Zeitschrift EE

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2001-03: Solare Nahwärme

Systeme mit Kurzzeitspeicher

Im Zuge der Bebauungsplanerstellung im Jahr 1996 erteilte die Stadt Aalen dem Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Gebäude und Solartechnik (STZ-EGS) den Auftrag, Varianten zur nachhaltigen Energieversorgung des Baugebiets Weiße Steige zu untersuchen. Als geeignetes Energiekonzept empfahl das STZ-EGS eine solarunterstützte Nahwärmeversorgung für das Baugebiet und die angrenzenden Bürogebäude.

Solarunterstützte Nahwärme an der Weißen Steige

Von Norbert Staup*

Mit der Umsetzung des Versorgungskonzepts wurden 1998 die Stadtwerke Aalen beauftragt. Die Erschließung und Bebauung übergab die Stadt Aalen dem Siedlungswerk Stuttgart sowie der Wohnungsbau GmbH Aalen. Mit beiden Bauträgern konnte eine Einigung auf die Umsetzung der solar unterstützten Nahwärmeversorgung erzielt werden. Damit war für die Stadtwerke Aalen der Weg frei. Im Rahmen eines Contractingmodells konnten die Stadtwerke Aalen mit den Bauherren der Bürogebäude einen langfristigen Wärmelieferungsvertrag abschließen. Im Gegenzug erhielten die Stadtwerke Aalen das dauerhafte Recht, auf der Dachfläche eines Bürogebäudes eine Solaranlage und in der Tiefgarage zwischen den Bürogebäuden eine Heizzentrale zu bauen und zu betreiben.
Parallel zur Vertragsgestaltung erteilten die Stadtwerke Aalen dem Steinbeis-Transferzentrum den Planungsauftrag und beantragten bei der EU die Aufnahme in das Thermie-Programm "Large Scale Solar Heating Systems for Housing Developements".

Energiekonzept

Durch verbesserten Wärmeschutz der Gebäude unterschreitet der Wärmeverbrauch der Wohnbebauung die Maximalwerte der damals gültigen Wärmeschutzverordnung (WSVO'95) um 25%. Die Bauherren wurden durch Festlegungen in den privatrechtlichen Grundstückskaufverträgen auf die Einhaltung des verbesserten Wärmedämmstandards verpflichtet.
Die Wärmeerzeugung erfolgt über die auf dem Dach des Bürogebäudes installierte Solaranlage und über einen Brennwertkessel. Die solare Wärme dient der Vorheizung des Fernheizwassers und kann im Sommer und in der Übergangszeit einen Großteil des Wärmebedarfs für die Warmwasserbereitung decken.
Insgesamt werden 32 Einfamilien- und Reihenhäuser sowie zwei Bürogebäude mit Wärme versorgt. Geht man von einer durchschnittlichen Belegung der Häuser mit drei Personen aus, so ergibt sich ein Gesamtwärmebedarf inklusive der Netzverluste von 745 MWh/a (siehe Tabelle 1). Bei einem jährlichen Ertrag der Solaranlage von 65 MWh ergibt sich ein solarer Deckungsgrad von ca. 9%.

  Wärmebedarf Anschlussleistung
Baugebiet 490 MWh/a 250 kW
Bürogebäude 180 MWh/a 180 kW
Netzverluste 75 MWh/a ca. 10 kW
Gesamtwärmebedarf 745 MWh/a 440 kW
Wärmeabgabe Solaranlage 65 MWh/a
Wärmeabgabe Brennwertkessel 680 MWh/a
Primärenergiebedarf (Erdgas, Ho) 748 MWh/a
Solaranteil bezogen auf den Gesamtwärmebedarf ca. 9 %
Solaranteil bezogen auf Baugebiet und Netzverluste ca. 12 %

Tabelle 1: Projektdaten des Solaren Nähwärmenetzes an der Weißen Steige in Aalen

Die Heizzentrale besteht im wesentlichen aus einem Erdgasbrennwertkessel, der Solaranlage und den Pufferspeichern. Das durch die Solaranlage erhitzte Wasser-Ethylenglykol-Gemisch wird über Steigleitungen zur Heizzentrale geleitet. Besteht eine Temperaturdifferenz zwischen dem Solarkreis und dem Solarspeicher wird kaltes Heizwasser unten aus dem Speicher entnommen, durch den Plattenwärmetauscher erhitzt und in das Wärmenetz eingespeist. Abbildung 1 zeigt das hydraulische Schaltschema der Wärmeerzeugung der Anlage.

Abbildung 1: Der Netzrücklauf geht in den 10 m³ fassenden Solarspeicher und wird dort solar erwärmt. Von dort strömt er in den Pufferspeicher (2m³). Dieser wird bei Bedarf mit einem Brennwertgerät nachgeheizt.

Ist der Durchfluss im Netz kleiner als der Massenstrom des Speicherladekreises (ca. 2,8 m³/h) wird mit dem Differenzmassenstrom der Solarspeicher geladen. Die von der Solaranlage gelieferte Wärme wird mit Hilfe eines Wärmemengenzählers im Speicherladekreis erfasst.
Der Rücklauf des Wärmeverteilnetzes ist unten in den Solarpufferspeicher eingebunden. Oben wird das solar erwärmte Wasser entnommen und durch den nachgeschalteten Kesselpufferspeicher geführt. In Abhängigkeit der Temperatur im Kesselpufferspeicher wird der Brennwertkessel dazugeschaltet.
Über ein Umschaltventil im Rücklauf des Brennwertkessels kann aus dem Solarpufferspeicher kaltes Wasser entnommen und vom Kessel aufgeheizt werden. So ist es beispielsweise möglich, an kalten Wintertagen auch das Solarpuffervolumen zur Abdeckung von Lastspitzen zu verwenden.
Die Größe der Solaranlage wurde hauptsächlich durch die zur Verfügung stehende Dachfläche begrenzt. Insgesamt konnten 16 Großflächenkollektoren mit einer Aperturfläche von 155 m² installiert werden. Die Neigung der Kollektoren beträgt 45°. Zur Befestigung konnte größtenteils eine auf dem Dach bestehende Stahlkonstruktion genutzt werden (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Die Kollektoren sind auf dem Dach eines Bürogebäudes aufgeständert und haben eine Neigung von 45°. Eine bestehende Stahlkonstruktion auf dem Dach wurde zur Befestigung genutzt

Hydraulisch sind die Kollektoren so verbunden, dass jedes Modul den vom Hersteller vorgeschriebenen Volumenstrom erhält. Auf die Gesamtfläche bezogen liegt der Volumenstrom im Solarnetz bei 14 l/hm². Der maximale Druckverlust im Kollektorfeld liegt bei ca. 250 mbar. Im Betrieb ergibt sich eine maximale Kollektorrücklauftemperatur von etwa 85°C und eine Kollektorvorlauftemperatur von bis zu 115°C .
Wärmeverteilung
Um einen optimierten Betrieb der Solaranlage und des Brennwertkessels sicher zu stellen, war es erforderlich, die Vorlauf- und Rücklauftemperaturen im Wärmeverteilnetz so niedrig wie möglich zu halten. Hier galt es, einen Kompromiss zwischen den erforderlichen Heizflächen, der Rohrdimensionen und der maximalen Netztemperatur zu finden. Die minimale Vorlauftemperatur des Netzes wird durch die Brauchwasserbereitung festgelegt und liegt bei 65°C (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Der Verlauf der Vorlauf- und Rücklauftemperaturen im Wärmenetz zeigt die unterschiedlichen Auslegungen der Temperaturen von Nahwärmenetz (Baugebiet) und Bürogebäude

Da die Wärmeverteilung für das Baugebiet und die Bürogebäude getrennt erfolgt, konnten die Vor- und Rücklauftemperaturen unterschiedlich ausgelegt werden. Das Baugebiet wird über ein Niedertemperaturnetz mit einer gleitenden Vorlauftemperatur von maximal 75°C versorgt. In Abhängigkeit der Außentemperatur sinkt die Vorlauftemperatur auf minimal 65°C ab. Die statischen Heizflächen der Bürogebäude werden direkt aus der Heizzentrale mit einer maximalen Vorlauftemperatur von 70°C versorgt.
Um den unterschiedlichen Heizkurven der Bürogebäude und des Nahwärmenetzes gerecht werden zu können, sind die drei Heizkreise mit einer Rücklaufbeimischung ausgestattet.
Sämtliche Häuser im Baugebiet haben einen separaten Hausanschluss erhalten. Die Wärmeübergabe erfolgt bei allen Häusern mittels einer kompakten Fernwärmeübergabestation in indirekter Bauweise.
Im Heizbetrieb stellt das Motordurchgangsventil den Durchfluss so ein, dass am Vorlauffühler der Sekundärseite gerade die nach der Heizkurve benötigte Temperatur erreicht wird. Der Sollwert der Temperatur wird außentemperaturabhängig vom Regler vorgegeben. Überschreitet die Temperatur am Rücklauffühler einen von der Außentemperatur abhängigen Wert, so reduziert der Regler über das Ventil den Durchfluss soweit, dass eine Auskühlung des Fernheizwassers bis auf den Sollwert stattfindet.
Wenn am oberen Speicherfühler im Warmwasserspeicher die Solltemperatur unterschritten wird, erfolgt die Brauchwasserladung im "gleitenden" Vorrang (siehe Abbildung 4). Dabei arbeiten beide Kreise solange parallel, bis am Warmwasserfühler die Solltemperatur nicht erreicht wird. Ist das der Fall, wird das Stellventil der Heizung zugefahren, bis der Warmwassersollwert wieder erzielt wird.

Abbildung 4: Die Warmwasserbereitung hat gegenüber der Heizung Vorrang, wobei beide Kreise auch parallel arbeiten können

Betriebserfahrungen

Wie bei den meisten neu erschlossenen Nahwärmegebieten stellte sich auch beim Baugebiet Weiße Steige eine deutliche verzögerte Bebauung ein. Zur Zeit sind 23 Häuser fertiggestellt, mit dem Bau von weiteren sechs Häusern soll noch dieses Jahr begonnen werden. Die ersten Bewohner sind im Frühjahr 2001 eingezogen. Insgesamt sind derzeit 12 Häuser bewohnt.
Aufgrund der geringen Netzauslastung fallen während dieser Anfangsphase die Wärmeverluste des Netzes deutlich stärker ins Gewicht. Verwertbare Betriebsergebnisse liegen deshalb noch nicht vor.

 

*) Dipl.-Ing. (FH) Norbert Saup ist Abteilungsleiter für Wäremkonzepte, Bädertechnik, Parkhäuser und neue Technologien bei den Stadtwerken Aalen, Deutschland. E.Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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