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2000-03: Europas solare Zukunft

Thema

Wenn man sich vor Augen führt, dass nach den aktuellen Prognosen die Weltbevölkerung bis zum Ende des nächsten Jahrhunderts sich etwa verdoppeln wird und der pro-KopfEnergieverbrauch durch wachsenden Wohlstand sich durchschnittlich ebenfalls - konservativ geschätzt - etwa verdoppeln wird, so wird einem klar, vor welchen Herausforderungen wir heute im Energiesektor stehen. Die verfügbare Kraftwerksleistung muss sich mindestens vervierfachen.

Thermische Solarkraftwerke für das nächste Jahrhundert

Von Bernhard Milow*

Jedoch können wir nicht davon ausgehen, dass in solchem Umfang konventionelle Kraftwerke installiert werden. Aus zwei Gründen: Die heute bekannten fossilen Kraftwerkstechnologien würden unsere Umwelt schwer belasten, und die heute bekannten nuklearen Optionen werden wohl an Akzeptanzproblemen scheitern. Welche Lösungen haben wir? Da die Kernfusion nach dem Stand der Technik frühestens in der zweiten Hälfte des kommenden Jahrhunderts beginnen kann, zur Energieversorgung der Menschheit beizutragen, bleiben nur die erneuerbaren Technologien.
Hier wird drastisch deutlich, dass wir uns zur Lösung der anstehenden Aufgaben nicht auf Nischenanwendungen beschränken können. Es müssen alle verfügbaren erneuerbaren Optionen in großtechnischem Maßstab umgesetzt werden. Und es besteht dringend Handlungsbedarf. Es wird sofort klar, dass man hier in globalen Märkten denken muss. Wenn man die Marktchancen im weiteren Sinne meint, so kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass sie immens sind.

 

Abbildung 1: Solarthermische Kraftwerke in Kalifornien, USA (Bild: Pilkington Solar).

Welche erneuerbaren Technologien können hier - global gesehen - eine Rolle spielen? Der Anteil der Biomasse wird weltweit vermutlich von sekundärer Bedeutung sein. Da die Erzeugung des Brennstoffs (außer Abfallbiomasse) in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung steht, wird bei stark steigender Weltbevölkerung letzteres sicher Priorität haben, da es andere Alternativen zur Energiebereitstellung gibt. Wasserkraft und Geothermie werden dort, wo die Anwendung möglich ist, in nennenswertem Umfang saubere Energie bereitstellen. Das Potential von Wind und Sonne schließlich ist riesig. Sowohl die Windenergie wie auch die Solarenergie werden weltweit in Zukunft die wesentlichen erneuerbaren Technologien sein. Die Photovoltaik wird sicherlich wesentlich sein, allerdings hauptsächlich bei der Versorgung ländlicher Gebiete mit Elektrizität - sie ist wegen der hohen Modularität hierfür prädestiniert. Daher wird ihr Anteil zur Deckung des Primärenergiebedarfs weltweit eher klein bleiben. Die vergleichsweise hohen Kosten werden wohl verhindern, dass in nennenswertem Maßstab Kraftwerke entstehen werden, die auf dieser Technologie basieren. Hierzu bieten sich die solarthermischen Technologien an, die bereits heute nicht sehr weit von der Wirtschaftlichkeit entfernt sind.

Technologien

Solarthermische Kraftwerkstechnologien basieren auf dem Prinzip, die Sonnenstrahlung zu konzentrieren, in Wärme und anschließend in Dampf umzuwandeln, um schließlich in einem konventionellen Dampfprozess über eine Turbine Strom zu erzeugen (siehe Abbildung 2). Mit anderen Worten: solarthermische Stromerzeugung ist sehr ähnlich zu der in konventionellen Kraftwerken - mit einem wesentlichen Unterschied: dem Brennstoff Sonne.

Abbildung 2: Prinzipskizze eines solarthermischen Kraftwerks

Für die Konzentration werden in allen Systemkonzepten heute durchweg Glasspiegel verwendet. Sie werden, da es sich ja um konzentrierende Systeme handelt, dem Verlauf der Sonne von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nachgeführt. Hier wird eine spezifische Eigenschaft dieser Technologien deutlich: in diesen Systemen kann ausschließlich die direkte Strahlung genutzt werden, nicht die diffuse. Daraus ergibt sich, dass solarthermische Kraftwerke vornehmlich in südlichen Ländern errichtet werden können, in denen die Sonne verlässlich scheint, ohne dass Wolken behindern würden.
Im Wesentlichen sind zwei Prinzipien optischer Konzentration zu unterscheiden, die Fokussierung auf einen linienförmigen Brennfleck und die Fokussierung auf einen punktförmigen Brennfleck. Die daraus resultierenden wesentlichen solarthermischen Systemkonzepte sind schematisch in den Abbildungen 3a bis 3c dargestellt.

 

Abbildung 3a: Schematische Darstellung konzentrierender Solartechnologie: Rinnensystem

Die sogenannten Rinnensysteme ("Trough System", Abbildung 3a) bestehen im Wesentlichen aus einem linearen Konzentrator mit parabolischem Querschnitt, der die Solarstrahlung auf ein Absorberrohr fokussiert. Durch dieses Absorberrohr fließt ein spezielles Wärmeträgermedium, das die Wärme aufnimmt, zum Dampferzeuger weiterleitet und in weiterer Folge zur Dampfturbine transportiert. Abbildung 4 zeigt eine Anlage mit Rinnensystem auf der südspanischen Testanlage "Plataforma Solar de Almería" für solarthermische Kraftwerke.

 

Abbildung 4: Trough System auf der Testanlage für solarthermische Kraftwerke Plataforma Solar de Almería, Spanien

 

Abbildung 3b: Schematische Darstellung konzentrierender Solartechnologie: Power Tower System

In einem Turmkraftwerk ("Power Tower System", Abbildung 3b) wird von einem zweiachsig nachgeführten Spiegelfeld die Sonnenenergie auf einen Receiver auf der Turmspitze konzentriert. Dort wird die Energie wiederum von einem Wärmeträgermedium aufgenommen und dem konventionellen Dampfprozess zugeführt. Abbildung 5 zeigt ein Turmkraftwerk auf der südspanischen Testanlage "Plataforma Solar de Almería".

 

Abbildung 5: Turmsystem auf der südspanischen Testanlage für solarthermische Kraftwerke Plataforma Solar de Almería, Spanien

Sowohl beim Rinnen- wie auch beim Turmkonzept kann durch die Verwendung eines thermischen Speichers eine gewisse zeitliche Unabhängigkeit von der Solarstrahlung erreicht werden. Die Möglichkeiten reichen von der Überbrückung von Wolkenschatten über die Verlängerung des solaren Kraftwerksbetriebs in die Abendstunden bis zu einem reinen Solarbetrieb über 24 Stunden, sofern das Gesamtsystem entsprechend ausgelegt ist.

Abbildung 3c: Schematische Darstellung konzentrierender Solartechnologie: Dish/Engine System

Ein drittes Systemkonzept stellt das Dish/Engine-System dar, das in Abbildung 3c dargestellt ist. Hier wird mittels eines rotationssymmetrischen parabolischen Konzentrators ein Stirling-Motor mit Sonnenenergie betrieben. Dieses Konzept ist eher für Einheiten im Kilowatt-Bereich anwendbar und spielt eher eine Rolle bei der netzfernen Stromversorgung. Am Titelbild dieses Artikels ist ein Dish/Engine-System auf der Plataforma Solar de Almería zu sehen.
Durch die Tatsache, dass solarthermische Kraftwerke auf einem konventionellen Dampf- oder GuD-Prozess beruhen, können sie sehr leicht "hybridisiert" werden. Sollte die Sonne nicht ausreichend Energie für den Betrieb liefern, kann der Dampferzeuger mit anderen Brennstoffen, z.B. Erdgas, die fehlende Energie liefern. Somit wird es möglich, mit solchen Kraftwerken im Grundlastbereich eine garantierte Leistung abzugeben.

Bisherige Erfahrungen

In Kalifornien wurden zwischen 1984 und 1991 neun solarthermische Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 354 MW installiert. Diese Anlagen laufen äußerst zuverlässig und haben bis heute etwa 8 TWh Strom erzeugt und fast eine Milliarde US-Dollar erwirtschaftet. Bei den kalifornischen Kraftwerken wurde die Rinnentechnologie angewandt. Es konnten bei der Umwandlung von solarer Einstrahlung zu elektrischem Strom Wirkungsgrade von 20% im Dauerbetrieb erreicht werden, wie in Abbildung 6 zu erkennen ist.

Abbildung 6: Wirkungsgradverlauf über einen Tag eines solarthermischen Kraftwerks in Kalifornien, USA.

Die Erfahrungen, die mit diesen Kraftwerken in 14 Betriebsjahren gemacht wurden, sind durchweg positiv. Es konnte nachgewiesen werden, dass die hohen Erwartungen, die in erneuerbare Technologien gesetzt werden, voll erfüllt werden konnten.

Markteinführung

Die Markteinführung der solarthermischen Technologien steht noch relativ weit am Anfang. Doch warum werden heute - trotz der guten Erfahrungen mit den Anlagen in Kalifornien - nicht jährlich mehrere solarthermische Kraftwerke in Betrieb genommen? Welche Hemmnisse bestehen?
Zweifellos sind zur Zeit fossile Energieträger auf dem Weltmarkt zu Spottpreisen zu haben. Hier muss jede konkurrierende Technologie mit einer bewussten Förderung auf den Weg gebracht werden, um die Marktphase der geringen Stückzahlen zu überwinden und zur Massenproduktion zu kommen. Weiterhin ist der im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken gleicher Leistung wesentlich höhere Kapitaleinsatz zu bedenken. Das dadurch entstehende höhere Risiko für Investoren muss abgedeckt werden.
Um aufzuzeigen, unter welchen Randbedingungen der Weg von Demonstrationsprojekten zu kommerziellen Kraftwerken in großer Stückzahl zu schaffen ist, hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt 1998 die SYNTHESIS-Studie veröffentlicht. Diese geht davon aus, dass bis zum Jahr 2010 unter sukzessivem Ausbau der Produktionskapazitäten ein Zubau von insgesamt 7 GW solarer Kraftwerksleistung erfolgen wird. Wenn die geeigneten Randbedingungen geschaffen werden können, wird die Wirtschaftlichkeit nach anfänglicher Förderung voraussichtlich bereits im Jahre 2007 erreicht sein. Die Stromgestehungskosten werden von heute etwa 20 Pf/kWh auf 11 Pf/kWh gefallen sein. Die bis 2010 vermiedene CO2-Freisetzung beträgt etwa 400 Millionen Tonnen bei durchschnittlichen Vermeidungskosten von 4 DM pro Tonne. Nach Erreichen der Wirtschaftlichkeit werden die Vermeidungskosten null (sieh Abbildung 7).

Abbildung 7: Verlauf der Anschubfinanzierung und der CO2-Vermeidungskosten im SYSTHESIS-Programm

Die Politik in den industrialisierten Ländern muss erkennen, dass die globale Energiefrage nicht mit nationalen Scheuklappen gelöst werden kann. Solarthermische Kraftwerke machen in Deutschland keinen Sinn. Sie schaffen jedoch in erheblichem Maß neue Arbeitsplätze auch in den Ländern, die das Know-how bereitstellen. Dies sind insbesondere Deutschland, USA und Israel. Solarkraftwerke haben fast konkurrenzlos niedrige CO2-Vermeidungskosten und sind daher für Joint Implementation interessant. Und sie tragen entwicklungspolitisch dazu bei, die Bedürfnisse der Menschen in den sonnenreichen Regionen der Erde nachhaltig zu befriedigen.

Projektname Inhalt Status
Direct Solar Steam (DISS) Entwicklung einer neuen Generation von solarthermischen Rinnenkraftwerken. Die bisherige Verwendung von Thermoöl als Wärmeträger im Zwischenkreislauf wird ersetzt durch die direkte Verdampfung und Überhitzung von Wasser in den Absorberrohren. Durch die zu erwartenden Wirkungsgradsteigerungen und die erzielbare Kostenreduktion werden sich die Stromgestehungskosten um etwa 30 % reduzieren.
Bisheriger Projektverlauf sehr erfolgreich, Projektabschluß voraussichtlich im Sommer 2001.
EuroThough Weiterentwicklung und Optimierung des zentralen Elements eines solarthermischen Rinnenkraftwerks: des parabolischen Konzentratorsystems. Durch eine optimierte Tragestruktur, ein verbessertes Antriebssystem und weitere Fortschritte soll eine kostengünstigere, haltbarere und optisch verbesserte europäische Lösung die breite Markteinführung dieser Kraftwerkstechnik vereinfachen. Im Jahr 2000 wird auf dem südspanischen Forschungszentrum für solartherische Kraftwerkskomponenten Plataforma Solar de Almería (PSA) der Prototyp in Betrieb gehen.
EuroDish Mit einer ähnlichen Zielsetzung wie bei Eurotrough sollen hier die für den dezentralen Einsatz gedachten Dish/Stirling-Systeme optimiert werden. Zwei Prototypen werden zur Zeit auf der Testanlage PSA installiert und anschließend umfangreichen Tests unterzogen.
SOLASYS Demonstration der Machbarkeit der solaren Methanreformierung. Mit der Reformierung wird aus einem fossilen Brenngas (z.B. Erdgas) ein höherwertiger Brennstoff, die Solarenergie wird also chemisch gebunden und wird bei der Verbrennung des hochwertigen Gases wieder verfügbar. Mit dieser Form der Speicherung der Solarenergie kann die Stromerzeugung mit einer Gasturbine von dem aktuellen Strahlungsangebot entkoppelt werden. Ein Testsystem soll bis Ende 2000 auf der israelischen Versuchsanlage des Weizmann Institute of Science aufgebaut und im Jahr 2001 gestestet werden.
THESEUS Mit diesem Demonstrationsprojekt soll auf der griechischen Insel Kreta ein erstes solarthermisches Rinnenkraftwerk in Europa realisiert werden. Kreta bietet für europäische Verhältnisse eine hervorragende Sonneneinstrahlung. Die Verhandlungen mit den Landeigentümern, der Politik und dem nationalen Energieversorungsunternehmen laufen.
PS10 Die solarthermische Turmtechnologie soll mit einem 10 MW Kraftwerk in Südspanien in komerziellem Maßstab demonstriert werden. Die Detailauslegungen laufen.

Tabelle 1: Laufende Projekte und deren Inhalt bzw. Projektstand

*) Dipl.-Ing. Bernhard Milow ist Projektbearuftragter für Energie beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V in Köln, Deutschland, e-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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