Zeitschrift EE

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2002-02: Solare Kühlung

Solare Kühlung

Im Allgemeinen gilt die solarunterstützte Klimatisierung von Gebäuden aufgrund der scheinbaren Übereinstimmung von solarem Angebot und der daraus resultierenden Kühllast als ein besonders interessantes und wirtschaftliches Aufgabengebiet.

Simulation solarunterstützter Klimasysteme

Von Uwe Franzke und Christian Seifert*

Anhand des Beispiels der Kühllastberechnung eines Hotels wird jedoch sichtbar, dass sich zumindest keine völlige Übereinstimmung ergibt, da sowohl die inneren Lasten als auch die gespeicherte Energie zu einem späteren Zeitpunkt in den Nutzungsbereich einfließt, als Gesamtstrahlung zur Verfügung steht. Eine Jahresbetrachtung des Heiz- und Kühlenergiebedarfes des Hotels zeigt aufgrund der inneren Lasten einen relativ langen Zeitraum, in dem ein Kühlenergiebedarf besteht (siehe Abbildung 1).
Zur Klärung der energetischen, aber vor allem auch der wirtschaftlichen Effizienz der solarunterstützten Klimatisierung ist daher eine detailliertere Betrachtung notwendig. Für wissenschaftliche Untersuchungen stehen dafür ausgezeichnete Softwaresysteme (z.B. TRNSYS) zur Verfügung. Für die "schnelle" Entscheidung im Planungsprozess war bisher keine geeignete Plattform gegeben. Im Rahmen der Internationalen Energieagentur (IEA) wurde daher im TASK 25 (Solar Assisted Air Conditioning of Buildings) die Erarbeitung eines Simulationswerkzeuges genau für diesen Anwenderkreis begonnen.

Abbildung 1: Verlauf des Heiz- und Kühlenergiebedarfs eines Hotelgebäudes über ein Jahr

Die Anforderungen an das Simulationssystem ergeben sich aus dem Zeitpunkt der geplanten Nutzung. Die Entscheidung über den möglichen Einsatz der solarunterstützten Klimatisierung fällt zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Projektes. Dabei sind notwendige Informationen über die konkreten Lasten und Nutzungsbedingungen in der Regel ebenso wenig verfügbar, wie die endgültigen bauphysikalischen Randbedingungen des architektonischen Entwurfs. Erschwerend kommt hinzu, dass das regelungstechnische Konzept sowie die hydraulische Verschaltung der Einzelkomponenten in diesem Planungsstadium nicht verfügbar sind. Aus den genannten Gründen ist daher nur eine Relativbewertung verschiedener Lösungsansätze unter gleichen Randbedingungen sowie eine Sensitivitätsanalyse hinsichtlich des Einflusses bestimmter Einflussparameter möglich. Das Simulationsmodell sollte daher besonders fehlerresistent und bedienerfreundlich sein.
Es müssen eine Reihe von zulässigen Vereinfachungen und verallgemeinerungsfähigen Annahmen getroffen werden, die bei der softwareseitigen Umsetzung bereits einfließen müssen. Dies betrifft sowohl die "optimale" Auslegung des Systems der solaren Energieerzeugung als auch die Vorgabe der regelungstechnischen Grundfunktionen für die Kälte- und Klimaanlagen.

Das Klimasystem

Raumlufttechnische Anlagen mit vorgegebenen Raumlufttemperaturen und Raumluftfeuchten und zu erwartenden Kühllasten und/oder Feuchtelasten werden gemäß DIN 1946 Teil 1 als Luftkühlanlagen, Luftentfeuchtungsanlagen oder Klimaanlagen ausgelegt. Sie erfordern im allgemeinen Kälteanlagen. Zum Einsatz kommen Kompressions- oder Absorptionskälteanlagen zur direkten Kühlung mit luftbeaufschlagtem Verdampfer oder zur indirekten Kühlung als Kaltwassersätze bzw. Flüssigkeitskühler. Charakteristisch ist, dass diese Kälteanlagen in ihrer Ausführung auf die Bedingungen in raumlufttechnischen Anlagen zugeschnitten sind, so dass man von einer "Klimakältetechnik" sprechen könnte.
Klimatisierung bedeutet allgemein, dass die Funktionen Heizen, Kühlen, Befeuchten, und Entfeuchten einzeln oder gemeinsam erfüllt werden. Je mehr von diesen Funktionen realisiert werden, desto stärker wird die Umweltrelevanz der Klimaanlage. Eine Anlage nur mit Heizungsfunktion könnte im günstigsten Fall mit thermischen Solarkollektoren fast ohne Umweltbelastung arbeiten. Eine Klimaanlage stellt dagegen die maximale Anzahl von kritischen Punkten dar.

Das Modell

Das Berechnungsmodell ist so strukturiert, dass die vorhandenen Rückwirkungen zwischen der raumlufttechnischen Anlage und dem Gebäude nur in einer Richtung betrachtet werden. Die aus einer Minderleistung der Anlage resultierende Veränderung der Raumlufttemperatur und damit der Last wird nur in Form der Abweichung vom Sollwert erfasst. Für die Berechnungen wird einerseits eine Lastdatei in Analogie zu Abbildung 1 benötigt. Zum anderen werden die Wetterdaten (TRY, Meteonorm) in das Programm integriert.
Der besondere Anspruch des Simulationsprogramms liegt vor allem in einer effektiven Anleitung des Nutzers zum Erstellen sinnvoller Anlagenkonfigurationen. Dies betrifft einerseits das Predesign, d.h. die Verschaltung der unterschiedlichen Komponenten. Andererseits ist speziell im Design eine umfangreiche Unterstützung bei der Auslegung der für den Klimatechniker üblicherweise unbekannten thermischen Solartechnik gegeben.

  • Um das komplexe System erfassen zu können, ist die Berechnung in drei Abschnitte geteilt:
  • Berechnung des Heiz- und Kühlenergiebedarfes der Klimaanlage
  • Berechnung der verfügbaren Heiz- und Kühlenergie
  • Berechnung der Luftzustände in der Klimaanlage und des Zuluftzustandes mit verfügbarer Heiz- und Kühlenergie

Diese Struktur ist in der Lage, bewusste "Unterdimensionierungen" der Komponenten real zu simulieren. Es kann daher die Frage beantwortet werden, wie groß und wie häufig die Abweichung des Zuluftzustandes von dessen Sollwert im Falle einer Investitionskosteneinsparung (zum Beispiel durch eine Kälteanlage kleinerer Leistung) ist.

Softwaremäßige Umsetzung

Bei der softwaremäßigen Umsetzung wurde besonderer Wert auf die Nutzerfreundlichkeit gelegt. Bei der Auswahl der Komponenten kann der Nutzer auf zwei unterschiedliche Arten zur Systemgestaltung gelangen. Beide Varianten der Systemgestaltung sind jederzeit durch einfache Umschaltung nutzbar.
Einerseits ist die freie Zusammenstellung aus Einzelsystemen ("Special Selection") möglich. Dabei wird der Nutzer nach Abschluss seiner Auswahl darüber informiert, ob diese Verschaltung softwaremäßig umgesetzt ist. Bei der Erstellung dieser Auswahl wurden etwa 640 verschiedene Kombinationen untersucht. Da für jede der ausgewählten Anlagen eine regelungstechnische Funktion für jede Stunde eines Jahres hinterlegt sein muss, bedarf es dieser Begrenzung auf getestete Verschaltungen.
Die andere Art der Systemkonfiguration besteht in der Nutzung von Standardsystemen ("Standard Selection"). Dabei wird vom Raum ausgegangen. Durch die Wahl von Kühldecken, Fan coils oder Luftsystemen werden logische Entscheidungswege eingeschlagen, die im nächsten Schritt zu den passenden klima- und kältetechnischen Anlagen führen. Im Endergebnis der Entscheidung wird dann eine solarthermische Versorgung vorgegeben.
Wie bereits bei der Modellbeschreibung erwähnt, ist die Unterstützung des ungeübten Nutzers besonders bei der Auslegung des solaren Versorgungssystems notwendig. So wurde durch die TU Graz das System der solaren Versorgung bestehend aus Kollektor, Speicher und Backup-System vereinfacht. Für den Nutzer reduziert sich so die notwendige Eingabe auf die Art, Orientierung und Größe des Kollektorfeldes sowie auf das vorgesehene Speichervolumen.

Ergebnisse

Die Umsetzung des Simulationsprogramms ist mittlerweile soweit gediehen, dass erste Berechnungsergebnisse erzielt werden können. Abbildung 2 zeigt beispielhafte Ergebnisse für eine solare Versorgung bei einem 400 m² Kollektorfeld und bei einer Vorlauftemperatur von 60 °C. Es ist der Zeitraum vom 1.Mai bis 30.September dargestellt. Als Kälteanlage wurde eine Adsorptionsanlage verwendet. Die luftseitigen Komponenten waren ein Kühler und ein Erhitzer. Es zeigt sich ein großer, aus den Kollektoren realisierbarer Ertrag. Der als Backup-System verwendete Brenner kommt deutlich seltener zum Einsatz.

Abbildung 2: Berechnungsergebnis der solaren Versorgung mit einem 400 m² Kollektorfeld und bei 60 °C Vorlauftemperatur vom 1.Mai bis 30. September

Aufbauend auf den ersten Simulationsergebnissen wurden mit den Parametern Kollektorfläche und Vorlauftemperatur verschiedene Systemsimulationen durchgeführt. Die Ergebnisse zum solaren Deckungsanteil sind in Abbildung 3 dargestellt. Als Betrachtungszeitraum wurde ebenfalls der Sommer verwendet. Im günstigsten Fall beträgt der solare Deckungsanteil 74%. Dies setzt eine Kollektorfläche von 400 m² bei einer Vorlauftemperatur von 60 °C voraus. Mit geringeren Flächen und höheren Vorlauftemperaturen sinkt der solare Deckungsanteil erwartungsgemäß auf etwa 36%.

Abbildung 3: Errechneter solarer Deckungsanteil bei verschieden großen Kollektorfeldern und verschiedenen Vorlauftemperaturen

Zusammenfassung

Das Simulationssystem für solarunterstützte Klimasysteme ist ein Expertensystem für "Nichtexperten". Damit wurde eine Lücke der Softwarewerkzeuge für die solare Klimatisierung, speziell für den planenden Ingenieur, geschlossen.
Die am IEA SHC - TASK 25 teilnehmenden Institutionen haben große Anstrengungen unternommen, um das Expertenwissen in eine für den normalen Nutzer verständliche Form umzusetzen. Dabei wurden umfangreiche Hilfen implementiert. Dies sind unter anderem die Unterstützungen bei der Systemgestaltung und die Hilfe bei der Auslegung des solaren Versorgungssystems.
Die ersten beispielhaften Rechnungen haben ermutigende Ergebnisse erbracht. Im Rahmen der weiteren Erprobung werden sowohl vom Softwareentwickler als auch von potenziellen Anwendern diverse Tests durchgeführt, um eine möglichst große Sicherheit bei der späteren Nutzung der Simulationsplattform zu garantieren.
Es ist vorgesehen, das Simulationssystem einer möglichst breiten Nutzung auf europäischer Ebene zuzuführen.

*) Prof.-Dr.-Ing. Uwe Franzke ist Prokurist und Hauptbereichsleiter Klima- und Energietechnik und
Dipl.-Ing. Christian Seifert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Institut für Luft- und Kältetechnik, Gemeinnützige Gesellschaft mbH, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! [^]

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