Zeitschrift EE

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2010-03: Plus-Energiegebäude

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1:Bestandsgebäude mit Vorfertigungspotential Quelle: AEE INTEC

Bis 2020 will die europäische Union 20% ihres Energieverbrauches einsparen. Anfang September 2010 kündigte die Europäische Kommission einen neuen Aktionsplan zur Energieeffizienz an. Laut EU- Kommissar Oettinger haben sich die Mitgliedsstaaten bereits darauf geeinigt, dass der Gebäudesektor den wichtigsten Beitrag leisten soll [1]. Dass ein Hauptteil der Einsparungen im Gebäudebestand erfolgen muss, darüber sind sich alle einig. Trotz vieler guter Argumente für hochwertige Sanierungen erfolgen die Umsetzungen noch immer sehr zögerlich. Sanierungsstrategien brauchen somit Unterstützung in allen Phasen von der Auswahl der Objekte über die Planung und Umsetzung bis zum Betrieb.

Entscheidungshilfe für hochwertige Sanierungen zum Plus-Energiehaus

Von Karl Höfler *

Das „Haus der Zukunft Plus“ Leitprojekt „e80^3 – Sanierung zum Plus-Energiehaus“ entwickelt exemplarische Lösungen für jede dieser Phasen, die im Projekt unmittelbar in der Praxis evaluiert werden. Übergeordnetes Ziel des Leitprojektes ist die konkrete Umsetzung der Sanierung eines 50- Jahre Wohnbaues mittels vorgefertigter Sanierungsmodule zum Plus-Energiegebäude.
Innerhalb des Leitprojektes wurde unter der Koordination der AEE INTEC das Subprojekt 1 „Grundlagenarbeiten“ erfolgreich abgeschlossen. Dabei war eines der Ziele die Auswahl einer geeigneten Wohnanlage aus einem Pool an Projekten der beiden beteiligten Wohnbauträger. Doch die Entscheidung für das optimale Objekt wurde anhand eines allgemein gültigen Kriterienkataloges getroffen. Dieser wurde im Rahmen des Projektes entwickelt und anhand der vorliegenden Projekte hinsichtlich seiner Praxistauglichkeit und Ergebnisrelevanz evaluiert.

Kriterienkatalog

Wohnungs- und Siedlungspolitik bewegt sich einerseits im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach mehr individueller Lebensqualität, dem „Haus im Grünen“ und andererseits dem Anstieg des Flächenverbrauchs für Bauland und Verkehrsflächen sowie wirtschaftlichen Aspekten andererseits. Die Notwendigkeit der (technischen) Ver- und Entsorgungsinfrastruktur, der sozialen Einrichtungen und der Mobilität sind wirtschaftliche und umweltpolitische Entscheidungskriterien. Geringe Siedlungsdichten und sehr exponierte Lagen sind aus umweltpolitischen und wirtschaftlichen Gründen zu hinterfragen. Die Frage des Standortes ist wesentlich für den Neubau, aber auch bei Betrachtung eines bestehenden Gebäude- und Immobilienparks. Kriterien des Standortes beeinflussen in positiver, wie auch in negativer Weise die Lebensqualität am Standort einer Wohnanlage. Standorte mit hoher Lebensqualität und guter Infrastruktur können auch langfristig nachhaltig entwickelt werden und sind innerhalb eines Immobilienportfolios mit einer höheren Priorität für Sanierungsmaßnahmen zu belegen. Ziel des erarbeiteten Kriterienkataloges ist nunmehr die Evaluierung des Potenzials von großvolumigen Gebäuden für die Sanierung zum „Plus-Energiegebäude“. Der Kriterienkatalog dient der Identifikation und Gewichtung aller relevanten Einflussfaktoren hinsichtlich des Gebäudes, wie Standort, Infrastruktur, Netzsysteme, bau- und haustechnischer Bestand, Energieversorgung, Nachverdichtungspotenzial,… . Weiters werden das Potenzial für die Eignung zum Plus-Energiegebäude, also die Optionen für die aktive Energieproduktion vor Ort und die Möglichkeiten und Grenzen für den Einsatz vorgefertigter Sanierungsmodule aufgezeigt. In Österreich werden für Neubau und Sanierung bereits bestehende Bewertungstools mit unterschiedlicher Zielsetzung angewendet. Grundsätzlich sind dies Bewertungstools im Rahmen der klima:aktiv Programmlinie, der ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für nachhaltige Immobilienwirtschaft) oder ÖGNB (Österreichische Gesellschaft für nachhaltiges Bauen). Diese Tools eignen sich für die Bewertung ab der Planungsphase, mit der Beurteilung des Zustandes nach Fertigstellung der Sanierung. Daher ist es möglich, dass ausgewählte Gebäude in der weiteren Planungs- und Umsetzungsphase mittels bereits bestehender Bewertungstools für die weitere Planung und Umsetzung evaluiert werden können.

Bewertungskriterien für die Art der Sanierung

Anhand von vier Bewertungskriterien wird das Sanierungspotenzial und die Art der Sanierung betrachtet und steht dem Bauherrn und -frauen als Entscheidungshilfe zur Verfügung:

Vier Kriterien zur Bewertung:

Abbildung 2: Auszug Kriterienkatalog Quelle: AEE INTEC

Abbildung 3: Bewertungskriterien Quelle: AEE INTEC

In Abschnitt 1 wird die Infrastruktur und Umgebung betrachtet. Somit können Aussagen bezüglich der zukünftigen erforderlichen und benötigten Wohnnutzung getroffen werden.
Die Abschätzung des Sanierungspotentials wie z.B. Erweiterungen, Einhausungen, Dachgeschoßausbau, bautechnisches und haustechnisches Sanierungspotential etc. erfolgt im Abschnitt 2.
Die Art der Fassaden- und Dachsanierungen (z.B. vorgefertigte Modulsysteme oder Wärmedämmverbundsystem etc.) werden anhand von möglichen Anlieferungs- und Aufstellflächen, Fassaden- und Dachtypologien etc. im Abschnitt 3 betrachtet.
Im Abschnitt 4 werden mögliche aktive Alternativsysteme wie PV, Solarkollektoren für Warmwasser und Heizung sowie die Möglichkeit einer Netzintegration von Wärme und Strom abgeschätzt.

Bei der Erstellung des Excel-Tools wurden die wesentlichen Qualitäts- und Nachhaltigkeitskriterien der TQB- und klima:aktiv-Bewertung mit einbezogen.
Download unter http://www.aee-intec.at

Abbildung 4: Diagramm Bewertung Kriterienkatalog Quelle: AEE INTEC

Zusammenfassung

Für Planer/-innen, Bauherren und -frauen, Eigentümer/-innen gibt es zurzeit noch kein Instrument, das noch vor dem Planungsbeginn eine Unterstützung in der Entscheidungsfindung bietet. Soll eine hochwertige Sanierung eines Gebäudes mit hohem Sanierungspotenzial an einem qualitativ hochwertigen Standort durchgeführt werden, oder werden nicht zukunftsfähige Objekte durch Neubauten ersetzt?
Welches Potenzial für die Sanierung zum „Plus-Energiehaus“ mit vorgefertigten Elementen hat eine bestehende Wohnanlage?
Der nunmehr zur Verfügung stehende „Kriterienkatalog für die Sanierung zum Plus-Energiegebäude“ zeigt das Potenzial auf und kann somit als Hilfestellung zur strategischen Entscheidungsfindung herangezogen werden.

Literatur:

  • [1] „Energiesparen bis 2013: Kommission kündigt neuen Aktionsplan an“; EU- Newsletter 2010-09-23; http://www.eu-umweltbuero.at

*) Dr. Karl Höfler ist Leiter der Abteilung für Energieeffiziente Gebäude bei der AEE INTEC, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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