Zeitschrift EE

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2010-03: Plus-Energiegebäude

Nachhaltige Gebäude

Abbildung 1: Ökologisches Gemeindezentrum in Ludesch (Foto: Gebhard Bertsch)

Die Neufassung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (kurz: EU-Gebäuderichtlinie) vom 19. Mai 2010 wurde im Juni 2010 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Das EU-Parlament und der Rat setzen damit einen wesentlichen Schritt zur Senkung des Energieverbrauchs im Gebäudesektor, zur Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen sowie zur Verringerung der Energieabhängigkeit und der Treibhausgasemissionen Europas.

EU-Gebäuderichtlinie - der nächste Schritt

Von Claudia Dankl und Herbert Greisberger *

Die Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie setzt wesentlich auf der bestehenden Richtlinie und den bisherigen Erfahrungen in deren Umsetzung auf, geht jedoch deutlich über diese hinaus. Ursprünglich war in der Richtlinie für Neubauten sogar von „Net Zero Energy Buildings“ die Rede. In der Endversion sind diese zu „Nearly Zero Energy Buildings“ – in der deutschen Übersetzung „Niedrigstenergiegebäude“ – geworden. Diese werden in der Richtlinie wie folgt definiert: „’Niedrigstenergiegebäude’ (bezeichnet) ein Gebäude, das eine sehr hohe Gesamtenergieeffizienz aufweist. Der sehr geringe Energiebedarf sollte zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energie aus erneuerbaren Quellen – einschließlich Energie aus erneuerbaren Quellen, die am Standort oder in der Nähe erzeugt wird – gedeckt werden.“ Die Richtlinie geht damit im Bereich der Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energieträger einen deutlichen Schritt über die bestehende Richtlinie hinaus, setzt aber auch neue Schwerpunkte.

Gesamtenergieeffizienz und Primärenergie

Für die Berechnung der Gesamtenergieeffizienz gibt die Richtlinie wie bisher nur einen Rahmen vor, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten die Mindestanforderungen festlegen. Der Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz sollte Angaben darüber enthalten, wie sich Heizung und Kühlung auf den Energiebedarf des Gebäudes sowie auf seinen Primärenergieverbrauch und seine Kohlendioxidemissionen auswirken. Neu ist insbesondere der Fokus auf den Primärenergieverbrauch. Die Primärenergiefaktoren je Energieträger können auf gewichteten nationalen oder regionalen Jahresdurchschnittswerten beruhen.

Kostenoptimales Niveau für Investitionen

Die Richtlinie sieht weiters vor, dass die Kosten für Investitionen in Verhältnis zu den über die Lebensdauer des Gebäudes eingesparten Energiekosten gesetzt werden. Hier soll ein „kostenoptimales Verhältnis“ erreicht werden. Das „kostenoptimale Niveau“ wird dahingehend erläutert, dass es während der geschätzten wirtschaftlichen Lebensdauer mit den niedrigsten Kosten verbunden ist. Für die Kostenermittlung werden energiebezogene Investitionskosten, Instandhaltungs- und Betriebskosten – inklusive allfälliger Einsparungen und Einnahmen aus der Energieerzeugung – herangezogen. Damit gewinnen Lebenszyklusbetrachtungen wesentlich an Bedeutung. Und gerade in diesem Punkt wird der nationalen Umsetzung besondere Bedeutung zukommen.

Europäische Vorgaben, nationale Umsetzung

Die Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten bis Ende Juni 2011 ein Verzeichnis bestehender und geplanter Maßnahmen und Instrumente erstellen, die der Umsetzung der Richtlinie dienen. Besondere Schwerpunkte sieht die Richtlinie auch in der Information durch verschärfte Regelungen zur Sichtbarmachung des Energieausweises sowie in Schulungs- und Sensibilisierungsprogrammen. So ist zukünftig in Verkaufs- und Vermietungsanzeigen in kommerziellen Medien der Indikator für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden bzw. Gebäudeteilen zu nennen. Bei Gebäuden, in denen mehr als 500 m² Gesamtnutzfläche behördlich genutzt werden und die starken Publikumsverkehr aufweisen, ist dafür zu sorgen, dass der Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz an gut sichtbarer Stelle angebracht wird.

Was bedeutet 2020 heute?

Auch wenn der Zeitraum für die Umsetzung der Richtlinie mit 2020 (bzw. 2018 für die öffentliche Hand) noch in weiter Ferne erscheint, besteht bereits heute Handlungsbedarf. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die technologische Weiterentwicklung von Gebäudetechnologien als auch auf Aus- und Weiterbildungsprogramme für PlanerInnen und ArchitektInnen, Installateure und andere Gewerke. Denn die Gebäuderichtlinie stellt hohe Anforderungen an die Bauwirtschaft. Wissen und Qualität in der Umsetzung werden zu entscheidenden Faktoren für den Erfolg der Richtlinie. Österreich ist hier mit den Bundesprogrammen, allen voran „Haus der Zukunft Plus“ als Forschungsprogramm und klima:aktiv als Schulungs- und Verbreitungsprogramm bereits heute aktiv. Von zumindest gleicher Relevanz sind vergleichbare Programme der Bundesländer und weiterer Stakeholder. Vor dem Hintergrund der Richtlinie sind hier sicherlich erhöhte Anstrengungen zu unternehmen. Ebenso große Dringlichkeit besteht – auch wenn die letzte Vereinbarung zwischen Bund und Bundesländer nach Artikel 15a noch in guter Erinnerung ist – hinsichtlich der rechtlichen und normativen Umsetzung der Richtlinie. Was sind Niedrigstenergiegebäude im Sinne der Richtlinie in Österreich? Welche Primärenergiefaktoren werden herangezogen? Was heißt kostenoptimal und wie erfolgt die Berechnung? Die Umsetzung der Richtlinie ist daher bereits heute zu starten. Im Sinne des Klimaschutzes und der mit der Richtlinie verbunden wirtschaftlichen Potenziale für Österreich.

Abbildung 2: Arbeiterwohnanlage Tschechenring vor der Sanierung - Künftig gilt für alle Gebäude ohne Quadratmeter-Grenze, dass bei einer umfassenden Sanierung Gesamtenergiekennwerte einzuhalten sind. (Foto: Wien Süd)

Abbildung 3: Sozialer Wohnbau Utendorfgasse in Wien. Ab Inkrafttreten der Richtlinie ist für alle neuen Gebäude der Einsatz alternativer Energieversorgungssysteme zu prüfen (Foto: Schöberl & Pöll OEG)

*) Dr. Herbert Greisberger ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik, ÖGUT, Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
DI
Claudia Dankl leitet das Kompetenzteam Bauen und Innovation in der ÖGUT; Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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