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2000-03: Europas solare Zukunft

Thema

In allen europäischen Ländern ist eine Verringerung des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen und damit verbunden, eine Reduzierung der C2-Emissionen ein erklärtes Ziel. Ein Mittel dieses Ziel zu erreichen ist in einigen Ländern schon relativ weit verbreitet: Der Einsatz von thermischen Solaranlagen zur Warmwasserbereitung in Einfamilienhäusern. Größere Solaranlagen sind bisher noch sehr wenige im Einsatz.

Solare Nahwärmesysteme in Europa: Large Scale Heating Systems for Housing Developments

Von Boris Mahler, Manfred N. Fisch und Werner Weiß*

Innerhalb des EU-THERMIE Projektes "Large Scale Solar Heating Systems for Housing Developments" ist die Realisierung von großen Solarsystemen mit Kollektorflächen über 150 m² geplant. Dadurch soll das C2 Reduktionspotential für ganze Wohnsiedlungen erschlossen werden. Mit der Systemgröße nimmt die Leistungsfähigkeit zu und die spezifischen Investitionskosten nehmen ab. Maß für dieses Verhalten ist das Kosten-Nutzenverhältnis (Investitionskosten/jährliche Energieeinsparung), dargestellt in Abbildung 1 für Solarsysteme unterschiedlicher Größe. Eine Verbesserung des Kosten-Nutzenverhältnisses von bis zu 70% gegenüber Kleinanlagen ist erreichbar.

Abbildung 1: Kosten-Nutzenverhältnis von solarthermischen Anlagen

Voraussetzung für die Realisierung von großen Solaranlagen in Wohngebieten ist, dass alle Gebäude an ein Nahwärmenetz angeschlossen werden. Innerhalb des EU-Projektes werden in fünf Ländern neun derartige Bauvorhaben realisiert. Die Autoren dieses Berichtes koordinieren die 12 beteiligten Partner.

Allgemeine Projektbeschreibung

In der Zeit von 1998 bis 2001 werden neun große Solarprojekte geplant, realisiert und überwacht. Bis heute (Sommer 2000) ist die Hälfte der Projekt voll in Betrieb und das Monitoring hat bereits begonnen. Tabelle 1 gibt eine Übersicht.

Projekt-Standort
Art der
Wärmespeicherung
Projekt - Größe
Kollektorfläche (m²)
Speichervolumen (m³)
fsol
(%)
Wohneinheiten
Deutschland
 
 
 
 
 
Neckarsulm - Amorbach II
Langzeit
+2.600 m²
+45.000 m³
50 %
+150
Müllheim - Vögisheimer Weg
Kurzzeit
446 m²
25 m³
12 %
110
Aalen - Weisse Steige
Kurzzeit
155 m²
10 m³
12 %
31+Büro
Esslingen - Scharnhauser Park
im Wärmenetz
195 m²
-
<1 %
2.400
Niederlande
 
 
 
 
 
Amersfoort - Stadtstuinen
Kurzzeit, dezentral
648 m²
61 m³
9 %
360
Schweden
 
 
 
 
 
Anneberg-Danderyd
Langzeit
2.400 m²
60.000 m³
74 %
50
Österreich
 
 
 
 
 
Gleisdorf
Monatssp.
231 m²
14 m³
58 %
6+Büro
Gneiss Moos
Monatssp.
410 m²
100 m³
34 %
60
Italien
 
 
 
 
 
Melegnano
Kurzzeit
200 m²
12 m³
72 %
Duschen Schwimmbad
SUMME
 
7.285 m²
 
 
 

Tabelle 1: Übersicht zu den Projekten (fsol = solarer Deckungsanteil am Gesamtwärmebedarf)

Wir unterscheiden zwei prinzipielle Arten von Solaranlagen:

  • Solarsysteme mit Kurzzeit-Wärmespeicher und
  • Solarsysteme mit Langzeit-Wärmespeicher

Solarsystem mit Kurzzeit-Wärmespeicher
In Müllheim, Aalen, Esslingen, Stadtstuinen und Melegnano werden Systeme mit Kurzzeit-Wärmespeicher realisiert. Das Speichervolumen bezogen auf die installierte Kollektor-Aperturfläche liegt bei 50 - 75 l/m². Mit diesem Systemtyp können maximal zwei bis drei Tage mit wenig Sonneneinstrahlung überbrückt werden. Dadurch werden die Anlagen auf den Sommerbetrieb - also die Warmwasserbereitung - ausgelegt. Der solare Deckungsanteil (fsol) des Systems ist damit auf maximal 15 bis 20% des Gesamtwärmebedarfs (Raumheizung, Brauchwasserbereitung und Netzverluste) begrenzt.

Solarsystem mit Langzeit-Wärmespeicher
In Neckarsulm und Anneberg werden Systeme mit saisonalem Wärmespeicher realisiert. Das Speichervolumen bezogen auf die Kollektoraperturfläche liegt bei 2.000 l/m². Mit diesen großen Speichern kann überschüssige Solarwärme aus den Sommermonaten zwischengespeichert und im Winter für die Raumheizung verwendet werden. Dadurch lässt sich ein deutlich höherer solarer Deckungsanteil von 50 bis 70% erreichen.
Die Systeme in Gneiss Moos und Gleisdorf haben einen grundsätzlich anderen Ansatz. In Gleisdorf wird der Bedarf an Raumheizwärme durch eine sehr gute Dämmung stark reduziert. Dadurch wird der Restwärmebedarf durch die Brauchwasserbereitung dominiert, und es kann ein vergleichsweise hoher solarer Deckungsanteil erreicht werden, ohne das Speichervolumen wesentlich zu erhöhen. In Gneis Moos wird ein System zwischen Kurz- und Langzeitwärmespeicher eingesetzt. Der Grundgedanke war dabei, die Kosten für den teuren saisonalen Wärmespeicher zu reduzieren und einen relativ hohen solaren Deckungsanteil von über 34% durch die installierte große Kollektorfläche zu bekommen. Bei einer derartigen Auslegung ist im Sommer mit Stagnation zu rechnen - dies muss in der Planung berücksichtigt werden.

Projektbeispiel Müllheim: Kurzzeit-Wärmespeicher

Projektbeschreibung
Die Wohnsiedlung "Ob dem Vögisheimer Weg" in Müllheim liegt im Südwesten Deutschlands in der Nähe von Freiburg.
Im Baugebiet werden insgesamt 110 Wohneinheiten in 70 Reihenhäusern und 1-2 Mehrfamilienhäusern errichtet. Alle Gebäude sind an eine zentrale Wärmeversorgung angeschlossen (Abbildung 2).

Abbildung 2: Prinzipschema der solaren Nahwärmeversorgung

Technisches-Konzept
Die Heizzentrale in Müllheim wurde aus vorgefertigten Containern errichtet. Die beiden Container, einer für den Solarteil und einer für den konventionellen Teil, wurden fertig ausgerüstet auf die Baustelle gebracht. Zwischen beide Container wurden die zwei Pufferspeicher mit je 10 m³ Inhalt eingestellt. Um die städtebauliche Ansicht zu verbessern, verbindet ein Dach beide Container.

Abbildung 3: 245m² Kollektorfläche installiert in zwei Tagen

Nach Anschluss von Fernwärme-, Gas- und Wasserleitungen konnte die Anlage 10 Tage nach Anlieferung der Containermodule in Betrieb gehen. Ein Prinzipschema der solaren Nahwärmeversorgung zeigt Abbildung 2.

Abbildung 4: Gemessene Wärmebilanz in Müllheim, 1999

Die Sonnenkollektoren mit einer Gesamtfläche von 446 m² sind auf den Dächern von zwei Reihenhauszeilen installiert, die direkt neben der Heizzentrale angeordnet sind. Dadurch werden die Investitionskosten für die Solarleitungen minimiert. Die Dachfläche konzipierte der Architekt so, dass eine durchgehende Belegung mit Sonnenkollektoren möglich wurde. Zum Einsatz kamen sogenannte Solar-Dach Kollektoren, die als komplettes Modul mit Teilsparren und Kollektor auf das Dach gelegt werden. Dieses System hat deutliche Vorteile hinsichtlich Kosten, Zuverlässigkeit und rationeller Montage. Der nächste Schritt wäre die Erweiterung der Solar-Dach Kollektoren auf die kompletten Sparren inklusive der Dachdämmung. Erste Erfahrungen mit derartigen Kollektoren zeigen ein Kostenreduktionspotenzial von 10 bis 20% auf.

Erfahrungen aus Installation und Betrieb
Solarsystem:
Die Errichtung der Kollektorfelder verlief ohne größere Probleme im Januar 1999. Der Volumenstrom durch die beiden Felder musste im Nachhinein überprüft und erneut eingestellt werden. Ein Temperaturfühler, der zum Abschalten des Speicherladekreises benutzt wird, war zunächst falsch positioniert. Dadurch kam es zum nächtlichen Entladen des Pufferspeichers über den Solarkreis. Dieses Problem konnte durch ein Versetzen des Fühlers behoben werden. Seit diesem Zeitpunkt läuft die Solaranlage sehr gut.
Heizzentrale:
Der konventionelle Teil in der Heizzentrale arbeitet bis auf eine zu hohe Lärmemission zufriedenstellend. Eine Schallschutzhaube für den Brenner brachte keine Abhilfe, erst der Einbau eines zusätzlichen Schalldämpfers im Abgasrohr stellte die Anwohner zufrieden.
Wärmeverteilnetz:
In den ersten Monaten des Betriebes waren nur zwei Gebäude bewohnt. Dadurch war der Volumenstrom im Netz sehr viel niedriger, als in der Auslegung geplant. Als Folge davon bekamen die Netzpumpen nicht genügend Kühlung, liefen heiß und mussten ausgetauscht werden. Teile des Wärmeverteilnetzes wurden vor der Inbetriebnahme nicht genügend durchgespült, so dass einige Hausübergabestationen verstopften. Seit Ende 1999 ist das Gebiet fast vollständig errichtet und der normale Regelbetrieb hat sich eingestellt.
Erste Messergebnisse:
Abbildung 4 zeigt die gemessene Wärmebilanz des Jahres 1999. Seit März 1999 ist die Solaranlage in Betrieb. Der Gesamtwärmebedarf war etwa 25% niedriger, als für die Zukunft erwartet, weil einige Häuser erst im Laufe des Jahres angeschlossen wurden. Der solare Deckungsanteil lag mit 16% des Wärmebedarfs etwas höher als in der Planung angesetzt, dies liegt zum Teil an der geringern Wärmelast. Der Wärmemengenzähler des Gas-Brennwertkessels funktionierte nicht richtig, der gemessene Volumenstrom ist etwa 8% zu niedrig. Dadurch kommt der "Fehler in der Wärmebilanz" über die einzelnen Monate (QNetz müsste gleich QNachheizung+QKollektor sein).
Ergebnis Müllheim
Das Solarsystem in Müllheim arbeitet zuverlässig und bisher ohne größere Probleme. Im Jahr 2000 wird nahezu das gesamte Baugebiet fertiggestellt sein. Dadurch kann die Leistungsfähigkeit im Auslegungsfall nachgewiesen werden. Die Investitionskosten liegen im Bereich der Planungsergebnisse. Im Vergleich zu kleinen Solarsystemen konnte eine deutliche Kostenreduktion erreicht werden.

Projektbeispiel Gleisdorf: Monats-Wärmespeicher

Projektbeschreibung
Gleisdorf liegt in der Nähe von Graz in Österreich. Dort wurden sechs Niedrigenergie-Reihenhäuser und ein Bürogebäude im Rahmen dieses EU-Projektes errichtet. Der Energiebedarf für die Gebäude wurde um mehr als 60% gegenüber einem Standardgebäude reduziert. Dazu wurden folgende Mittel eingesetzt:

  • sehr guter baulicher Wärmeschutz,
  • thermische Zonierung der Wohn- und Nutzbereiche,
  • kontrollierte Belüftung mit Vorwärmung der Außenluft in einem Erdreichwärmetauscher.

Weiterhin wurde großen Wert auf den Einsatz ökologisch verträglicher Baumaterialien gelegt. Durch die Entwicklung eines innovativen Wandkonzeptes konnte ein System entwickelt werden, das einen sehr guten Wärmeschutz (U-Wert 0,11 bzw. 0,17 W/m²K) bei geringem Flächenbedarf und niedrigen Kosten erreicht. Weiterhin wurde durch das Konzept eine weitgehende Vorfertigung einzelner Komponenten ermöglicht.

Technisches Konzept
Etwa die Hälfte des Wärmebedarfs für Raumheizung und Warmwasser wird durch die Solaranlage gedeckt. Die Kollektorfelder mit einer Gesamtfläche von 213 m² wurden in das Dach der Wintergärten integriert. (Abbildung 9). Der restliche Wärmebedarf wird durch einen Holzpelletskessel bereitgestellt. Dadurch wird die gesamte Wärmeversorgung zu 100% aus erneuerbaren Energien gedeckt! Überschüssige Wärme wird in einem 14 m³ großen Stahlspeicher zwischengelagert. Die einzelnen Gebäude werden aus diesem Speicher über ein Wärmeverteilnetz versorgt. Das Wärmenetz wird über 22 Stunden am Tag mit niedrigen Temperaturen von 40°C Vorlauftemperatur betrieben um die Gebäude mit Heizwärme zu versorgen. Für die Brauchwasserbereitung wird das gleiche Wärmeverteilnetz nachts für 2 Stunden mit hohen Temperaturen (65 bis 70°C) betrieben, um die dezentralen Warmwasserspeicher zu beladen. Abbildung 10 zeigt das hydraulische Konzept des Systems.

Abbildung 5: Ansicht eines Reihenhauses, die Sonnenkollektoren befinden sich oberhalb des Wintergartens

Abbildung 7: Hydraulikschema des Systems in Gleisdorf

Erfahrungen aus Installation und Betrieb
Messergebnisse:

Da das Bürogebäude schon im Juli 1998 bezogen wurde, liegen dafür Daten über den Gesamtenergieverbrauch (Abbildung 8) über einen Zeitraum von nahezu zwei Jahren vor.

Abbildung 8: Gesamtenergieverbrauch von Oktober 98 bis Mai 2000 für das Bürogebäude

Der Gesamtenergieverbrauch setzt sich aus Wärme (Warmwasser und Raumheizung) sowie elektrischem Strom (Bürostrom sowie der anteiliger Strom für haustechnische Geräte wie Pumpen oder Regelungen für das Heizungssystem) zusammen.
Der Gesamtenergieverbrauch des Bürogebäudes betrug in der Periode Oktober 1998 bis September 1999 pro Quadratmeter beheizter Nettonutzfläche lediglich 43,41 kWh.
Davon entfallen 20,67 kWh auf Raumwärme, 3,81 kWh auf Warmwasser, 2,7 kWh auf Hilfsstrom (Antriebsenergie für haustechnische Einrichtungen wie Pumpen, Regelungen etc) und 20,02 kWh auf Bürostrom (Beleuchtung, EDV...). Der spezifische Stromertrag aus der Photovoltaikanlage beträgt 3,79 kWh.
Wie oben dargestellt, betrug der Raumwärmeverbrauch lediglich 20 kWh/m².a. Davon wurden 60% durch die Solaranlage gedeckt, so dass der Restheizenergiebedarf, der von einem Pelletskessel gedeckt wird, nur noch 8 kWh/m² betrug.
Da die Energieverbrauchsstruktur in einem Wohnhaus naturgemäß anders ist als in einem Bürogebäude, wurden im Rahmen der Messungen auch die Energieverbräuche eines Reihenhauses erfasst. Dafür wurde die Westwohnung in Bauteil 2 herangezogen.
Erfasst wurden - wie im Bürogebäude - der Wärmebedarf für Warmwasser und Raumheizung sowie der Stromverbrauch. Da der Bauteil II erst später fertiggestellt wurde, sind in Abbildung 8 die Messergebnisse zwischen Juni 1999 und Mai 2000 dargestellt.

Abbildung 9: Gesamtenergiebedarf eines Reihenhauses von Mai 99 bis Mai 00

Der Gesamtenergiebedarf des Reihenhauses betrug in der Periode Juni1999 bis Mai 2000 pro Quadratmeter beheizter Nettonutzfläche 74,94 kWh. Davon entfallen 33,15 kWh/m² auf Raumwärme, 25,12 kWh/m² auf Warmwasser und 16,67 kWh/m² auf elektrischen Strom.
Zieht man hier wiederum in Betracht, dass ca. 60% des Heizenergiebedarfs über die Solaranlage gedeckt wurde, so beträgt der Restwärmebedarf, der über die Pelletheizung gedeckt werden musste 13 kWh/m². D.h. dass damit das "Passivhauskriterium" von 15 kWh/m² erreicht bzw. unterschritten werden konnte.

Projektbeispiel Neckarsulm: Langzeit-Wärmespeicher

Projektbeschreibung
Amorbach ist ein Stadtteil von Neckarsulm in Deutschland. Das Wohngebiet wird in mehreren Entwicklungsstufen realisiert (Tabelle 2). Die erste Phase ist abgeschlossen, in den nächsten zwei Jahren wird die zweite Phase realisiert. Im Endausbau werden im Baugebiet etwa 740 Wohneinheiten an eine solare Nahwärmeversorgung mit saisonalem Wärmespeicher angeschlossen sein.

 
Phase I
Phase II
Endausbau
Realisierungszeitraum

1995 - 1999
2000 - 2003
~2010
Wohneinheiten
115 +Schule + Gewerbe
+116
739
Installierte Leistung
930 kW
+960 kW
4.830 kW
Wärmebedarf

977 MWh/a
+1.870 MWh/a
8.754 MWh/a
Kollektorfläche
2.637 m²
+3.700 m²
12.000 m²
Speichervolumen

20.200 m³
+43.200 m²
115.000 m³

Tabelle 2: Übersicht über die einzelnen Realisierungsabschnitte in Neckarsulm

Technisches Konzept
Die Stadt Neckarsulm hat beschlossen, dass alle Gebäude im Baugebiet Amorbach einen um mindestens 25% verbesserten Wärmeschutz einhalten müssen. Das Solarsystem soll einen solaren Deckungsanteil von etwa 50% erreichen. Dazu ist der Einsatz eines Erdsonden-Wärmespeichers als saisonaler Speicher vorgesehen.
In Phase I wurden 2.640 m² Kollektorfläche auf den Dächern von einigen Mehrfamilienhäusern, einer Grundschule mit Sporthalle, einem Gewerbebau und einem Seniorenwohnheim errichtet. Phase II hat die Erweiterung um 3.700 m² Kollektorfläche (davon werden 2.600 m² durch die EU gefördert) in den nächsten zwei Jahren zum Ziel. Diese Kollektoren sollen als Überdachung eines Parkplatzes, als Schutzdach über einem Pausenhof und integriert in Reihenhäuser errichtet werden. Überschüssige Solarwärme im Sommer wird in dem Erdsonden-Wärmespeicher zwischengelagert. Der Speicher besteht aus sogenannten Erdsonden. Es wurden zwei Löcher mit 30 m Tiefe im Abstand von etwa 2 m gebohrt, in die Doppel-U-Rohre eingeführt wurden. Im Sommer kann über die U-Rohre ("Erdsonden") das Erdreich aufgeheizt und im Winter wieder abgekühlt werden.
In Neckarsulm wurde zum ersten Mal ein sogenanntes 3-Leiter Netz errichtet. Normalerweise werden zwei Leitungen für das Wärmeverteilnetz (Vor- und Rücklauf) und weitere zwei Leitungen für das Solarsammelnetz (Vor- und Rücklauf) benötigt. Das 3-Leiter Netz nutzt eine Leitung doppelt: Im Sommer dient sie als Solarrücklauf, im Winter als Wärmerücklauf. Dabei kehrt sich die Strömungsrichtung im Rohr um. Durch das 3-Leiternetz werden die Investitionskosten gesenkt und die hydraulische Einbindung weit verzweigter Kollektorfelder vereinfacht.

Abbildung 10: Hydraulikschema in Neckarsulm

Abbildung 11: Berechneter Temperaturverlauf im Erdsonden-Wärmespeicher
Quelle: ITW

Erfahrungen aus Installation und Betrieb
Während die erste Ausbaustufe realisiert wurde, änderte sich die Marktsituation für den Geschosswohnungsbau. Dadurch wurde es erforderlich den Bebauungsplan zu modifizieren. Im Zuge dieser Umplanung wurden auch bessere Randbedingungen für die Installation von Kollektorflächen auf den Reihenhauszeilen geschaffen. Diese hatten zuvor durchgängig eine Ost-West Orientierung. Die neue Struktur ist wesentlich aufgelockerter und stellt genügend südorientierte Dächer für das Solarkonzept zur Verfügung.
Der Erdsonden-Wärmespeicher war ursprünglich mit 50 m tiefen Erdsonden vorgesehen. Beim Bau des ersten Abschnitts zeigte sich jedoch eine nicht erwartete Grundwasserschicht mit starker Strömung in 35 m Tiefe. Um diese Schicht sicher nicht zu erreichen wurde die Tiefe der Erdsonden auf 30 m begrenzt. Dadurch wird das Oberflächen / Volumenverhältnis des Wärmespeichers etwas ungünstiger. Der erste Teil des Speichers ist seit Ende 1998 in Betrieb. In den ersten Jahren muss sich erst ein stationärer Betrieb einschwingen, daher sind die Messergebnisse noch nicht so aussagekräftig. Aufgrund der Messergebnisse konnten jedoch die Simulationsmodelle kalibriert werden um somit eine Voraussage des eingeschwungenen Zustandes abbilden zu können. Abbildung 11 zeigt die berechnete Temperaturverteilung im saisonalen Wärmespeicher im quasistationären Zustand. Im Gegensatz zu Wasserspeichern bildet sich beim Erdsonden-Wärmespeicher eine radiale Temperaturschichtung aus. Erdsonden in der Speichermitte sind wärmer als solche, die sich am Rand befinden.

Abbildung 12 zeigt eine Vorhersage der Wärmebilanz für die ersten beiden Ausbaustufen. (6.300 m² Kollektorfläche, 63.000 m³ Speicher). Die Berechnungen wurden mit dem Programm TRNSYS am ITW an der Universität Stuttgart durchgeführt.
Der solare Ertrag ist die Nutzwärme, die tatsächlich ins Wärmeverteilnetz eingespeist wird. Er beträgt etwa 225 kWh/m²a. Damit lässt sich ein solarer Deckungsanteil von ca. 50% erreichen.

Abbildung 12: Wärmebilanz der Ausbaustufen I+II, Simulationsergebnisse des ITW

Ergebnis

Komponente
Müllheim
Gleisdorf
Neckarsulm Phase I+II
solarer Deckunganteil
12%
58%
50%
Sonnenkollektoren
je m² Kollektorfläche
105 k€
235 €/m²
33,5 k€
145 €/m²
956 k€
151 €/m²
Solarsystem komplett
je m² Kollektorfläche
211 k€
473 €/m²
77 k€
332 €/m²
2917 k€
460 €/m²
Heizzentrale konventionell
je kW install. Leistung
165 k€
184 €/kW
17 k€
425 €/kW
352 k€
186 €/kW
Wärmeverteilnetz
je m Trassenlänge
284 k€
132 €/m
23,4 k€
168 €/m
1100 k€
282 €/m
Hausübergabetationen
je Station
151 k€
1.776 €/St.
11,5 k€
1.643 €/St.
459 k€
3.762 €/St.
SUMME
pro Wohneinheit
je m² beh. Fläche
811 k€
7.400 €/WE
82 €/m²
129 k€
21.400 €/WE
117 €/m²
4.828 k€
20.900 €/WE
162 €/m²

Tabelle 3: Investitionskosten der Projekte ohne MwSt. und Planung

Tabelle 3 zeigt einen Vergleich der Investitionskosten für die wichtigsten Bereiche in den drei zuvor beschriebenen Projekten.
Durch thermische Solarenergienutzung können bis zu 70% des fossilen Brennstoffbedarfs für Raumheizung und Warmwasserbereitung in Wohnsiedlungen eingespart werden. Innerhalb des Projektes wurde eine große Bandbreite von Systemen realisiert. Etwa die Hälfte der Anlagen sind bis heute in Betrieb. Erste Messergebnisse zeigen eine gute Übereinstimmung mit den Planungswerten. Die Bebauung von größeren Wohngebieten kann einige Zeit dauern (bis zu mehreren Jahren). In dieser Zeit können sich die Anforderungen an den Wohnungsbau ändern. Solare Nahwärmesysteme, insbesondere solche mit Langzeit-Wärmespeicher, müssen in der Lage sein solche Veränderungen zu erlauben. Dies hat sich in manchen Projekten als schwierig herausgestellt.
Alle fertiggestellten Anlagen funktionieren inzwischen sehr gut. Dass kleinere Anfangsschwierigkeiten auftraten, ist für "neue" Systeme normal. Diese konnten aber immer in den ersten Monaten abgestellt werden und zeigen das wachsende Know-how und Verständnis für große Solaranlagen in den beteiligten europäischen Ländern.
Die Investitionskosten für große solare Nahwärmesysteme sind nicht vernachlässigbar. Es hat sich aber gezeigt, dass die Zielsetzung, das Kosten-Nutzen Verhältnis von kleinen Solaranlagen deutlich zu unterbieten, erreichbar ist. Im Vergleich zu den Gesamtbaukosten der Gebäude liegt der Anteil für die Solarsysteme im Bereich von 1 bis 4%. In Anbetracht der C2-Reduktion um 15 bis 70% erscheint dies eine tragbare Lösung.
Das Projekt wird durch die Europäische Union im Rahmen des THERMIE-Programmes mit Kennzeichen REB 61/97 gefördert. Dafür danken die Autoren herzlich.

Literatur:
Solare Nahwärme, ein Leitfaden für die Praxis:
Hrsg. Fachinformationszentrum Karlsruhe, Gesamtleitung E. Hahne, TÜV-Verlag, Köln; 1998
ISBN 3-8249-0470-5
Mangold, D.:
Technische Erfahrungen aus den solar unterstützen Nahwärmeanlagen des Förderprogramms "Solarthermie 2000"; OTTI-Technologie-Kolleg, 10. Symposium Thermische Solarenergie; 2000
Fisch, M. N.:
Solarstadt - Konzepte, Technologien, Projekte; Kohlhammer-Verlag, Stuttgart; in Vorbereitung

*) Prof. Dr. Manfred N. Fisch, Dipl.-Ing. Boris Mahler, Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Gebäude-, und Solartechnik, Deutschland, e-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Ing.
Werner Weiß ist Geschäftsführer der AEE in Gleisdorf, e-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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