Zeitschrift EE

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2000-02: Solar-Luftsysteme

Realisierte Beispiele

Das Haus der Familie Stecher-Wyden wurde 1945/46 als Holzständerbau in einer Genossenschaftssiedlung zusammen mit 10 weiteren, identischen Einfamilienhäusern gebaut. Notwendig werdende Investitionen - Einbau Badezimmer, Ersatz der Kohle-Holz-Schwerkraftheizung - und die ungenügende Wärmedämmung der Gebäudehülle veranlassten die Familie auf dem Gebiet der Renovation und Sanierung von Altbauten solares Neuland zu betreten. Der Kostenrahmen von maximal 5% Mehrinvestitionen sollte dabei allerdings nicht überschritten werden.

Solares Luftsystem für Sanierung

Von Andreas Gütermann*

Die Zielsetzungen waren die Erhöhung des Komforts, die Verwendung baubiologisch wertvoller Materialien und eine Energieversorgung unter weitestgehend der Nutzung solarer, erneuerbarer Energie. Weiters sollte auf aufwendige Installationen im Haus verzichtet werden.
Das ganze Süddach des renovierten Einfamilienhauses ist nun als Luftkollektor (40m²) ausgebildet und an der Südfassade sorgt ein verglaster Rücklaufkanal (5 m²) für zusätzliche Solarenergienutzung. Die solar erwärmte Luft durchströmt zuerst einen Luft - Wasser Wärmetauscher zur Brauchwarmwasservorwärmung und dann die Wände (Murokausten) und die Böden (Hypokausten) und liefert so 4500 kWh Wärme (Nutzenergie) pro Jahr. Dank diesem solaren Input und der guten Wärmedämmung ergibt sich ein sehr kleiner Restenergiebedarf. Pro Jahr muss der zentrale Holzofen gerade noch mit 1,6 Ster Holz beschickt werden. Die Energiekennzahl sank von 195 auf 19,5 kWh/m²a um den Faktor 10, obwohl der Wohnkomfort deutlich gestiegen ist. Die Mehrkosten für diese Sanierungsvariante - solares Luftsystem und Holzofen - gegenüber einer Zentralheizung beliefen sich auf 4.100 Euro. Das Haus wurde mit dem Schweizer Solarpreis 98 ausgezeichnet. Ein Messprojekt im Auftrag des Bundesamtes für Energie dokumentiert die erweiterte Erfolgskontrolle und gibt Auslegungs- und Optimierungshinweise.

Die Luftkollektoranlage

Der Luftkollektor besteht aus einer einfachen, verglasten Dachkonstruktion. Das blendfreie Glas anstelle der Ziegelabdeckung sowie das darunterliegende, dunkelbraune "Montana-Blech" (Unterdach als Absorber) bilden das eigentliche Süddach, in welchem die Luft erwärmt wird. Die sanierungsbedürftige Decke über dem Untergeschoss wurde mit Holzbalken und Tonhurdissteinen sowie einem aus Lastgründen minimalen Betonüberzug von 7 cm (Speicher) realisiert.
Die Gebäudestruktur dient als Luftführung (Wände) und Speicher (Böden) und ermöglicht eine sehr gleichmässige Temperierung des ganzen Innenraumes. Auf eine Zentralheizung konnte verzichtet werden. Ein Einzelofen im offen gestalteten Grundriss des Wohngeschosses reicht zur Nachheizung des ganzen Hauses bei mehrtägigem, kaltem, bedecktem Wetter.

 

 

  1. Dachkollektor
  2. Luftauslass Sommer
  3. Rückschlagklappe
  4. Verteilkanäle
  5. Hurdisdecke
  6. Siphon (Kältefalle)
  7. Lufteinlass Sommer
  8. Fassadenkanal
  9. Warmwasserbereitung
  10. Nachheizung

Abbildung 1: Prinzipschema des solaren Luftsystems

Durch den Einbau eines Luft-Wasser-Wärmetauschers unmittelbar nach dem Firstsammelkanal konnte zusätzlich auf einfachste Weise eine sehr effiziente solare Wassererwärmung ohne Glykolzwischenkreislauf realisiert werden.

Winterbetrieb

Mit einem Ventilator wird die erwärmte Luft via Firstsammelkanal durch einen Wärmetauscher (Warmwasservorwärmung) und zwei abfallende Verteilkanäle im nordseitigen Hausteil durch den Badezimmerboden in die östliche Hurdisdecke im Erdgeschoss und direkt in die westliche Hurdisdecke geführt.
Von Nord nach Süd in der Hurdisdecke fliessend und dabei die Wärme abgebend gelangt die Luft durch den Siphon (Kältefalle) in den verglasten Fassadenkollektor und ins Kollektordach zurück. Die solare Warmwasseraufbereitung deckt 40% des Bedarfs und wird durch eine sparsam betriebene elektrische Nachheizung im oberen Teil des Boilers auf Gebrauchstemperatur gebracht. Der solare Deckungsgrad für die Gebäudeheizung beträgt 50%.

Sommerbetrieb

Das Öffnen einer Holzblende am unteren Ende des Fassadenkollektors treibt die erwärmte Kollektorluft durch natürliche Konvektion via Wärmetauscher durch eine Fassadenöffnung ins Freie. Der solare Deckungsgrad liegt im Sommer bei 80 - 90% und es konnte gezeigt werden, dass während einer Schönwetterperiode der Warmwasserbedarf dieses 4-Personenhaushaltes bei einer Warmwassertemperatur von 50°C ohne zusätzliche elektrische Nacherwärmung sichergestellt werden konnte.

 


Abbildung 2: Innenaufnahme Wohnesszimmer mit Holzofen

Resultate des Messprojektes

Das Messprojekt wurde Ende Oktober 1999 abgeschlossen und die Daten eines ganzen Jahres standen für die Auswertung zur Verfügung. Aus der Analyse der Daten lassen sich wesentliche Aussagenableiten. In Abbildung 3 sind die Energieeinträge monatsweise und aufsummiert für die Heizsaison dargestellt.

  • Der Haushaltstromverbrauch entspricht im saisonalen Verlauf den Erwartungen (=Durchschnitt), der Stromkonsum für den Warmwasserboiler schwankt je nach Solaranteil ebenfalls erwartungsgemäss. Der gesamte Stromverbrauch der vierköpfigen Familie beträgt mit 2800 kWh nur die Hälfte des schweizerischen Durchschnitt (5.500 kWh). Der Stromverbrauch für die Solaranlage ist daran mit nur 4% (Ventilator) und 1% (Brauchwasserpumpe) beteiligt.
  • Das solare Luftsystem liefert rund 50% des Heizenergiebedarfes, wobei wegen der relativ flachen Dachneigung und dem Strahlungsangebot der Ertrag des Dachkollektors im Winter klein, im März/April jedoch hoch ist. Der verglaste vertikale Fassadenkanal erwirtschaftet dagegen einen Ertrag, der viel besser den Heizbedürfnissen angepasst ist. Mit 10% Flächenanteil sind das 20% des Ertrages im Dezember und Januar, gegenüber nur 5% im April.
  • Die Leistung der Warmwassererzeugung via Luft-Wasser-Wärmetauscher entspricht knapp jener einer standardisierten 4 m² Kleinsolaranlage (Typ Solkit, Minisol usw.). 40% Deckungsanteil in der Heizperiode, 80% im Sommer. Die Auswertung des Temperaturverhaltens zeigt, dass der Wärmetauscher zu knapp dimensioniert ist. Die doppelte Tauscherfläche mit stärkerer Gegenstromcharakteristik wäre optimaler.

 

Abbildung 3: Energieeinträge

 

Abbildung 4: Das Temperaturverhalten des Systems beispielhaft an einem schönen aber kühlen Frühlingstag.

Gut sichtbar ist die Aufladung der Hurdisdecke (D T = 5 °K), der Aufladevorgang der unteren Hälfte des Brauchwarmwasserboilers sowie die Vor- und Rücklauftemperaturen des Wärmetauschers sowohl luft- als auch wasserseitig.
Offensichtlich funktioniert die Wärmenutzungskaskade. 5 °K Exergie der Kollektorluft führen im Wärmetauscher wasserseitig zu einer Temperaturerhöhung von ca. 20 °K, damit lädt sich der Boiler im Laufe des Tages auf Gebrauchstemperatur (45-50 °C). Die Restwärme der Kollektorluft, mit einem Temperaturniveau von immerhin 40-50 °C, "lädt" die Gebäudestruktur.
Gut sichtbar ist auch die sehr direkte Reaktion (auf Zapfvorgänge) der Wassertemperatur im unteren Speicherbereich und der Wasserrücklauftemperatur zum Wärmetauscher während des Betriebes von Ventilator und Ladepumpe.
Das Temperaturniveau der Vorlauftemperatur wasserseitig liegt leicht unter dem Luftaustritt nach dem Wärmetauscher. Dies ist nicht optimal und konnte durch die Variation des Wasserdurchsatzes nur unwesentlich beeinflusst werden. Um das Temperaturniveau wasserseitig näher an die Kollektorluft vor dem Wärmetauscher heranzuführen und den Wasserdurchsatz noch etwas zu erhöhen, was für die Boilerladung wünschbar wäre, müsste mit mehr Wärmetauscherfläche und stärker im Gegenstrom gearbeitet werden.

Schlussfolgerung

Ein solares Luftsystem kann sowohl für die Beheizung, als auch für die Warmwassererwärmung eine effiziente und wirtschaftliche Lösung sein. Dies gilt für Neubauten wie auch für Sanierungen.

*) Dipl.-Ing. Andreas Gütermann ist Geschäftsführer der "amena ag", Planungsbüro für angwandte Mess- und Energietechnik in Winterthur, Schweiz [^]

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