Zeitschrift EE

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2012-03

 

Nachhaltige Gebäude

Das fertiggestellte Ensemble aus altem Bauernhaus und neuem Glashaus mit Photovoltaik und SolarthermieAbbildung 1:Das fertiggestellte Ensemble aus altem Bauernhaus und neuem Glashaus mit Photovoltaik und Solarthermie

Die Aufwertung kulturhistorisch wertvoller Bausubstanz zu Passivhäusern oder sogar zu Energie Plus Häusern wurde am Beispiel des 160 Jahre alten Bauernhauses „vulgo Weber“ innerhalb der Programmlinie „Haus der Zukunft Plus“ sowie „Neue Energien 2020“ theoretisch aufgezeigt und gelöst. Nunmehr wurde das Projekt auch umgesetzt und wird seit Herbst 2011 als Demonstrationsobjekt einer breiten Öffentlichkeit durch seine touristische Nutzung nahegebracht.

Metamorphose eines historischen Bauernhauses zu einem Passivhaus und EnergiePlusHaus

Von Herwig Ronacher *

Ausgangssituation – Motivation des Projektes

Durch Planung, bauphysikalische Berechnungen sowie durch einen Feldversuch mit 30 cm Innendämmung (ohne Dampfbremse) wurde aufgezeigt, dass eine thermische Sanierung von historischem Altbestand auf PH-Standard möglich ist. Ziel des Projektes war es zu zeigen, dass ganzheitliches Denken im Bauen umgesetzt werden kann, dass es möglich ist, in der Kategorie „sowohl als auch“ zu denken, zu planen und umzusetzen. Am Anfang stand die Frage: „Wie kann der kraftvolle Ausdruck archaischer Materialien und Formen erhalten bleiben und durch eine Metamorphose daraus ein EnergiePlusHaus entstehen. Die Vision bestand darin, ein altes Bauernhaus aus Holz und Stein vornehmlich mit natürlichen Materialien zu einer gesunden neuen Ganzheit zu führen, die einerseits dem neuesten Standard der Bautechnik entspricht und gleichzeitig höchste Wohnqualität und Atmosphäre bietet. In dem ehemaligen Bauernhaus sind nun drei Gästewohnungen und ein Seminarraum untergebracht.

Thermische Sanierung

Im Erdgeschoß des Bestandsgebäudes wurde eine thermische Sanierung mit Innendämmung zur Erreichung von Wärmebrückenfreiheit durchgeführt. Zwei Gründe waren maßgeblich dafür, dass diese experimentelle und ungewöhnliche Ausführungsvariante mit 30-40 cm Innendämmung (ohne Dampfbremse) im südlichen Teil tatsächlich umgesetzt wurde: Einerseits um die ästhetische Wirkung des freiliegenden Steinmauerwerks zu ermöglichen, zum anderen um ein Demonstrationsobjekt zu verwirklichen, für welches bislang noch kein vergleichbares Beispiel existiert. Im südlichen Teil des Hauses wurden innenliegende tragende Steinmauern von den Außenwänden getrennt und die alten Holz-Dippelbaum-Decken von ihren Auflagern abgeschnitten und durch eine von der Außenwand getrennte Holzkonstruktion unterfangen. Die Innendämmung besteht aus 30–35 cm Zellulosedämmung (Isocell) sowie 5 cm starken Heraklithplatten und Lehmputz. Mit dieser Konstruktion wurde die Wärmebrückenfreiheit erreicht.

Abbildung 2: Tragendes Holzgerippe für Dämmung, Heraklith und alte Decke

Prognostizierte Energiebilanz zur Erreichung des Zieles eines EnergiePlusHauses

Laut Energieausweis beträgt die Heizlast für das Gebäude 7,3 kW, berechnet für den Standort Hermagor. Der Heizwärmebedarf beträgt nach der thermischen Sanierung 10,0 kWh/(m²a), vor der Sanierung lag dieser bei 145 kWh/(m²a). Eine PHPP-Berechnung ergab 18 kWh/(m²a) für den Energiekennwert Heizwärme. Damit wird rechnerisch nicht ganz der angestrebte Wert eines Passivhauses von 15 kWh/(m²a) erreicht. Während der gesamten Planungsphase wurden immer wieder Optionen für die Verbesserung des Oberflächen-Volumsverhältnisses diskutiert. Schließlich konnte dieses Verhältnis durch die Schaffung einer Pufferzone im nördlichen Viertel des Objektes verbessert werden.

Tabelle 1: Rechnerische Jahres-Gesamtenergiebilanz

Haustechnik

Eine Sole/Wasser-Wärmepumpe (10,6 kW ) mit zwei Tiefenbohrungen zu je 80 m versorgt die Fußbodenheizung im Erdgeschoß und in den Bädern der darüber liegenden Geschoße sowie die Wandheizungen im 1. Obergeschoß und im Dachgeschoß. Die Heizungsanlage ist mit der Solaranlage kombiniert, das heißt, solare Erträge werden auch für die Raumheizung genutzt. Es wurden zwei Pufferspeicher mit einer Gesamtkapazität von 2.500 l installiert und die kontrollierte Wohnraumlüftung erfolgt je Geschoß über ein eigenes Lüftungsgerät mit CO2-Steuerung. Eine Besonderheit der Anlage ist, dass sämtliche Zuluftleitungen aus Zirbenholzkanälen mit einem quadratischen Querschnitt hergestellt wurden, nur für die Abluft kamen Wickelfalzrohre zum Einsatz. Die Solarkollektoren wurden in Auf-Dachmontage auf Aluminiumprofilen mit Hinterlüftung auf dem Blechdach seitlich (links und rechts) der Schrägverglasung des Glasgewächshauses installiert. 28 m² Kollektorfläche bedeuten 11.881 kWh errechneten Jahresertrag.

Nachdem der Anteil des Haushaltsstromes bei einem Passivhaus im Verhältnis zu einem konventionellen Gebäude relativ hoch ist, wurde großes Augenmerk auf die Begrenzung dieses Energiebedarfs gelegt. Die gesamte Grundbeleuchtung des Gebäudes wurde mit LED-Strahlern ausgeführt. Spezielles Highlight des Beleuchtungskonzepts ist der für den Seminarraum ausgewählte innovative Typ von Einbau-LEDs, der sämtliche Bereiche des Lichtspektrums abdecken kann. Dadurch ist es möglich, verschiedene Stimmungsbilder von Büroatmosphäre bis hin zur Yogaatmosphäre umzusetzen.

Glasgewächshaus mit PV und Solarthermie

Durch die Hanglage des Areals war es möglich, ein spezielles Glashaus zu entwickeln, welches die einfallende Sonnenenergie optimal passiv nutzt. Die üblichen Probleme von Glashäusern mit sehr großen Temperatur-Amplituden können hier ausgeglichen werden, da die Glasflächen lediglich auf die Südseite ausgerichtet bleiben, die übrigen Bauteile hingegen als Speichermassen dienen. Die auf diesem Glashaus installierten Photovoltaik- und Solarkollektoren decken gemeinsam mit der Photovoltaikanlage an den Balkonen der Südseite des Hauses die Energieversorgung des EnergiePlusHauses Weber ab.

Die Idee des EnergiePlusHauses wurde durch eine zusätzliche Anlage auf der Gartenmauer und der Einbeziehung der bestehenden Anlage des Architekturbüros auf ein „EnergiePlusAreal“ ausgedehnt. Durch den Zusammenschluss in ein gemeinsames Energiesystem wird der Energieverbrauch insgesamt optimiert, die Verbrauchszeiten des Architekturbüros mit der Hauptauslastung von Montag bis Freitag und die neuen Ferienwohnungen mit einer Hauptauslastung am Wochenende ergänzen einander. Die Photovoltaikanlagen wurden in Felder aufgeteilt, um den Solarertrag auch bei einer teilweisen Verschattung zu garantieren. Zentraler architektonischer Gestaltungsgedanke war von Anfang an die behutsame Integration der solaren Elemente von Photovoltaik und Solarthermie im Bestand und im Nebengebäude.

Abbildung 3: Südansicht des Bauernhauses mit Photovoltaikanlage

Abbildung 4: Ostansicht mit Bauernhaus und Glashaus EnergiePlusAreal

EnergiePlusAreal

Die Idee eines EnergiePlusHauses wurde durch die eine zusätzliche Photovoltaikanlage und der Einbeziehung der bestehenden Anlage des Architekturbüros letztendlich auf ein „EnergiePlusAreal“ ausgedehnt: Nicht nur das Gebäude soll mehr Energie liefern als benötigt wird, sondern das gesamte Areal soll auf verschiedenen Standorten durch PV Anlagen Strom erzeugen und durch Nutzpflanzenkultivierung biologische Lebensmittel produzieren. So sollte ein „Solar-Gehöft“ mit Permakultur entstehen, in dem Pflanzen und Bauwerk eine Symbiose eingehen. Die drei neuen PV-Anlagen sowie die Bestehende treten als dezentrale Einrichtungen nicht sehr dominant in Erscheinung. Die kleine Permakultur soll im Sinne des Gedankengutes von B. MOLLISON und D. HOLGREN umgesetzt und betrieben werden. Die Glashausarchitektur bildet eine Geländestufe als Teil der gesamten terrassierten Gartenanlage.

Bei dem EnergiePlusHaus – „Weber“, handelt es sich um ein Forschungsprojekt, das durch „Haus der Zukunft“ und „Neue Energien 2020“ gefördert wurde.

Logo Klimafonds Logo Haus der Zukunft

Abbildung 5: Lageplan des gesamten EnergiePlusAreals

Legende

  1. EnergiePlusHaus Weber (Bauernhaus zu einem Passivhaus modernisiert)
  2. Permakultur Glashaus mit 9,24 kWp PV-Anlage + 28 m² Solarthermie (Anlage 1)
  3. Carport und landwirtschaftliche Geräte
  4. Photovoltaik Südbalkone 3,0 kWp PV-Anlage (Anlage 2)
  5. PV-Anlage des Gästewohnhauses auf bestehenden Gartenmauern 4,0 kWp (Anlage 3)
  6. bestehende 5 kWp PV-Anlage beim Architekturbüro Ronacher und 18 m² Solarthermie wurde in das neue Gesamtsystem integriert (Anlage 4)
  7. Wohnhaus Architekten Ronacher

Tabelle 2: Lageplan des gesamten EnergiePlusAreals

Abbildung 6: Photovoltaikanlage auf der Gartenmauer

Zusammenfassung und Ausblick

Resümierend kann festgehalten werden, dass mit der Umwandlung des ehemaligen Bauernhauses „Weber“ mehrere Innovationen innerhalb eines Projektes umgesetzt werden konnten und das Ziel, aus diesem Gebäude samt Glashaus-Zubau ein EnergiePlusHaus zu errichten, erreicht wurde. Die Besonderheiten des Projektes sind, neben der extrem starken Zellulose-Innendämmung mit Lehmputz für den Massivbereich im Erdgeschoß, der Einsatz von Zirbenholzkanälen für die kontrollierte Wohnraumlüftung und als maßgebliches Gestaltungselement das Glashaus, dessen Größe und Ausformung von Beginn an auf die Erfordernisse der PV-Anlage und Solarthermie konzipiert wurde.

Die Bearbeitung des Projektes „EnergiePlusHaus Weber“ ist allerdings nach seiner Fertigstellung noch nicht zu Ende. Die Messungen sowie Auswertungen und Analysen der Gesamtenergiebilanz werden auch nach Fertigstellung des Projektes weitergeführt. Der prototypische Charakter des Projektes ist aus Sicht des Forschungsteams durch die große Zahl an großvolumigen, historischen Baukörpern gegeben, wie etwa für Bauernhöfe, Schlösser, Burgen, Klöster aber auch Industriehallen und dergleichen. Kenntnisse über die Tauglichkeit der zur Anwendung gebrachten Art der Innendämmung sollten im speziellen für denkmalgeschützte Gebäude von Bedeutung sein.

*)Architekt DI Dr. Herwig RONACHER, Architekten Ronacher ZT GmbH - Entwurf, Detailplanung, Überwachung der Bauausführung, Hermagor, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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