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2000-03: Europas solare Zukunft

Thema

Betrachtet man die dänische Insel Aeroe aus der Luft, glaubt man nahe der Ortschaft Marstal ein rechteckiges, mit Rebstöcken bepflanztes Feld zu erkennen. Aber das ist natürlich eine Täuschung. In Wirklichkeit handelt es sich um schräggestellte Sonnenkollektoren. Mehr als 9.000 Quadratmeter umfasst die Kollektorenfläche, mit der thermische Solarenergie gewonnen wird. Damit besitzt diese Solaranlage die größte zusammenhängende Kollektorfläche Europas.

Erfahrungen und Resultate der Fernwärmegesellschaft Marstal

Von Leo Holm*

Die Solaranlage von Marstal, einer Ortschaft von 3.500 Einwohnern und einer der bedeutendsten Küstenschifffahrtsflotten Dänemarks, wurde im November 1996 in Betrieb genommen und ist mit einem Heizwerk kombiniert, das ehemals mit Heizöl, inzwischen aber mit Altöl betrieben wird. Durch diese ungewöhnliche Kombination zweier Energiequellen - Sonne und Altöl- wird die Ortschaft Marstal das ganze Jahr hindurch mit genügend Energie für Heizung und Warmwasser versorgt. In den Sommermonaten Juni, Juli und August produziert die Solaranlage in aller Regel 100 Prozent des Warmwasserbedarfs von Marstal. In den restlichen Monaten sorgt das Heizwerk dafür, dass stets genügend thermische Energie zur Verfügung steht. Der jährliche solare Deckungsgrad liegt zwischen 13 und 15 Prozent.
In den Sonnenkollektoren wird zunächst der Wärmeträger erhitzt und die gewonnene Wärme über eine 700 Meter lange Leitung in die 1.320 Haushalte bzw. Gebäude der Ortschaft befördert. Insgesamt verbraucht das Heizwerk 2.300 Tonnen Altöl pro Jahr. Das Altöl wird bei dänischen Autowerkstätten gesammelt und auf dem Land- und Seeweg nach Marstal gebracht. Eine moderne, umweltfreundliche Rauchgasreinigungsanlage filtert die durch die Verbrennung des Altöls entstehenden Abgase.
Durch die Kombination beider Heizsysteme wird eine Jahresleistung erreicht, die im Durchschnitt bei 27.000 Megawattstunden liegt. Finanziert wurde die Anlage durch die Gesellschaft Marstal Fernwärme GmbH und die dänische Energiebehörde. Das Beispiel von Marstal unterstreicht die Vorzüge einer umweltfreundlichen Energieversorgung und soll auch andere dänische Fernwärmewerke dazu motivieren, auf eine Versorgung mit erneuerbarer Energie umzustellen.

Geschichte

Bis zum Jahre 1994 gab es nur zwei Wärmekraftwerke in Dänemark, welche die Sonnenergie in einem größeren Maßstab nutzten. Im Jahre 1994 bewilligte die Fernwärmegesellschaft Marstal der "Vereinigung der Ratgebenden Ingenieure" (FRI) 1.340 € für eine Projektanlage in der Größe von 75 m² auf der Schwimmhalle in Marstal. Gleichzeitig bewilligte man auch 2.680 € für ein Vorprojekt einer Solaranlage für die Fernwärmegesellschaft.
Die Idee zu einer Solaranlage wurde geboren, als die Fernwärmegesellschaft Marstal die Möglichkeiten der Nutzung von Biobrennstoff und Altölverbrennung zur Wärmegewinnung untersuchte. Das Vorprojekt zeigte, dass man eine Anlage von ca. 8.000 m² Kollektorfläche und einen Speicher von 1.500-2.000 m³ benötigten würde, um 13-15% des bestehenden Heizenergiebedarfs decken zu können. Diese Menge entspricht 100% der Produktion in den Sommermonaten. Mit dieser formulierten Anforderung an die Anlage sollte die Vorlauftemperatur im Netz zwischen 70-72°C liegen.
Um diese Anforderungen zu erreichen, plante man die Anlage mit variablem Durchfluss. Im Juli 1994 wurde schließlich die 75 m² Anlage mit variablem Durchfluss am Hallenbad eingeweiht. In einer halbjährigen Untersuchungsphase konnte man sehr gute Resultate erzielen, und man beschloss in der Fernwärmegesellschaft den Bau einer Anlage mit 8.000 m² Kollektorfläche. 1999 wurde die Anlage um 1.000 m² erweitert und hat nun eine Größe von 9.043 m².

Abbildung 1: Solaranlage mit 9.043 m² in Marstal, Dänemark. Die Anlage deckt ungefähr 13% des jährlichen Heizenergiebedarfs der Stadt.

Die Anlage besteht aus 720 Sonnenkollektoren á 12,5 m². Die Sonnenkollektoren wurden von der Firma ARCON hergestellt. Neben der Anlage errichtete man ein Betriebsgebäude mit 150 m², wo Pumpen, Wärmetauscher, Steuerung, Notstromgenerator und ein Aufstellungsraum untergebracht wurden. Weiters wurde ein Speichertank mit 2.100 m³ für die gewonnene Wärme vorgesehen. In den Sommermonaten kann mit einem durchgewärmten Tank die Stadt Marstal für 3-5 Tage versorgt werden. Die Speicherkapazität entspricht 100 MWh. Die Temperatur im Speichertank liegt normalerweise bei 70-75°C, an Sommertagen bis zu 95°C.
In einer Periode mit geringer Sonneneinstrahlung kann man die bestehenden Kessel wieder anfahren, wenn die gewünschte Vorlauftemperatur nicht vom Solarsystem erzeugt werden kann. Außerhalb der Sommerzeit trägt die Anlage zur Erwärmung des Rücklaufs bei.

Ökonomie

Der erste Teil der Anlage wurde am 22. November 1996 in Betrieb genommen. Die Gesamtkosten des Projektes beliefen sich auf 2,9 Millionen € wobei 2,4 Millionen € durch Zuschüsse gedeckt wurden. Die oberste dänische Energiebehörde war bereit, das Projekt mit 700.000 € zu unterstützen. Das entspricht 28,4% der Ausgaben, die für Förderungen bewilligt worden waren.

   
Energiepreis
Mill. €
€/MWh
 
Ohne Förderung
Mit Förderung

Projekt Gesamtsumme (1996)
2,9
59,8
44,8
Anteil der Förderung
2,4
52,4
37,6
Sonnenkollektoren
2,2
46,1
31,4

Tabelle 1: Erzielte Energiepreise mit und ohne Förderung

Die obengenannten Produktionspreise wurden mit einem Gemeindekredit mit einer Verzinsung von 2,5% auf 20 Jahre berechnet. Die Unterschiede bei den drei Berechnungsformen sind:

  • Die Gesamtsumme der Ausgaben beinhaltet auch Ausgaben, die nicht direkt etwas mit der Finanzierung der Solaranlage zu tun haben. Darin ist der Umzug der heutigen Zentrale am Jagtvej zur Solaranlage mit einkalkuliert.
  • Der "Anteil mit Förderung" beinhaltet die Finanzierung der Sonnenkollektoren und der Solaranlage (direkt).
  • Der Teil "Sonnenkollektoren" entspricht der Finanzierung ohne Gebäude und Rohrleitungen.

Die neuen Sonnenkollektoren von einer Fläche von 1.000 m² wurden im April 1999 an die Anlage angeschlossen. Der Preis für diese Erweiterung der Anlage betrug 241.400 €, die Förderung der obersten dänischen Energiebehörde betrug 67.000 €.

Betriebserfahrungen

Die Solaranlage besteht seit vier Jahren. Die Anlage hat im Betrieb die Produktionsgarantien ohne Probleme voll und ganz erfüllt. Damit entsprach sie den Erwartungen der Fernwärmegesellschaft von Marstal. Eines der wichtigsten Kriterien war das Erreichen eines solaren Deckungsgrades von 100% in den Sommermonaten.

Abbildung 2: Produzierte jährliche Energiemenge 1997 des Kessels und der Solaranlage

Aus Abbildung 2 kann man erkennen, das die Anlage nur im August 1997 einen solaren Deckungsrad von 100% erreichte. Aus installationstechnischen Gründen konnten zu diesem Zeitpunkt die Generatoren in den Sommermonaten nicht optimal gefahren werden, sodass die Kessel zeitweilig in Betrieb genommen wurden. Die Installation der Generatoren in der Zentrale am Jagtvej sind mittlerweile optimiert worden, sodass man die Solaranlage und die dazugehörende Elektrische Anlage optimal fahren kann, ohne die Kessel anfahren zu müssen.
Am 12. August 1997 war die produzierte Energiemenge der Solaranlage so groß, dass der Speichertank eine Temperatur von 95°C erreichte. Die Wettermeldungen sagten ein klare sonnenreiche Periode vorher, sodass mit einem Überkochen des Tankes zu rechnen war, sofern man nicht eine Lösung zur Kühlung fand. Zu diesem Zweck wurden die Pumpen der primären und der sekundären Seite der Solaranlage gestartet und die Sonnenkollektoren in der Nacht als Kühlfläche genutzt. Im Laufe der Nacht wurde der Speicher um 25 MWh abgekühlt. Dies entspricht einer normalen Tagesproduktion zur Erwärmung. Den August konnte man so ohne Überhitzungsprobleme überstehen.

Abbildung 3. Produzierte jährliche Energiemenge 1998 des Kessels und der Solaranlage

In Abbildung 3 ist zu erkennen, dass die produzierte Energiemenge 1998 geringer war als im Vorjahr. Ursache war die geringere Sonneneinstrahlung. Der Sommer 1998 ging als ein sehr schlechter Sommer in die Geschichte ein. Trotz des schlechten Sommers 1998 konnte die Anlage die von den Herstellern erwartete Produktion von 3.250 MWh erreichen. Aufgrund der produzierte Energiemenge im Sommer 1998 und 250 neuen Verbrauchern entschloss sich die Fernwärmegesellschaft Marstal die Anlage im Jahr 1999 um weitere 1.000 m² zu erweitern.

 

  Produktion Deckungsgrad
1997 3.716 MWh 14,0 %
1998 3.226 MWh 11,5 %
1999 3.839 MWh 15,0 %

Tabelle 2: Jährlich produzierte Energiemengen und erreichte solare Deckungsgrade von 1997 bis 1999.

Wie schon beschrieben, arbeitet die Anlage mit variablen Durchfluss auf der primären und der sekundären Seite und unterscheidet sich damit prinzipiell von anderen Solaranlagen. Misst man die Sonneneinstrahlung (W/m²) und die Rücklauftemperatur zu den Sonnenkollektoren, kann man den Wirkungsgrad und den notwendigen Durchfluss berechnen, um die gewünschte Vorlauftemperatur zu erhalten.
Die Betriebsform mit variablem Durchfluss führt zu einer 75%igen Ersparnis der Stromkosten im Vergleich zu einer Anlage mit konstantem Durchfluss. Vergleiche zwischen dem Stromverbrauch einer konventionellen Anlage, wie zum Beispiel der Anlage der Fernwärmegesellschaft aus Ry (Dänemark) mit einer Sonnenkollektorfläche von 3.000 m² (konstanter Durchfluss) und der Anlage in Marstal mit variablem Durchfluss, sind deutlich zum Vorteil der Marstaller Anlage.

Betriebsstörungen

Bisher gab es keine nennenswerten Betriebsstörungen. Es ergaben sich aber Schwierigkeiten mit der Regelung der Anlage, die in der Verbindung der Zentrale am Jagtvej ( Kesselsteuerung) und der neuen Solaranlage bestanden. Dieses Problem konnte durch Umstellung des Betriebssystems auf Windows NT gelöst werden.
Die beiden Wärmetauscher von Alfa Laval zwischen Solarkreis und Heizkreis haben nicht ganz den gestellten Erwartungen entsprochen. Anstatt einer maximalen Temperaturdifferenz von 5 K liegt diese bei 7 bis 9 K. Alfa Laval hat das Problem bereits erkannt und arbeitet nun mit der Fernwärmegesellschaft aus Marstal an der Lösung. Man geht nun der Frage nach, ob die Schwierigkeiten bei dem Glykol/ Wasser Gemisch oder bei einem Fehler in der Installation liegen.
Rückblickend auf die letzen drei Jahre, können wir mit unseren Erfahrungen aus Marstal nur anderen Fernwärmewerken deutlich ans Herz legen, damit zu beginnen, weitere Solaranlagen zu bauen und an ihr bestehendes System anzuschließen. Viele Betreiber haben sich bereits mit großem Interesse an uns gewendet.

Weiterentwicklung

Eines der großen Problemstellungen im Bereich der Erneuerbaren Energien im Allgemeinen und von Sonnenenergie im Besonderen ist die Energiespeicherung. Soll unser Energiesystem in der Zukunft optimal arbeiten, um den bestehenden Bedarf zu decken, müssen die gewonnenen Energien aus Wind, Sonne oder Wellen saisonal gespeichert werden können. Ein saisonaler Speicher ist eine Notwendigkeit für eine Anlage wie sie in Marstal steht und ist ein Teil der zukunftorientierten Fernwärmestruktur.
In Dänemark wurden Versuche mit Energiespeicherung in Wasserdämmen, mit ehemaligen Bohrlöchern und offenen Wasserspeichern durchgeführt. Auf der anderen Seite wurden kaum Versuche mit Erdspeichern durchgeführt. In Zusammenarbeit mit der obersten dänischen Energiebehörde und der Fernwärmegesellschaft Marstal wird nun eine Versuchsanlage in Marstal mit einem Erdspeicher errichtet. Das Projekt wird von beiden Partnern mitfinanziert, wobei die Fernwärmegesellschaft 80.500 € (von 107.300 €) für die Anschaffung einer Wärmepumpe und mit Arbeitsstunden bezahlte.
Dieses Projekt wurde im Sommer 1998 mit dem Aushub von 4.000 m³ Erde begonnen. Die Aushubtiefe beträgt 8 Meter. Das Erdloch wurde mit Kunststoffbahnen an den Seiten ausgelegt. In verschieden Ebenen wurden 6.000 Meter Rohrschlagen verlegt, wobei die Füllung zwischen den Rohren aus Meeressand besteht.
Das Wasser wird von den Sonnenkollektoren aufgewärmt und durch die Rohrschlangen gepumpt. Die Wärme wird langsam in den Sand abgegeben. Der Versuch wird zeigen, für wie lange es möglich ist, die Energie auf diese Weise zu speichern. Es wurde eine Speicherkapazität in der Größenordung von 100 MWh errechnet.
Die Zielgruppe des Projekts sind die Betreiber von Fernwärmeheizwerken, Elektrizitätswerken, Anlagen zur kombinierten Erzeugung von Wärme und Elektrizität und von Abfallverbrennungsanlagen. Mit einem Wort werden alle angesprochen, die ein Interesse daran haben, Energien, die in einer Saison (Sommer) gewonnen werden können, für die nächste (Winter) zu speichern.
Eine weitere Zielsetzung des Projektes ist es zu zeigen, dass sich diese Speicherung als effektiv und somit als eine kostengünstige Alternative zu anderen Arten der Energiespeicherung wie z.B. Stahltanks herausstellt. Außerdem ist die Errichtung eines solchen (funktionierenden) Erdspeichers eine Voraussetzung, um am europäischen THERMIE - Programm teilnehmen zu können.
Untersuchungsergebnisse aus dem Projekt werden im Jahre 2001 vorliegen. Man hat aber vorher die Möglichkeit, Testergebnisse und Daten der Anlage auf der Homepage der Fernwärmegesellschaft aus Marstal jederzeit abzurufen:

*) Leo Holm ist Mitarbeiter der Fernwärme Marstal, Denmark, e-mail:Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!, Internet adress: www.solarmarstal.dk [^]

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