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2000-03: Europas solare Zukunft

Solarenergie historisch

Thermische Solaranlagen sind aus umweltfreundlichen Haushalten heute nicht mehr wegzudenken. Besonders in Österreich hat sich diese Technik eindrucksvoll etabliert. Ende 1998 waren rund 1,3 Mio. Quadratmeter Kollektorfläche installiert, in mehr als 100.000 Haushalten kommt diese umweltfreundliche Technik zum Einsatz. Bezogen auf die Anzahl der Einwohner liegt Österreich damit in Europa hinter Griechenland an zweiter Stelle. Die heute übliche Technik gilt als zuverlässig und langlebig, wodurch ihr Einsatz auch wirtschaftlich gesehen vertretbar ist.

Wer hat eigentlich die Solaranlage "erfunden"?

Von Michael Ornetzeder*

In den letzten Jahren wurden zudem vermehrt Anlagen errichtet, die nicht nur zur Warmwasserbereitung sondern zum Teil auch zur Heizung von Wohnräumen eingesetzt werden. Diese "Erfolgsgeschichte" ist - vor allem den LeserInnen dieser Zeitschrift - weitgehend bekannt, über die Herkunft der Solaranlagen weiß jedoch kaum jemand Bescheid. Woher stammt dieser technische Vorbote einer solaren Energiezukunft? Wer hat die Solaranlage eigentlich erfunden? Und wie sahen diese ersten Anlagen aus?

Ausgangspunkt in Europa: die Ölkrise

Die österreichische und wohl auch die europäische Geschichte der thermischen Solartechnik begann erst im Jahr 1973. Eine geringe Verteuerung der Rohölpreise, politisch und medial als Ölkrise dramatisiert, führte zu einer hektischen Suche nach technischen Alternativen. So wurden auch Solaranlagen rasch zu einem Thema für Forschung und Entwicklung, und nur wenige Jahre später waren bereits die ersten Anlagen am Markt erhältlich. Diese galten jedoch zu Recht als teuer, technisch unzuverlässig und ineffizient. Dabei lagen die Probleme der an sich simplen Technik im Detail. Was fehlte, waren vor allem praktische Erfahrungen. Dass die thermische Solaranlage bereits am Ende des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten erfunden und über einen Zeitraum von rund vierzig Jahren praktisch erprobt und weiterentwickelt wurde, blieb den österreichischen Entwicklungsingenieuren verborgen.

Solaranlagen - ein "amerikanischer Traum"

Das weltweit erste Patent für eine Solaranlage wurde im Jahr 1891 an den Metallfabrikanten Clarence M. Kemp aus Baltimore vergeben. Es handelte sich um einen technisch sehr einfachen Speicherkollektor, vom Erfinder als "Apparatus for Utilizing the Sun's Rays for Heating Water" bezeichnet. Der patentierte "Apparatus" wurde nach geringfügigen Verbesserungen bereits ein Jahr später unter dem Namen "Climax Solar Water Heater" erfolgreich vermarktet. Nach einigen weiteren Solaranlagenpatenten unterschiedlicher Erfinder stellte der Kalifornier William J. Bailey 1909 ein neues, wesentlich leistungsfähigeres Anlagenkonzept vor, bei dem der Kollektor vom Wasserspeicher getrennt war. Dieser Anlagentyp entsprach in seinen Grundzügen bereits den noch heute gebräuchlichen Schwerkraftanlagen. Baileys Firma wurde zum größten Hersteller von Solaranlagen in Kalifornien. Bis zur Einstellung der Produktion im Jahr 1941 konnten allein von diesem Unternehmen mehr als 7.000 Anlagen verkauft werden. In den 20er Jahren verlagerte sich das Zentrum der amerikanischen Solaranlagenproduktion nach Florida. Die dort aktiven Hersteller waren zwar kommerziell erfolgreich, die Entwicklung der Anlagentechnik konnte von den kleinen, auf handwerklicher Basis arbeitenden Betrieben jedoch nicht entscheidend vorangetrieben werden. Die Verbreitung der Solaranlagen blieb- vor allem aufgrund der starken Konkurrenz durch die großen Gas- und Elektrizitätsgesellschaften - regional beschränkt und kam nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich gänzlich zum Erliegen.
Entstanden waren die ersten Solaranlagen parallel zu einer Reihe anderer Versuche, die Warmwasserbereitung in den Haushalten zu technisieren. Zur selbem Zeit kamen auch die ersten Gasgeräte, einige Jahre später auch Elektroboiler auf den Markt. Nicht die Nutzung der Sonnenenergie stand für die Erfinder, die meist selbst Unternehmer waren, im Vordergrund, sondern das Ziel, die Arbeit im Haushalt zu rationalisieren. Dieser Rationalisierungsbedarf entstand in erster Linie, weil sich die Struktur der privaten Haushalte, in den USA stärker und früher als in irgend einem anderen Land der Welt, in nur wenigen Jahrzehnten radikal gewandelt hatte: von der bäuerlichen Großfamile hin zur städtischen Kleinfamilie. Die gesamte Hausarbeit konzentrierte sich nun auf die Hausfrau. So ist es wenig überraschend, dass von der damals bereits starken amerikanischen Frauenbewegung technische Erfindungen zur Entlastung der Frauen lautstark eingefordert wurden.
Der Wunsch nach automatischen Geräten zur Warmwasserbereitung muss aber auch in enger Verbindung mit gestiegenen Hygienestandards gesehen werden. Regelmässige Körperpflege wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts allmählich zur Norm. Damit gingen nicht nur technische Erfindungen einher, auch in der Architektur spiegelte sich dieser grundlegende gesellschaftliche Wandel: das Badezimmer, ein Raum, der ausschliesslich der Körperpflege gewidmet war, tauchte immer öfter in den Grundrissen nordamerikanischer Häuser auf. Ohne diesen Verbreitungserfolg des Badezimmers hätte sich vermutlich niemand mit der Konstruktion von Solaranlagen beschäftigt. Sie ermöglichten erstmals eine vollautomatische Warmwasserbereitung.

Der "Climax Solar Water Heater"

Das Kernstück der ersten kommerziell vermarkteten Solaranlage von C. M. Kemp war ein Kollektor, der aus mehreren mattschwarz lackierten Metallbehältern bestand. Diese Behälter waren nebeneinander angeordnet und durch Rohrleitungen miteinander verbunden. Die Behälter steckten in einer Holzkiste, waren mit Filzpapier isoliert und mit Glasscheiben abgedeckt. Dieser Speicherkollektor - die zylindrischen Behälter dienten gleichzeitig als Absorber und als Wasserspeicher - wurde am Dach oder mit einer speziellen Vorrichtung an der Südseite des Gebäudes befestigt. Einen Auszug aus der Patentschrift mit der Skizze der Anlage zeigt Abbildung 1.

Abbildung 1: Patentauszug der Solaranlage von Clarence M. Kemp, April 1891

Das Angebot umfasste acht verschiedene Modelle, wobei die kleinste Anlage etwa 120, die größte immerhin 2.650 Liter fasste. Durch die Vergabe von Lizenzen gelangte Kemps Erfindung unter anderem auch nach Kalifornien. Einer Anzeige in der Los Angeles Times vom 8. Februar 1900 ist zu entnehmen, dass die "Climax Solar Water Heater Company" in nur wenigen Jahren bereits 1600 Solaranlagen verkaufen konnte. Ein durchaus beachtlicher Markterfolg, wenn man bedenkt, dass Los Angeles zur damaligen Zeit nicht mehr als 100.000 Einwohner zählte und fliessendes kaltes und warmes Wasser in nur wenigen wohlhabenden Haushalten ein bereits üblicher Standard war.

Der "Walker Solar Heater"

Im Jahr 1898 meldete Frank Walker, ein Bauunternehmer und Grundstücksmakler aus Los Angeles, das zweite Patent für eine Solaranlage an. Neu an seinem Konzept war die Kombination von Solaranlage und herkömmlichem Heizsystem. Ähnlich wie beim "Climax" bestand der Kollektor aus einem schwarzen zylinderförmigen Metallbehälter, der in einem mit Glas abgedeckten Holzkasten montiert war. Zusätzlich war um den Wasserbehälter allerdings ein Metallreflektor angebracht, der die einfallenden Sonnenstrahlen auch auf die der Sonne abgewandten Seite umlenken und damit die Effizienz der Anlage erhöhen sollte. Aus den Patentunterlagen ist auch zu entnehmen, dass bei diesem Modell bereits eine vollständige Integration des Speicherkollektors in das Hausdach vorgesehen war. Diese Lösung erleichterte die Isolation des Speichers und stellte gleichzeitig eine architektonisch ansprechende Montagevariante dar. Die wichtigste Veränderung im Vergleich mit dem Climax war jedoch die vorgesehene Verbindung der Solaranlage mit dem Heizsystem des Gebäudes. Damit sollte die automatische Warmwasserbereitung auch an Schlechtwettertagen, aber vor allem in den Wintermonaten sichergestellt werden.

Der "Improved Climax Solar Heater"

Eine wesentliche Schwachstelle der Speicherkollektoren von Kemp und Walker, die sehr langsame Erhitzung des Speicherinhalts, konnte mit dem verbesserten "Climax" von Charles Haskell zum Teil behoben werden. Der Absorber bestand nicht mehr aus mehreren zylindrischen Behältern, sondern aus einem rechteckigen Metallkasten von geringer Tiefe. Im Absorber befand sich zwar etwa gleich viel Wasser wie bei den Vorgängermodellen, doch die von der Sonne erwärmte Oberfläche war im Verhältnis zum Flüssigkeitsvolumen nun deutlich größer. Im Inneren des Absorbers waren Metallrippen befestigt, durch die zusätzliche Wärme auf das Wasser übertragen werden sollte.

Abbildung 2: Patentauszug der Solaranlage von Frank Walker, 1902

Haskell nannte das neue Modell "Improved Climax". Da der flache Speicher dem Wasserleitungsdruck nicht standhalten konnte, mußte ein zusätzliches Wasserreservoir oberhalb des Speicherkollektors angebracht werden. Trotz dieses Nachteils - der zusätzliche Behälter verteuerte die Anlage - konnten zwischen 1905 und 1910 einige tausend derartiger Anlagen verkauft werden.

Der "Day and Night Solar Water Heater"

Die Idee, Wärmespeicher und Kollektor voneinander zu trennen, tauchte erstmals in einem Patent aus dem Jahr 1902 auf. Kommerziell erfolgreich wurde dieses heute weit verbreitete Konzept allerdings erst einige Jahre später. Im Jahr 1909 eröffnete W. J. Bailey ein kleines Unternehmen in einem Vorort von Los Angeles. Die Firma produzierte einen neuen Typ von Solaranlage, der nicht nur am Tag warmes Wasser liefern sollte, sondern auch während der Abendstunden. Um auf diese Verbesserung besonders hinzuweisen, nannte Bailey sein Unternehmen "Day and Night Solar Water Heater Company".

Abbildung 3: Auszug aus der Patentschrift im Jahre 1902 der Anlage von Bailey. Wärmespeicher und Kollektor waren erstmals voneinander getrennt.

Die Bauart des Kollektors stellte zweifellos eine Novität dar (siehe Abbildung 3). Baileys Konstruktion entsprach im Prinzip bereits dem heute weltweit am häufigsten verwendeten Kollektortyp: dem Flachkollektor. Das zu erwärmende Wasser zirkulierte in einem Rohrsystem durch den sogenannten Thermosiphoneffekt bei Sonneneinstrahlung von selbst zwischen Speicher und Kollektor. Der Absorber war aus Kuferrohren mit 1,9 cm Durchmesser gefertigt. Um mehr Wärme aufnehmen zu können, waren die Rohre im Abstand von einigen Zentimetern auf Kupferblech aufgelötet. Am oberen sowie am unteren Ende mündeten sie in jeweils ein Sammelrohr. Der rund 5 m² große schwarz lackierte Absorber des Basismodells befand sich in einem mit Glas abgedeckten und auf der Innenseite mit Filzpapier isolierten Holzkasten. Der etwas mehr als 200 Liter fassende Speicher wurde aus verzinktem Stahl hergestellt. Die Isolierung bestand aus einer bis zu 23 cm starken Kalksteinschicht, die mit Holz verkleidet wurde. Wie spätere Messungen an der Universität von Kalifornien ergaben, produzierte der "Day and Night Solar Heater" unter südkalifornischen Klimabedingungen neun Monate im Jahr Warmwasser mit durchschnittlich mehr als 60° Celsius.
Nach einem ungewöhnlich kaltem Winter im Jahr 1913 konstruierte Bailey die erste frostsichere Solaranlage, die ganzjährig verwendet werden konnte. Er stattete das neue, ebenfalls zum Patent angemeldete System mit einem geschlossenen Solarkreislauf aus. Nun wurde nicht mehr direkt das Brauchwasser im Kollektor von der Sonne erhitzt, sondern ein frostsicheres Wasser-Alkohol-Gemisch. Die Übertragung der Wärme vom Solarkreislauf zum Brauchwasser erfolgte durch eine Rohrschlange (einem einfachen Wärmetauscher), die durch den Speicher hindurchführte.
Vergleicht man dieses System mit der heute in Österreich üblichen Anlagentechnik, so "fehlt" nur noch der Zwangsumlauf mit thermostatischer Steuerung. Aber auch diese Erfindung zur Steigerung der Energieausbeute stammt aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Amerikaner W. F. Clark beantragte 1927 ein Patent für die vollautomatische ganzjährig einsetzbare Solaranlage mit Zwangsumlauf. Clark hatte sogar an eine elektrische Zusatzheizung gedacht.

Die Gesellschaft "erfindet" Technik

Kommen wir zurück zu unserer eingangs gestellten Frage. Wer kann nun als Erfinder der Solaranlage gelten? Zweifelsohne müssen hier jene Erfinder-Unternehmer, wie Kemp, Walker oder Bailey, genannt werden. Sie machten aus Ideen vermarktbare Produkte. Andererseits reagierten sie mit ihren Erfindungen auf einen allmählich aufkommenden gesellschaftlichen Bedarf, den es zunächst nur in den USA gab. Ohne dieses spezielle gesellschaftliche Umfeld wären die "solar heater" weder sinnvoll geschweige denn erfolgreich gewesen. Vermutlich wären sie nicht einmal "erdacht" worden.

Weiterführende Literatur:
Ornetzeder, M., Die Solaranlage, Koinon: Sozialwissenschaftliche interdisziplinäre Studien, Band 4, Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, 2000, ISBN 3-631-35244-1

*) Dr. Michael Ornetzeder ist Mitarbeiter im Zentrum für soziale Innovation in Wien, http://www.municipia.at/sine/index.html [^]

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