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SOCO – die intelligente Software zur Erhöhung der Energieeffizienz in Betrieben

Quelle: AEE INTECVon Jürgen Fluch, Bettina Muster-Slawitsch, Wolfgang Glatzl, Christoph Brunner

Komplexe thermische Energiesysteme in der produzierenden Industrie bedürfen eines optimierten Gesamtkonzeptes zur Integration von Speichern und Wärmetauschern, um den Energiebedarf signifikant zu reduzieren. Im Rahmen des Projekts SOCO – Storage Optimisation COncept wurde ein Planungstool für die intelligente Auslegung von Speichersystemen entwickelt und anhand realer Umsetzungskonzepte optimiert.

Die verbraucherseitige Reduktion der eingesetzten thermischen Energie durch Wärmeintegration (Wärmertauschernetzwerk) sowie die Integration von erneuerbaren Energieträgern ist ein essentieller Bestandteil auf dem Weg zur Umsetzung von CO2-senkenden Maßnahmen in Industrie, Gewerbe und Fernwärme. Komplexe Optimierungen unter Berücksichtigung zeitlicher Variabilitäten von Wärmebedarf und Wärmeverfügbarkeit stimmen Wärmetauscher und notwendige Wärmespeicher aufeinander ab und optimieren so die Ressourcen- und Energieeffizienz im System. Im Rahmen des Projektes SOCO wurden aufbauend auf einer Pinch Analyse sowie realer Betriebsdaten und zeitlich wechselnder Lastprofile technisch und wirtschaftlich sinnvolle Konzepte zur Reduktion des Primärenergiebedarfs für Industriebetriebe und andere komplexe thermische Energiesysteme erarbeitet und bewertet. Der methodische Ansatz wurde in das SOCO Berechnungswerkzeugs übergeführt und wird Planer und Anlagenbauer bei der Simulation und Optimierung bestehender und neuer Systeme unterstützen, um so ein Maximum an Energierückgewinnung zu erreichen.

 

Ausgangssituation

Der erste Schritt zu einem optimierten Energiesystem ist die Reduktion des Energiebedarfs auf Prozessebene unter Berücksichtigung aller Energieeffizienzmaßnahmen. In einem zweiten Schritt wird das Gesamtsystem betrachtet und durch Wärmeintegration nutzbare Energieströme in das System einbezogen. Erst dann kann die Integration von erneuerbaren Energien untersucht und sinnvoll bewertet sowie das Gesamtkonzept eines innovativen Versorgungssystems damit ergänzt werden. Zwei wichtige Schritte bei der Reduktion des Energiebedarfs einer Produktionsstätte sind somit erstens die technologische Optimierung durch effiziente Technologien und optimierte Betriebsparameter und zweitens eine Systemoptimierung durch Wärmeintegration in der gesamten Produktionsstätte

Lösungen zur Wärmeintegration werden durch die eingesetzten Prozesstechnologien (Abwärmeströme) beeinflusst, sodass die Evaluierung von bestehenden Technologien und die Analyse von möglichen Veränderungen eine wesentliche Grundlage zur Reduktion des Energiebedarfs darstellt. Neben der reinen technologischen Bewertung sind vor der Umsetzung der identifizierten Optimierungsmaßnahmen zusätzliche Fragen zu beantworten. Speziell in der Lebensmittelindustrie sind Qualität und Geschmack der Produkte die wichtigsten Faktoren in der Produktion. Jede Änderung im Produktionssystem muss deshalb gründlich analysiert werden, um sicherzustellen dass Qualität und Geschmack des Produktes nicht beeinflusst bzw. sogar verbessert werden. Aus diesem Grund gibt es teilweise Vorbehalte gegen die Einführung neuer Technologien.

Das thermische Energiesystem in einem produzierenden Betrieb ist generell komplex und das Management desselben folglich ebenfalls. Viele Prozesse werden als Batch-Prozesse betrieben, was zu einer großen Schwankung des Energiebedarfs über den Produktionszeitraum führt. Die Wärmeintegration in solchen Systemen erfordert eine genaue Analyse des Systems sowie eine detaillierte Planung, Spezifikation und das Management von Speichern. Die Speichersysteme beeinflussen nicht nur die Strategien zur Wärmeintegration sondern haben auch Auswirkungen auf die gesamte thermische Energieversorgung, wie Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder solare Prozesswärme. Da Unternehmen in der Lebensmittelbranche in der Regel Klein- und Mittelunternehmen mit geringem Budget für eine komplexe Analyse sind, ist das vorliegenden SOCO-Werkzeug ein sehr hilfreiches Tool für die Analyse des zeitlich veränderlichen Energiebedarfs und der Energieversorgung über Wärmetauscher und Speicher.

Methodik

Anhand eines untersuchten Fallbeispiels einer Brauerei wird im Folgenden die Methodik des SOCO-Tools erläutert. Die verwendeten Lastprofile der einzelnen Prozessschritte basieren auf realen Betriebsdaten, die zusätzlich über Daten eines in EES (Engineering Equation Solver) aufgebauten Modells ausgewählter biochemischer Reaktionen gestützt werden. Im Analysetool SOCO können die zeitabhängigen Energiebedarfskurven eingelesen und analysiert werden

Definition der Ausgangslage

Abbildung 1: Definition des Ist-Standes über ein Visio-Flowsheet; Energieströme, Speicher, Wärmetauscher und ihre Verbindungen

Zu Beginn wird der Ist-Stand abgebildet. Dazu müssen alle relevanten Komponenten und Ströme basierend auf einer vom Anwender erstellten und in SOCO integrierten VISIO-Zeichnung (Fließschema) definiert werden (siehe Abbildung 1). Der Energiebedarf der Prozessströme wird über Massenströme, Wärmekapazitäten und Temperaturen, die sich mit der Zeit verändern können, erfasst. Über eine definierte Eingabemaske werden zeitlich variable Ströme auf Basis verfügbarer Daten eingelesen, wobei die Dauer der Zeitschritte frei gewählt werden kann (z.B. 1 Sekunde, 10 Sekunden, 1 Minute, 1 Std. usw.). Komponenten wie Wärmetauscher, Speicher (siehe Abbildung 2), Splitter oder Mixer werden in SOCO mit Hilfe verfügbarer Eingabemasken spezifiziert.

Abbildung 2: Spezifikation eines Speichers in SOCO

Pinch Analyse

Auf Basis der Prozessströme wird eine Pinch Analyse durchgeführt. Die “Hot and Cold composite curve” (HCC bzw. CCC), welche die kumulativen Enthalpie-Temperatur-Kurven für heiße und kalte Ströme zeigt, kann für jeden Zeitschritt oder in einem zeitlichen Durchschnitt angezeigt werden, wie in Abbildung 3 dargestellt. Aufgrund der großen Möglichkeiten der Wärmerückgewinnung in Brauereien zwischen der Würzekühlung und der Brauwasservorwärmung, zeigen sowohl die HCC als auch die CCC ein großes Wärmerückgewinnungspotenzial. Die Pinch Analyse ist die Basis für die Optimierung des Gesamtkonzeptes und essentieller Teil des SOCO-Algorithmus

Abbildung 3: Gemittelte Pinch-Kurven Hot Composite Curve (HCC) und Cold Composite Curve (CCC)

Simulation des thermischen Energiesystems

Die Energieflusssimulation erfolgt basierend auf den Spezifikationen des Gesamtsystems. Es wurde ein iterativer Gleichungslöser entwickelt und integriert, welcher die (im Falle eines Speichers) nichtlineare Energiebilanz löst. Der Lösungsalgorithmus überprüft, welche Komponente definiert ist und löst das Problem schrittweise. Bei Abhängigkeiten zwischen zwei Komponenten werden diese Komponenten mehrmals berechnet. Der Anwender bekommt in einer Matrix einen Überblick über die gegenseitigen Abhängigkeiten und ihre Lösungsfähigkeit. Die einzelnen Komponenten bedürfen einer Mindestspezifikation wie nachfolgend angeführt.

  • Wärmetauscher: Es sind die eintretenden Ströme (Massenströme oder Temperaturen) erforderlich; die übertragene Energie und der Wärmeaustausch sowie der verbleibende Energiebedarf und die Verfügbarkeit werden berechnet
  • Speicher: Es werden Massenströme und Temperaturen der eintretenden Ströme sowie austretende Massenströme benötigt. Sowohl die Temperaturen der austretenden Ströme bei bestimmten Anschlusshöhen, als auch die Temperaturschichtung im Speicher und die Verluste werden berechnet. Das integrierte Speicher-Modell wurde an der TU Graz entwickelt [1].
  • Mischer: Es werden 2 eintretende Ströme benötigt (Massenströme und Temperaturen). Der austretende Strom wird berechnet.
  • Mischer bei festgelegter Temperatur: Es wird der austretende Strom benötigt. SOCO berechnet den Massenstrom der Eingangsströme basierend auf dem definierten Massenstrom und der Temperatur des austretenden Stromes.
  • Splitter mit bekannter Aufteilungsrate: es wird ein bekannter Strom benötigt (entweder am Eingang oder Ausgang).
  • Splitter ohne bekannte Aufteilungsrate: Es werden zwei bekannte Ströme benötigt (entweder am Eingang oder am Ausgang). Der dritte an den Splitter angeschlossene Strom wird berechnet. In diesem Splittertyp kann das Aufteilungsverhältnis in jedem Zeitschritt variieren.

Systemoptimierung

Abbildung 4: SOCO-Optimierungs-Algorithmus

Aufbauend auf der Simulation des Ist-Standes des thermischen Energiesystems wird mit Hilfe des SOCO-Optimierungsalgorithmus (siehe Abbildung 4) das Gesamtsystem energetisch optimiert. Dabei wird das definierte zeitabhängige thermische Energiebedarfsprofil der Prozesse genutzt, um Wärmetauschermöglichkeiten und Speichermanagementstrategien zu evaluieren

Basis des vorgeschlagenen Wärmetauschernetzwerks von SOCO sind die definierten Kriterien Energie, Leistung und Exergie (in Arbeit umwandelbare Energie), deren unterschiedliche Gewichtung zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Je nach Ziel der Optimierung wird eine optimale exergetische Nutzung der Energie oder die maximale übertragene Leistung bzw. Energie im Wärmetauschernetzwerk durch die Gewichtung der Kriterien erreicht. Der Algorithmus startet mit dem Strom mit der größten Kapazität, was in der durchgeführten Fallstudie die Würzekondensation bzw. die Würzekühlung sind. Die einzelnen heißen und kalten Ströme werden miteinander kombiniert, das so erstellte Gesamtsystem simuliert und mit dem Ist-Stand verglichen. Diese Schritte werden so lange wiederholt, bis ein optimales System unter den definierten Kriterien gefunden wurde.

Ein grundlegendes Ergebnis der Systemoptimierung in der Brauerei ist es, die heiße Würze bzw. die Würzekühlung nicht nur für die Vorwärmung des Brauwassers zu verwenden, sondern die hohen Temperaturen des Prozessstroms zum Vorwärmen der Würze vor dem Sieden zu nutzen (siehe Abbildung 5). Dieses Ergebnis ist ein direktes Resultat der hohen Gewichtung des Kriteriums Exergie, wodurch Ströme mit hohen Temperaturen bevorzugt mit Strömen kombiniert werden, die auf hohe Temperaturen erwärmt werden müssen. Ähnliche Ergebnisse wurden bereits in früheren Arbeiten vorgeschlagen [2].

Abbildung 5: Optimiertes System basierend auf den Ergebnissen des SOCO-Optimierungs-Algorithmus [3]

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des optimierten Systems ist die Nutzung des Würzekondensats zur Vorwärmung des Maischprozesses. Je nach Temperaturniveau und Betriebs-Zeitpunkt ergibt sich daraus eine weitere Nutzung zur Vorwärmung des Brauwassers. Der verbleibende Energiebedarf für die Vorwärmung des Brauwassers wird über die Würzekühlung abgedeckt. Die Würzekühlung wird weiters für die Warmwasservorwärmung und die Verpackungsprozesse (hauptsächlich Tunnel-Pasteurisation) verwendet

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein exergetisch optimiertes Wärmetauschernetzwerk die Energie des Würzekondensats und der Würzekühlung für das Vorheizen der Würze, den Maischprozess und die Brauwasservorwärmung nutzt. Die restliche Abwärme wird in die Beheizung der Tunnel-Pasteurisierung und das Flaschenwaschen integriert. Herkömmliche Wärmerückgewinnungssysteme in Brauereien setzen die Energie des Würzekühlers für die Brauwasservorwärmung ein und speisen damit zusätzlich einen Energiespeicher, der zusätzlich mit dem Würzekondensat geladen die Würzevorwärmung versorgt. Der neue Ansatz von SOCO schlägt ein besser vernetztes System vor, welches grundsätzlich beide Wärmeströme für beide Wärmesenken verwendet und weiters die Beheizung des Maischbottischs beinhaltet. Die Integration der Abwärme oder einer anderen Niedrig-Temperatur-Energieversorgung in der Beheizung des Maischbottichs erfordert eine Nachrüstung der herkömmlichen Maischbottiche, da die derzeitige Versorgung des Prozesses über außenliegende Wärmetauscher zu klein ist. Erfolgreiche Nachrüstungsmöglichkeiten wurden in einem aktuellen Forschungsprojekt zur Integration von solarer Prozesswärme in Maischbottichen gezeigt. Dabei konnte die notwendige Versorgungstemperatur des Heißwassernetzes deutlich reduziert werden. Weitere Absenkungen mit neuen Technologien sind anzustreben [3]

Zu einem Wärmetauschernetzwerk zeitlich variabler Ströme gehören Speicher, die im SOCO- Algorithmus sehr detailliert betrachtet und simuliert werden. Ein wichtiger Faktor der Optimierung ist hier die Größe des Speichers, die zum einen die Speicherverluste und zum anderen das Speichermanagement beeinflusst. Je nach Speichergröße können unterschiedliche Einsparungen erzielt werden. Ein Optimum der Speichergröße ist das Ziel des Algorithmus und basiert auf der Betrachtung der verfügbaren Abwärme und des Wärmebedarfs der Prozesse. Mit einer Speicherkapazität von beispielsweise 90 m³ können laut Simulation 91% des Energiebedarfs der Würzevorwärmung, 87% der Brauwasservorwärmung und 55% der Vorwärmung des Maischbottichs abgedeckt werden (bedarfsseitig). Die Versorgung passiert allerdings über die Nutzung der Abwärme des Würzekondensats, die jedoch zeitlich sehr unterschiedlich anfällt und deshalb mit der untersuchten Speichergröße von 90 m³ nicht das Auslangen findet. Nur durch eine Vergrößerung des Speichers ist eine optimale Nutzung der Abwärme des Würzekondensats möglich. Die optimierte Wahl der Speichergröße bzw. mehrerer Speicher ist ebenfalls Teil des SOCO Optimierungsalgorithmus, wobei auch die Temperaturschichtung und die optimierte Wahl der Anschlusshöhen berücksichtigt werden.

Zusammenfassung

Die Auswertung des SOCO-Tools hat ein großes Potenzial bei der Anwendung zur Optimierung der thermischen Energieeffizienz in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie gezeigt. Die Software ist in der Lage sehr gut mit Batch-Prozessen umzugehen, indem thermische Energiesysteme über eine benutzerdefinierte Zeitspanne (Woche, Monat oder Jahr) simuliert werden. Der Algorithmus zur Erstellung eines Wärmetauschernetzwerkes berücksichtigt das reale Betriebslastprofil bei der Optimierung von Energieeinsparungen, Leistung pro Wärmetauscher und Exergieverluste unter definierten Kriterien. Im untersuchten Fallbeispiel der Brauerei wird eine integrierte Lösung für die Energienutzung der Würzekühlung und des Würzekondensats vorgeschlagen. Neben der üblichen Wärmesenke wie der Würzevorwärmung und der Brauwasservorwärmung empfiehlt der SOCO Algorithmus verfügbare Wärme für die Vorwärmung des Maischbottichs und der Prozesswärme in der Verpackung zu nutzen. Aufgrund der Tatsache, dass diese Prozesse momentan im Wesentlichen mit internen Wärmetauschern beheizt werden, ist eine Adaptierung auf die reduzierte Versorgungstemperatur aus der Abwärme notwendig, um das Potenzial zu realisieren.

Der Simulationsalgorithmus von SOCO kann die Leistung eines Energiespeichers sehr gut bewerten. Basierend auf dem integrierten Algorithmus der Wärmetauscherberechnung und des Speichermodells können die Auswirkungen von Speichergröße, Anschlusshöhe, Wärmeaustauschfläche und maximalem Speichermediendurchfluss sehr gut evaluiert werden. Die Visualisierung der Temperaturschichten im Speicher liefern interessante Rückschlüsse auf die Schichtung, die durch den vorhandenen Speicher und das Wärmetauscherdesign erreicht wird.

Die Simulationen zeigen, dass ein optimiertes Energiekonzept für den Brauprozess kleinere thermische Speicher, effiziente Wärmetauscher und teilweise von Batch auf kontinuierliche Betriebsweise umgestellt Prozesse beinhaltet. Damit kann das Ziel einer energieeffizienten Produktion erreicht und die Basis für eine optimierte Integration erneuerbarer Energie geschaffen werden.

Die Entwicklung des Optimierungsalgorithmus für Speicher basiert auf Arbeiten des Projektpartners „Institut für Wärmetechnik der Technischen Universität Graz“. Das Projekt wurde kofinanziert vom „Klima- und Energiefonds“ im Rahmen des Programms Neue Energien 2020.

Logos

 

Literatur

  1. C. Moser, Optimierte Einbindung von Energiespeichern in indu- strielle Prozesse, Diplomarbeit an der Technischen Universität Graz, Institute of Thermal Engineering (2012)
  2. Muster-Slawitsch B., Weiss W., Schnitzer H., Brunner C., The green brewery concept - Energy efficiency and the use of renewa- ble energy, Applied Thermal Engineering 31 2123-2134 (2011).
  3. B. Muster, C. Brunner, J. Fluch, Application of an advanced Pinch Methodology for the food and drink production, Energy and Environment, 2013 (in Begutachtung)
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