2001-02: Photovoltaik
Betriebsergebnisse und Projekte
Nieuwland ist ein neues Stadtviertel im Norden von Amersfoort, einer Stadt im Zentrum der Niederlanden. Die Siedlung, die von 1990 bis 1999 realisiert wurde, umfasst 5000 Wohnungen sowie Schulen, Geschäfte und Grünanlagen. Bei der Planung standen gestalterische, soziale und ökologische Aspekte im Vordergrund. In einem Teilprojekt wurde als zentrales und sehr sichtbares Element Photovoltaik eingesetzt.
Dezentrale und gebäudeintegrierte PV-Anlage in Amersfoort
Das Photovoltaik Projekt in Nieuwland war eine Initiative von REMU, dem lokalen EVU, das mindestens 1 MWp an PV-Leistung in einer kompakten Siedlung realisieren wollte, um sein Bestreben zu unterstützen, 3% vom Strom regenerativ zu erzeugen. Insgesamt wurden PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 1,3 MWp gebaut.
Die 1,3 MW Anlage ist auf ungefähr 500 Einfamilienhäusern und einigen anderen Gebäuden wie einer Sporthalle, einer Schule, einem Kindergarten, einer Kirche und einem Mehrfamilienhaus installiert. Die Häuser sind in 9 Sektoren aufgeteilt, wobei jeder Sektor von einem Bauunternehmen betreut wurde. Da die Anwendung von Photovoltaik in den Bebauungsplan des gesamten letzten Bauabschnittes, "Waterland", aufgenommen wurde, musste jeder Projektentwickler eines Sektors sich mit der Technologie auseinandersetzen. Shell Solar Energy war Hauptvertragspartner für die Mehrzahl der Anlagen. BP Solar war für einen kleineren Teil verantwortlich und auch PV Dachziegel von Braas und 'Sun Shades' von Colt International wurden für einige Sonderanlagen eingesetzt.
Der Entwurfsprozess
Nachhaltiges Bauen ist nicht sehr schwierig, sondern wegen der großen Anzahl von Themen, der räumlichen und zeitlichen Zusammenhänge und der großen Anzahl von Akteuren eher komplex. Entsprechende Instrumente und Software können die Aufgaben erheblich vereinfachen und wurden für dieses Projekt entwickelt, u.a. eine LCA-Methode (Life Cycle Analysis) für die Auswahl der Materialien.
Die Gesamtkoordination des Entwurfs- und Bauprozesses wurde von den Bauunternehmen in enger Zusammenarbeit mit dem Regionalversorger REMU getragen. REMU war auch für die Realisierung von zwei "Energiebilanzhäuser" zuständig. Das Photovoltaikprojekt wird von Ecofys technisch koordiniert und mit öffentlichen Mitteln der EU und NOVEM unterstützt.
Abbildung 1: Gestalterische Anforderung an die Planer war, eine Gartenstadt zu entwerfen. Auch soziale und ökologische Aspekte sollten berücksichtigt werden.
Die Anforderungen an die Siedlung waren:
- gestalterisch: Ziel war es, eine "Gartenstadt" zu entwerfen.
- sozial: Bereits in der Planungsphase wurde versucht, eine Siedlungsstruktur mit einer hohen wirtschaftlichen und demographischen Durchmischung zu konzipieren.
- ökologisch: Die ökologische Qualität der Siedlung zeichnet sich durch einen ganzheitlichen Planungsansatz aus, der Energie, Wasser, Freiraum, Verkehr, Baumaterialien und Abfall umfasst. In Nieuwland wurden für alle Bausteine Ambitionsniveaus festgelegt, die über den heutigen Stand hinausgehen.
Darüber hinaus wurden im Gestaltungsprozess der Siedlung drei Betrachtungsebenen berücksichtigt:
- Ströme: Das Umwandeln von Stromflüssen in Kreisläufe. Ziel war es, die Flüsse von Energie, Wasser, Baumaterialien, Lebensmittelproduktion, Verkehr und Abfall abzubremsen und wenn möglich umzukehren (Recycling).
- Flächen: Ziel war eine qualitativ hochwertige artifizielle Umgebung zu schaffen, unter Berücksichtigung von Kriterien wie Biodiversität, sowohl im Bezug auf Menschen (biographische Durchmischung sowohl bezogen auf Tiere als auch Pflanzen.
- Zeit: Eine ganzheitliche Betrachtung bei der Stadtplanung ist wesentlich, weil die Stadtplanung einen sehr langfristigen Einfluss auf die Möglichkeiten für die Benutzung passiver Solarenergie, solarthermischer Hausanlagen oder der Photovoltaik hat. Im Allgemeinen werden die Anwendungsmöglichkeiten für Technologien mit kurzer Lebensdauer durch langfristige Komponente beschränkt. Eine Koordination aller beteiligten Disziplinen ist hier unbedingt erforderlich, und das Nieuwland Projekt konnte nur erfolgreich durch interdisziplinäre Arbeit der Akteure realisiert werden.
Das PV-Projekt
Das erste Solarhaus wurde Ende 1998 fertiggestellt. Das gesamte PV-System wurde planungsgemäß 1999 in Betrieb genommen. Eine Monitoringperiode von zwei Jahren endet in diesem Jahr. Von den PV-Anlagen sind 289 in Privatbesitz. In diesen Fällen sind die Besitzer auch für die Wartung zuständig, wobei REMU die Wartung der Wechselrichter übernimmt. In allen anderen Fällen sind die Anlagen Eigentum von REMU, wobei REMU die Dachflächen von den Eigentümern mietet. Durchschnittlich decken die Anlagen 55% des Strombedarfes in der Siedlung ab.
Ein standardisierter Entwurf für die Elektrotechnik in den Häusern wurde entwickelt. Jede PV Anlage, also jedes Haus hat seinen eigenen Wechselrichter. Der standardisierte Entwurf enthält auch eine weitgehende Integration von Komponenten wie Wechselrichter, Schnittstellen und Monitoring-Funktionen, was zu weiteren Kostenreduktionen führt. Kleine Anpassungen am Niederspannungsnetz in Nieuwland waren für die Einbindung der PV Anlagen notwendig, um vor allem die Spannung zu Zeiten der Photovoltaikeinspeisung und während des 'normalen' Gebrauchs zwischen 207 und 242 V zu halten. Der Aufwand im Mittelspannungsnetz war höher. Die wichtigsten Anpassungen waren, dass an einigen Stellen dickere Verkabelung, mehr Verteilungsknoten und größere 10/0,4 kV Umformer installiert wurden.
Ecofys hat für die Architekten einen Planungsleitfaden entwickelt, in dem die Anforderungen bezüglich Dachneigungswinkel, Orientierung, Verschattung usw. aufgenommen wurden. Die meisten Dächer haben einen Dachneigungswinkel von etwa 20° und die PV Module sind weitestgehend in den Dachschrägen integriert. Die Laminat-Module wurden in einem Profilsystem montiert und bilden eine wasserdichte Schicht. Zwischen das Holzdach und die Profile wurde noch eine wasserdichte aber dampfoffene Folie montiert, um absolute Wasserdichte garantieren zu können. Für die Flachdächer wurde die ConSole von Econergy, eine leichte, umweltverträgliche und kostengünstige Kunststoff-Aufständerung, eingesetzt.
Abbildung 2: Aufständerung der PV-Module auf die Flachdächer. Es wurde eine leichte, um-weltverträgliche und kostengünstige Kunststoff-Aufständerung eingesetzt
Das Qualitätsüberwachungsprogramm
Für ein Projekt dieses Ausmaßes ist es unbedingt notwendig, einen Leitfaden zur Qualitäts-sicherung zu entwickeln. In dem 1,3 MW Projekt wurden verschiedene Prozeduren und Protokolle für die Qualitätsüberwachung der Gewerke in allen Phasen des Projektes entwi-ckelt. Die Verantwortung für das Qualitätsüberwachungsprogramm liegt beim Italienischen EVU ENEL und Ecofys. Das Programm besteht aus den in Tabelle 1 aufgeführten 6 Ele-menten.
Nr. | Elemente des Qualitätsüberwachungsprogramms |
1 | Type-Tests von Materialien und Komponenten |
2 | Abnahmetests von Materialien und Komponenten |
3 | Entwurfs- und Planungskontrolle |
4 | Bauüberwachung |
5 | Abnahme |
6 | Kontrolle der garantierten Erträge |
Tabelle 1: Die 6 Elemente des Qualitätsüberwachungsprogramms für das Photovoltaik Projekt in Nieuwland
Garantierte Erträge
Ein Protokoll für garantierte Erträge der PV-Anlagen wurde in die Kaufverträge mit den PV Lieferanten integriert. Die Lieferanten garantieren pro Sektor nicht nur eine bestimmte Leis-tung bei STC (Standard Test Conditions), sondern garantieren auch einen bestimmten Er-trag pro installierten Wp und Jahr.
Während eines Jahres wird pro Sektor den Energieertrag von repräsentativen Anlagen ge-messen und auf ein Referenzjahr umgerechnet. Hierzu werden die horizontalen Einstrah-lungsdaten von der naheliegenden Wetterstation in de Bilt für die Orientierung und den Nei-gungswinkel des betreffenden Sektors angepasst. Dieser normierte Jahresertrag wird dann mit dem vom Lieferanten abgegebenen garantierten Ertrag verglichen. Falls der normierte Jahresertrag niedriger ist als die abgegebene Garantie, kann eine Verrechnung stattfinden.
Eine Analyse der Daten hat ergeben, dass die Umrechnung eine Ungenauigkeit von ±6% hat. Sanktionen werden deshalb nur dann verhängt, wenn der normierte Ertrag weniger als 94% des garantierten Ertrages beträgt.
Während der Vertragsverhandlungen haben alle Lieferanten eine Ertragsgarantie abgege-ben. Auffälligerweise gab es eine Bandbreite in den von den unterschiedlichen Lieferanten abgegebenen Garantien (in kWh/kWp/Jahr) von über 20%. Die aktuellen Messungen wer-den ergeben, ob einige Lieferanten die Erträge über- bzw. unterschätzt haben.
Abbildung 3: Anlage im Teilprojekt 'Panta Rhei'. Diese 'Portalanlage' ist etwa 12 Meter lang und ist mit semitransparenten Sondermodulen (47 m2 pro Portal) bestückt. Zwischen den Zellen sind 2 cm Lücken offengelassen, damit 30% vom Sonnenlicht freien Durchgang hat. Sowohl die Dachanlagen als die Portale sind vom Energieversorger REMU. Architekturbüro Van Straalen.
Alle Anlagen sind mit einem Mess- und Visualisierungsinstrument ‚Eclipse' ausgerüstet wor-den. Der Eclipse wurde durch Ecofys entwickelt und zeigt momentane Messwerte bezüglich Solarertrag und Stromverbrauch direkt in der Wohnung an. Darüber hinaus benutzt der E-nergieversorger REMU diese Messgeräte mittels Fernübertragung zur Ertragsüberwachung und Funktionskontrolle. Einige ausgewählte Anlagen sind mit sogenannter analytischer Messtechnik ausgerüstet, mit der sehr detailliert gemessen wird. Darüber hinaus wird das Niederspannungsnetz überwacht. Die erste Messergebnisse liegen vor und die Stromerträge liegen im geplanten Rahmen (Performance Ratios im Bereich von 0,7 bis 0,8).
Abbildung 4: Mess- und Visualisierungsinstrument 'Eclipse' zur Anzeige der Messwerte (Solarertrag und Stromverbrauch) direkt in den Wohnungen und für die Fernübertragung zur Ertragsüberwachung und Funktionskontrolle.
Fazit
Die Siedlung Nieuwland zeigt, dass es gut möglich ist, Photovoltaik in größerem Stil in Siedlungen zu integrieren. Umfragen zeigen, dass die Bewohner sich in der Siedlung wohl fühlen. Eine Voraussetzung für ein erfolgreiches Projekt ist allerdings, dass alle Akteure an einem Strang ziehen, und dass das Projekt gut gemanagt wird. Auch ist ein gut durchdach-tes und gut strukturiertes Qualitätsüberwachungsprogramm für ein Projekt in dieser Grö-ßenordnung unerlässlich.
In diesem Projekt wurde gezeigt, dass das Bauteamverfahren, in dem Investoren mit Architekten und PV-Fachplanern ein Projekt gemeinsam planen und umsetzen, für solche komplexe Zusammenhänge gut funktioniert. Es gab während dieses Prozesses ein großer Know-How-Transfer. Dennoch musste festgestellt werden, dass bei vielen Akteuren, vor Allem den Handwerkern, eine ziemlich große Wissenslücke bezüglich innovativer Technologien existiert. In dem Qualitätsüberwachungsprogramm ist daher auch viel Energie für das ‚Lernen im Beruf' verwendet worden.
Das standardisierte elektrotechnische Konzept funktioniert gut. Anfangs gab es einige Probleme mit den Wechselrichtern, die eigens für dieses Projekt entwickelt wurden. Obwohl die Wechselrichter alle relevanten CE-Bedingungen erfüllten, gab es Netz-Störungen auf der Niederspannungsebene, die dazu führten, dass die Sicherheitsvorkehrungen gegen Inselbetrieb die Wechselrichter ausschalteten, obwohl Inselbetrieb nicht aufgetreten war. Die Wechselrichter sind mittlerweile von dem Hersteller angepasst worden und diese Probleme sind gelöst.
Die Installation der diffusionsoffenen Schicht unter den PV-Modulen verlief in der Baupraxis nicht ohne Schwierigkeiten. Wegen größerer Empfindlichkeit dieser Schicht war ein präzises Arbeiten bei der Installation der Photovoltaikanlagen notwendig. Wegen mangelnder Erfahrung der PV-Installateuren mit der Neubaupraxis, konnten bei der Abnahme Mängel festgestellt werden, die später zu Bauschäden geführt hätten. Dies hat gezeigt, das auf eine Baubegleitung in solchen Projekten, in denen High-Tech (PV) mit Low-Tech (Baupraxis) verbunden wird, in dieser Phase der Technologieeinführung nicht verzichtet werden kann.
Ein Standard Abnahmeformular wurde für dieses Projekt entwickelt, dass von dem Lieferanten für jede Anlage ausgefüllt werden musste. Die Fragebögen wurden von Ecofys überprüft und eine bestimmte Anzahl von willkürlich ausgewählten Anlagen wurde von Ecofys abgenommen, um die Qualität der Abnahmetests der Lieferanten zu überprüfen. Auffällig war, dass über 80% der Formulare fehlerhaft ausgefüllt wurden!
Leider liegen noch keine ausreichenden Messdaten vor, um eine belastbare Aussage über garantierten Erträgen treffen zu können.
Die Anlagen wurden für einen Turnkey-Kostpreis von etwa 6,70 Euro/Wp realisiert, was eine deutliche Verbesserung gegenüber zuvor realisierten, größeren, gebäudeintegrierten Photovoltaikprojekten bedeutet. Auch die Kosten für die Anpassung des Niederspannungsnetzes hielten sich mit 0,113 Euro/Wp in Grenzen.
Obwohl REMU viel Energie auf die Information der Bewohner verwendet hat, hat es nicht gereicht, um viele Fragen vorzubeugen. Der Hauptgrund dafür war, dass die Photovoltaik in den Niederlanden derzeit noch kein normales Bauelement ist. Eine wesentliche Rolle in der Aufklärung spielt das Visualisierungsinstrument ‚Eclipse', das durch Ecofys für dieses Projekt entwickelt wurde, und das eine direkte visuelle Rückkopplung über das Funktionieren der Anlage liefert. Eine Umfrage unter den Bewohnern hat gezeigt, dass die Mehrheit die Photovoltaik als schön empfindet und sich auch mehr solcher Projekte außerhalb ihrer eigener Siedlung wünscht.
*) Dipl.-Ing. Frank Wouters ist Geschäftsführer der Ecofys GmbH in Köln, E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]