf. Anschließend wird die Temperatur im Maischgefäß auf knapp 70°C bis 75°C erhöht. Währenddessen sorgt das Enzym Amylase aus dem Malz dafür, dass aus der Getreidestärke vergärbarer Malzzucker (Maltose) und nicht vergärbare Dextrine entstehen. Das im Korn vorhandene Eiweiß wird beim Maischen in Aminosäuren zerlegt. Über 78 °C darf nicht erhitzt werden, da dabei die wertvollen Enzyme zerstört werden würden (man spricht vom Denaturieren) [3].

Daraufhin wird die Maische im Läuterbottich geläutert und der Malztreber von der Würze, dem späteren Bier, getrennt. Mit Nachgüssen aus heißem Wasser wird der Malztreber gespült und die Würzeausbeute erhöht.
Als nächster Schritt folgt nach Zugabe von Hopfen das Kochen der Würze Würzepfanne. Nach rund einer Stunde Kochzeit gelangt die Würze dann in den sogenannten Whirlpool, wo geronnenes Eiweiß und andere Schwebstoffe von der Ausschlagwürze getrennt werden. Als letzter Schritt im Sudhaus steht die Würzekühlung an. Hierfür wird die heiße Würze für die Gärung und spätere Lagerung in einem Kühler auf die optimale Gärtemperatur abgekühlt und je nach Biersorte wird danach die passende Hefekultur zugesetzt.

Grüne Brauerei

In dem 2009 abgeschlossenen Projekt „Green Brewery“ das im Rahmen der Programmlinie Neue Energien 2020 durchgeführt wurde, ging es um die Entwicklung einer methodischen Vorgangsweise für die Umsetzung innovativer Energiekonzepte mit dem Ziel, den fossilen CO2-Ausstoß in österreichischen Brauereien auf Null zu reduzieren. Abhängig von der Produktionsmenge, vom Standort und der Produktpalette wurden durch Energieeffizienz, Wärmeintegration und einer Kombination aus erneuerbaren Energieträgern an Hand von drei Fallbeispielen die Möglichkeiten zur Erreichung dieser Ziele demonstriert. Dabei wurden Realisierungskonzepte für drei österreichische Brauereien (Gösser, Puntigamer und Schladminger, alle Teil der Brau Union Österreich AG), mit einer gesamten Reduktion des fossilen CO2-Ausstoßes von 5.140 Tonnen/a erarbeitet und teilweise umgesetzt.

Das Projekt Grüne Brauerei hat für die Brauerei Göss gezeigt, dass der gesamte derzeitige Erdgasbedarf durch Effizienzmaßnahmen und Integration von neuen Energieträgern ersetzt werden kann. Für Göss entspricht das einer Einsparung von 1.200.000 m³ Erdgas (Normkubikmeter, Basis 2007) bzw. einer Reduktion der CO2-Emissionen von 2.670 Tonnen pro Jahr.

Insbesondere die energetische Nutzung der biogenen Brauerei-Reststoffe (Treber) bietet großes Potenzial. Die Untersuchungen in Göss haben gezeigt, dass durch Fermentation von Trebern zu Biogas und Verwertung in einem Gasbrenner (Nutzungsgrad 90 %) etwa 36 MJ/hl Bier an Nutzenergie generiert werden kann, während bei der direkten Verbrennung von Trebern mit 40 Vol% Feuchtegehalt in einem Festbrennstoffkessel (Nutzungsgrad 85 %) rund 46,5 MJ /hl Biel Nutzenergie möglich ist. (Basis: 15.000 t/a Frischtreber bei 900.000 hl Bierausstoß). In letzterem Fall ist jedoch ein aufwändiger Trocknungsschritt erforderlich. Frischtreber enthält 80% Feuchte mit einem Energieinhalt von 24,7 MJ/hl.

Für die näher betrachteten steirischen Brauereien wird die Produktion von Biogas empfohlen, wenn

  • nach Integration der vorgeschlagenen Wärmeintegrationsmaßnahmen die neue Energieversorgung rasch in der Lage sein muss Spitzen abzudecken (Sudhaus) und insbesondere
  • wenn die Infrastruktur zur Verfügung steht (Integrationsmöglichkeiten von Biogas in die Gasbrenner) bzw. Kooperationsmöglichkeiten mit vorhandenen Biogasanlagen gegeben sind sowie Möglichkeiten der Aufbereitung und Integration des Biogases in das Ferngasnetz zur Verfügung stehen.

Neben den Umsetzungskonzepten für die drei Brauereien Gösser, Puntigamer und Schladminger wurde als zentrales Projektergebnis ein Branchenkonzept für Brauereien entwickelt. Mit Hilfe eines Excel-Tools als methodischem Leitfaden zur Umsetzung von Null-CO2-Emissionen für Brauereien –„Green Breweries“ - werden abhängig von der Produktionsmenge, vom Standort und der Produktpalette die Möglichkeiten einer Produktion ohne fossile Brennstoffe demonstriert. Dieses Branchenkonzept beinhaltet folgende Schwerpunkte:

  • Einen raschen Vergleich der wichtigsten Energie-Benchmarks für die gesamte Produktion sowie für einzelne Teilbereiche,
  • die einfache Erstellung einer detaillierten Energiebilanz für den Brauprozess,
  • die übersichtliche Zuordnung zielführender Optimierungsmaßnahmen zu Produktionsprozessen und Energieversorgungseinheiten,
  • die Berechnung des Potentials der Wärmerückgewinnung.
  • Aufzeigen konkreter Möglichkeiten der Integration von erneuerbarer Energie (Solarthermie, Biogas, Biomasse, Geothermie),
  • ein Kompendium von „best verfügbaren Technologien“ für die Produktionsprozesse einer Brauerei und
  • die Berechnung des Potentials der Energieerzeugung aus den brauereiinternen Reststoffen (z.B. Biogas aus Treber).

Aufbauend auf den Ergebnissen aus dem Projekt wurden weitere Brauereibetriebe bzw. Konzerne auf die Aktivitäten aufmerksam. So griff Heineken N.V. die Idee auf und definierte in einem jüngst veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht „The Green Brewery“ als langfristiges Ziel. Im Rahmen von 5 Machbarkeitsstudien wurden die Möglichkeiten zur Einsparung von fossiler Energie und der Einsatz von solarer Prozesswärme geprüft und Umsetzungsfahrpläne entwickelt[4].

Aus diesen fünf Machbarkeitsstudien wurden in weiterer Folge drei Projekte ausgewählt, in denen thermische Solarenergie zur Unterstützung von Maischen, Pasteurisieren und Trocknen des Malzes eingesetzt werden soll. Insgesamt werden in diesem Projekt bis Mitte 2014 7.845 m² thermisch Solarkollektoren an den Standorten in Österreich, Spanien und Portugal in Betrieb genommen (siehe dazu den Artikel „26 Millionen Krügel Bier - mit der Kraft der Sonne“ in diesem Heft).

Weitere Analysen

Eine weitere Analyse, die sich auch mit einer gesamtheitlichen CO2-Bilanz und einem intensiven Brauwassermanagement beschäftigt, wurde bei der Brauerei Stiegl durchgeführt. Im Besonderen wurde hier die Nutzung des Abwassers betrachtet, um daraus über eine anaerobe Abwasserreinigung Biogas für die Verwertung in der Brauerei zu erzeugen, damit das kommunale Abwassersystem zu entlasten und die CO2-Bilanz der Brauerei zu verbessern.

Für die Brauerei Murau wurden die technologischen Möglichkeiten der Versorgung des gesamten Energiebedarfs durch die Fernwärmeeinbindung berechnet und ein Stufenplan der Umsetzung entwickelt. Die Studie zeigt, dass es durch gezielte Umbaumaßnahmen und Adaptierungen möglich ist, die gesamte Brauerei auf erneuerbare Energieversorgung (Fernwärme aus Biomasse) umzustellen.

In Südafrika wurde zusammen mit dem SAB Miller Konzern die Möglichkeit der Einbindung von Solarthermie zur Versorgung des Prozesswärmebedarfs einer Brauerei geprüft und ein Umsetzungskonzept entwickelt.
Auch bei der Ottakringer Brauerei wurde in einer Studie die Integration einer thermischen Großsolaranlage zur Unterstützung des Heißwasserversorgungsnetzes betrachtet. Neben der Integration von erneuerbaren Energien stand die Einbindung und Nutzung von Abwärmeströmen im Vordergrund der Studie.

Derzeit werden zwei russische Brauereien der Baltika Gruppe in Khabarovsk und Novosibirsk untersucht, um die Abfallströme des Abwassers bzw. des Treber zu nutzen um Biogas zu erzeugen Das durch Fermentation gewonnene Biogas soll bei den beiden russischen Brauereien der Baltika Gruppe als Ersatz für fossiles Erdgas oder Schweröl dienen.
Ein weiteres Projekt mit einer griechischen Brauerei (EZA Hellenic breweries of Atalanti) wurde gerade gestartet, um mögliche Einsparungspotentiale in der Produktion und das Potenzial für eine erneuerbare Energieversorgung zu bestimmen.

Für die oben angeführten Untersuchungen kann das Projekt „Green Brewery“ als Anstoß gesehen werden, indem gezeigt wurde, dass durch Kombination der Faktoren Energieeffizienz und Wärmerückgewinnung die vollständige Energieversorgung einer Brauerei mit eigenen Reststoffen möglich ist.
Die Lösungen konzentrierten sich dabei allerdings hauptsächlich auf Integrationsmöglichkeiten in das vorhandene Energieverteilungssystem mit bestehenden Dampfleitungen. Die durch Dampfsysteme in Lebensmittelbetrieben mit Batch-Prozessen entstehenden Verluste liegen jedoch oft im Bereich zwischen 10-20% da die Dampferzeugung naturgemäß höhere Verluste verursacht als eine Heißwasser-basierte Niedertemperaturenergieversorgung. Zusätzlich führen offene Kondensatsysteme zu Energie- und Wasserverlusten.
Eine Umstellung der Energieversorgung erfordert daher eine Neugestaltung der Prozesstechnik bzw. zumindest eine Adaptierung der herkömmlichen Apparate. Neue Energiesysteme auf Basis erneuerbarer Energieträger (z.B. Wärme aus KWK-Anlagen, Solare Prozesswärme) können oft nur in Niedertemperaturwärmeverteilungssysteme integriert werden.
Die in Brauereien eingesetzten Prozesstechnologien, wie beispielsweise der vielfach verwendete Rührkessel, sind meist über Jahrzehnte bewährte Anlagentechniken. Im Zuge der erstrebten Umstellung auf erneuerbare Energie und der Nutzung von Abwärmeströmen erweisen sich diese Anlagentechniken allerdings als Herausforderung, da sie ohne Berücksichtigung des Energieversorgungsmediums entwickelt wurden und Energieeffizienz und Einsatz von Niedertemperaturwärme bis vor Kurzem in der Anlagenentwicklung nicht berücksichtigt wurden.

Beispiel: Integration von erneuerbaren Energien in den Brauereien Göss und Murau

Dass eine nachträgliche Umstellung von dampfbeheizten Versorgungssystemen auf Heißwasser sowohl technisch machbar als auch wirtschaftlich sinnvoll ist, zeigen z. B. die Ergebnisse einer Studie von AEE INTEC in der Brauerei Murau („Umsetzungskonzept für den Anschluss der Murauer Brauerei an ein geplantes Fernwärmenetz“). Bereits umgesetzt wurde eine solche Umstellung des Versorgungssystems für den Maischeprozess in der Brauerei Göss, wodurch die Integration einer solarthermischen Großanlage ermöglicht und realisiert wurde.
Die in der Praxis erreichten k-Werte in Rührkesseln von 400-800 W/m²K lassen eine einfache Umstellung der Energieversorgung auf Niedertemperatur nicht zu. Die benötigen Wärmetauscherflächen sind viel zu groß um die Beheizung über bestehende außenliegende Übertragungsflächen zu realisieren.
Damit wird es notwendig, innenliegende Wärmetauscherflächen in den Rührkessel nachzurüsten oder den gesamten Maischbottich mit neuen größeren und für die Wärmeübertragung optimierten Boden- und Zargenheizflächen auszustatten.

Abbildung 2: Maischgefäß mit zusätzlich eingebrachten innenliegenden Wärmetauscherflächen (GEA Brewery Systems GmbH) Quelle: AEE INTEC

Abbildung 3: Detailaufnahme der zusätzlich eingebrachten innenliegenden Wärmetauscherflächen im Maischgefäß (GEA Brewery Systems GmbH) Quelle: AEE INTEC

Abbildung 4: Maischgefäß mit neuen Boden- und Zargenwärmetauscherflächen (Krones AG) Quelle: Krones AG

Diese Umrüstung ermöglicht auch die Nutzung der aus der der Würzekühlung oder während des Kochens der Würze rückgewonnen Abwärme für den Maischeprozess. Durch diese Wärmerückgewinnungsmaßnahme lassen sich etwa 18% des gesamten Energiebedarfs des Sudhauses einsparen (Basis Sudhaus mit mechanischem Brüdenverdichter).

Für eine noch bessere Integration von erneuerbaren Energien ist zukünftig eine kontinuierliche Prozessführung denkbar, bei der durch innovative Prozesstechnik der Einsatz von erneuerbaren Energien auf Niedertemperaturniveau (< 120°C) effizienter erfolgen könnte. Dies führt zu einer weiteren signifikanten Reduktion des Energieeinsatzes und kann als ein zukünftiges längerfristiges Ziel definiert werden, um die Lebensmittelindustrie zu einer CO2-freien grünen Industrie zu machen.

Autoren

DI Matthäus Hubmann und DI Bettina Muster-Slawitsch sind wissenschaftliche Mitarbeiter des Bereiches Industrielle Prozesse und Energiesysteme von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)

DI Christoph Brunner ist Leiter des Bereiches Industrielle Prozesse und Energiesysteme von AEE INTEC

  1. FoodandDrink Europe: Data & Trends of the European Food and Drink Industry 2012. http://www.fooddrinkeurope.eu/uploads/publications_documents/Data__Trends_%28interactive%29.pdf

  2. Fachverband der Lebensmittelindustrie: Aktuelle Entwicklung der österreichischen Lebensmittelindustrie sowie des Agraraußenhandels Österreichs. Stand April 2013. http://www.advantageaustria.org.
  3. W. Kunze, Technologie Brauer und Mälzer - 9. Überarbeitete Auflage, 2007. ISBN-13: 978-3-921690-56-7
  4. http://www.sustainabilityreport.heineken.com/best-practices/index.html
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