Zeitschrift EE

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2012-02

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Neue Materialien und Technologien in der Sanierung von Wohngebäudefassaden zeigen Lösungen abseits des klassischen Vollwärmeschutzes. Doch wie nachhaltig lässt sich damit sanieren? (Quelle: AEE INTEC)

Was bringt eine Organisation wie AEE INTEC, die hauptsächlich Forschungsprojekte im Bereich Solarthermie durchführt, dazu, sich frecherweise zum Passivhaus (PH) der 2. Generation zu äußern? Ganz einfach: Beste Gebäudequalität (damit niedrigster Heizwärmebedarf) und der Einsatz erneuerbarer Energieträger passen gut zusammen! Und: Die energetische Qualität und Behaglichkeit in großvolumigen PH wurde durch die Messtechnikabteilung von AEE INTEC in den letzten 10 Jahren überprüft. Darauf gründen die im Projekt PH 2.0 erörterten Themenbereiche, an denen es im Passivhaus der 2. Generation zu arbeiten gilt.

Großvolumige Passivhäuser in Österreich:
Erfahrungen aus der ersten Generation und Wünsche an die zweite

Von Armin Knotzer, David Venus und Monika Spörk-Dür *

Ziele im Projekt

Nicht die Änderung des NutzerInnenverhaltens im PH kann das vorrangige Ziel sein, sondern die Anpassung der Technik an definierte Qualitätskriterien um die Vorteile der Wohn- und energetischen Qualität im PH wirklich ausspielen zu können.
Erstes Ziel war die analytische Aufarbeitung aller vorhandenen Monitoring¬ergebnisse von bisher untersuchten großvolumigen PH, die in Teilbereichen des Betriebs starke Abweichungen gegenüber der zugrundeliegenden Planung dokumentierten.
In Zusammenarbeit mit Projektpartnern [Voller Projekttitel und Projektpartner siehe am Ende des Artikels!] wurden daraus einige wichtige Themen für das PH der 2. Generation ausgewählt:

  • Hygrischer und thermischer Komfort (Sommer und Winter)
  • Dimensionierung Heizung und Brauchwarmwasserbereitung
  • Energieeffizienz, Hygiene und Regelung von Komfortlüftungsanlagen
  • Stromverbrauch (Haushalts- und Allgemeinstrom)
  • Information und Kommunikation – BewohnerInnen / HandwerkerInnen

Für diese Themen wurden im Projektteam Hinweise, Maßnahmen und Lösungen der Optimierung hin zu innovativen Strategien für das Gesamtsystem erarbeitet.

Analyse der Ergebnisse der vermessenen Gebäude

Grundlage der Analyse stellten die während mehrjährigen Monitorings in über 20 großvolumigen, vorwiegend Passivhäusern, erfassten Daten dar.
Im Rahmen des Monitorings wurden in ausgewählten Messräumen die Komfortparameter Raumtemperatur und Raumfeuchte, in einigen Gebäuden auch die CO2-Konzentrationen untersucht. Des Weiteren wurde eine energietechnische Bilanz über die Gebäude erstellt, wobei der Heizwärmeverbrauch sowie der Warmwasserverbrauch, die Endenergieverbräuche sowie die Primärenergieverbräuche ermittelt wurden. Die Lüftungsanlagen wurden zum Teil in Bezug auf Rückwärmezahlen und Stromverbrauch analysiert. Detaillierte Ergebnisse dieser Untersuchungen können z.B. in den Endberichten der „Haus der Zukunft – Projekte Innovative Baukonzepte I und II“ sowie im „Leitfaden: Ergebnisse der messtechnischen Begleituntersuchungen von Haus der Zukunft-Demonstrationsbauten“ nachgelesen werden [1][2].
Die Gebäude weisen eine Vielzahl unterschiedlicher Konzepte auf. Sowohl was die Bauweise, als auch das Haustechnikkonzept betrifft. Trotzdem kristallisierten sich einige Gemeinsamkeiten heraus, von denen im Folgenden drei näher betrachtet werden sollen.

CO2- Konzentration

Die Raumluftqualität in Passivhäusern ist aufgrund der Lüftungsanlage sehr gut. Abbildung 1 zeigt die CO2-Konzentration in den Schlafzimmern eines Niedrigenergiehauses (NEH) und Abbildung 2 zeigt im Vergleich dazu die CO2-Konzentration in den Schlafzimmern eines Passivhauses (PH). Die CO2-Konzentration weist im NEH eine viel größere Streuung auf als im PH, das heißt sie ist in viel stärkerem Maße vom NutzerInnenverhalten abhängig. Z.B. wird im NEH in fünf von sechs Messwohnungen eine CO2-Konzentration von 1.500 ppm zwischen 2,6 % und 61,9 % der Stunden überschritten, während im PH 1.500 ppm in drei von sechs Messwohnungen nur in einem Ausmaß von 1,71 % bis 15,4 % der Stunden überschritten werden. In drei Messwohnungen liegt dieser Wert überhaupt unter 1 %.

Abbildung 1: CO2-Konzentration in den Schlafzimmern eines Niedrigenergiehauses (Häufigkeiten bezogen auf die Jahresstunden)

Abbildung 2: CO2-Konzentration in den Schlafzimmern eines Passivhauses (Häufigkeiten bezogen auf die Jahresstunden)

Luftfeuchtigkeit

Vergleicht man die Luftfeuchtigkeit von Passivhaus und Niedrigenergiehaus so findet man, dass trockene Luft nicht unbedingt ein Spezifikum des PH, und damit des Betriebs einer mechanischen Lüftung ist. Bei den zwei untersuchten Gebäuden handelt es sich um identische Bauwerke einmal in Passivhaus-Standard mit Lüftungsanlage, das zweite Mal in Niedrigenergiebauweise ohne Lüftungsanlage. Die Luftfeuchtigkeitswerte des Passivhauses weisen eine geringere Streuung auf als die Feuchtigkeitswerte des Niedrigenergiehauses. Sowohl im Passivhaus als auch im Niedrigenenergiehaus wird eine relative Feuchtigkeit von 20% so gut wie nie unterschritten (Tabelle 1 und Abbildung 3).

Tabelle 1: Vergleich der relativen Feuchte zwischen Passivhaus und Niedrigenergiehaus

  Passivhaus Niedrigenergiehaus
Häufigkeiten
Ø
[%]
min [%]
max [%]

Ø
[%]

min [%]
max [%]
> 60 %rH

1,42

0,06
3,39
1,69
0,01
5,26
50 %rH – 60 %rH
13,77
7,79
17,11
17,33
8,13
38,22
30 %rH – 50 %rH
77,27
66,97
86,39
71,30
55,96
82,45
20 %rH – 30 %rH
7,47
2,35
12,97
9,64
0,56
27,54
< 20 %rH
0,07
0
0,43
0,04
0
0,23

Der Großteil der Messwerte liegt im Bereich zwischen 30% rH und 50% rH, wobei das Passivhaus eine durchschnittliche Häufigkeit von 77,27% in diesem Bereich aufweist, im Niedrigenergiehaus liegt die durchschnittliche Häufigkeit bei 71,30%. Der Anteil der Werte mit relativer Feuchte < 30% rH liegt im Passivhaus im Durchschnitt bei 7,47%, im Niedrigenergiehaus bei 9,64%. In den beiden hier erwähnten Gebäuden wurden jeweils sieben Wohnungen vermessen.

Abbildung 3: Kaum Unterschiede bei den geordneten Werten der relativen Luftfeuchtigkeit im Vergleich Passivhaus – Niedrigenergiehaus (Häufigkeiten bezogen auf die Jahresstunden)

Sommertauglichkeit und Lichtlenkung

Zur passiven Nutzung der Sonnenenergie werden große Glasflächen vorgesehen, die teils aus architektonischen, teils nutzerInnenbedingten Gründen nur unzureichend verschattet werden. Dadurch kommt es ohne geeignete Maßnahmen im Sommer, aber auch in den Übergangszeiten je nach Orientierung der Räume zur Überhitzung derselben (Abbildung 4), wodurch zumindest theoretisch der Kühlbedarf steigt.

Abbildung 4: Überhitzung in den Messwohnungen eines PH-Wohnhauses, bezogen auf die Monatsstunden

Themen im Passivhaus der 2. Generation

Stromverbrauch

Der Stromverbrauch weist sowohl im PH als auch bei allen anderen Gebäuden noch deutliches Optimierungspotenzial auf. Dies betrifft sowohl Beleuchtung (Haushalte, Gänge, nicht zu vergessen Garagen!), Haushaltsgeräte, als auch die Lüftungsanlage (Ventilatoren) und den Allgemeinstrom (Liftanlagen, Pumpen).
So beträgt z.B. der Anteil von Glühlampen zur Beleuchtung in Österreich rund 51%. Jener der Energiesparlampen hingegen nur rund 7%. Alleine daran lässt sich das Energieeinsparpotenzial alleine durch energieeffiziente Beleuchtung ableiten.[3]
Eine Reduktion des Beleuchtungsenergiebedarfs kann durch einen dreistufigen Prozess erreicht werden:

  1. Tageslichtnutzung überall wo möglich (Tageslichtsimulation)
  2. Einsatz der derzeit am Markt erhältlichen energieeffizientesten Beleuchtungskörper
  3. Integration einer intelligenten, optimierten Beleuchtungssteuerung (z.B. Präsenzmelder)

Die Energieeffizienz von elektrischen Geräten wurde auf europäischer Ebene in den letzten Jahren immer weiter angehoben. Die legistischen Maßnahmen beinhalten die Einführung des Energielabels für immer mehr Geräte und das zunehmende Verbot von besonders ineffizienten Geräten.
Für alle Gerätekategorien, für die Energielabels vorgeschrieben sind, sollten die Klassen B und schlechter nicht mehr eingesetzt werden. Anzustreben ist die Verwendung von Geräten mit Klasse A+ und besser. Für die Einsatzbereiche, in denen noch keine Energielabels vorliegen, sollte man sich an den marktbesten Geräten orientieren und anhand der Leistung der Geräte den Strombedarf pro Jahr abschätzen.
Eine Zusammenstellung von energieeffizienten Elektrogeräten (Haushalts- wie Bürogeräte) ist z.B. auf www.topprodukte.at zu finden.
Zur Reduktion des Stromverbrauchs der Lüftungsanlage sollte auf eine Optimierung der Luftmengen geachtet werden. Einerseits bei der Planung und Dimensionierung und andererseits im laufenden Betrieb.
Im laufenden Betrieb der Lüftungsanlage erfolgt dies durch Anpassung an die An- und Abwesenheit der BewohnerInnen. Bei Abwesenheit kann die Luftmenge um 30% reduziert werden. Durch diese Reduktion kann gleichzeitig der Stromverbrauch der Lüftungsanlage um knapp 66% gesenkt werden. Die Anpassung der Luftmenge erfolgt dabei entweder manuell durch die BewohnerInnen am Bedienfeld der Lüftungsanlage oder automatisch über Zeitsteuerung, Bewegungsmelder, Luftqualiätsfühler, etc.

Thermische Behaglichkeit im Winter

Wie die bisherigen Untersuchungen gezeigt haben, werden im Geschosswohnbau Gebäude errichtet, die im Betrieb das PH-Kriterium des Heizwärmebedarfs nicht erreichen und dennoch ausschließlich über die Lüftungsanlage beheizt werden.[1] Bei diesen Gebäuden kommt es häufig zu Problemen mit zu geringen Raumlufttemperaturen und Raumluftfeuchten.
Aus diesem Grund ist eine Raumheizlastberechnung generell, aber für die Planung der Heizlast im Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP) speziell von großer Bedeutung. Durch die Berechnung der maximalen Heizleistung der Lüftungsanlage kann darin ermittelt werden, ob das Gebäude über die Lüftungsanlage beheizt werden kann oder nicht.
Um eine ausschließliche Wärmeversorgung der Wohnungen über die Lüftungsanlage zu ermöglichen, darf die max. Heizlast des Gebäudes die in Tabelle 2 ersichtlichen Werte nicht überschreiten. Die max. Heizleistung der Lüftungsanlage wurde dazu in Abhängigkeit der Raumtemperatur und der personenbezogenen Wohnfläche dargestellt.

Tabelle 2: Maximale über die Lüftungsanlage einzubringende Heizleistung bei einem Zuluftvolumenstrom von 30 m³/(h-Person)

Heizleistung
[W/m²]
Raumtemperatur [°C]
18
19
20

21

22
23
23
Wohnfläche [m²/Person]
20
15,8
15,3
14,9
14,4
13,9
13,4
12,9
25
12,7
12,3
11,9
11,5
11,1
10,7
10,3
30
10,6
10,2
9,9
9,6
9,2
8,9
8,6
35
9,1
8,8
8,5
8,2
7,9
7,6
7,4
40
7,9
7,7
7,4
7,2
6,9
6,7
6,4
45
7,0
6,8
6,6
6,4
6,2
5,9
5,7
50
6,3
6,1
5,9
5,7
5,5
5,3
5,1

Betrachtet man dabei die derzeit in Österreich durchschnittliche Wohnfläche von 43 m²/Person [4], so würde die Heizleistung der Lüftungsanlage bei einer Raumtemperatur von 20°C nur mehr 6,9 W/m² betragen. Bei den durchschnittlich im Winter gemessenen Raumtemperaturen von 22,9°C [1] wären nur mehr 6,2 W/m² möglich!

Resumee

Dass das Passivhauskonzept in den letzten 10 Jahren zu einer gesteigerten Qualität in der Ausführung von Gebäuden und deren Wohn- und Arbeitsqualität gebracht hat, ist unbestritten. Das durchgängige „auf den Boden bringen“ aller Vorzüge von Passivhäusern in der Praxis braucht kontinuierliche Arbeit an der Planungs- und der Umsetzungsqualität sowie der Qualitätssicherung von eingesetzten Technologien.
Letztlich wird das Passivhaus von seinen BewohnerInnen an seiner Wohn- und Arbeitsqualität gemessen. Dazu zählen vor allem die spürbar bessere Luftqualität bei lärmfreier mechanischer Lüftung und behaglich warme oder kühle Räume auch unter Extremwetterbedingungen. Das alles bei niedrigsten Heiz- und damit meist Stromkosten zu schaffen ist eine technologisch wichtige Aufgabe. Diesen Idealbedingungen in großvolumigen PH näher zu kommen sollte das Projekt dienen.

Literatur

  • [1] Ergebnisse der messtechnischen Begleituntersuchungen von „Haus der Zukunft“ – Demonstrationsbauten; AEE INTEC, Gleisdorf 2011, herausgegeben im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr Innovation und Technologie im Rahmen der Programmlinie Haus der Zukunft
  • [2] Energietechnische, baubiologische und nutzerspezifische Begleituntersuchung zu innovativen Baukonzepten der im Rahmen von Haus der Zukunft umgesetzten Projekte IBK I und II http://www.hausderzukunft.at/results.html/id2775
  • [3] STATISTIK AUSTRIA (2009): Statistiken – Energie und Umwelt – Energieeinsatz der Haushalte; Durchschnittlicher Stromverbrauch der Haushalte nach Verbrauchskategorien 2008; http://www.statistik.at/web_de/statistiken/energie_und_umwelt/energie/energieeinsatz_der_haushalte/index.html, aufgerufen am 18.01.2012 um 11:00 Uhr
  • [4] STATISTIK AUTRIA (2011): migration & integration; zahlen.daten.indikatoren 2011; Kommission für Migrations- und Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; http://www.statistik.at/web_de/Redirect/index.htm?dDocName=057239, aufgerufen am 06.03.2012 um 13:00 Uhr

Das Handbuch „Passivhaus 2.0 - Richtlinien für das Passivhaus der 2. Generation“, das die zukünftigen Themen im PH behandelt, ist unter www.aee-intec.at runterzuladen.
Das Projekt „PH 2.0 - Entwicklung von optimierten praxisorientierten Planungs- und Ausführungsunterlagen von Passivhäusern der 2. Generation“ wurde aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „NEUE ENERGIEN 2020“ durchgeführt.


Folgende Projektpartner haben zu den Ergebnissen im Projekt PH 2.0 beigetragen:

  • Energie Tirol, DI Roland Kapferer
  • Schöberl & Pöll GmbH, Bmst. DI Helmut Schöberl, DI Richard Hofer
  • Ing.-Büro Hofbauer, DI Wilhelm Hofbauer
  • Interuniversitäres Forschungszentrum (IFZ) Graz, Mag. Jürgen Suschek-Berger

*) DI Armin Knotzer ist Mitarbeiter des Bereichs Nachhaltige Gebäude von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
DI
David Venus ist Mitarbeiter des Bereichs Nachhaltige Gebäude von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!)
DI
Monika Spörk-Dür ist Mitarbeiterin des Bereichs Messtechnik von AEE INTEC (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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