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2012-04: Zukunftsfähige Kollektortechnologien

Flachkollektoren mit Hochvakuum – der Beginn einer neuen Ära?

Abbildung 1: Hochvakuumflachkollektoren von TVP SOLAR in Masdar City (Abu-Dhabi, UAE)Quelle: TVP Solar SA

Flachkollektoren mit Hochvakuum ermöglichen hohe Wirkungsgrade im Mitteltemperaturbereich zwischen 100 und 200°C, arbeiten ohne Nachführung und Konzentration von Solarstrahlung, minimieren den Wartungsaufwand und verbinden die Vorteile von Vakuumdämmung und Flachkollektor. Neben der spanischen Firma SRB Energy arbeitet die Firma TVP SOLAR SA, angesiedelt in der Schweiz, an der Entwicklung dieser Technologie. Beide Firmen haben 2012 die Ergebnisse ihrer Entwicklungen am Markt vorgestellt. TVP SOLAR SA erhielt mit ihrem ersten Produkt MT-Power den Intersolar Preis für Solarthermie im Juni diesen Jahres. Im Folgenden werden die Entwicklungen dieses Schweizer Unternehmens vorgestellt.

Von Vittorio Palmieri *

Das Funktionsprinzip

Solarkollektoren transformieren die Strahlungsenergie der Sonne in Wärme. Die Effizienz dieser Umwandlung wird sowohl durch optische Verluste als auch durch Wärmeverluste limitiert. Wärmeverlust tritt aufgrund des Wärmeflusses vom internen Absorber zum externen Umfeld durch Wärmeleitung, interne Konvektion und Strahlung auf, wobei Wärmeleitungsverluste durch Verwendung eines geeigneten Designs mit langen thermischen Wegen sowie geeigneten Materialien mit geringer thermischer Wärmeleitfähigkeit minimiert werden, während Wärmestrahlungsverluste des Absorbers mittels Anwendung selektiver Beschichtungen und Verwendung von Materialien mit geringer Emissivität beeinflusst werden. Die Reduktion der internen Konvektion erfordert thermische Isoliermaterialien, die das Licht aber nicht daran hindern sollten, den Absorber zu erreichen.

Anwendung von Hochvakuum in Solarkollektoren

Hochvakuum (Druck unter 10-3 mbar) ist der beste bekannte Isolator, aber bisher war seine Anwendung in Solarkollektoren auf Vakuumröhren beschränkt. Dies beruht auf der Tatsache, dass zylindrische Strukturen gut geeignet sind, die großen mechanischen Lasten aufgrund des atmosphärischen Drucks (1kg/cm2) auszuhalten. Trotzdem leiden diese Kollektoren unter inhärenten Einschränkungen: Glas-Glas-Röhren verfügen über eine sehr verlässliche Vakuumabdichtung, die innenliegende Glaswand begrenzt aber die Wärmeübertragung des Absorbers aufgrund ihrer geringen Wärmeleitfähigkeit. Glas-Metall-Röhren erlauben einen ganz und gar freien Wärmefluss durch die Metalllamelle, belasten aber die Metall-Glas-Dichtung sehr stark aufgrund ihrer Nähe zum heißen Absorber. Beides erfordert vielfältige Vorkehrungen außerhalb des Hochvakuums.

Evakuierte Flachkollektoren leiden nicht unter diesen Einschränkungen, ihre Herstellung bedeutet jedoch eine extreme Herausforderung aufgrund ihres viereckigen Aufbaus. So summiert sich die Last des atmosphärischen Drucks zu 10 Tonnen pro Quadratmeter evakuierter Oberfläche und dies erfordert wiederum eine geschickt ausgelegte unterstützende Struktur für die Glasflächen. Noch wichtiger ist aber eine hochelastische Glas-Metall-Dichtung zwischen transparenter Abdeckung und Kollektorgehäuse, die in der Lage ist, mit den großen Verschiebungen, erzeugt durch den Evakuierungsprozess, umzugehen. Außerdem sollten solche Dichtungen aus Materialien hergestellt werden, die auf hohe Temperaturen erhitzt werden können, um den Evakuierungsprozess zu beschleunigen, da dieser sonst die Herstellungskosten steigern würde. Leider kann kein Epoxidkleber oder Silikondichtmittel für die Herstellung dieser Dichtung verwendet werden, da diese netzähnlichen Materialen leicht von Luftbestandteilen durchdrungen werden können, was zu einem raschen Anstieg des Kollektorinnendrucks und dem Verlust des Hochvakuums führt. Eine neuartige patentierte Glas-Metall-Dichtung, vollständig hergestellt aus hochtemperaturbeständigen evakuierfähigen anorganischen Materialien, die aus der Display-Industrie kommen, ist daher das Herzstück dieser Vakuumflachkollektoren. Dieser Glas-Metall-Dichtung wurde 2009 der NOVA-Preis des Glasherstellers Saint-Gobain verliehen.

Abbildung 2: Schnitt durch einen MT-Power Kollektor, der erste bis 200°C Solar Keymark zertifizierte Sonnenkollektor

Abbildung 3: Finite Elemente Analyse der auf die Glas-Metall-Dichtung wirkenden Deformation eines MT-Power Kollektors während der Evakuierung bei fast 300°C im Zuge des Herstellungsprozesses. Bemerkenswert ist, dass die Glasplatte fast 0,3 mm in vertikaler Richtung verschoben wird und diese Bewegung von elastischen Rippen im unteren Teil der Dichtung vollständig absorbiert wird.

Leistungsfähigkeit von Hochvakuumflachkollektoren

Das Evakuieren eines Solarkollektors bei hohen Temperaturen ist der erste Schritt zur Erreichung hoher Leistungsfähigkeit. Erst die Qualität des Vakuums innerhalb der Kollektorhülle bestimmt die Effizienz des Kollektors, da es maßgeblich dafür ist, wie Gas Wärme überträgt. Reduktion des Drucks in der Kollektorhülle reduziert die innere Konvektion nur geringfügig, bis die mittlere freie Weglänge der verbleibenden Gasmoleküle länger wird als der Spalt zwischen Absorber und Hülle. Unter solchen Bedingungen (typischerweise werden diese bei 10-1 mbar und einem Spalt von 1 cm zwischen Absorber und Glasplatte erreicht) kollidieren Moleküle öfter mit der Wand als mit anderen Molekülen und die Gas-Wärmeleitfähigkeit wird proportional dem Druck und der Oberfläche (nicht der Spaltbreite) und verschwindet für Drücke unter 10-3 mbar (Hochvakuum). Demzufolge sinkt die Kollektoreffizienz sehr schnell, wenn der interne Druck über diesen Wert steigt (Abbildung 4). TVP Solarkollektoren benutzen selbst-regenerierende nicht verdampfbare Getterpumpen, um das Hochvakuum im Kollektor mindestens 20 Jahre aufrechtzuerhalten.

Abbildung 4: Maximaler Wirkungsgrad des Hochvakuumkollektors betrieben bei Tm-Ta=140°C als Funktion des internen Drucks

Da das Aufrechterhalten des Hochvakuums im Kollektor über seine gesamte Lebenszeit von solch großer Bedeutung ist, besteht auch die Notwendigkeit einer verlässlichen und kostengünstigen Technologie zur Überprüfung des Hochvakuums. Die Messung von Hochvakuum ist schwierig und erfordert spezielle Apparate, die typischerweise hohe Spannungen erfordern und teuer sind. Der von TVP entwickelte Kollektor nutzt eine visuelle Hochvakuum-Verifizierungstechnologie (SpotCheckTM), basierend auf einem an der Innenseite des Kollektorglases aufgedampften Spiegelpunkt aus Barium.

Abbildung 5: Die am SpotCheck™ auftretende Umwandlung bei Verlust von Hochvakuum (unterer, heller Punkt). Aufgrund der Oxidation von restlichem Gas innerhalb der Kollektorhülle wechselt bei Verlust des Vakuums der Barium Spiegelpunkt von Silber auf Weiß.

Zur Sicherstellung einer qualitätsgesicherten und ertragsstarken Massenfertigung sollen die Vorteile von sehr gut etablierten Techniken aus der Display-Industrie herangezogen werden. Außerdem können durch die Anpassung des internen Absorbers an spezielle Anforderungen andere Kollektortypen hergestellt werden, welche die spezifischen Erfordernisse für Anwendungen in niedrigeren und höheren Temperaturbereichen besser erfüllen, z.B. Heizungsunterstützung in Ländern mit geringer Solarstrahlung oder dezentrale Stromerzeugung mittels ORC Turbinen.

Abbildung 6 zeigt einen Vergleich des MT-Power Kollektors mit anderen Solarkollektoren. Über einen weiten Temperaturbereich wird ein sehr hoher Wirkungsgrad erreicht. Bemerkenswert ist allerdings der sehr gute Wirkungsgrad zwischen 100°C und 200°C im Vergleich mit konzentrierenden Systemen.

Während ein Flachkollektor diffuses und direktes Licht nutzen kann, nehmen konzentrierende Systeme vorwiegend direktes Licht auf (die Menge der aufgenommenen diffusen Strahlung ist ungefähr dem Kehrwert des Konzentrationsfaktors proportional). Dadurch steht eine signifikant geringere Menge an solaren Ressourcen zur Verfügung, was die Ertragseinbuße erhöht, wenn man die gesamte Energieproduktion auf jährlicher Basis betrachtet.

Abbildung 6: Vergleich des maximalen Wirkungsgrades von mehreren zertifizierten Solarkollektoren (sowohl konzentrierende als auch nicht konzentrierende Systeme)

Abbildung 7: Balkendiagramm der direkten und diffusen Solarstrahlung ausgewählter Orte weltweit (METEONORM Daten)

Montage- und Wartung

Noch stärker als die Bilanz von direktem versus indirektem Licht beeinflusst aber auf der Kollektoraperturfläche abgelagerter Schmutz die Leistungsfähigkeit des Solarkollektorfeldes. Es ist bekannt, dass oftmalige Reinigung von konzentrierenden Kollektoren erforderlich ist, um Streuung der ankommenden Strahlung an Schmutzpartikelablagerungen auf den Reflektoren zu verhindern. Dieses Problem betrifft Flachkollektoren, deren Leistung nur von der Transparenz der Glasplatte beeinträchtigt wird viel weniger stark, da diese sowohl direkte und indirekte Strahlung nutzen. Derzeit untersucht TVP SOLAR den Effekt von Schmutzablagerung auf Kollektoren für Mitteltemperaturanwendungen in Masdar City am Teststandort für Solare Kühlung in Abu-Dhabi (UAE). Dort wurde ein Feld mit 40 MT-Power Kollektoren zwischen zwei größeren Feldern mit Fresnel- und Parabolrinnenkollektoren installiert. Kürzlich begannen messtechnische Untersuchungen zur Ermittlung von Spitzen- und Gesamtleistung der drei verschiedenen Systeme und der Vergleich verschiedener Reinigungsstrategien.

Abbildung 8: Das Hochvakuum-Flachkollektorfeld in Masdar City nach einem Sandsturm. Das Bild zeigt auch die typische Reinigung für konzentrierende Kollektoren.)

Ein weiterer Vorteil der Hochvakuum-Flachkollektoren ist, dass sie keine Nachführungssysteme benötigen und einfach auf Standard-Tragwerken installiert werden können, da keine optische Ausrichtung notwendig ist. Dies ist sehr wesentlich in Bezug auf Reduzierung der Betriebs- und Instandhaltungskosten, vor allem in Klimaregionen mit hohen Umgebungstemperaturen und erhöhten Feuchtigkeitsniveaus, die schnelle Korrosion von Metallteilen verursachen. In dieser Hinsicht ist auch der Absorber in jedem Kollektor vom umgebenden Hochvakuum vollständig geschützt, während der Rest der Kollektorhülle, wie auch alle anderen Solarfeldkomponenten mit Standard Anti-Korrosionsbehandlungen geschützt werden können, da keine beweglichen Teile verwendet werden.

Ausblick

Hochvakuum-Flachkollektoren versprechen eine Revolution in der Solarthermieindustrie, indem sie alle Anwendungsbereiche von der Brauchwarmwassererwärmung bis zu industrieller Prozesswärme und solarer Kühlung abdecken. Die von TPV SOLAR entwickelten Kollektoren werden mit einer Anzahl von Feldtestinstallationen, deren Fertigstellung kommendes Jahr geplant ist, den Weg weisen und die erste vollkommen automatisierte Fertigung, die derzeit in Süditalien gebaut wird, wird die Kollektoren für den allgemeinen Markt Ende 2013 liefern.

*) Dr. Vittorio Palmieri promovierte an der Universität Bern zu einem Thema der Hochenergiephysik und ist CTO der Firma TVP SOLAR SA in der Schweiz (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) [^]

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