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2002-01: OPET Netzwerk Solarthermie

OPET weltweit

In den vergangenen drei Jahrzehnten ist in Indien auf dem Gebiet der thermischen und photovoltaischen Sonnenenergienutzung umfangreiche Entwicklungsarbeit geleistet worden. Gegenwärtig verfügt das Land über ein Sortiment an Technologien und Produkten, die sich in verschiedenen Stadien von Kommerzialisierung bzw. Forschung und Entwicklung befinden. Dennoch besteht Raum für höher gesteckte Ziele, vor allem in Hinblick auf das verfügbare Potential.

Entwicklung der Solarenergie in Indien

Von Amit Kumar, Ananksha Chaurey, Mahesh Vipradas und V.V.N. Kishore*

Indien sieht sich einerseits einem schnellen Bevölkerungswachstum und andererseits den Problemen gegenüber, die aus der Industrialisierung und einer schnellen, unkontrollierten Urbanisierung erwachsen. Die schnell wachsenden Bevölkerungszahlen und die verstärkte wirtschaftliche Entwicklung des Landes haben die Infrastruktur des Landes und letztendlich auch die Umwelt stark belastet. In Anbetracht des ständig wachsenden Energiebedarfes kann die Sonnenenergie gewinnbringend genutzt werden - vor allem in den armen ländlichen Gebieten, die nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen sind.

Energieprogramme

Indien war unter den ersten Ländern, die in den siebziger Jahren ein großes Programm für erneuerbare Energietechnologien gestartet haben. Der Schwerpunkt bei der Umsetzung des Programms durch die Abteilung für unkonventionelle Energiequellen (DNES) war in den 80er Jahren die Entwicklung, Verbreitung und Demonstration verschiedener erneuerbarer Energietechnologien (RET). Das Programm wurde mit Subventionen der Regierung realisiert. Es erhielt einen bedeutenden Auftrieb, als die DNES 1992 in ein Ministerium für nicht konventionelle Energiequellen (MNES) umgewandelt wurde.
Die Indische Agentur für die Entwicklung erneuerbarer Energietechnologien (IREDA) wurde als finanzieller Zweig des MNES geschaffen. Die Gründung der IREDA, einer Institution mit solider finanzieller Basis als Kreditgeber für diesen Sektor, hatte bedeutende Auswirkungen auf die Vermarktung erneuerbarer Energietechnologien.
Der Schwerpunkt verlagerte sich von direkten finanziellen Unterstützungen in Form von Subventionen zu indirekten Anreizen wie niedrigverzinste Darlehen, reduzierte Tarife und Steuern, Finanzierungspakete für Verbraucher und rentable Einspeisetarife. Dies hat die Investitionen im privaten Sektor bei Windkraftanlagen und Photovoltaikanlagen (PV) begünstigt und auch die Hersteller von Anlagen mit erneuerbaren Energietechnologien und Vermittler von Finanzierungen dazu bewegt, auf die Bedürfnisse der Verbraucher zu reagieren.

Solare Warmwasserbereitung

Thermische Solaranlagen zur Warmwasserbereitung mit Flachkollektoren sind eines jener Produkte, die in technischer und kommerzieller Hinsicht mehr oder weniger ausgereift sind. Thermische Solaranlagen werden eingesetzt, um den Warmwasserbedarf in Hotels und Krankenhäusern usw. abzudecken. Das Titelbild dieses Artikels zeigt eine thermische Solaranlage zur Warmwasserbereitung für das Krankenhaus von Mumbai.
In der Industrie werden Solaranlagen genutzt, um das Kesselspeisewasser vorzuheizen oder den Bedarf an Prozesswärme zu decken. Außerdem ersetzen thermische Solaranlagen in den Haushalten die Durchlauferhitzer zur Warmwasserbereitstellung. In Anbetracht des in Indien herrschenden Klimas werden Solaranlagen hier, im Gegensatz zu Europa, im allgemeinen nicht zur Raumwärmeversorgung eingesetzt.
Die meisten Anlagen für Haushalte werden für einen Warmwasserbedarf von 100 bis 250 Litern pro Tag ausgelegt. Anlagen, die einen Warmwasserbedarf bis zu 2.000 Litern pro Tag abdecken, sind zumeist Thermosiphonanlagen. Größere Anlagen werden mit Zwangsumlauf ausgeführt.
In Anbetracht des umfangreichen Potentials und der Verfügbarkeit der Ressourcen gewährte das MNES verschiedene Anreize in Form von Subventionen und anderen steuerlichen Vergünstigungen zur Förderung von solaren Warmwasserbereitungsanlagen. Weiters wurden Bedingungen geschaffen, um über die IREDA und bestimmte andere Banken zinsgünstige Kredite bereitzustellen. Alle diese Bemühungen führten zu einer ständigen Vergrößerung der installierten Kollektorfläche, wie in Abbildung 1 zu sehen ist. Die gesamte installierte Kollektorfläche hat sich von 0,119 Mio. m2 im Jahr 1989 auf 0,48 Mio. m2 im Dezember 1999 (MNES, 1988-99) vergrößert.
In den letzten Jahren betrug die jährlich installierte Kollektorfläche jeweils ca. 50.000 m2.Die meisten der Anlagen stammen aus indischer Produktion. In Folge der Unterstützungsprogramme kam es vermehrt zu Firmengründungen. Gegenwärtig gibt es in Indien 48 Hersteller von solaren Warmwasseranlagen (MNES, 2000), die über das ganze Land verteilt sind, sich jedoch in den südlichen Staaten konzentrieren. Für die Zertifizierung von Flachkollektoren und solaren Warmwasseranlagen wurden Test- und Standardisierungsverfahren eingeführt.

Abbildung 1:Gesamte in Indien installierte Kollektorenfläche von 1998 bis 2000

Eine der größten solaren Warmwasserbereitungsanlagen mit einer Leistung von 240.000 Litern Warmwasser pro Tag wurde 1993 in einer Erdölförderanlage in Ujjain installiert. Das Warmwasser wird als Kesselspeisewasser verwendet. Die Anlage hat eine Kollektorfläche von 6.000 m2 Flachkollektoren (Swarup and Sharma, 1997).

Abbildung 3: Sonnenkollektoren dienen der Warmwasserbereitung in einem Schulungszentrum mit Wohnbereich und Konferenzzentrum. Das Zentrum ist unabhängig von externen Energiequellen

Solarkocher

Private Haushalte sind mit 40-50% Anteil am Gesamtenergieverbrauch der größte Energieverbraucher in Indien. Der größte Teil dieser Energiemenge wird für Kochen verwendet, in den ländlichen Haushalten liegt der Anteil sogar bei 90%.
Solarkocher wurden 1982 im Rahmen eines entsprechenden nationalen Förderprogrammes verbreitet. Einige Behörden gewährten noch zusätzliche Beihilfen für Solarkocher. 1994 wurde eine neue Strategie zur Förderung von Solarkochern eingeführt. Die Beihilfen wurden wegen der raschen Kommerzialisierung der Kocher vollständig zurückgezogen. Im Rahmen dieses neuen Programmes wurde Unterstützung bei Aktivitäten zur Vermarktung von Solarkochern gewährt.
Bis Dezember 1999 wurden ca. 0,48 Millionen Solarkocher verkauft (MNES, 1999). Gegenwärtig gibt es ca. 42 Hersteller von Solarkochern.

Solare Wasserentsalzung

In großen Salzwasserbecken wird ein spezifisches Salz-(oder Dichte-)profil künstlich erzeugt und aufrechterhalten. Die Investitionskosten sind niedrig, da die Becken aus billigen Materialien wie Lehm, Kunststoff und Salz bestehen. In trockenen Regionen sind diese Anlagen eine hervorragende Möglichkeit für die Wasserentsalzung, wenn ausreichend Brackwasser zur Verfügung steht. Zur Erhöhung der Effektivität können sie mit verschiedenen anderen Technologien wie der Mehrstufenentsalzung gekoppelt werden.
Diese Anlagen imitieren in gewisser Weise einen Teil des natürlichen Wasserkreislaufes: Das Salzwasser wird durch die Sonnenstrahlen erwärmt, so dass mehr Wasserdampf (Feuchtigkeit) erzeugt wird. Der Wasserdampf kondensiert dann auf einer kalten Oberfläche, und das Kondenswasser wird als Frischwasser gesammelt. Abgelegene kleine Dörfer, Inseln, Leuchttürme und Salinen können so mit Trinkwasser versorgt werden.

Solare Trocknung

Solar erhitzte Luft kann zur Trocknung landwirtschaftlicher Produkte eingesetzt werden. Dadurch werden Verluste nach der Ernte reduziert, die durch unkontrollierte Trocknung durch direkte Sonneneinstrahlung entstehen.
Anlagen mit insgesamt ca. 2500 m2 Kollektorenfläche wurden im Rahmen des MNES-Programmes bereits in Betrieb genommen. Sie werden vorwiegend in den südlichen Landesteilen zur Vorwärmung der Luft für die Trocknung von Tee, Gewürzen usw. eingesetzt. Der Einsatz von solaren Trocknungsanlagen hat vielerorts zu einer bedeutenden Verringerung des Feuerholzverbrauches bei der Trocknung geführt. Es wurde ebenfalls festgestellt, dass durch solare Trocknung die Qualität der Trockenprodukte stieg.
Vom Forstwirtschaftsforschungsinstitut wurden Anlagen für die Trocknung von Holz entwickelt und bereits in verschiedenen Landesteilen installiert (MNES, 2000).

Passive Sonnenenergienutzung

Für die passive Nutzung der Sonnenenergie, vor allem für die passive Raumkühlung, gibt es in Indien viele historische Beispiele. Diese Gebäude zeugen von der großzügigen Ausnutzung passiver Kühlungsmöglichkeiten wie Sonnenschutzvorrichtungen, großer Raumhöhe, großer thermisch wirksamer Masse, Querlüftung, Verdunstungskühlung und Kopplung des Fußbodens mit dem Erdreich. Die meisten der in den Jahren 1000 bis 1500 nach Christus erbauten königlichen Paläste sind hervorragende architektonische Beispiele für die passive Nutzung der Sonnenenergie.
Leh in Ladakh liegt auf 34o09'' nördlicher Breite und in einer Höhe von 3.514 m über dem Meeresspiegel im oberen Himalaja. Leh hat ein charakteristisch kaltes und sonniges Klima mit extremer Kälte (Temperaturen unter -30 °C) und starker Sonneneinstrahlung (über 320 Sonnentage pro Jahr). Auf Grund dieser Klimafaktoren wurden dort solare Heiztechnologien getestet (Abbildung 3). In diesem Gebiet kann mit geringem Kostenaufwand die Sonnenenergie genutzt werden.
Ein erster Versuch zur passiven solaren Raumheizung wurde in den frühen 80er Jahren unternommen. Das Projekt umfasste die Umrüstung von zwei Hotels mit Hilfe von Trombe-Wänden (System zur Luftvorwärmung) und Verglasungen (Gupta, 1981).

Abbildung 2: Hochschul-Komplex mit passiver Sonnenenergienutzung in Leh im Himalaja von den Architekten Arvind Krishan und Kunal Jain (Majumdar, 2001)

Abbildung 4: Gebäudeintegrierte PV-Module in einem Schulungszentrum, eine Nahaufnahme der Module befindet sich unten rechts im Bild

Prozesswärme

Die meiste thermische Energie, die in der Industrie benötigt wird, liegt im Temperaturbereich von 100 °C bis 250 °C. Das entspricht dem mittleren Temperaturbereich von thermischen Solaranlagen. Die Energie wird entweder als unter Druck stehendes Heißwasser oder als Niederdruckdampf zur Verfügung gestellt. Die Energie wird gegenwärtig vorrangig durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Steinkohle, Braunkohle und Heizöl gedeckt.
Thermische Solaranlagen könnten hier ergänzend eingesetzt werden. Schätzungsweise werden ca. 60% der in der Industrie verbrauchten Wärmeenergie für die Verarbeitung von Endprodukten eingesetzt. Selbst wenn nur 10% dieses Bedarfs durch thermische Solaranlagen gedeckt würde, käme man zu einer jährlichen Einsparung von ca. 292.400 m³ Heizöl und damit auch zu einer Verminderung des Kohlendioxidausstoßes.
Was diese Technologie betrifft, so befindet sie sich in Indien noch im Entwicklungsstadium.

Solarkraftwerke

Strom aus Solarkraftwerken kann einerseits in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden und andererseits als Inselanlage abgelegene Gebiete versorgen. Bedenkt man die Kosten für eine Ausweitung des Stromnetzes, so wäre Strom aus Solarkraftwerken mit konzentrierender Solartechnologie (Parabolspiegel, Rinnensystem) rentabler als aus dem Verbundnetz (IT Power and TERI, 1997).
1989 wurde im Solarenergiezentrum ein Solarkraftwerk mit 50 kW Leistung zu Demonstrationszwecken installiert. In Mathania, in der Nähe von Jodhpur/Rajasthan ist ein kombiniertes 140 MW-Kraftwerk geplant. Die Leistung der Solaranlage beträgt 35 MW, die restlichen 105 MW werden mit Hilfe von Rohbenzin erzeugt. Für dieses Projekt wird von der Weltbank/GEF eine Subvention von 49 Mio. US $ und von der Regierung Deutschlands ein Pauschaldarlehen von 128 Mio. Euro bereitgestellt.

Ausblick

Im Laufe der Jahre hat Indien bedeutende Schritte auf dem Gebiet der Solarenergienutzung unternommen. Dies betrifft sowohl die Entwicklung als auch die Vermarktung von Solarenergietechnologien für verschiedene Anwendungsgebiete. Allerdings könnte in Anbetracht des riesigen Potentials an Solarenergie, über das Indien verfügt, weitaus mehr getan werden.
Der gegenwärtige Trend sieht die Schwerpunkte nur bei der Finanzierung und der Marktentwicklung. Davor muss es jedoch erst einmal zu vermarktende Produkte geben. Es muss erkannt werden, dass Technologie- und Produktentwicklung genauso wichtig wie die Finanzen sind.
Es muss in großem Umfang innovative Forschung und Entwicklung betrieben werden, um dem lokalen und nationalen Bedarf gerecht zu werden. Gleichzeitig sollten Strategien und Programme klar zwischen den Anforderungen an die Entwicklung und der Förderung von großen, zentralen Systemen einerseits und von verbraucher-(oder anwender-)orientierten Produkten andererseits unterscheiden.

Literatur
Kumar, A., Chaurey, A., Vipradas, M. and Kishore, V.V.N., "Solar Energy Development in India," Chapter 8 in Advances in Solar Energy: An Annual Review of Research and Development, Editor: D.Yogi Goswami, v. 14 (2001). American Solar Energy Society (Boulder, CO) publishers (pp. 331-359)

*)Amit Kumar, Akanksha Chaurey, Mahesh Vipradas und V.V.N. Kishore sind Mitarbeiter des Tata Energiy Research Institute in Neu Delhi, Indien, TREI-OPET Indien, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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